OGH 3Ob150/11x

OGH3Ob150/11x8.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, gegen die beklagte Partei Gerhard H*****, vertreten durch Proksch & Fritsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Eigentumsfeststellung und Räumung, über die Revision (richtig: den Rekurs) der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. Mai 2011, GZ 1 R 14/11a-29, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels vom 6. Dezember 2010, GZ 5 Cg 81/09z-25, zum Teil aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.034,90 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der vorliegende Rechtsstreit steht im Zusammenhang mit der grundstücksweise vorzunehmenden Umwandlung des Grenzsteuerkatasters in den Grenzkataster nach dem VermG. In der von der Vermessungsbehörde durchgeführten Grenzverhandlung (§ 24 VermG), die in drei Verhandlungen am 14. September 1988, am 27. September 1989 (in Abwesenheit der Rechtsvorgänger des Beklagten) und (nach Aufhebung des ursprünglichen Umwandlungsbescheids, der die Grenze entsprechend dem Vermessungsplan aus 1941 festlegte, über Berufung des Beklagten) am 23. Juni 2009 stattfand, einigten sich die Parteien nicht über den Grenzverlauf. Die Klägerin behauptete diesen am 23. Juni 2009 entsprechend der Katastermappe von 1929, der Beklagte entsprechend der Naturgrenze. Es lag auch ein Vermessungsplan aus 1941 vor, der einen Verlauf der strittigen Grenze im Bereich zwischen den Standpunkten der Parteien wiedergab. Das Vermessungsamt erließ am 23. Juni 2009 zwei Bescheide iSd § 25 Abs 2 VermG, in denen beide Parteien aufgefordert wurden, ein für die Bereinigung des Grenzstreits bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen. Beide Parteien kamen der Aufforderung nach, die Klägerin mit der vorliegenden, auf die Feststellung ihres Eigentums laut schraffierter Fläche des angeschlossenen Lageplans gerichteten Klage.

Das Erstgericht wies einen Zwischenantrag auf Feststellung und das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Zwischenantrags und hob das erstinstanzliche Urteil im Übrigen zur Verfahrensergänzung auf.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Beklagten nur gegen den den aufhebenden Teil der Berufungsentscheidung erhobene (richtig:) Rekurs ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO iVm §§ 519 Abs 2, 527 Abs 2, 528 Abs 1) - nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erfolgten Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Gemäß der auch hier anwendbaren Regelung des letzten Satzes des § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (RIS-Justiz RS0043691):

1. Zur vom Beklagten in der Klagebeantwortung erhobenen Einrede der Streitanhängigkeit ist festzuhalten, dass diese erst mit Zustellung der Klage an den Beklagten eintritt (§ 232 Abs 1 ZPO), die hier im Paralellverfahren an die hier klagende Partei erst nach dem Zeitpunkt erfolgte (frühestens 28. August 2009), den der Beklagte als wirksame Zustellung der Klage im vorliegenden Verfahren nennt (13. August 2009).

2. Die nach § 25 Abs 2 VermG erlassene Aufforderung des Vermessungsamts, ein bestimmtes gerichtliches Verfahren anhängig zu machen, bildet einen anfechtbarer Bescheid (RIS-Justiz RS0079909), von dessen Rechtskraft hier mangels gegenteiliger Behauptungen auszugehen ist. Gerichte sind aber an rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörden gebunden, und zwar selbst dann, wenn diese Verfügungen unvollständig oder fehlerhaft sein sollten; eine inhaltliche Überprüfung eines Verwaltungsbescheids durch das Gericht hat nicht stattzufinden (RIS-Justiz RS0036981). Bindend steht daher fest, dass im Verwaltungsverfahren keine Einigung über den Grenzverlauf erzielt wurde. Damit kommt der vom Beklagten aufgeworfenen Frage, ob die Klägerin ihren Standpunkt über den Verlauf der Grenze im Verwaltungsverfahren ändern konnte, keine entscheidende Bedeutung zu. Jener Standpunkt der Klägerin über einen Grenzverlauf laut Katastermappe aus 1929, der auch dem Bescheid zugrunde liegt, entspricht jenem, der in der vorliegenden Klage vertreten wird (vgl 1 Ob 173/08k = RIS-Justiz RS0124762); deren Verfristung wird gar nicht geltend gemacht. Wenn der Verweisungsbescheid nach § 25 Abs 2 VermG auf der Basis eines bestimmten, wenn auch geänderten, aber zugelassenen Parteivorbringens erfolgte, ist das Gericht daran gebunden.

Damit erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit der weiteren Rechtsansicht des Beklagten, die Regeln des § 395 ZPO über das prozessuale Anerkenntnis hätten auf Erklärungen der Klägerin im Verwaltungsverfahren analog Anwendung zu finden.

3. Der Beklagte gesteht ohnehin zu, dass sowohl das konstitutive Anerkenntnis als auch der Vergleich Feststellungsverträge darstellen, die eines Anbots (das der Beklagte in der [in Abwesenheit der Rechtsvorgänger des Beklagten abgegebenen] Zustimmung des Vertreters der Klägerin in der Grenzverhandlung vom 27. September 1989 zum Grenzverlauf laut Vermessungsplan aus 1941 erblickt) und der Annahme bedürfen (die der Beklagte in seinem während des vorliegenden Prozesses gestellten Vergleichsanbot vom 15. Oktober 2010 sieht). Damit übergeht der Beklagte aber seine gegen den Umwandlungsbescheid im Jahr 2008 erhobene Berufung, mit der er ein allenfalls davor abgegebenes Anbot der Klägerin, die Grenze entsprechend dem Vermessungsplan aus dem Jahr 1941 festzulegen, jedenfalls (schlüssig) ablehnte, wodurch dieses erloschen ist (RIS-Justiz RS0014061). Die Annahme seines Vergleichsanbots vom 15. Oktober 2010 stellt der Beklagte aber zutreffend in Abrede. Das Zustandekommen eines materiell-rechtlichen Anerkenntnisvertrags oder Vergleichs über einen Grenzverlauf entsprechend dem Vermessungsplan aus 1941 ist daher schon aufgrund dieser Überlegungen auszuschließen.

4. Nicht zu teilen sind die Argumente des Beklagten, wenn er von einer „behördlichen zivilrechtlichen Willenserklärung“ des Vertreters der Klägerin zum Grenzverlauf entsprechend dem Vermessungsplan aus 1941 in der Grenzverhandlung vom 27. September 1989 ausgeht, der „sogar Bescheidcharakter zugemessen werden kann“:

Fest steht nämlich nur die Unterfertigung des Protokolls durch den Vertreter, in dem eine dem entsprechende Festlegung der Grenze durch das Vermessungsamt festgehalten ist. Da der Bescheid ua schriftformgebunden ist und deshalb ein stillschweigender Behördenakt nicht Bescheidcharakter haben kann (1 Ob 138/99x = RIS-Justiz RS0112634), muss auch das vom Beklagten angenommene Vorliegen eines Bescheids über einen von der Klägerin zugestandenen Grenzverlauf verneint werden.

5. Warum eine Abänderung eines lange aufrecht erhaltenen Standpunkts über einen bestimmten Grenzverlauf, den der Beklagte (und seine Rechtsvorgänger) trotz mehrfacher Möglichkeiten zur Übernahme über viele Jahre hinweg ablehnte(n), rechtsmissbräuchlich oder schikanös sein sollte, wird nicht nachvollziehbar begründet.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Wird ein nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO erhobener Rekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen, sind die Kosten nicht nach § 52 ZPO vorzubehalten; vielmehr findet ein Kostenersatz statt, wenn - wie hier - der Rechtsmittelgegner auf die Unzulässigkeit hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0123222, RS0035976 [T2]). Ein Streitgenossenzuschlag steht dem Kläger allerdings wegen des Fehlens der Voraussetzungen dafür nicht zu.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte