OGH 15Os21/13x

OGH15Os21/13x24.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. April 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Viktorin als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter W***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 15. Oktober 2012, GZ 42 Hv 5/12x-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter W***** der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (A.I.), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A.II.1.) und der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (A.II.2.), des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (B.I.) sowie des Vergehens des Hausfriedensbruchs nach §§ 15, 109 Abs 3 Z 1 StGB (B.II.) schuldig erkannt.

Danach hat er

A. in der Nacht zum 15. Juli 2011

I. eine fremde Sache, nämlich den 1,20 Meter langen hölzernen „Regierungsstab“ der Nina H***** im Wert von 1.600 Euro zerstört, indem er diesen durch Zu-Boden-Schlagen, Biegen und kräftiges Dagegentreten in zwei Teile zerbrach;

II. Nina H***** dadurch, dass er dieser mit einem zersplitterten Teil des unter A.1. beschriebenen Stabs mehrere Stöße gegen den Körper versetzte, wodurch die Genannte eine Schnittwunde beugeseitig im Bereich des Grundglieds des rechten Ringfingers sowie eine Verbrennung an der Hand erlitt,

1. vorsätzlich am Körper verletzt;

2. mit Gewalt zu einer Unterlassung, „nämlich zur Abstandnahme von der Abwehr der unter A.I. dargestellten Tathandlung zu nötigen versucht“;

B. am 30. Juli 2011

I. Nina H***** dadurch, dass er diese zu Boden drückte, sich mit seinem gesamten Körpergewicht auf ihre Hüften setzte, sie zunächst an Armen und Beinen festhielt und ihr sodann die Oberbekleidung über den Kopf zu ziehen trachtete, mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht, wobei es beim Versuch blieb, weil sich die Genannte befreien und die Flucht ergreifen konnte;

II. dadurch, dass er die im Bereich des Terrasseneingangs stehenden Nina D***** und Josef D***** wegzudrängen trachtete, mit Gewalt in deren Haus einzudringen versucht, wobei er die nach der unter B.I. beschriebenen Straftat dorthin geflüchtete Nina H***** aus dem Haus zu zerren, sohin gegen eine dort befindliche Person, Gewalt zu üben beabsichtigte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf Z 3, 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Aus Z 3 macht der Beschwerdeführer zunächst einen Verstoß gegen § 152 (richtig: § 156 Abs 1 Z 1 und § 159) StPO geltend, weil die Zeugin Nina H***** als ehemalige Lebensgefährtin des Angeklagten nicht über ihr Recht auf Aussagebefreiung belehrt worden sei. Er übergeht dabei aber die klare Anordnung des § 156 Abs 1 Z 1 StPO, wonach nur die durch Ehe oder eingetragene Partnerschaft begründete Eigenschaft einer Person als Angehörige auch dann aufrecht bleibt, wenn das Verhältnis nicht mehr besteht (s Kirchbacher, WK-StPO § 156 Rz 12).

Als Verletzung des § 252 Abs 1 Z 2a StPO rügt die Beschwerde, die Verlesung des Protokolls über die kontradiktorische Vernehmung der Zeugin Nina H***** hätte nicht durchgeführt werden dürfen, weil „weder die Verteidigerin noch der Angeklagte sich entsprechend dem gesetzlichen Ausmaße an der kontradiktorischen Vernehmung beteiligen konnten respektive selbst Fragen an die Zeugin stellen konnten“. Sie konkretisiert jedoch in keiner Weise, weshalb der Beschwerdeführer und seine Verteidigerin, die bei der kontradiktorischen Vernehmung anwesend waren (ON 7 S 1), in ihrem Fragerecht beschränkt gewesen sein sollten, sodass auf dieses Vorbringen inhaltlich nicht geantwortet werden kann.

Mit der Verfahrensrüge kritisiert die Beschwerde überdies die Abweisung mehrerer Beweisanträge durch das erkennende Gericht (Z 4; ON 28 S 46 f).

Der Antrag auf Vernehmung der am 30. Juli 2011 einschreitenden Polizeibeamten zur Frage, ob es sich bei dem von der Zeugin damals geäußerten Satz „Damit du weißt, dass Schluss ist“ „um einen sthenischen oder asthenischen Satz gehandelt hat“, und zu einer von einem der Polizeibeamten dem Angeklagten gegenüber abgegebenen Einschätzung der Situation (ON 28 S 44 f), lässt keinen Bezug zu einer schuld- oder subsumtionsrelevanten Tatsache erkennen und konnte daher ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden.

Aus welchem Grund der behandelnde Turnusarzt im UKH Meidling dezidiert aussagen können sollte, dass es sich - entgegen dem eingeholten gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachten - bei der Verletzung „um eine eindeutige Schnittwunde“ handelte und er auch bekunden könne, dass die Wunde von der Zeugin „wieder aufgespreizt worden war“, legte der Antrag nicht dar (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO).

Der Antrag auf Durchführung eines Lokalaugenscheins konnte ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden, haben sich die Tatrichter doch anhand einer vom Angeklagten angefertigten Skizze und seiner Angaben hiezu ein Bild der Örtlichkeit gemacht (ON 24 2. Teil S 22, 37). Dass die Zeugin H***** anderen Personen gegenüber erklärt hatte, sie habe sich beim Abwaschen an einem Glas geschnitten, hat diese selbst zugestanden (US 10), eine Vernehmung der Zeuginnen L***** und N***** zu diesem Thema - wie in der Hauptverhandlung vom 9. Juli 2012 beantragt (ON 24 2. Teil S 20) - war somit nicht erforderlich. Schließlich betrifft auch die Frage, ob noch am 27. Juli 2011 eine „innige harmonische Liebe und Lebensgemeinschaft“ bestanden habe, keine für die Lösung der Schuldfrage relevante Tatsache (Antrag auf Vernehmung der Zeugen Claudia und Wolfgang Z*****).

Die Mängelrüge (Z 5) ermöglicht die Bekämpfung des Ausspruchs des Gerichts über entscheidende Tatsachen nach Maßgabe der im Gesetz vorgesehenen Anfechtungskategorien. Entscheidend ist eine Tatsache nur dann, wenn die Feststellung ihres Vorliegens oder Nichtvorliegens entweder die rechtliche Entscheidung über Schuld- oder Freispruch oder - im Fall gerichtlicher Strafbarkeit - darüber beeinflusst, welche strafbare Handlung begründet werde (RIS-Justiz RS0117264).

Keine entscheidenden Tatsachen sind demnach das „Motiv, das der Angeklagte für eine Falschbezichtigung vorbrachte“, das „glückliche Beziehungsleben zwischen dem Angeklagten und seiner ehemaligen Lebensgefährtin“, eine (auch nicht gegebene) „Erregung“ des Angeklagten während der Tat oder sein mögliches „Motiv“, die Zeugin zu vergewaltigen, sodass das darauf bezogene Rechtsmittelvorbringen erfolglos bleiben muss. Gleiches gilt für die Frage, ob die vom Angeklagten ausgeübte Sportart Aikido eine Verteidigungskunst oder ein Kampfsport ist.

Zwischen der Feststellung des Gerichts, der Angeklagte habe den Stab in zwei Teile zerbrochen, und der weiteren Konstatierung, die Zeugin Nina H***** habe den Angeklagten am (weiteren) Zerstören hindern wollen (US 5), besteht kein logischer Widerspruch (Z 5 dritter Fall).

Ob es sich bei der Zeugin Nina D***** um die Nachbarin der Nina H***** oder - wie vom Erstgericht an einer Stelle so bezeichnet (US 8) - um deren Nichte handelt, betrifft ebenfalls keine entscheidende Tatsache, ein diesbezüglicher (offensichtlicher) Irrtum des Gerichts kann schon deshalb keine Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) herstellen.

Insgesamt stellt sich das Vorbringen der Mängelrüge als der im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässige Versuch dar, der Verantwortung des Angeklagten durch eigenständige beweiswürdigende Erwägungen zum Durchbruch zu verhelfen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet zu B.I. das Vorliegen einer straflosen Vorbereitungshandlung, legt aber nicht argumentativ dar, weshalb die Tathandlung angesichts der Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte mit seinem ganzen Gewicht auf den Hüften der Nina H***** saß, sie bei den Armen und Beinen festhielt und versuchte, ihr das Leibchen über den Kopf zu ziehen, wobei er mit der angewendeten Gewalt den Geschlechtsverkehr erzwingen wollte (US 7 f), noch nicht ins Versuchsstadium getreten sein sollte. Die Entkleidung einer beteiligten Person bzw eine „Erregung“ des Täters sind nicht Tatbestandsmerkmal des § 201 Abs 1 StGB, weshalb auch keine diesbezüglichen Konstatierungen erforderlich waren. Die Behauptung, der Angeklagte habe keinen Vorsatz gehabt, übergeht die eindeutigen Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf US 8. Schließlich verlassen auch die Überlegungen zu einer erforderlichen „objektiven psychologischen Auswertung“ der Zeugenaussage der Nina H***** als bloß beweiswürdigende Spekulationen den - den Bezugspunkt der Anfechtung bildenden - Boden der Urteilsannahmen.

Zu B.II. bringt die Rüge vor, es fehle an Feststellungen zum Tatbestandsmerkmal der „Wohnstätte eines anderen“, übergeht dabei aber jene Konstatierungen, wonach der Angeklagte in das Haus der Nachbarn Nina und Josef D***** einzudringen trachtete (US 8 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung der Verteidigerin - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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