OGH 1Ob21/13i

OGH1Ob21/13i29.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm. W***** K*****, vertreten durch Salpius Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH, Wien 4, Rainergasse 31/8, vertreten durch Preslmayr Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 20.000 EUR sA, über die Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. Oktober 2012, GZ 15 R 110/12z‑22, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 7. Februar 2012, GZ 55 Cg 54/11v‑16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 601,06 EUR (darin enthalten 100,18 EUR USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger veranlagte im November 2000 einen Betrag von 800.000 S aus einer erhaltenen Abfertigung bei einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten (im Folgenden: AMIS). Er hatte ein Depot, das auf ihn und seine Ehefrau lautete. Diese hat ihm allfällige eigene Ansprüche gegen die Beklagte abgetreten. AMIS veranlagte die Gelder ihrer Kunden überwiegend in zwei luxemburgische SICAV‑Fonds, verringerte das Fondsvermögen in der Folge allerdings durch rechtswidrige Entnahmen. Der Kläger erhielt von 2001 bis 2004 Auszahlungen von jährlich 60.000 S. Der Saldo aus seinen Einzahlungen und den erhaltenen Auszahlungen beträgt 36.336,42 EUR. Am 4. 3. 2004 erfolgte die Suspendierung der Rückkäufe und Zeichnungen für beide Fonds in Luxemburg. Ab diesem Zeitpunkt war weder eine Rücknahme noch eine Ausgabe von Anteilen der beiden Fonds möglich. Das Fondsvermögen reichte zur Rückzahlung aller Anlegergelder nicht aus. Im November 2005 wurde über das Vermögen von AMIS der Konkurs eröffnet. Danach erhielt der Kläger von den Liquidatoren der Luxemburger Fonds 7.268,28 EUR, das sind 20 % des Saldos aus den Ein‑ und Auszahlungen. Am 27. 2. 2006 gab der Kläger seine Ansprüche gegenüber der Beklagten bekannt. Erst am 14. 2. 2011 übermittelte er sein Anlegerzertifikat und seinen Einzahlungsbeleg an die Beklagte.

Der Kläger begehrte nun von der Beklagten 20.000 EUR samt Zinsen als Anlegerentschädigung Zug um Zug gegen Übertragung seiner Forderungen im Zusammenhang mit dem Konkursfall AMIS gegen die Liquidationsmasse der SICAV‑Fonds, die Republik Österreich, eine Wirtschaftsprüfungs GmbH sowie eine deutsche Bank. Durch die rechtswidrigen Verfügungen von AMIS über den vom Kläger veranlagten Betrag sei ihm ein die Klageforderung übersteigender Schaden entstanden. Die Beklagte bestreite zu Unrecht ihre Zahlungspflicht.

Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dem Kläger sei insoweit kein Schaden entstanden, als Deckung durch das vorhandene Liquidationsvermögen in Luxemburg bestehe; der Kläger habe bei der Schadensberechnung das in Abzug zu bringen, was er aus Luxemburg erhalten werde. Der Kläger könne auch nur auf das nach § 23c WAG 1996 gebildete Treuhandvermögen greifen. Es stehe ihm nicht zu, auch an jenem Treuhandvermögen zu partizipieren, das aufgrund einer Novellierung des WAG im Jahr 2009 nun auf andere Weise aufgebracht werde. Allfällige Ansprüche des Klägers seien jedenfalls nicht fällig, weil der Beklagten keine angemessene Frist zur Prüfung der angemeldeten Ansprüche zur Verfügung gestanden sei. Das Treuhandvermögen der Beklagten reiche zur Befriedigung aller Anlegerforderungen auch nicht aus; der Kläger könne daher keineswegs volle Zahlung, sondern lediglich den ihm nach quotenmäßiger (kridamäßiger) Verteilung zustehenden Anteil verlangen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Ausmaß von 16.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 11. 2011 statt und wies das Mehrbegehren von weiteren 4.000 EUR samt Zinsen sowie das Zinsenmehrbegehren ab. Gemäß § 23b Abs 2 WAG 1996 in der anzuwendenden Fassung habe die Entschädigungseinrichtung zu gewährleisten, dass Forderungen eines Anlegers aus Wertpapierdienstleistungen bis zum Höchstbetrag von 20.000 EUR innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden. Der Oberste Gerichtshof habe bereits für gleichartige Ansprüche die Haftung der Beklagten dem Grund nach ausgesprochen. Dabei sei die unverzügliche Entschädigung bis zum normierten Betrag zu gewährleisten, wobei allerdings die Forderung des Einlegers unabhängig davon, ob sie vor oder nach Quotenausschüttung im Konkursverfahren geltend gemacht wird, gleich hoch sein müsse. Der Kläger könne aber jedenfalls unabhängig davon, ob er noch mit zukünftigen Zahlungen zu rechnen hat, Entschädigung fordern. Im Hinblick auf die zitierte Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Einlagensicherung seien dabei bereits erhaltene Zahlungen jedoch in dem prozentuellen Verhältnis in Abzug zu bringen, in dem die Geschädigten bereits tatsächlich Zahlungen erhalten haben. Dies stehe auch im Einklang mit Art 4 Abs 1 der RL 97/9/EG , wonach eine Deckung von mindestens 20.000 ECU je Anleger gewährt werden solle. Die Forderung sei auch fällig, lägen die Urkunden der Beklagten doch seit 14. 2. 2011 vor. Unter Berücksichtigung einer angemessenen Prüffrist könne der Kläger daher seit 15. 11. 2011 Zinsen verlangen, nicht aber für davor liegende Zeiträume. Die Beklagte sei „bei sonstiger Exekution in das Treuhandvermögen“ zur Zahlung zu verpflichten. Eine weitere Einschränkung auf ein bestimmtes Treuhandvermögen oder gar eine Kürzung des Anspruchs, weil ein bestimmtes Treuhandvermögen zur Bezahlung der Ansprüche nicht ausreicht, sei damit nicht vereinbar. Da der Kläger bereits 20 % der Differenz zwischen Ein‑ und Auszahlungen aus dem Fondsvermögen erhalten habe, sei dieser Prozentsatz auch von dem Haftungshöchstbetrag von 20.000 EUR in Abzug zu bringen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Die Fälligkeit des Entschädigungsanspruchs bestimme sich nach der erstmaligen Vorlage der prüffähigen Urkunden an die Beklagte am 14. 2. 2011. In Anbetracht einer Prüffrist von 6 Monaten und der Auszahlungsfrist von weiteren drei Monaten sei das Erstgericht zutreffend von einem Fälligkeitstermin am 15. 11. 2011 ausgegangen. Eventuell noch zu erwartende Zahlungen aus dem Fondsvermögen hätten auf die Entschädigungspflicht der Beklagten keinen Einfluss, sofern diese ‑ so wie hier ‑ quotenmäßige Auszahlungen aus dem von dem „den Entschädigungsfall bildenden“ Mitgliedsunternehmen konzessionswidrig (mittelbar) gehaltenen Vermögen darstellten. Das Vorhandensein eines Liquidationsvermögens ändere nichts daran, dass die in § 23b Abs 3 WAG normierte Voraussetzung für die Entschädigung vorliege. Ob der Kläger noch eine weitere (aliquote) Auszahlung aus dem Liquidationsvermögen zu erhalten habe, habe auf die Entschädigungspflicht der Beklagten keinen Einfluss. Sehr wohl seien allerdings bereits aus dem Fondsvermögen erhaltene Auszahlungen zu berücksichtigen. Entsprechend der zu § 93 Abs 2 BWG entwickelten Rechtsprechung sei auch im vorliegenden Fall eine prozentuelle Kürzung der Entschädigungssumme vorzunehmen. Da der Kläger aus dem Liquidationsverfahren in Luxemburg einen Anteil von 20 % des Saldos aus seinen Ein‑ und Auszahlungen erhalten habe, verbleibe ein Anspruch auf eine Restquote von 80 %. Damit sei auch der Anspruch gegen die Beklagte auf 16.000 EUR zu kürzen. Unberechtigt sei die Forderung der Beklagten nach einer Präzisierung des Treuhandvermögens, in das der Zuspruch zu vollstrecken sei. Dass der Gesetzgeber mit der Novellierung der Beitragspflicht der Mitglieder die Schaffung eines „neuen“ Treuhandvermögens intendiert hätte, das für davor entstandene Haftungsfälle nicht herangezogen werden dürfe, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Ebensowenig komme eine verhältnismäßige Kürzung der Anlegerforderungen wegen Unzulänglichkeit des Treuhandvermögens in Betracht. Das WAG enthalte keine Vorschriften, die den Bestimmungen des § 16 Abs 2 EKHG oder § 156 Abs 3 VersVG entsprechen. Für eine analoge Anwendung dieser Bestimmungen bestehe keine Veranlassung, zumal die Beklagte selbst nicht angebe, auf Basis welcher gesetzlicher Bestimmung diese kridamäßige Verteilung erfolgen solle. Für eine verhältnismäßige Kürzung von Forderungsrechten fehle die Analogiegrundlage bzw eine vom Gesetzgeber übersehene, „planwidrige“ Regelungslücke. Ein allgemeines Prinzip, in Fällen von Forderungsrechten Forderungen nur quotenmäßig zu befriedigen, sei der österreichischen Rechtsordnung fremd. Soweit die Beklagte „aus anwaltlicher Vorsicht“ auch das Fehlen der Aktivlegitimation des Klägers rüge, sei auf die unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts zu verweisen, nach denen seine Ehefrau ihm ihre Ansprüche abgetreten habe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobenen Revisionen beider Parteien sind zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zur Revision der Beklagten:

Zur Frage, ob jene Beträge, die in den luxemburgischen Fonds noch zugunsten des Klägers vorhanden sind, seinen Schaden ‑ und damit gegebenenfalls auch den Entschädigungsanspruch gegenüber der Beklagten ‑ mindern, hat der Oberste Gerichtshof jüngst bereits ausführlich Stellung genommen (2 Ob 171/12d). Dabei ist er unter Berücksichtigung der Zielrichtung der einschlägigen EU‑Richtlinie sowie der anzuwendenden Bestimmungen des WAG 1996 zur Auffassung gekommen, dass auch in Fällen wie dem vorliegenden eine (rasche) Entschädigung des Anlegers zu erfolgen hat. Dieser ist nicht nur insofern geschädigt, als das Mitgliedsunternehmen der Beklagten Anlegergelder rechtswidrig an sich gebracht hat, sondern auch insoweit als das „indirekte Halten“ von Geldern oder Finanzinstrumenten des Anlegers durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen dazu geführt hat, dass der Anleger ‑ für einen längeren Zeitraum ‑ keinen Zugriff auf sein Vermögen hat. Nach den getroffenen Feststellungen hat das konzessions‑ und gesetzwidrige Verhalten der Organe von AMIS bewirkt, dass im Jahr 2004 die Suspendierung der Rückkäufe und Zeichnungen für die beiden Fonds in Luxemburg erfolgte und der Kläger ab diesem Zeitpunkt keinen Zugriff auf seine Vermögenswerte mehr hatte. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung über das Vermögen von AMIS im Jahr 2005 ein Geldanspruch des Klägers in Höhe der Differenz zwischen seinen Ein‑ und den erhaltenen Auszahlungen von 36.336,42 EUR bestand. Damit wäre die Beklagte zur Leistung eines Entschädigungsbetrags in Höhe von 20.000 EUR verpflichtet gewesen (§ 23b Abs 2 Satz 3 WAG 1996).

Aber auch die übrigen Argumente der Beklagten sind unberechtigt:

Mangels gesetzlicher Sonderregelung gilt auch für die Zahlungspflichten der Beklagten das Prioritätsprinzip (ausführlich dazu schon 2 Ob 171/12d), weshalb dem Einwand, es habe zu einer kridamäßigen Verteilung wegen Unzulänglichkeit des Haftungsfonds zu kommen, nicht zu folgen ist. Die Beklagte übersieht offenbar auch, dass sich aus dem Gesetz weder ein zeitlicher noch ein betragsmäßiger Fixpunkt ableiten ließe, der für eine Bestimmung der Verteilungsmasse einerseits und der zu berücksichtigenden Anlegerforderungen andererseits in Betracht käme. Angesichts der gesetzlichen Neuregelung über die Aufbringung des Treuhandvermögens kommen laufend Beiträge der Mitglieder hinzu. Andererseits kann jede weitere Insolvenz eines Mitgliedsunternehmens zur Vermehrung der Anlegeransprüche führen.

Darüber hinaus vermag die Revision die Auffassung der Vorinstanzen, dass lediglich ein (einheitliches) Treuhandvermögen existiert, das nicht auf Entschädigungsfälle vor bzw nach der Novelle 2009 des WAG 2007 aufzuteilen ist, nicht zu widerlegen. Weder aus dem (novellierten) Gesetz noch aus den Materialien ergeben sich Anhaltspunkte für die Annahme zweier unterschiedlicher Treuhandvermögen für verschiedene Zeiträume. Hätte der Gesetzgeber Derartiges im Auge gehabt, wäre dies zweifellos im Gesetzestext ausreichend klargestellt worden, insbesondere auch durch eindeutige Anordnungen zur Abgrenzung. Weder in den Bestimmungen über die Aufbringung des treuhändig zu verwaltenden „Sondervermögens“ (§ 76 Abs 1c und 1d WAG 2007) noch in der Rechnungslegungsvorschrift des § 76 Abs 6 WAG über das „Treuhandvermögen“ wird eine (zeitlich abgegrenzte) Teilung auch nur angedeutet. Gleiches gilt für die Übergangsbestimmungen (vgl § 103 Z 9 WAG 2007). Darüber hinaus kann dem Gesetzgeber durchaus der Wille unterstellt werden, den offenbar ursprünglich nicht ausreichend effektiv umgesetzten unionsrechtlichen Anlegerschutz nachträglich zu verbessern (vgl dazu auch die ‑ auf die AMIS‑Geschädigten verweisende ‑ Entschließung des Nationalrats 683 BlgNR 23. GP 1), was ebenfalls dafür spricht, auch den früher geschädigten Anlegern einen Zugriff auf das gesamte Treuhandvermögen zu ermöglichen. Das von der Revisionswerberin aufgeworfene Problem einer „Rückwirkung“ der durch die Novelle BGBl I 39/2009 geschaffenen neuen Rechtslage hinsichtlich der Aufbringung der Beiträge zum Treuhandvermögen stellt sich nicht, geht es doch nicht um die Beitragspflicht der Mitgliedsinstitute, sondern um die Frage, ob es gerechtfertigt ist, den früher Geschädigten Zugriff nur auf einen Teil des Treuhandvermögens zu gestatten. Die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der Beitragspflicht ist für dieses Verfahren nicht präjudiziell. Grundsätzlich kann der Gesetzgeber auch eine nachträgliche Aufstockung des Haftungsfonds anordnen, ohne mit § 5 ABGB in Konflikt zu geraten. Damit stellt sich auch die Frage nach einer „Präzisierung“ des als Haftungsfonds zur Verfügung stehenden Treuhandvermögens nicht. Dass der Kläger stets (und auch bereits mit der Klage) nur einen Zuspruch anstrebte, mit dem er auf die Exekution in das Treuhandvermögen beschränkt ist, ist im Übrigen in keiner Weise zweifelhaft (vgl auch 9 Ob 50/09g und 7 Ob 165/10f).

Soweit die Beklagte in ihrer Revision den Einwand der mangelnden Aktivlegitimation des Klägers erhebt, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie diese im Verfahren erster Instanz gar nicht bestritten hat. Zudem steht fest, dass das gesamte veranlagte Vermögen vom Kläger stammte und seine Gattin ihm allfällige Ansprüche aufgrund ihrer Mitberechtigung am Wertpapierdepot abgetreten hat. Warum es von Bedeutung sein sollte, dass das Erstgericht zum Datum der Abtretung keine Feststellung getroffen hat, vermag die Beklagte in ihrer Revision nicht zu erklären.

2. Zur Revision des Klägers:

Der Kläger strebt einen Zuspruch von weiteren 4.000 EUR an und wendet sich gegen die prozentuelle Verminderung des Höchstbetrags von 20.000 EUR aufgrund der im Jahr 2010 erhaltenen Teilausschüttung aus den Luxemburger Fonds in Höhe von 7.268,28 EUR. Er vertritt die Auffassung, dieser Betrag wäre von seinem Gesamtschaden betragsmäßig ‑ und nicht prozentuell vom Entschädigungsbetrag ‑ in Abzug zu bringen gewesen, womit sein Schaden weiterhin mehr als 29.000 EUR betrage und er Anspruch auf Zahlung des Höchstbetrags von 20.000 EUR habe.

Dem ist aus nachstehenden Erwägungen nicht zu folgen:

Zutreffend geht der Kläger davon aus, dass ‑ wie bereits bei Behandlung der Revision der Beklagten ausgeführt wurde ‑ grundsätzlich von jener Anlegerforderung gegen das betreffende Mitgliedsinstitut auszugehen ist, die ihm zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung zustand. Mit der Frage, wie dem Anleger später zukommende Teilausschüttungen zu behandeln sind und welchen Einfluss sie auf der Höhe der gesetzlichen Entschädigung haben, hat sich der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit der Einlagensicherung nach dem BWG auseinandergesetzt (7 Ob 98/02s, 7 Ob 106/02t = SZ 2002/99). Die dazu angestellten Erwägungen haben die Vorinstanzen schon deshalb zu Recht auf die Fälle der Anlegerentschädigung übertragen, weil die österreichischen gesetzlichen Regeln in beiden Fällen auf derselben EU‑Richtlinie basieren, was ein einheitliches Auslegungsergebnis nahelegt. In den genannten Entscheidungen hat der 7. Senat ausgesprochen, dass die berechtigten Forderungen des Einlegers gegen die Einlagensicherungseinrichtung unabhängig davon gleich hoch sein müssen, ob sie vor oder nach Quotenausschüttung im Konkursverfahren geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0116894; 7 Ob 98/02s). Insbesondere soll der Anspruch nach § 93 Abs 2 BWG nicht zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Begünstigung des Einlegers führen. Erhält der Berechtigte aus dem Konkurs seine auf ihn entfallende Quote ausbezahlt, so ist diese auf den Höchstbetrag anzurechnen, da ihm sonst mehr als dieser Garantiebetrag ungekürzt zukäme. Es sei daher der zu ermittelnde Einlagensicherungsbetrag um jenen Prozentsatz zu mindern, mit dem bereits eine quotenmäßige Befriedigung der Ansprüche des Einlegers erfolgt ist (RIS‑Justiz RS0116893).

Dieser Auffassung liegt ersichtlich der Gedanke zugrunde, dass das Gesetz den Sparer bzw Anleger lediglich mit einem bestimmten „Sockelbetrag“ vollständig sichern will und dieser bei einem darüber hinausgehenden Gesamtschaden mit dem den Sockelbetrag überwiegenden Teil auf die Konkursquote beschränkt ist. Soweit der Geschädigte bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Anspruch gegen die Entschädigungseinrichtung quotenmäßige Befriedigung erlangt hat, wurde damit auch der gesetzliche „Sockelbetrag“ entsprechend der ausgeschütteten Quote getilgt, weshalb sich der von der Entschädigungseinrichtung zu zahlende Betrag entsprechend vermindert.

Diese Erwägungen treffen nun gleichermaßen auf die Ansprüche des Klägers nach § 23b Abs 2 WAG 1996 zu, der in seinem dritten Satz eine Entschädigung von Forderungen eines Anlegers ... „bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR“ anordnet. Geht man davon aus, dass auch in diesem Zusammenhang die „ersten“ 20.000 EUR des Anlegerschadens gesichert sein sollen, und berücksichtigt man, dass dem Kläger aus dem Fondsvermögen bereits 20 % seiner Gesamtforderung erstattet wurden, ist den Vorinstanzen kein Rechtsirrtum vorzuwerfen, wenn sie den gesetzlichen Höchstbetrag von 20.000 EUR im konkreten Fall um 20 % vermindert haben, wurde durch die Teilausschüttung doch eben auch der „Sockelbetrag“, also die „ersten“ 20.000 EUR, mit 4.000 EUR getilgt. Damit erhält der Kläger bei dieser Berechnungsweise den Mindestbetrag von 20.000 EUR aus seiner Anlage zur Gänze und vorweg, was dem Zweck der einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie und des WAG entspricht. Dass er im Übrigen einen Verlust erleidet, ist angesichts der bloßen Mindestdeckung häufig nicht zu vermeiden, sofern ein Anleger einen höheren als den gesicherten Betrag von 20.000 EUR investiert. Den Ausspruch, dass die auferlegte Zahlung Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher ‑ gegebenenfalls auch über den Betrag von 20.000 EUR hinausgehender ‑ Ansprüche des Klägers gegenüber bestimmten Dritten zu leisten ist, hat der Kläger im Übrigen nicht bekämpft.

Da beide Revisionen erfolglos blieben, haben die Parteien jeweils Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer Revisionsbeantwortung (§ 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO). Der sich aus der Differenz der jeweiligen Kosten ermittelte Betrag ist der (überwiegend unterlegenen) Beklagten zum Ersatz aufzuerlegen.

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