OGH 1Ob31/13k

OGH1Ob31/13k29.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** F*****, Deutschland, vertreten durch Salpius Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen zuletzt 11.200 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. November 2012, GZ 5 R 76/12a-21, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 3. Februar 2012, GZ 51 Cg 11/11s-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 11.200 EUR samt 4 % Zinsen aus 14.000 EUR vom 25. 7. 2011 bis zum 1. 8. 2011 und 4 % Zinsen aus 11.200 EUR seit 2. 8. 2011 Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche im Liquidationsverfahren der SICAV Fonds TOP TEN MULTIFONDS mit Sitz in Luxemburg (Nr. ***** des Luxemburgischen Handelsregisters) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen der beklagten Partei zu zahlen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung von weiteren 4 % Zinsen aus 14.000 EUR vom 1. 1. 2007 bis zum 24. 7. 2011 und 4 % Zinsen aus 100,26 EUR seit 1. 8. 2011 sowie 4 % Zinseszinsen aus sämtlichen Zinsbeträgen wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.767,78 EUR (darin enthalten 880,52 EUR USt und 1.487,94 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei ist die nach dem WAG 1996 idF BGBl I 1999/62 eingerichtete Entschädigungseinrichtung. Der Kläger veranlagte 14.000 EUR bei einem Wertpapierdienstleistungsunternehmen (in der Folge: A*****), das Mitglied der beklagten Partei war. Über das Vermögen dieses Unternehmens wurde im November 2005 das Konkursverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 27. 2. 2006 meldete der Kläger seine Ansprüche auf Anlegerentschädigung bei der beklagten Partei an. Erst mit Schriftsatz vom 25. 1. 2011 legte er im gegenständlichen Prozess das Anlegerzertifikat sowie eine Kopie des Einzahlungsbelegs vor. Am 1. 8. 2011 erhielt er aus der Liquidationsmasse zweier Fonds in Luxemburg 2.800 EUR. Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz war am 23. 11. 2011.

Der Kläger begehrte zunächst 14.000 EUR, nach Einschränkung um die Zahlung aus der Liquidationsmasse der luxemburgischen Fonds 11.200 EUR samt gestaffelten Zinsen und Zinseszinsen als Anlegerentschädigung Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche „gegen die Liquidatoren in Luxemburg“. A***** habe ihm durch rechtswidrige Verfügungen über seine Investition einen Schaden in Höhe der Klagsforderung zugefügt. Er habe seine Forderung am 27. 2. 2006 bekannt gegeben. Die Höhe seiner Forderung und die Depotnummer seien aus der Anlegerliste ersichtlich gewesen. Die beklagte Partei hätte mit diesen Informationen und den zur Verfügung stehenden Unterlagen die Berechtigung der Forderung prüfen können. Diese sei daher fällig.

Die beklagte Partei wendete ein, der Kläger habe erst im Verfahren prüfungsfähige Unterlagen vorgelegt. Die eingeklagte Forderung sei nicht fällig, weil die Prüffrist mangels Vorlage von Unterlagen nicht zu laufen begonnen habe und die Fälligkeit erst drei Monate ab der Feststellung der Berechtigung der Forderung eintrete. Der Kläger habe überdies einen Anspruch gegen die Liquidationsmasse der Fonds in Luxemburg. Bei diesem Liquidationsvermögen handle es sich um ein Sondervermögen, auf das ausschließlich Anleger Zugriff hätten. Der Kläger könne auch nur auf das nach § 23c WAG 1996 gebildete Treuhandvermögen greifen. Es stehe ihm nicht zu, am Treuhandvermögen zu praktizipieren, das aufgrund einer Novellierung des WAG mit BGBl I 2009/39 auf andere Weise aufgebracht werde. Das Urteil sei daher im Fall der Klagsstattgebung auf Zahlung „bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen gemäß § 23c WAG 1996 iVm § 76 Abs 6 WAG idF BGBl I 2007/107) zu präzisieren.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es sei nicht bekannt, ob es zu einem Ausfall der Leistungen aus den luxemburgischen Fonds komme und die Beklagte eine Entschädigungspflicht treffe. Aufgrund des vorhandenen Liquidationsvermögens in Höhe von 90 Mio EUR sei mit weiteren Zahlungen an die Anleger zu rechnen. Die genaue Quote für sämtliche Anleger aus dem vorhandenen Treuhandvermögen der beklagten Partei könne nicht ermittelt werden, weil die einzelnen Forderungen erst nach vollständiger Liquidierung der luxemburgischen Fonds bestimmt werden könnten. Es könne der im WAG geregelten Sicherung von Anlegern nicht unterstellt werden, dass sie einzelne früher anmeldende Anleger auf Kosten der übrigen Geschädigten bevorzugen wolle. Nur eine quotenmäßige Verteilung des vorhandenen Treuhandvermögens ermögliche es der beklagten Partei, ihre Haftung ohne Benachteiligung einzelner Anleger abzuwickeln. Solange die quotenmäßige Verteilung mangels Kenntnis der Quote unmöglich sei, sei auch die Fälligkeit nicht gegeben.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge. Es änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass es die beklagte Partei zur Zahlung von 11.200 EUR samt 4 % Zinsen aus 14.000 EUR vom 25. 7. bis 1. 8. 2011 und 4 % Zinsen aus 11.200 EUR seit 2. 8. 2011 sowie 4 % Zinseszinsen seit 25. 7. 2011 Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche im Liquidationsverfahren der Fonds mit Sitz in Luxemburg bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen verpflichtete. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer Zinsen und Zinseszinsen wies es ab. Es ließ die ordentliche Revision zu.

In der rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, die Entschädigung nach § 23b Abs 2 WAG 1996 knüpfe nicht an deren Anmeldung im Konkurs an, sondern beruhe auf einer selbständigen Prüfung von Höhe und Berechtigung der angemeldeten Anlegerforderung durch die Entschädigungseinrichtung. Fristgerechte Anmeldungen seien unverzüglich zu prüfen. Die beklagte Partei müsse Entschädigungen binnen einer dreimonatigen Frist zahlen. Mit Ablauf dieser Auszahlungsfrist sei der Entschädigungsanspruch fällig. Der Anleger müsse aber mehr tun, als nur seine Daten bekannt geben. Der Kläger habe die zur Prüfung seines Anspruchs erforderlichen Belege erstmals am 25. 1. 2011 vorgelegt. Nach Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist von drei Monaten sei die Fälligkeit am 25. 10. 2011 (vor dem Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz) eingetreten. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Einlagensicherung handle es sich bei dem Entschädigungsanspruch eines Anlegers gegen die beklagte Partei um eine eigene, von den Sondervorschriften über die Teilnahmeansprüche im Konkurs losgelöste Forderung gegen die Sicherungseinrichtung. Der Forderungsberechtigte habe einen Rechtsanspruch auf unverzügliche Entschädigung bis zum Höchstbetrag. Die Forderung des Klägers auf Entschädigung bestehe unabhängig von einer allenfalls zu erwartenden Konkursquote aus dem Insolvenzverfahren gegen die A***** sowie einer zukünftigen Quotenzahlung aus den luxemburgischen Fonds. Regelungen über eine kridamäßige Verteilung (§ 16 Abs 2 EKHG oder § 156 Abs 3 VersVG) könnten im Fall der Anlegerentschädigung nach dem WAG, das keine derartigen Normen kenne, nicht analog angewendet werden. Es gelte daher das „Prioritätsprinzip“. Die von der beklagten Partei begehrte Einschränkung der Exekution in das „Treuhandvermögen gemäß § 23c WAG 1996 iVm § 76 Abs 6 WAG idF BGBl I 2007/107“ sei nicht in den Spruch aufzunehmen. § 76 WAG idF BGBl I 2007/107 verpflichte die Entschädigungseinrichtung, die Beitragseinhebung und die Entschädigungsauszahlungen treuhändig abzuwickeln sowie zu diesem Zweck jeweils ein Verzeichnis aller Anlegerforderungen und der zu leistenden Beiträge zu erstellen, Beiträge und Forderungen in der Bilanz sowie eine Aufstellung des Treuhandvermögens als Anhang zum Jahresabschluss auszuweisen. Rückstellungen nach § 198 Abs 8 UGB seien nicht zu bilden. Diese Bestimmung sei erstmals auf die Bilanzstichtage ab dem 31. 12. 2007 anzuwenden. Im vorangegangenen Jahresabschluss für Anlegerforderungen bilanzwirksam verbuchte gebildete Rückstellungen oder Beitragsforderungen seien im darauffolgenden Jahresabschluss nicht erfolglos aufzulösen und als Treuhandvermögen im Anhang gemäß § 76 Abs 6 auszuweisen. Danach sei die beklagte Partei über Anordnung des Gesetzgebers schon für das auf den 31. 12. 2007 folgende Geschäftsjahr verpflichtet gewesen, allenfalls bereits gebildete Rückstellungen und Beitragsforderungen bereits ins Treuhandvermögen zu überführen. Die Novellierung der Beitragseinhebung mit BGBl I 2009/39 beziehe sich nur auf die Aufbringung des Treuhandvermögens. Dem Gesetz sei nicht zu entnehmen, dass damit die Schaffung eines „neuen“, für zuvor entstandene Haftungsfälle nicht heranzuziehenden Treuhandvermögens beabsichtigt gewesen sei. Eine weitere Konkretisierung des Spruchs durch Beschränkung der Exekution auf das „alte“ Treuhandvermögen sei deshalb nicht gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, aber nur teilweise berechtigt.

1. Subsidiarität der Entschädigungsforderung:

Zur Frage, ob jene Beträge, die in den luxemburgischen Fonds noch zugunsten der geschädigten Anleger vorhanden sind, den Schaden des Klägers und damit auch den Entschädigungsanspruch gegenüber der beklagten Partei mindern, hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausführlich Stellung genommen (2 Ob 171/12d). Dabei ist er unter Berücksichtigung der Zielrichtung der einschlägigen EU-Richtlinie sowie der anzuwendenden Bestimmungen des WAG 1996 zur Auffassung gekommen, dass auch in Fällen wie dem vorliegenden die beklagte Partei den Anleger nach Anmeldung und Prüfung seiner Entschädigungsforderung ohne Berücksichtigung allfälliger zukünftiger Quotenzahlungen im Rahmen der Liquidation der luxemburgischen Fonds rasch (s auch Punkt 4.) zu entschädigen hat. Die von der Revisionswerberin behaupteten zukünftigen weiteren Auszahlungen aus der Liquidation dieser Fonds sind daher ohne Bedeutung. Die bereits erhaltene Zahlung von 2.800 EUR hat der Kläger ohnehin durch Einschränkung seines Begehrens berücksichtigt. Der vor dieser Einschränkung geltend gemachte Entschädigungsbetrag von 14.000 EUR liegt unter dem Höchstbetrag von 20.000 EUR nach § 23d Abs 2 dritter Satz WAG 1996. Die Fragen, ob die dem Anleger aus der Liquidation gezahlte Quote auf diesen gesetzlichen Höchstbetrag anzurechnen ist und nicht auf seinen Gesamtschaden, weil ihm sonst mehr als der gesetzlich garantierte Betrag ungekürzt zukäme, stellten sich nur, wenn die Forderung des geschädigten Anlegers die gesetzliche Höchstgrenze überstiege.

2. Befriedigung geschädigter Anleger nach Priorität oder kridamäßig?

Auch diese Frage hat der Oberste Gerichtshof in der bereits zitierten Entscheidung 2 Ob 171/12d ausführlich erörtert. Er lehnte eine kridamäßige Verteilung wegen Unzulänglichkeit des Haftungsfonds analog § 16 Abs 2 EKHG, § 156 Abs 3 VersVG sowie § 336 ASVG ab. Die genannten Normen beträfen durchwegs (punktuelle) Unfallereignisse (Haftpflichtfälle), typischerweise mit einem rasch überschaubaren Kreis von wenigen Geschädigten, deren Ansprüche zumindest im Groben abschätzbar seien. Bei der Anlegerentschädigung gebe es regelmäßig eine zunächst kaum überschaubare Vielzahl von Geschädigten, die aus keinem Unfallereignis, sondern einer Insolvenz resultierten. Der Gesetzgeber des WAG 2007 sei sich des Risikos nicht ausreichender Mittel der Entschädigungseinrichtung zur Entschädigung von Anlegern durchaus bewusst gewesen, habe aber dennoch gerade nicht die quotenmäßige Befriedigung eingeführt. Mangels gesetzlicher Sonderregelung gelte auch für die Zahlungspflicht der beklagten Partei das Prioritätsprinzip.

Der erkennende Senat schließt sich diesen Ausführungen an. Der Beklagte übersieht auch, dass sich aus dem WAG weder ein zeitlicher noch ein betragsmäßiger Fixpunkt ableiten ließe, der für eine Bestimmung der Verteilungsmasse einerseits und der zu berücksichtigenden Anlegerforderungen andererseits in Betracht käme. Angesichts der gesetzlichen Neuregelung über die Aufbringung des Treuhandvermögens kommen laufend Beiträge der Mitglieder hinzu. Jede weitere Insolvenz eines Mitgliedsunternehmens könnte zur Vermehrung der Anlegeransprüche führen.

3. Präzisierung des Treuhandvermögens, in das Exekution zu führen ist:

Die Revisionswerberin meint, dass „A*****-Anleger“ nur auf das nach § 23c WAG 1996 iVm § 76 Abs 6 WAG idF BGBl I 2007/107 gebildete Treuhandvermögen greifen dürfen, nicht aber auf den nach der Novelle 2009 BGBl I 2009/39, neu gebildeten Haftungsfonds. Weder aus dem (novellierten) Gesetz (vgl 1 Ob 21/13i) noch aus den Materialien ergeben sich aber Anhaltspunkte für die Annahme zweier unterschiedlicher Treuhandvermögen für unterschiedliche Zeiträume. Hätte der Gesetzgeber Derartiges im Auge gehabt, wäre dies zweifellos im Gesetzestext ausreichend klargestellt worden, insbesondere auch durch eindeutige Anordnungen zur Abgrenzung. Darüber hinaus kann dem Gesetzgeber durchaus der Wille unterstellt werden, den offenbar ursprünglich nicht ausreichend umgesetzten unionsrechtlichen Anlegerschutz nachträglich zu verbessern (vgl dazu die - auf die A*****-Geschädigten verweisende - Entschließung des Nationalrats 683 BlgNR 23. GP 1), was ebenfalls dafür spricht, auch den früher geschädigten Anlegern einen Zugriff auf das gesamte Treuhandvermögen zu ermöglichen. Das von der Revisionswerberin aufgeworfene Problem einer „Rückwirkung“ der durch die Novelle, BGBl I 2009/107, geschaffenen neuen Rechtslage hinsichtlich der Aufbringung der Beiträge zum Treuhandvermögen stellt sich nicht, geht es doch nicht um die Beitragspflicht der Mitgliedsinstitute, sondern um die Frage, ob es gerechtfertigt ist, den früher Geschädigten Zugriff nur auf einen Teil des Treuhandvermögens zu gestatten. Die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der Beitragspflicht ist für dieses Verfahren nicht präjudiziell. Grundsätzlich kann der Gesetzgeber auch eine nachträgliche Aufstockung des Haftungsfonds anordnen, ohne mit § 5 ABGB in Konflikt zu geraten. Damit stellt sich die Frage nach einer „Präzisierung“ des als Haftungsfonds zur Verfügung stehenden Treuhandvermögens nicht. Dass der Kläger stets nur einen Zuspruch anstrebte, mit dem er auf die Exekution in das Treuhandvermögen anstrebte, ist im Übrigen in keiner Weise zweifelhaft (vgl 9 Ob 50/09g; vgl 7 Ob 165/10f).

4. Länge der Prüffrist:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0126982) beruht die Feststellung der Forderung gemäß § 23b Abs 2 und § 23c Abs 4 WAG 1996 auf einer selbständigen Prüfung von Höhe und Berechtigung der angemeldeten Anlegerforderung durch die Entschädigungseinrichtung. Fristgerechte Anmeldungen sind jedenfalls unverzüglich zu prüfen und gegebenenfalls Entschädigungen binnen der für jede Forderung jeweils neu laufenden Dreimonatsfrist auszuzahlen. Je nach Komplexität des Sachverhalts zur Feststellung der Forderung wird der Entschädigungseinrichtung daher eine angemessene Prüfungszeit zuzubilligen sein. Die Überschreitung eines Prüfungszeitraums von sechs Monaten wird aber nur in besonderen Fällen gerechtfertigt sein, weil die Anlegerentschädigungseinrichtung ohne ungebührliche Verzögerung zu entschädigen hat. Der Entschädigungsanspruch des Anlegers ist daher grundsätzlich mit Ablauf der Auszahlungsfrist fällig. Für die Legitimierung des Anlegers nach § 23b Abs 2 Satz 3 WAG 1996 reicht es nicht aus, auf einer Liste von Geschädigten mit Namen und Adressen lediglich eine Depotnummer und die Höhe der gestellten Forderung anzugeben (RIS-Justiz RS0126982 [T4]).

Die Revisionswerberin verweist zu diesem Thema auf die Entscheidung 6 Ob 94/12k. Darin hat der Oberste Gerichtshof zwar ausgesprochen, dass die Fälligkeit der Forderung des Anlegers gegenüber der beklagten Partei nach Ablauf von neun Monaten nach Anmeldung der ausreichend nachgewiesenen Forderung eintrete (Sechsmonatsfrist für die Feststellung + Dreimonatsfrist für die Auszahlung). Es ist aber unverständlich, wieso die beklagte Partei aus dieser Entscheidung die mangelnde Fälligkeit der eingeklagten Entschädigungsforderung im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz ableitet. Der Kläger legte die zur ausreichenden Prüfung notwendigen Urkunden (Anlegerzertifikat und Einzahlungsbeleg) am 25. 1. 2011 vor. Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 23. 11. 2011 wären die in der zitierten Entscheidung geforderten neun Monate bereits abgelaufen gewesen.

Die vom Berufungsgericht für angemessen erachtete Prüffrist von drei Monaten ist aber ohnehin nicht zu kurz bemessen, wie der Oberste Gerichtshof in einem durchaus vergleichbaren Fall bereits ausgesprochen hat (2 Ob 171/12d). Auch hier umfassen die fehlenden Urkunden (vorgelegt als Beilage ./B und ./C) jeweils nur eine Seite und erforderten für sich allein eine Prüfzeit von wenigen Minuten. Das Berufungsgericht hat daher zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO) den Zeitpunkt der Fälligkeit der eingeklagten Forderung mit 25. 7. 2011 festgesetzt.

5. Zum Zuspruch von Zinseszinsen:

Nach § 1000 Abs 2 erster Satz ABGB kann der Gläubiger einer Geldforderung Zinseszinsen verlangen, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben. Das Vorliegen einer derartigen Vereinbarung wurde nie behauptet. Nach dem zweiten Satz der zitierten Bestimmung ist der Gläubiger berechtigt, Zinseszinsen vom Tag der Streitanhängigkeit (der Zustellung der Klage: RIS-Justiz RS0083307; Binder in Schwimann, ABGB³ § 1000 ABGB Rz 25 mwN; Griss in KBB³ § 1000 ABGB Rz 4) anzufordern, wenn er fällige Zinsen eingeklagt hat. Wie der Revisionswerber zutreffend aufzeigt, wurde die eingeklagte Entschädigungsforderung erst während des Verfahrens erster Instanz am 25. 7. 2011 fällig. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte der Anspruch des Klägers auf Zahlung der gesetzlichen Verzugszinsen überhaupt entstehen. Die begehrten Zinseszinsen aus den erst nach der Klagszustellung fällig gewordenen Zinsen sind daher nicht zuzusprechen (4 Ob 84/97z; vgl Lukits, Zinsenberechnung im österreichischen Zivilrecht, ÖJZ 2011/32, 293 [296]). In diesem Sinn sind die Entscheidungen der Vorinstanzen abzuändern.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich für das erstinstanzliche Verfahren auf § 43 Abs 2 erster Satz ZPO, für das Rechtsmittelverfahren zusätzlich auf § 50 Abs 1 ZPO. An den Zusprüchen der zweiten Instanz ändert sich nichts.

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