Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Steyr verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael K***** jeweils mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG, teils auch nach § 13 Abs 1 FinStrG, (1) und nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (2) jeweils idF vor BGBl I 2010/104 schuldig erkannt.
Danach hat er „als abgabenrechtlicher Verantwortlicher der R*****gesellschaft mbH im Bereich des Finanzamtes Kirchdorf 1998 bis 16. Mai 2003 vorsätzlich
1. unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht für die Veranlagungsjahre 1996 bis einschließlich 2001 eine Verkürzung an Umsatz- und Kapitalertragsteuer in Höhe von insgesamt ATS 3.206.790,60 bewirkt, wobei es in Bezug auf die Umsatzsteuer 1999, 2000 und 2001 beim Versuch geblieben sei, indem er zu Unrecht Betriebsausgaben geltend machte und seine Einnahmen nicht vollständig erklärte, wodurch die oben angeführten Steuern bescheidmäßig zu niedrig festgesetzt wurden bzw werden sollten;
2. unter Verletzung der Pflicht zur Abgabe von § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen für die Monate August und September 2000 sowie Jänner bis Dezember 2002 und Jänner bis Dezember 2003 eine Verkürzung an Umsatzsteuer in Höhe von ATS 333.709 und EUR 792,68 bewirkt, indem er keine Vorauszahlungen entrichtete und die in diesem Fall einzureichende(n) Voranmeldungen nicht abgab, wobei er dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten hat.“
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zeigt zutreffend auf, dass dem Schuldspruch 1 in Ansehung einer Verkürzung von Umsatzsteuer um 908.489,72 S und nicht abgeführter Kapitalertragsteuer von 1.816.979 S (vgl US 5) die erforderliche Feststellungsgrundlage fehlt.
Denn die betreffenden Urteilskonstatierungen lassen nicht erkennen, über welches „Verrechnungskonto des Angeklagten“ bei der O*****gesellschaft mbH oder bei der R*****gesellschaft mbH oder bei beiden Gesellschaften ein „Saldo von ATS 5.405.939,41 zu Lasten der R*****gesellschaft mbH“ „ausgebucht“ wurde. Damit bleibt offen, welche abgabenrechtliche Bedeutung der vom Erstgericht gemeinte Vorgang hatte, insbesondere, ob der Angeklagte eine als Vermögensvorteil erkennbare Forderung gegen die R*****gesellschaft mbH erwarb.
Mangels entsprechenden Sachverhaltsubstrats (Z 9 lit a) bleibt überdies unklar, warum es sich bei der allfälligen „Übernahme von Verbindlichkeiten durch den Angeklagten“ „in Wahrheit um einen“ „Forderungsverzicht der O*****gesellschaft mbH“ oder „des Angeklagten gegen die O*****gesellschaft mbH“ oder um eine „verdeckte Ausschüttung“ handeln sollte, die - wie das Erstgericht unter Vermengung verschiedener Abgaben ausführt - „einkommensteuerrechtlich mit einer Umsatzsteuer von ATS 908.489,72 und einer Kapitalertragsteuer von ATS 1.816.979 steuerrechtlich vergütet werden hätte müssen“ (US 5).
Ebenso wenig nachvollziehbar ist die Annahme einer Verkürzung von Umsatzsteuer, weil keine Konstatierungen über einen steuerrechtlichen Anknüpfungstatbestand getroffen wurden.
Aufgrund dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen ist eine Aufhebung des Schuldspruchs 1 hinsichtlich einer Verkürzung von Umsatz- und Kapitalertragsteuer von (insgesamt) ATS 2.725.468,72 unvermeidlich, womit es angesichts des verbleibenden Verkürzungsbetrags an einem 75.000 Euro übersteigenden und damit Gerichtszuständigkeit bewirkenden strafbestimmenden Wertbetrag (§ 53 Abs 1 lit b FinStrG idF BGBl I 2001/59), fehlt, sodass gerichtliche Strafbarkeit insgesamt fraglich ist.
Dessen ungeachtet stellt aber auch die sachverhalts- und betragsmäßige Zusammenfassung der abgabenbehördlichen Erhebungsergebnisse in Ansehung der Verkürzung von Umsatzsteuer „für die Jahre 1996 bis einschließlich 2001 in einem Betrag von insgesamt ATS 10.538,05“ wegen zu Unrecht geltend gemachter Ausgaben für „Eigenverbrauch“ (US 4) und nicht erfolgter Umsatzsteuervoranmeldungen „für die Monate August und September 2000 sowie Jänner bis Dezember 2002 und Jänner bis Dezember 2003“ mit einer bewirkten „Verkürzung an Umsatzsteuer in Höhe von ATS 333.709 und EUR 792,68“ (US 6) keine taugliche Basis für einen Schuldspruch dar:
Selbständige Tat im materiellen Sinn ist bei Abgabenverkürzung mittels unrichtiger Jahressteuer-erklärungen die jeweilige Erklärung zu einer Steuerart, bei Hinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG das dort pönalisierte Verhalten bezogen auf einen Voranmeldungszeitraum. Im Bereich der Kapitalertragsteuer ist selbständige Tat - wie der Vollständigkeit halber angemerkt wird - jeweils das Unterlassen der Abfuhr der auf einen bestimmten Ertragszufluss bezogenen Kapitalertragsteuer (§ 96 Abs 1 EStG) unter Verletzung der korrespondierenden (§ 96 Abs 3 FinStrG) Anmeldungspflicht (RIS-Justiz RS0124712 [T4] = EvBl 2012/99, 679; Lässig in WK2 Vor FinStrG Rz 9).
Durch die im Urteil erfolgte Zusammenfassung der Hinterziehungsbeträge für mehrere Veranlagungsjahre und für mehrere Voranmeldungszeiträume werden die einzelnen Taten hingegen nicht hinreichend konkretisiert.
Infolgedessen kann auch nicht abschließend beurteilt werden, ob sich die Hinterziehung von Umsatzsteuer für das Jahr 2000 auf den Betrag von 441.666,67 S (wegen nicht [vollständig und wahrheitsgemäß] erklärter Einnahmen aus „Provisionen und Aufwandsentschädigung“; US 4) beschränkt, weshalb auch der diesbezügliche Schuldspruch - mit Blick auf den dargelegten finanzstrafrechtlichen Tatbegriff - nicht der Teilrechtskraft fähig und demnach von den übrigen Teilen des zu kassierenden Schuldspruchs nicht trennbar (im Sinn des § 289 Abs 1 StPO iVm § 195 Abs 1 FinStrG) ist (vgl Lässig in WK2 Vor FinStrG Rz 14).
Es war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - der Schuldspruch schon bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben (§ 285e StPO), womit auch der Strafausspruch keinen Bestand hat (vgl RIS-Justiz RS0101303).
Das weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde kann damit auf sich beruhen.
Im zweiten Rechtsgang wird insbesondere zu beachten sein:
Verdeckte Ausschüttungen sind Vorteile, die eine Gesellschaft ihren Gesellschaftern aus ihrem Vermögen in einer nicht als Gewinnausschüttung erkennbaren Form außer der Dividende oder sonstigen offenen Gewinnverteilung unter welcher Bezeichnung auch immer gewährt, die sie anderen Personen, die nicht ihre Gesellschafter sind, nicht oder nicht unter den gleichen günstigen Bedingungen zugestehen würde. Entscheidendes Merkmal einer verdeckten Ausschüttung ist die Zuwendung von Vermögensvorteilen, die ihrer äußeren Erscheinungsform nach nicht unmittelbar als Einkommensverteilung erkennbar sind und ihre Ursache in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen haben. Diese Ursache wird anhand eines Fremdvergleichs ermittelt (VwGH 2010/15/0018; 2008/15/0315; 2008/15/0170 uva; vgl Doralt/Ruppe, Steuerrecht I10 Rz 976 f). Verdeckte Gewinnausschüttungen sind - hier nach § 93 Abs 2 Z 1 lit a EStG idF BGBl 1996/797 - kapitalertragsteuerpflichtig, wobei die Kapitalertragsteuer (lediglich) an das Zufließen des Vermögensvorteils an den Empfänger anknüpft (§ 95 Abs 4 EStG idF BGBl 1996/201; vgl 13 Os 125/11y mwN).
Ein die verdeckte Gewinnausschüttung ausschließender Vermögensvorteil liegt vor, wenn dem Vorteil, den eine Gesellschaft dem Gesellschafter einräumt, ein Vorteil gegenübersteht, den der Gesellschafter der Gesellschaft gewährt. Voraussetzung für einen steuerlich anzuerkennenden Vorteilsausgleich ist allerdings eine eindeutige, wechselseitige Vereinbarung über den Ausgleich der gegenseitigen Vorteilszuwendungen. Diese muss bereits zum Zeitpunkt der Vorteilsgewährung vorliegen. (VwGH 96/13/0077 uva). Dabei sind Verträge zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern steuerlich nur dann anzuerkennen, wenn sie nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen klaren und eindeutigen Inhalt haben und auch zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären (VwGH 96/15/0159 uva; vgl Doralt/Ruppe, Steuerrecht I10 Rz 981; Kirchmayr in Leitner [Hrsg], Handbuch verdeckte Gewinnausschüttung, 79 ff [88 f]).
Weiters wird zu beachten sein, dass bei Verkürzung von Umsatzsteuer in Ansehung ein und desselben Veranlagungsjahres (hier: 2000) ein Schuldspruch wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (2) und § 33 Abs 1 FinStrG (1) dann nicht in Betracht kommt, wenn Letzteres nach Verwirklichung des Ersteren mit Beziehung auf den gleichen Umsatzsteuer-Verkürzungsbetrag und denselben Steuerzeitraum zumindest versucht (§ 13 FinStrG) wird, weil in diesem Fall das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG von jenem des Abs 1 des § 33 FinStrG konsumiert wird (Lässig in WK2 FinStrG § 33 Rz 18).
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