OGH 7Ob66/13a

OGH7Ob66/13a17.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, gegen die beklagte Partei Dr. G***** P*****, vertreten durch Dr. Philipp Mödritscher und Mag. Emil Kelih, Rechtsanwälte in Hermagor, wegen Feststellung und Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Februar 2013, GZ 3 R 18/13m-34, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Zulassungsbeschwerde räumt ein, dass die - von beiden Vorinstanzen verneinte - Frage der gehörigen Verfahrensfortsetzung anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist. Sie beruft sich jedoch auf den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wegen grob unrichtiger Anwendung des Verfahrensrechts und macht dazu in den weiteren Rechtsmittelausführungen - im Wesentlichen - Folgendes geltend:

Die Vorinstanzen hätten Vorbringen der Klägerin zum „Musterverfahren“ nicht richtig gedeutet oder übergangen und angebotene Beweise nicht aufgenommen. Das Berufungsgericht habe die in der Berufung erhobene Beweis- und Verfahrensrüge der Klägerin unerledigt gelassen.

Rechtliche Beurteilung

Da es darauf jedoch nicht ankommt, zeigt die außerordentliche Revision keine nach § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage auf.

Einigen sich bei einer nach den Bestimmungen des VermG durchzuführenden Grenzverhandlung die Eigentümer benachbarter Grundstücke nicht über den Grenzverlauf, so ist nach § 25 Abs 2 VermG der Eigentümer, der behauptet, dass die Grenze nicht mit dem sich aufgrund der Behelfe ergebenden Grenzverlauf übereinstimmt, aufzufordern, binnen sechs Wochen ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren (durch Einbringen einer Eigentumsklage oder eines Antrags auf Grenzberichtigung nach den §§ 850 ff ABGB) anhängig zu machen (1 Ob 173/08k mwN). Die Aufforderung ist ein anfechtbarer Bescheid; die Frist beginnt erst mit dessen Rechtskraft zu laufen (RIS-Justiz RS0079909; 3 Ob 150/11x; 7 Ob 62/13p).

Bleibt der solcherart aufgeforderte Eigentümer untätig - weil er entweder der Aufforderung nicht fristgerecht nachkommt oder ein anhängiges gerichtliches Verfahren nicht gehörig fortsetzt (RIS-Justiz RS0079920 [T1]) -, so ist er nach § 25 Abs 5 VermG als dem von den übrigen beteiligten Eigentümern in der Grenzverhandlung angegebenen Grenzverlauf oder, wenn eine den Grenzverlauf festsetzende außerstreitige gerichtliche Entscheidung vorliegt, als dem Inhalt dieser Entscheidung zustimmend anzusehen. Das Unterlassen rechtzeitiger Antragstellung oder Klagsführung (samt gehöriger Verfahrensfortsetzung) schafft die unwiderlegbare Fiktion der Zustimmung und hat zur Folge, dass die Voraussetzungen für die Feststellung der Grenze durch das Gericht weggefallen sind (7 Ob 62/13p; 1 Ob 173/08k; 1 Ob 12/94; RIS-Justiz RS0079920).

Ein grundsätzlich mögliches Verfahren zur Klarstellung der Grenze ist dann nicht als geeignet und daher fristwahrend anzusehen, wenn das darin gestellte Begehren und die Zweckrichtung des Verfahrens dem vom Eigentümer vor dem Vermessungsamt eingenommenen Standpunkt über den Verlauf der Grenze nicht Rechnung tragen können. Besteht nach den Abgrenzungskriterien zwischen dem streitigen und außerstreitigen Gerichtsverfahren (vgl RIS-Justiz RS0013882) in Anbetracht der konkreten Behauptungen des nach § 25 Abs 2 VermG aufgeforderten Eigentümers zur Durchsetzung seines Rechtsstandpunkts in Wahrheit nur ein gerichtliches Verfahren, ist nur die Einleitung dieses Verfahrens als fristwahrend im Sinn des § 25 VermG anzusehen. Die nur formal dem Gesetz entsprechende Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens, das zur Klärung der tatsächlich strittigen Rechtsfrage nicht geeignet ist, reicht nicht aus (RIS-Justiz RS0124762).

Diese Beurteilung hat der Oberste Gerichtshof zu 1 Ob 173/08k unter anderem damit begründet, dass in den EB zu § 25 VermG (zwar) sowohl die Eigentumsklage, als auch die Grenzberichtigung im außerstreitigen Verfahren als für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmte gerichtliche Verfahren angesehen werden; es aber Sinn und Zweck dieser Regelung ist, solche Verfahren, die für die Anlegung des Grenzkatasters von Bedeutung sind, zeitlich überschaubar zu halten, um eine ungebührliche Verzögerung des Zeitpunkts des uneingeschränkten Inkrafttretens des Grenzkatasters zu vermeiden.

Unter diesem Aspekt der Beschleunigung der Klärung der tatsächlichen Eigentumsverhältnisse ist ein grundsätzlich mögliches Verfahren zur Klarstellung der Grenze dann nicht fristwahrend, wenn das darin gestellte Begehren und die Zweckrichtung des Verfahrens (wie in dem zu 1 Ob 173/08k behandelten Fall) dem vom Antragsteller vor dem Vermessungsamt -„und späterhin mit Eigentumsklage“ eingenommenen - Standpunkt über den Verlauf der Grenze nicht Rechnung tragen können. Wird also ein bestimmter Grenzverlauf als der richtige behauptet und in Wahrheit keine Festsetzung nach dem letzten ruhigen Besitzstand begehrt, ist nur eine Klage zur Bereinigung des Streits geeignet. Daher kommt wohl in vielen Fällen die Antragststellung nach § 851 Abs 1 ABGB gar nicht in Betracht (Parapatits in Kletecka/Schauer, ABGB-ON 1.01 [Dezember 2011] § 853a Rz 6 aE).

Das Berufungsgericht hat die dargelegten Grundsätze zutreffend wiedergegeben und zu Recht darauf hingewiesen, dass zwischen den Parteien bereits in der (Grenz-)Verhandlung vor dem Vermessungsamt am 6. 8. 2009 feststand, dass die Klägerin die Wasseranschlagslinie als Grenzverlauf für sich beanspruchte, der Beklagte aber die Katastralmappengrenze. Die Klägerin habe daher eine ganz bestimmte Grenze als richtig behauptet; damit korrespondiere, dass sie dem (verspätet erhobenen) Klagebegehren (ON 6 vom 16. 3. 2011 [vgl 8 Ob 46/12s]) zur Konkretisierung (der Grenze) jenen Lageplan (Beilage ./A) zugrunde legte, der bereits in der Grenzverhandlung vom 6. 8. 2009 vorlag.

Die bekämpfte Beurteilung, der Klägerin sei auf dieser Grundlage von vornherein nur das streitige Verfahren zur Durchsetzung ihres Rechtsstandpunkts zur Verfügung gestanden, sie habe die (rechtzeitige) Einleitung dieses „geeigneten“ Verfahrens jedoch unterlassen, sodass die unwiderlegbare Fiktion der Zustimmung der Klägerin im Sinn des § 25 Abs 5 VermG eingetreten und die Voraussetzung für eine Grenzfeststellung durch das Gericht weggefallen sei (7 Ob 62/13p), liegt im Rahmen der zitierten Rechtsprechung; hat die Klägerin doch am 14. 9. 2009 nur einen „Antrag auf Grenzfestsetzung gemäß §§ 850 ff ABGB“ (im außerstreitigen Verfahren beim Bezirksgericht) gestellt und dazu vorgebracht, dass die Grenze „unkenntlich und strittig“ sei.

Auf die Zusatzbegründung der Klageabweisung (mangels gehöriger Verfahrensfortsetzung, weil die Klägerin, selbst wenn es zur „Vereinbarung eines Musterverfahrens“ gekommen wäre, das Verfahren gegen den Beklagten nach dem Innehalten mit dem Musterverfahren am 20. 5. 2010 hätte fortsetzen müssen, aber knapp sechs Monate lang [bis zum Vergleichsanbot vom 10. 11. 2010] keine Schritte gesetzt habe), ist somit nicht weiter einzugehen. Demgemäß bedarf es insoweit auch keiner Verfahrensergänzung: Dem bemängelten Fehlen von Feststellungen zum dazu erstatteten Vorbringen der Klägerin fehlt die entscheidungswesentliche Bedeutung.

Die außerordentliche Revision, die nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf, ist daher zurückzuweisen.

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