OGH 7Ob11/13p

OGH7Ob11/13p27.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Lehner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei V***** A/S, *****, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 38.842,50 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 7. Dezember 2012, GZ 1 R 201/12b‑27, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 4. September 2012, GZ 2 Cg 18/12p‑20, bestätigt wurde, sowie über den Ordinationsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

2. Als örtlich zuständiges Gericht für die Verhandlung und Entscheidung in der Rechtssache wird das Landesgericht Linz bestimmt.

Text

Begründung

Die Klägerin brachte ihre Klage auf Bezahlung des Kaufpreises für Warenlieferungen beim Landesgericht Linz ein. Zur Begründung der Zuständigkeit führte sie aus, dass Linz als Erfüllungsort und Gerichtsstand vereinbart worden sei. Im von beiden Parteien unterfertigten Vertrag sei die Vereinbarung enthalten: „Geltendes Recht und Gerichtsstand: Österreich“. Im Zuge des Verfahrens zur Zuständigkeit erhob sie für den Fall, dass das Erstgericht nicht örtlich zuständig sei, den Antrag auf Ordination an das Erstgericht.

Die Beklagte wandte die fehlende inländische Gerichtsbarkeit und örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein. Es sei weder ein Erfüllungsort noch ein Gerichtsstand vereinbart worden.

Das Erstgericht sprach aus, dass 1. die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) verworfen werde, 2. das Landesgericht Linz für die Führung des Verfahrens unzuständig sei, 3. der Akt dem Obersten Gerichtshof zur Ordination gemäß § 28 JN vorgelegt werde und 4. die Klägerin schuldig sei, der Beklagten Kosten des Zwischenstreits zu ersetzen. Die Gerichtsstandsvereinbarung beziehe sich nur auf Österreich, nicht auf ein bestimmtes österreichisches Gericht. Es sei weder ein Erfüllungsort noch ein Gerichtsstand nach den Bestimmungen der EuGVVO oder nach österreichischem Recht vereinbart worden. Konsequenz der mangelnden Zuständigkeit sei die Zurückweisung der Klage. Über den Antrag der Klägerin sei jedoch der Akt zur Ordination gemäß § 28 Abs 1 Z 3 JN an den Obersten Gerichtshof vorzulegen.

Das Rekursgericht gab den Rekursen der Parteien in der Hauptsache nicht Folge, änderte aber Punkt 4. der erstinstanzlichen Entscheidung im Kostenpunkt (Aufhebung der Kosten) ab. Zum Rekurs der Beklagten führte es aus, dass in dem Fall, dass ein inländisches Gericht bereits angerufen worden sei, eine Ordination erst dann erfolgen könne, wenn dieses Gericht seine Zuständigkeit rechtskräftig verneint habe. Der Ordinationsantrag könne allerdings schon vor der endgültigen Entscheidung des Zuständigkeitsstreits als Eventualantrag gestellt werden. Dadurch bleibe die Gerichtsanhängigkeit aufrecht. Eine Zurückweisung der Klage sei im Fall eines Eventualantrags auf Ordination nicht zulässig. Das Erstgericht habe zu Recht von einer Zurückweisung der Klage Abstand genommen und stattdessen seine Unzuständigkeit ausgesprochen. Der vom Erstgericht gefasste Beschluss auf Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof (Punkt 3.) erweise sich nicht als verfrüht; es verbiete sich auf Grund der oben dargestellten Judikatur nur die tatsächliche Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof vor rechtskräftiger Verneinung der Zuständigkeit. Der Beschluss des Erstgerichts in seinem Punkt 3. sei so zu verstehen, dass das Erstgericht beabsichtige, den Akt für den Fall der Rechtskraft der Entscheidung über die örtliche Unzuständigkeit dem Obersten Gerichtshof zur Ordination vorzulegen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Ausschließlich gegen Punkt 3. des erstinstanzlichen Beschlusses (Vorlage an den Obersten Gerichtshof zur Ordination gemäß § 28 JN) richtet sich der „außerordentliche“ Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Beschluss im angefochtenen Umfang aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen, hilfsweise, den Beschluss dahin abzuändern, dass Punkt 3. des erstinstanzlichen Beschlusses ersatzlos behoben und die Klage kostenpflichtig zurückgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Zu 1.:

Das Ordinationsverfahren ist ein einseitiges Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof, dem der Beklagte nicht beigezogen wird (RIS‑Justiz RS0114932). Da sich der Revisionsrekurs der Beklagten ausschließlich gegen Punkt 3. des erstinstanzlichen Beschlusses und damit gegen die Vorlage des Akts an den Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Ordinationsantrag richtet, ist er jedenfalls unzulässig. Der Oberste Gerichtshof hat zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für den Ordinationsantrag vorliegen, auch wenn die Klage formell mangels örtlicher Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts nicht zurückgewiesen wurde.

Zu 2.:

Entscheidet der Oberste Gerichtshof ‑ wie hier ‑ im Zusammenhang mit der Behandlung eines Rechtsmittels über einen Eventualantrag auf Ordination, so hat dies in der für die Behandlung des Rechtsmittels vorgesehenen Besetzung zu geschehen (6 Ob 190/05t mwN, 2 Ob 32/08g = RIS‑Justiz RS0124243).

Die Ordination durch den Obersten Gerichtshof nach § 28 Abs 1 JN hat erst dann zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts im Sinn dieses Gesetzes oder einer anderen Rechtsvorschrift nicht gegeben oder nicht zu ermitteln sind (RIS‑Justiz RS0108569). Solange keine die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts verneinende rechtskräftige Entscheidung vorliegt, besteht für den Obersten Gerichtshof weder ein Anlass noch eine Möglichkeit zu einem Vorgehen nach § 28 JN (RIS‑Justiz RS0046443, RS0046450). Die Bestimmung der Zuständigkeit durch den Obersten Gerichtshof setzt unter anderem voraus, dass sowohl die inländische Gerichtsbarkeit (internationale Zuständigkeit) gegeben ist und ein österreichisches Gericht örtlich nicht zuständig ist (RIS‑Justiz RS0118239).

Der Umstand, dass lediglich die internationale Zuständigkeit, nicht aber ein örtlich zuständiges österreichisches Gericht vereinbart wurde, schadet wegen der Ordinationsmöglichkeit gemäß § 28 Abs 1 Z 3 JN nicht (3 Nc 1/07p, RIS‑Justiz RS0118240 [insbesondere T1]). Wird ein Ordinationsantrag als Eventualantrag gestellt, so bleibt damit die Gerichtsanhängigkeit erhalten (vgl 5 Nc 29/10z; Matscher in Fasching/Konecny 2, § 28 JN Rz 138). Eine Zurückweisung der Klage wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit ist im Fall eines Eventualantrags auf Ordination nicht zulässig, weil vor der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über den Ordinationsantrag nicht feststeht, ob das in der Hauptsache angerufene Gericht nicht Kraft Ordination als örtlich zuständig zu gelten haben wird (4 Nd 507/98; Matscher aaO, § 28 JN, Rz 147, 149).

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Vorinstanzen zutreffend über die inländische Gerichtsbarkeit und die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts abgesprochen haben, nicht jedoch ‑ im Hinblick auf den Eventualantrag auf Ordination ‑ die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen haben.

Da die internationale Zuständigkeit gegeben ist, ein örtlich zuständiges Gericht jedoch nicht vereinbart wurde, ist ein inländisches Gericht als für die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung örtlich zuständig zu bestimmen.

Aus der Entscheidung 3 Nd 514/94 kann für die Beklagte nichts gewonnen werden, weil dort kein Eventualantrag gestellt wurde.

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