OGH 6Ob175/12x

OGH6Ob175/12x8.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** G*****, vertreten durch Dr. Michael Barnay, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gustav Etzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.579,02 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 16. Mai 2012, GZ 18 R 79/12i-17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 30. Jänner 2012, GZ 3 C 1780/11i-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten das Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger erwarb im Mai 2000 sieben A*****-Genussscheine. Die Beklagte war Abschluss- und Konzernprüferin für die Jahresabschlüsse 2000 bis 2008 bei der A***** AG, deren IAS-Konzernabschlüsse für die Jahre 2004 bis 2008 und der Jahres- und Konzernabschlüsse 2001 bis 2008 der A***** Gruppe AG (vormals A***** Beteiligungs AG). Die Jahres- und Konzernabschlüsse samt Bestätigungsvermerken der Beklagten wurden jeweils im Firmenbuch veröffentlicht. Bei sämtlichen Abschlüssen bis zum Jahr 2007 erteilte die Beklagte einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk, bei den Jahresabschlüssen des Jahres 2008 einen eingeschränkten.

Bei den A*****-Genussscheinen handelt es sich um ein sogenanntes Schneeballsystem (Pyramidenspiel). Bis zum Oktober 2008 kauften die A*****-Gesellschaften die Genussscheine zum jeweiligen Kurswert zurück, ab diesem Zeitpunkt nicht mehr. Im Mai 2010 wurden über die A***** AG und die A***** Gruppe AG Insolvenzverfahren eröffnet.

Mit seiner am 26. 9. 2011 bei Gericht eingelangten Klage begehrt der Kläger den Kaufpreis der Genussscheine samt Agio, hilfsweise Zug um Zug gegen Übergabe der Genussscheine. Ein weiteres Eventualbegehren lautet auf Feststellung der Haftung der Beklagten für jeden Schaden, der dem Kläger aus dem Ankauf der Genussscheine entstehe. Der Kläger wirft der Beklagten vor, sie habe bei Prüfung der Jahres- und Konzernabschlüsse zumindest grob fahrlässig gehandelt, indem sie diverse - näher angeführte - Unrichtigkeiten in den Bilanzen nicht aufgedeckt und uneingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt habe. Gegen den Geschäftsführer der Beklagten werde auch ein Strafverfahren wegen Verdachts der Bilanzfälschung geführt. Wäre die Beklagte ihrer Warnpflicht nachgekommen, hätte der Kläger keine Ankäufe getätigt und allenfalls gehaltene Genussscheine unverzüglich verkauft. Weiters hafte die Beklagte als Prospektprüfer nach dem KMG.

Die Beklagte wendete Verjährung im Hinblick auf § 275 Abs 5 UGB ein. Im Übrigen könne der Kläger nur den Vertrauensschaden fordern. Für das Feststellungsbegehren bestehe kein rechtliches Interesse. Das Verhalten der Beklagten sei nicht kausal für den Schaden des Klägers geworden. Die Beklagte habe die Bilanzen ordnungsgemäß geprüft, allfällige Mängel seien nicht erkennbar gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob § 275 Abs 5 UGB auch auf geschädigte Dritte anzuwenden sei und auch bei vorsätzlichem Handeln gelte beziehungsweise wann der (Primär-)Schaden bei einem Schneeballsystem eintrete.

In der Sache selbst vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, das Klagebegehren sei verjährt. § 275 Abs 5 UGB komme auch in Fällen einer Dritthaftung und selbst bei vorsätzlichem Handeln zur Anwendung. Die Verjährungsfrist beginne mit Eintritt des Primärschadens zu laufen, ohne dass es darauf ankomme, wann der Kläger Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt habe. Der Primärschaden des Klägers sei aber bereits mit dem Kauf der Genussscheine eingetreten. Dass der Kläger bei pflichtgemäßer Prüfung seine Genussscheine sofort wieder verkauft hätte, sei schon deshalb nicht schlüssig, weil bei früherer Aufdeckung der Markt für die A*****-Genussscheine früher zusammengebrochen wäre und dann keine Verkaufsmöglichkeit mehr bestanden hätte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt:

1. Wie der Oberste Gerichtshof mittlerweile zu 3 Ob 230/12p und in zahlreichen weiteren Entscheidungen (etwa 2 Ob 169/12k; 2 Ob 241/12y; 10 Ob 58/12w; 2 Ob 250/12x; 3 Ob 231/12k; 2 Ob 248/12b; 9 Ob 61/12d) ausgesprochen hat, ist für im Rahmen der Tätigkeit als Abschlussprüfer begründete Schadenersatzansprüche nach der Spezialnorm des § 275 Abs 5 UGB, die nicht nur gegenüber der geprüften Gesellschaft, sondern auch gegenüber Dritten anzuwenden ist, je nachdem, ob den Schadenersatzansprüchen ein fahrlässiges oder ein vorsätzliches Fehlverhalten zugrunde liegt, die fünfjährige Verjährungsfrist objektiv oder subjektiv anzuwenden.

Hier wird dem Abschlussprüfer die aktive Beteiligung an strafbaren Handlungen in Zusammenhang mit A***** und das Bestehen des Verdachts der Bilanzfälschung vorgeworfen, somit vorsätzliches Handeln, sodass von der fünfjährigen Verjährungsfrist in der subjektiven Variante auszugehen ist.

Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren diese Rechtslage sowie die Frage zu erörtern haben, ob im Hinblick darauf der Verjährungseinwand aufrecht erhalten wird und wenn ja, wann der Kläger ausreichende Kenntnis von Schaden und Schädiger, orientiert an der allgemeinen Regel für Schadenersatzansprüche nach § 1489 ABGB, erlangt hat, um die Frage der Verjährung abschließend beurteilen zu können.

2. Auf die in der Revision erstmals behauptete Haftung der Beklagten (auch) wegen einer Schutzgesetzverletzung im Sinne von § 255 AktG bzw § 159 StGB jeweils iVm § 1311 ABGB muss im Hinblick auf die dargelegte Rechtsansicht nicht mehr eingegangen werden. Dies gilt auch, soweit der Kläger § 1300 ABGB als Haftungsgrundlage mit heranziehen will.

3. Auf eine Haftung nach dem Kapitalmarktgesetz hat sich der Kläger im Berufungsverfahren nicht (mehr) gestützt; es ist ihm daher verwehrt, in dritter Instanz darauf zurückzukommen (RIS-Justiz RS0043338 [T10, T11], RS0041570 [T9]).

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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