Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Alexandr K*****, Sergej K***** und Ibragim M***** sowie die Berufung des Angeklagten Sergej K***** wegen Schuld werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen (wegen des Ausspruchs über die Strafe) und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten Alexandr K*****, Sergej K***** und Ibragim M***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch sowie einen rechtskräftigen Schuldspruch des Dimitriy K***** enthaltenden - Urteil wurden Alexandr K***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./1./ und 2./) und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II./), Sergej K***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./2./) und Ibragim M***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./1./ und 2./) schuldig erkannt.
Danach haben am 16. August 2012 in Graz
I./ mit Gewalt gegen Oliver P***** diesem fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, durch deren Zueignung sich unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
1./ Alexandr K***** und Ibragim M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken, indem Alexandr K***** eine Hand des Oliver P***** erfasste und verdrehte und Ibragim M***** dem Oliver P***** dessen Geldtasche mit etwa 170 Euro Bargeld aus der Hand entriss;
2./ Dimitriy K*****, Sergej K*****, Alexandr K***** und Ibragim M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken, indem sie einige Minuten nach der zu Punkt 1./ geschilderten Tat den ihnen nacheilenden Oliver P***** festhielten, ihm Schläge gegen den Kopf und den Körper versetzten und Ibragim M***** dem Oliver P***** eine Schachtel Zigaretten, ein Feuerzeug und ein Mobiltelefon im Wert von ca 100 Euro aus den Hosentaschen wegnahm;
II./ Alexandr K***** Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, nämlich die E-Card und die ÖAMTC-Mitgliedskarte des Oliver P*****, durch Wegnahme und Wegwerfen unterdrückt, wobei er mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von den Angeklagten Alexandr K***** aus Z 5a und von Sergej K***** aus Z 5, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.
Der Angeklagte Ibragim M***** bezeichnete weder bei seiner Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde noch in einer schriftlichen Ausführung Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt, weshalb auf seine Beschwerde keine Rücksicht zu nehmen war (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Alexandr K*****:
Z 5a will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Indem der Rechtsmittelwerber (im Übrigen auch entgegen entsprechendem Erfordernis ohne Angabe von Fundstellen im Akt; vgl RIS-Justiz RS0117446) behauptet, Oliver P***** hätte sich „in mehrere Widersprüche verstrickt“, seine Angaben wären „nicht nachvollziehbar und denkunmöglich“, weshalb der Zeuge als nicht glaubwürdig einzustufen sei, zeigt er keine erhebliche Bedenken gegen die dem Schuldspruch zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen auf (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 491). Ebensowenig gelingt dies mit den Ausführungen zu Punkt II./ des Schuldspruchs, wonach betreffend das Wegwerfen der Urkunden ihn lediglich der Viertangeklagte belaste, aus dessen Aussage sich jedoch nicht ergäbe, wie die Dokumente überhaupt in seine Hände gekommen wären.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Sergej K*****:
Die Verantwortung des Rechtsmittelwerbers, er habe Oliver P***** lediglich deshalb einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, weil er sich vor diesem gefürchtet habe, berücksichtigten die Tatrichter entgegen dem Vorwurf der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) sehr wohl, erachteten sie jedoch für nicht glaubwürdig (US 16).
Im Hinblick auf die Begründung des erstgerichtlichen Urteils, wonach Sergej K***** dem Opfer einen Faustschlag ins Gesicht versetzte, um diesen von der weiteren Verfolgung abzuhalten (US 16), reklamiert der Angeklagte für sich Notwehr (§ 3 Abs 1 StGB) bzw entschuldigenden Notstand (§ 10 Abs 1 StGB). Dabei missachtet er jedoch die entscheidenden Feststellungen, wonach die vier Angeklagten sich entschlossen, Oliver P***** seine „Habseligkeiten“ gemeinsam mit Gewalt wegzunehmen, um sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und sie ihm in Umsetzung des Tatplans mehrere Schläge gegen Kopf und Körper versetzten, während der Angeklagte M***** die Wertgegenstände aus den Hosentaschen des Oliver P***** entnahm (US 10).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) strebt eine Beurteilung der Tat (als „minderschwer“) nach § 142 Abs 2 StGB an, verabsäumt aber jede Argumentation, weshalb vorliegend - trotz des Versetzens mehrerer Schläge gegen Kopf und Körper des Opfers, teilweise sogar mit der Faust (US 10) - keine (§ 142 Abs 2 StGB zuwiderlaufende) erhebliche Gewaltanwendung gegeben sein sollte.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die von Sergej K***** angemeldete Berufung wegen Schuld (ON 61) war zurückzuweisen, weil die Verfahrensordnung ein solches Rechtsmittel zur Anfechtung des Urteils eines Schöffengerichts nicht kennt (§§ 280, 283 Abs 1 StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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