OGH 7Ob43/13v

OGH7Ob43/13v23.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** B*****, vertreten durch Greiml & Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, gegen die beklagte Partei L*****, vertreten durch Dr. Clemens Völkl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. November 2012, GZ 1 R 213/12p‑13, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 3. Mai 2012, GZ 2 C 648/11z‑9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Parteien besteht eine Berufshaftpflichtversicherung, der die Allgemeinen Bedingungen für die Berufshaftpflichtversicherung für den Finanzdienstleister und Versicherungsvermittler 05/2007 zugrundeliegen. Sie lauten, soweit hier von Bedeutung:

„Art 3 versichertes Risiko

3.1 Berufshaftpflichtversicherung im Rahmen dieses Vertrags.

[...]

Gewerblicher Vermögensberater (§ 94 Z 75 GewO iVm § 136a GewO) inklusive der Beratung bei Aufbau, Sicherung und Erhaltung von Vermögen und Finanzierung mit Ausnahme der Anlageberatung in Bezug auf Finanzinstrumente (§ 3 Abs 2 Z 1 WAG 2007), Vermittlung von

a) Wertanlagen und Investitionen, insbesondere nach § 1 Abs 1 Z 3 KMG, ausgenommen Finanzierungsinstrumente (§ 3 Abs 2 Z 3 WAG 2007),

b) Personalkrediten und Hypothekarkrediten und Finanzierungen und

c) Lebens‑ und Unfallversicherungen

d) befugte Tätigkeiten im Sinn des § 2 Abs 1 Z 15 WAG 2007 (Finanzdienstleistungsassistent) zu den der Versicherte der VMA gemeldet wurde, unter Einhaltung der Bedingungen des § 2 Abs 1 Z 15 WAG 2007 (Finanzdienstleistungsassistent) [...]

e) befugte Tätigkeiten gemäß § 1 Z 20 WAG 2007 (gebundene Vermittler) unter Einhaltungen der Bedingungen des § 2 Abs 1 Z 15 WAG 2007.

Art 6 Versicherungsschutz, Deckungser-weiterungen und Deckungseinschränkungen sowie Ausschlüsse vom Versicherungsschutz. [...]

6.3 Ausschlüsse vom Versicherungsschutz

6.3.4 Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf Haftpflichtansprüche

6.3.4.1 im Zusammenhang mit rechtlichen oder steuerlichen Auskünften. Gedeckt bleiben jedoch Auskünfte über die grundsätzliche steuerliche Behandlung einzelner Anlage‑ und Versicherungsformen, soweit die persönlichen steuerlichen Verhältnisse des jeweiligen Mandanten nicht Gegenstand der Auskünfte sind sowie Rechtsauskünfte, die mit der Produktberatung im Versicherungsbereich und der Schadensabwicklung nach § 137 GewO notwendigerweise verbunden sind.“

Der Kläger war seit 1998 für seinen Mandanten als Vermögens‑ und Unternehmensberater tätig und „ordnete dessen Finanzen für ihn“. Seit diesem Zeitpunkt beriet der Kläger seinen Mandanten in steuerlichen Angelegenheiten, vertrat ihn gegenüber dem Finanzamt und erstellte auch sämtliche Steuererklärungen. Weiters empfahl er regelmäßig steuerlich vorteilhafte Beteiligungsmodelle. Ebenfalls über Empfehlung des Klägers, der dabei einen jährlichen Gewinn seines Mandanten von 100.000 EUR annahm, erwarb dieser 7,5 % Anteile an einem Bauherrenmodell, um die optimale jährliche Steuerersparnis zu erreichen.

Zu 7 Cg 195/09s des Landesgerichts Leoben begehrt der Mandant die Zahlung von 101.250 EUR sA Zug um Zug gegen Übertragung der 750/19.000 Anteile am Bauherrenmodell und die Feststellung der Haftung des Klägers (des dortigen Beklagten) für sämtliche zukünftige derzeit nicht bekannte Schäden in Bezug auf die Vermittlung dieser Anteile. Er stützt seine Ansprüche im Wesentlichen darauf, dass die Beratungstätigkeit des Klägers der Erlangung eines größtmöglichen Steuervorteils gedient habe. Unter diesem Gesichtspunkt habe der Kläger auch das Bauherrenmodell empfohlen. Auf Grund dieser Empfehlung habe der Mandant die Veranlagung mit 7,5 %‑Miteigentumsanteilen vorgenommen. Die Schätzung des Gewinns für das Jahr 2007 sei vom Kläger aber viel zu hoch angesetzt worden, sodass nicht der gesamte veranlagte Betrag ‑ wie geplant ‑ steuerlich abgesetzt habe werden können. Darüber hinaus habe der Kläger auch nicht darüber aufgeklärt, dass noch mindestens über den Zeitraum von 18 Jahren laufend monatliche Zahlungen zu leisten seien, welche dem Kapitalaufbau dienen sollten, um einen noch zusätzlich aufzunehmenden Kredit abdecken zu können.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, Deckungsschutz zu gewähren.

Die Beklagte wandte ein, der Versicherungsschutz sei nach Art 6.3.4.1 der Versicherungsbedingungen ausgeschlossen. Auch habe der Kläger den Schadensfall verspätet gemeldet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Im vorliegenden Fall seien Gegenstand der Auskünfte die persönlichen steuerlichen Verhältnisse des Mandanten des Klägers gewesen. Der Haftungsausschluss des Art 6.3.4.1 komme zum Tragen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Nach Punkt 6.3.4.1 der Versicherungsbedingungen ende die rechtliche und steuerliche Beratungstätigkeit eines Finanzdienstleisters dort, wo sie über den Rahmen des Allgemeinen hinausgehe und konkret auf den Einzelfall Bezug nehme. Ein Finanzdienstleister habe zwar auf die grundsätzliche steuerliche Behandlung einzelner Anlage‑ und Versicherungsformen hinzuweisen und aufzuklären. Dies dürfe jedoch nicht so weit gehen, dass sämtliche vermögensrechtliche und steuerliche Aspekte des konkreten Kunden in die Beratung einfließen. Derartige, nicht zum Aufgabenbereich eines Finanzdienstleisters gehörende Tätigkeiten würden die Gefahr in sich bergen, Schäden auf Grund mangelnder steuerlicher Fachkenntnis zu verursachen. Für eine Berufshaftpflichtversicherung hätte dies zur Folge, dass das von ihr versicherte Risiko nicht mehr berechenbar wäre. Der Kläger habe im Zuge der Beratung seines Mandanten hinsichtlich des Anlageprodukts Berechnungen in steuerlicher Hinsicht angestellt, die weit über den Umfang von allgemeinen steuerlichen Auskünften hinausgingen. Hiefür müsse die Beklagte keinen Deckungsschutz gewähren. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage des Inhalts und des Deckungsumfangs einer Berufshaftpflichtversicherung für Finanzdienstleister und Versicherungsvermittler keine oberstgerichtliche Judikatur bestehe.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Klägers mit einem Abänderungssantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Gemäß § 136a Abs 1 GewO ist der gewerbliche Vermögensberater (§ 94 Z 75) berechtigt zu

1. Beratung und Aufbau, Sicherung und Erhaltung von Vermögen und Finanzierung mit Ausnahme der Anlageberatung in Bezug auf Finanzinstrumente (§ 3 Abs 2 Z 1 WAG 2007),

2. Vermittlung von

a) Veranlagungen und Investitionen, ausgenommen Finanzinstrumente (§ 3 Abs 2 Z 3 WAG 2007)

b) Personalkrediten und Hypothekarkrediten und Finanzierungen (Vorstellen, Anbieten und andere Vorarbeiten zu Kreditverträgen sowie deren Abschließen für den Kreditgeber) und

c) Lebens‑ und Unfallversicherung.

Nach § 3 Abs 1 WTBG (Wirtschaftstreuhandberufsgesetz) ist dem zur selbstständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufs Steuerberater Berechtigten insbesondere die Beratung und Hilfeleistung auf dem Gebiete des Abgabenrechts und der Rechnungslegung (Z 1) und die Vertretung in Abgabe‑ und Abgabestrafverfahren für Bundes‑, Landes‑ und Gemeindeabgaben, in Beihilfenangelegenheiten vor den Finanzbehörden, den übrigen Gebietskörperschaften und den unabhängigen Verwaltungssenaten (Z 3) vorbehalten.

2. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach Vertragsauslegungs-grundsätzen (§§ 914 ff ABGB) auszulegen. Die Auslegung hat sich daher am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (RIS‑Justiz RS0050063). Die einzelnen Klauseln der Versicherungsbedingungen sind, wenn sie nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS‑Justiz RS0008901). In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu berücksichtigen (7 Ob 205/02a, 7 Ob 70/03z uva). Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste (7 Ob 83/04t mwN), wobei Unklarheiten im Sinne des § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders der ABGB, also des Versicherers gehen.

3. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikoabgrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikoabgrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikoabgrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt in der Regel darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und nicht kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll (Schauer in BK, Vorbem §§ 49 bis 68a VVG, Rn 7 f). Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen (RIS‑Justiz RS0080166, RS0080068).

Nach der Systematik der vorliegenden AVB wird zunächst in Art 3.1.1 die primäre Risikobeschreibung vorgenommen, dabei die versicherte Tätigkeit des Versicherungsnehmers umschrieben und die Deckung für die Tätigkeit ‑ soweit hier interessierend ‑ des gewerblichen Vermögensberaters (einschließlich der Tätigkeit des Finanzdienstleistungsassistenten) im Sinn der Gewerbeordnung geregelt.

Art 6.3 der AVB regelt die Ausschlüsse vom Versicherungsschutz. Art 6.3.4.1 legt fest, dass Auskünfte über die grundsätzliche steuerliche Behandlung einzelner Anlage‑ und Versicherungsformen, sohin allgemeine steuerliche Auskünfte vom Versicherungsschutz gedeckt sind. Steuerliche Auskünfte, soweit die persönlichen steuerlichen Verhältnisse des jeweiligen Mandanten Gegenstand der Auskünfte sind, das heißt individuelle steuerliche Auskünfte, sind hingegen vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.

4. Der Kläger argumentiert zusammengefasst, dass die Grenze zwischen einer Anlagenberatung im Allgemeinen und einer konkreten Einzelfallberatung unter Berücksichtigung steuerlicher Aspekte fließend sei, weshalb die Deckung aus der Berufshaftpflichtversicherung für die Tätigkeit des Vermögensberaters auch im letzten Fall bejaht werden müsse. Der Risikoausschluss könne letztlich nicht zur Anwendung gelangen, weil in diesem Fall die in der primären Risikoumschreibung zugestandene Deckung bei Anlageberatungen mit steuerlichem Bezug leicht unterlaufen werden könnten.

5. Ein solcher (Grenz‑)Fall, wie ihn der Kläger vor Augen hat, nämlich im Zuge der Beratung über eine Anlageform auch steuerliche Auskünfte über das zu vermittelnde Produkt zu erteilen, liegt nicht vor. Vielmehr lag der Schwerpunkt des Auftrags an den Kläger gerade nicht darin, Vermögen aufzubauen, zu sichern oder zu erhalten, sondern im Rahmen der bereits seit Jahren erfolgten steuerlichen Betreuung in der Beratung über eine konkrete Veranlagung zur Erreichung des bestmöglichen Steuervorteils unter Zugrundelegung der individuellen finanziellen und steuerlichen Verhältnisse des Mandanten des Klägers.

Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Art 6.3.4.1 AVB wollte die Beklagte aber eine solche schwerpunktmäßig steuerberatende Tätigkeit vom Versicherungsschutz ausschließen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte