OGH 13Os125/11y

OGH13Os125/11y19.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Jänner 2012 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und Dr. Bachner-Foregger sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Potmesil als Schriftführer in der Finanzstrafsache gegen Peter R***** wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Mai 2011, GZ 122 Hv 106/09s-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihren Rechtsmitteln werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter R***** mehrerer Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien im Bereich des Finanzamts für den 6., 7. und 15. Bezirk als faktischer Geschäftsführer der O***** Gesellschaft mbH vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen (Anzeige-,) Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Verkürzung folgender Abgaben bewirkt, und zwar

(1) von für die Jahre 1988 bis 1993 nicht oder zu niedrig festgesetzter Gewerbesteuer um insgesamt (umgerechnet) 37.461,48 Euro (Tatzeitraum: 1989 bis 1994);

(2) von selbst zu berechnender Kapitalertragsteuer um insgesamt (umgerechnet) 662.291,23 Euro, deren Entrichtung in den Jahren 1988 bis 1991, 1994 und 1996 bis 1998 unterblieb.

Dagegen richtet sich die aus den Gründen der Z 4, 5, 5a sowie 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Urteil in Ansehung des Schuldspruchs 2 nicht geltend gemachte Nichtigkeit (Z 9 lit a) zum Nachteil des Angeklagten anhaftet, die von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Rechtliche Beurteilung

Den Tatbestand der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG erfüllt, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt. Bei selbst zu berechnenden Abgaben (wie etwa der Kapitalertragsteuer) ist die Verkürzung dann bewirkt, wenn sie (bis zum gesetzlich vorgesehenen Stichtag) ganz oder teilweise nicht entrichtet wurden (§ 33 Abs 3 lit b FinStrG). Der (zumindest bedingte) Vorsatz muss sich sowohl auf die Verletzung der abgabenrechtlichen Verpflichtung als auch auf die Abgabenverkürzung erstrecken.

Nach den Urteilsfeststellungen war der Beschwerdeführer (in wirtschaftlicher Betrachtungsweise) alleiniger Gesellschafter der O***** Gesellschaft mbH; seine Geschäftsanteile wurden treuhändig von anderen gehalten (US 4). In den Jahren 1988 bis 1991, 1994 und 1996 bis 1998 entnahm er dem Gesellschaftsvermögen Beträge für unternehmensfremde Zwecke. Rückzahlungsmodalitäten wurden erst nachträglich aus Anlass einer Betriebsprüfung vereinbart, aber nicht eingehalten. Zusätzlich nahm er in den Jahren 1997 und 1998 Kredite im Namen der Gesellschaft auf, verwendete die Beträge aber zur Tilgung nicht betrieblich veranlasster Schulden (US 6 f).

Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Empfänger der Kapitalerträge; zum Abzug der Kapitalertragsteuer verpflichtet ist hingegen der Schuldner der Kapitalerträge (hier: die vom Beschwerdeführer vertretene Gesellschaft), der die Steuer binnen einer Woche nach dem Zufließen der Erträge mit einer entsprechenden Anmeldung abzuführen hat (§§ 95 Abs 2 und Abs 3 Z 1, 96 Abs 1 Z 1 und Abs 2 EStG - die hier maßgebliche Rechtslage ist seit dem Tatzeitraum trotz mehrfacher Novellierungen und daraus resultierender unterschiedlicher Gesetzessystematik unverändert).

Das Erstgericht hat zum Schuldspruch 2 zwar Feststellungen zu den eine Steuerschuld auslösenden wirtschaftlichen Vorgängen und zur Höhe der an Kapitalertragsteuer verkürzten Beträge (US 6 f, 14) getroffen, nicht aber zur Verletzung der in §§ 95 f EStG normierten abgabenrechtlichen Verpflichtungen durch den Beschwerdeführer als (faktischen) Geschäftsführer der O***** Gesellschaft mbH und zur subjektiven Tatseite in Bezug auf die Tatbestandsmerkmale des § 33 Abs 1 FinStrG (vgl RIS-Justiz RS0124712 [T1]; 13 Os 46/10d; 13 Os 111/10p). Die Wiedergabe der verba legalia im Rahmen des Referats der entscheidenden Tatsachen (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) vermag dieses Konstatierungsdefizit nicht auszugleichen (RIS-Justiz RS0114639). Dies macht eine Aufhebung des davon betroffenen Schuldspruchs 2, demgemäß auch des Strafausspruchs unumgänglich.

Damit fehlt es auch an Feststellungen, welche die Annahme einer Hemmung der Verjährung der zu 1 angelasteten Taten infolge Begehung vorsätzlicher Finanzvergehen während der Verjährungsfrist (§ 31 Abs 2 und 3 FinStrG) tragen könnten. Dieses Konstatierungsdefizit macht aber die rechtliche Annahme (vgl US 17) der Beseitigung des (in tatsächlicher Hinsicht implizit festgestellten) Ausnahmesatzes der Verjährung unschlüssig (RIS-Justiz RS0122332; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 602), weshalb auch der Schuldspruch 1 infolge Rechtsfehlers (Z 9 lit b) von Amts wegen zu kassieren war.

Mit seinen Rechtsmitteln, deren Erörterung sich somit erübrigt, war der Beschwerdeführer, ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung, auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird Folgendes zu beachten sein:

Verdeckte Gewinnausschüttungen sind Vermögensvorteile (jedweder Art), die ein Gesellschafter aufgrund seiner Gesellschafterstellung ohne ordnungsgemäßen Gewinnverteilungsbeschluss bezieht (Doralt/Kirchmayr, EStG15 § 27 Rz 35; vgl auch Doralt/Ruppe, Grundriss I9 Rz 976 f; VwGH 90/14/0221; 93/14/0216 ua); sie sind (hier: gemäß § 93 Abs 2 Z 1 lit a EStG) kapitalertragsteuerpflichtig (13 Os 104/10h; VwGH 2005/14/0005 ua; Doralt/Kirchmayr, EStG15 § 93 Rz 21 Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer § 93 Rz 3). Die Kapitalertragsteuer knüpft (lediglich) an das Zufließen des Vermögensvorteils an den Empfänger an (§ 95 Abs 4 EStG; vgl VwGH 2004/14/0066; 2002/13/0229; Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer § 95 Rz 4). Der Einwand der Rechtsrüge (Z 9 lit a), Mittel aus zuvor von der Gesellschaft betrügerisch erlangten Krediten unterlägen nicht der Kapitalertragsteuer, geht somit an deren Anknüpfungstatbestand vorbei. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung Einkünfte aus strafgesetzwidrigem Tun oder Unterlassen sehr wohl Einkommensteuerpflicht auslösen können (RIS-Justiz RS0109799).

Wurde der kapitalertragsteuerpflichtige Tatbestand einmal verwirklicht, kann er grundsätzlich nicht wieder rückgängig gemacht werden (Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts I9 Rz 985; Quantschnigg, Spezielle Probleme der verdeckten Gewinnausschüttung im Steuerrecht, ÖStZ 1985, 161 ff [165]). Nach Lehre und Rechtsprechung kann aber die Annahme verdeckter Gewinnausschüttung dann ausgeschlossen sein, wenn die den Vorteil gewährende Gesellschaft diesen unmittelbar nach der Zuwendung, spätestens aber bis zum Bilanzstichtag zurückfordert, was etwa in der Bilanzierung einer entsprechenden Forderung gegen den Gesellschafter zum Ausdruck kommen kann. Ein zu bilanzierender Anspruch liegt aber nur dann vor, wenn es sich um einen Vermögenswert (der Gesellschaft) handelt, wenn er also bewertbar ist, tatsächlich betrieben wird und sich realisieren lässt (ständige Rsp des VwGH: 2007/15/0196; 2006/13/0069; 2004/15/0135; 93/14/0216 ua; Kirchmayr in Leitner [Hrsg], Handbuch verdeckte Gewinnausschüttung, 89 f). Diese Voraussetzungen vernachlässigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ebenso wie den - auf der Tatsachenebene zu klärenden - Inhalt der Vereinbarung (zwischen Gesellschaft und Beschwerdeführer) über die Gewährung der Vermögensvorteile, indem sie ausschließlich auf den Umstand der Verbuchung der inkriminierten Entnahmen auf einem Verrechnungskonto abstellt (vgl demgegenüber die eindeutigen Urteilskonstatierungen auf US 6, die gegen eine bloß darlehensweise Überlassung der Beträge und deren Rückforderung durch die Gesellschaft jeweils vor dem Bilanzstichtag sprechen).

Soweit der Beschwerdeführer - etwa im Rahmen der Verfahrensrüge (Z 4) - von ihm privat an die Gesellschaft erbrachte Leistungen (durch Einlagen in Form eines Bankkredits und eines Sparbuchs) einwendet, ist darauf zu verweisen, dass ein (der Sache nach angesprochener) so genannter Vorteilsausgleich nur in engen Grenzen in Betracht kommt. Leistung und Gegenleistung müssen nämlich in einem von vornherein feststehenden, inneren Zusammenhang stehen und bereits im Zeitpunkt der Gewährung des (kapitalertragsteuerpflichtigen) Vorteils muss eine ausdrückliche und eindeutige Vereinbarung über dessen Rückführung existieren (VwGH 2006/13/0106; 2005/14/0005; 97/14/0118 ua; Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts I9 Rz 981 mwN; Kirchmayr in Leitner [Hrsg], Handbuch verdeckte Gewinnausschüttung, 88 f). Derartiges hat der Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

§ 70 Abs 1 Z 2 ARHG sieht weder das Erfordernis einer Belehrung über den (möglichen) Entfall des Spezialitätsschutzes noch eine Schutzfrist (iS einer Mindestverweildauer im Ausland) vor. Maßgeblich sind allein das tatsächliche Verlassen und die freiwillige Rückkehr ins Inland, weil dann der Aufenthalt in diesem nicht mehr im Zusammenhang mit der ursprünglichen (unter Spezialitätsschutz stehenden) Auslieferung steht (Göth-Flemmich in WK2 ARHG § 70 Rz 17 und 19; die vom Beschwerdeführer zitierte Literaturstelle [Schwaighofer, Auslieferung und Internationales Strafrecht, 188], wonach der Verlust des Spezialitätsschutzes eine entsprechende Belehrung voraussetze, bezieht sich nur auf den - hier nicht maßgeblichen - Verlusttatbestand des § 70 Abs 1 Z 1 ARHG).

Die erschwerende Wertung der „Höhe des hinterzogenen Betrages“ (US 18) verstößt gegen das Doppelverwertungsverbot und bewirkt Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (RIS-Justiz RS0086318).

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