Spruch:
I. Das Revisionsverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.
II. Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Für die ab 1979 beim Beklagten tätigen Bediensteten galt aufgrund einer Betriebsvereinbarung eine sogenannte Pensionszuschussordnung (im Folgenden: PZO 1979). Davor gab es einzelvertragliche Pensionszuschussregelungen. Die PZO 1979, die direkte Leistungszusagen vorsah, wurde mit einer zwischen dem Ö***** und dem Ö*****-Zentralbetriebsrat am 17. 4. 2008 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung (im Folgenden: Auslagerungs‑BV 2008) im Sinne eines Pensionskassensystems bzw einer betrieblichen Kollektivversicherung umgewandelt. Aufgrund dieser Änderungen wurden auch bereits Zahlungen an vom klagenden Betriebsrat vertretene Arbeitnehmer geleistet.
Vor dem Abschluss der Auslagerungs-BV 2008 gab es langwierige Verhandlungen zwischen dem Zentralbetriebsrat und der Unternehmensleitung, an denen auch der Vorsitzende des klagenden Betriebsrats als Mitglied des Zentralbetriebsrats beteiligt war.
Die Befassung des Zentralbetriebsrats erfolgt im Unternehmen des Beklagten regelmäßig dann, wenn mehrere Betriebe oder mehrere Bundesländer betroffen sind. Dies wird zumeist in Konferenzen der Betriebsratsvorsitzenden beschlossen, die dann auch die Ergebnisse der Verhandlungen des Zentralbetriebsrats behandeln und beschließen, ob das Ergebnis akzeptiert oder der Zentralbetriebsrat mit weiteren Verhandlungen betraut wird. Auch hinsichtlich der hier strittigen Auslagerungs‑BV 2008 erfolgte keine formelle schriftliche Übertragung der Kompetenz des klagenden Betriebsrats zum Abschluss der Betriebsvereinbarung an den Zentralbetriebsrat. Der Betriebsratsvorsitzende des klagenden Betriebsrats war aber schon aufgrund seiner Stellung als Mitglied des Zentralbetriebsrats in die Verhandlungen integriert. Auch waren die beabsichtigten Veränderungen Thema bei den monatlichen Konferenzen der Betriebsratsvorsitzenden. Es wurde grundsätzlich beschlossen, dass der Zentralbetriebsrat mit der Geschäftsleitung in Verhandlungen in Richtung einer Pensionskassenlösung tritt. Über das Ergebnis der Verhandlungen sollte eine Urabstimmung unter den Arbeitnehmern stattfinden; aber auch die Notwendigkeit der Zustimmung der Betriebsratsvorsitzenden war vorgesehen worden. Teilweise hat der Vorsitzende des klagenden Betriebsrats auch selbst Papiere im Zusammenhang mit dem Abschluss dieser Betriebsvereinbarung ausgehandelt. Auch die übrigen Betriebsratsmitglieder des klagenden Betriebsrats wurden über die Verhandlungsrunden informiert. Diese Verhandlungen waren auch der Belegschaft bekannt.
Bereits im Mai 2007 wurde zwischen der Beklagten und dem Zentralbetriebsrat, dem auch der Vorsitzende des klagenden Betriebsrats angehört, eine Vereinbarung über die Vorgehensweise hinsichtlich der Übertragung der Pensionsanwartschaften getroffen und der Abschluss von entsprechenden Betriebsvereinbarungen vereinbart. Der Zentralbetriebsrat erklärte, dazu auch ermächtigt zu sein.
Anfang März 2008 war der Entwurf der Auslagerungs‑BV 2008 zwischen dem Zentralbetriebsrat und der Geschäftsleitung ausverhandelt. Den Betroffenen wurden bereits vor der Urabstimmung die Eckpunkte bekannt gegeben. Die Betriebsvereinbarungsentwürfe wurden auch innerhalb des klagenden Betriebsrats mehrmals besprochen. Keines der Betriebsratsmitglieder hatte Einwände dagegen, dass die Urabstimmung durchgeführt und dass je nach Ergebnis dieser Urabstimmung die Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden sollte.
Bei einer Betriebsratsvorsitzendenkonferenz am 11. 3. 2008 wurde einstimmig eine positive Empfehlung an die Belegschaft für die Urabstimmung beschlossen. Ferner wurde beschlossen, der Belegschaft bei der Urabstimmung die Frage zu stellen, ob der Zentralbetriebsrat die Betriebsvereinbarung über die Umstellung abschließen soll. Es sollte eine Gesamtauszählung, also keine Auszählung nach verschiedenen Bereichen, erfolgen.
In einer Informationsveranstaltung für die vom klagenden Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer am 26. 3. 2008 wurde aufgrund der Anfrage eines Teilnehmers die Frage der Übertragung der Betriebsratskompetenz erörtert, die bis dahin nicht releviert worden war. Der Vorsitzende des klagenden Betriebsrats erklärte, dass eine solche Übertragung nicht erfolgt sei. Vorher war ihm und den übrigen Mitgliedern des Betriebsrats nicht bewusst gewesen, dass eine solche Übertragung erforderlich ist. Noch an diesem Abend sandte der Vorsitzende des klagenden Betriebsrats an den Vorsitzenden des Zentralbetriebsrats eine E‑Mail, in dem er auf die ablehnende Haltung der von ihm vertretenen Belegschaft und die fehlenden Kompetenzübertragungsbeschlüsse sowie das Erfordernis der Verständigung des Betriebsinhabers hinwies, in dem er aber auch den Wunsch der von ihm vertretenen Arbeitnehmer mitteilte, den Zentralbetriebsrat mit Nachverhandlungen zu beauftragen. Auch der Präsident der beklagten Partei wurde davon informiert und kontaktierte daraufhin den Betriebsratsvorsitzenden, der erneut darauf hinwies, dass eine Kompetenzübertragung erfolgen müsse. Der Präsident ging aber aufgrund einer entsprechenden Erklärung des Zentralbetriebsrats davon aus, dass dieser zum Abschluss der Betriebsvereinbarung berechtigt sei.
Bei der durchgeführten Abstimmung unter allen Arbeitnehmern der beklagten Partei, also auch unter den nicht vom klagenden Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmern, ergab sich insgesamt ein Ergebnis von 84 % zugunsten des Abschlusses der Betriebsvereinbarung. Mangels gesonderter Auszählung konnte allerdings nicht festgestellt werden, wie die vom klagenden Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer abstimmten.
In einer Mail vom 1. 4. 2008 informierte der Vorsitzende des klagenden Betriebsrats den Vorsitzenden des Zentralbetriebsrats von einer gegen das Verhandlungsergebnis gestarteten Unterschriftenaktion in der von ihm vertretenen Belegschaft und von den Zweifeln an der wirtschaftlichen Notwendigkeit dieser Betriebsvereinbarung.
Bei einer Betriebsrätetagung am 9. 4. 2008, also knapp vor Abschluss der Auslagerungs‑BV 2008, sprach sich der Vorsitzende des Betriebsrats als einziger gegen den Abschluss der Betriebsvereinbarung aus, weil die von ihm vertretenen Arbeitnehmer gegen die neue Regelung protestiert hatten.
Danach wurde am 17. 4. 2008 vom Zentralbetriebsrat die Auslagerungs‑BV 2008 abgeschlossen.
Im vorliegenden Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG begehrt der klagende Betriebsrat die Feststellung, dass die Betriebsvereinbarung über die Umstellung der Zusatzpensionen „von direkten Leistungszusagen auf Pensionskasse oder betriebliche Kollektivversicherung“, die am 17. 4. 2008 vom Zentralbetriebsrat unterfertigt wurde, gegenüber den vom klagenden Betriebsrat vertretenen Bediensteten der beklagten Partei unwirksam ist.
Der klagende Betriebsrat stützte sein Begehren vor allem darauf, dass die Abschlussbefugnis nicht an den Zentralbetriebsrat delegiert worden sei, aber auch darauf, dass keine Verständigung des eigenen Betriebsinhabers erfolgt sei. Jedenfalls liege aber ein gerechtfertigter Widerruf einer allfälligen Delegierung der Abschlussbefugnis vor.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Zentralbetriebsrat habe regelmäßig die Verhandlungen geführt und habe auch erklärt, dazu ermächtigt zu sein. Bei den Verhandlungen sei auch der Vorsitzende des klagenden Betriebsrats vertreten gewesen, der insoweit jedenfalls den Rechtsschein erzeugt habe, dass eine Übertragung der Abschlussbefugnis an den Zentralbetriebsrat stattgefunden habe. Erst knapp vor Abschluss der Betriebsvereinbarung seien entsprechende Einwendungen erhoben worden. Allerdings hätten die vom klagenden Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer gegen die Auszahlungen aufgrund der neuen Betriebsvereinbarung keine Einwendungen erhoben.
Im Hinblick auf die den Anlass für die Änderung bildende wirtschaftliche Situation seien auch die Voraussetzungen für die Mitwirkung des Zentralbetriebsrats nach § 109 ArbVG gegeben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging zusammengefasst davon aus, dass zwar kein schriftlicher Beschluss des klagenden Betriebsrats für eine Ermächtigung des Zentralbetriebsrats vorliege, dass aber von einer schlüssigen Kompetenzübertragung auszugehen sei, da der Zentralbetriebsrat mit Wissen und Willen des klagenden Betriebsrats und dessen Vorsitzenden die Verhandlungen geführt habe. Bei der von der Betriebsratsvorsitzendenkonferenz vorgesehenen Urab-stimmung der gesamten Belegschaft habe eine große Mehrheit für den Abschluss der Betriebsvereinbarung gestimmt. Die für diese Abstimmung beschlossene Fragestellung spreche für die Übertragung der Verhandlungs‑ und Abschlusskompetenz. Auch eine entsprechende Verständigung der Beklagten sei (im Ergebnis) erfolgt. Die späteren Einwendungen seien im Hinblick auf die eingetretene Bindung ohne Relevanz. Ein allfälliger „Widerruf“ der Kompetenzübertragung wäre nach § 53 Abs 2 der Betriebsrats-Geschäftsordnung 1974 (BR‑GO 1974) nur aus wichtigen Gründen möglich gewesen. Solche Gründe habe der klagende Betriebsrat aber nicht nachweisen können.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des klagenden Betriebsrats nicht Folge. Es schloss sich der Beurteilung des Erstgerichts an. Für die Mitteilung der Übertragung der Kompetenz sei der Vorsitzende zuständig. Dessen Verhalten könne hier im Sinne einer solchen Mitteilung verstanden werden. Ein Widerruf komme entsprechend § 53 Abs 2 der BR‑GO 1974 bei in Behandlung stehenden Angelegenheiten nur mehr aus wichtigen Gründen in Betracht. Solche Gründe habe der klagende Betriebsrat nicht nachweisen können.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision des klagenden Betriebsrats ist zulässig. Der klagende Betriebsrat relevierte zutreffend das Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den hier maßgeblichen Fragen, insbesondere auch zur Verfassungskonformität des § 53 der BR‑GO 1974.
I. § 113 ArbVG legt in seinem Abs 1 fest, dass die der Arbeitnehmerschaft zustehenden Befugnisse, „soweit nichts anderes bestimmt“ ist, „durch Betriebsräte“ ausgeübt werden. In Abs 4 dieser Bestimmung werden in eingeschränktem Umfang auch dem Zentralbetriebsrat Mitwirkungsbefugnisse eingeräumt, allerdings nicht zum Abschluss von Betriebsvereinbarungen iSd §§ 97 Abs 1 Z 18, 18a ArbVG über Betriebspensionen.
§ 114 Abs 1 ArbVG sieht unter der Überschrift „Kompetenzübertragung“ vor, dass der Betriebsrat dem Zentralbetriebsrat mit dessen Zustimmung die Ausübung seiner Befugnisse „für einzelne Fälle oder für bestimmte Angelegenheiten übertragen“ kann. Abs 4 des § 114 ArbVG bestimmt, dass solche Beschlüsse dem Betriebsinhaber umgehend mitzuteilen sind und erst mit der Verständigung Rechtswirksamkeit erlangen. Eine ausdrückliche Regelung, inwieweit die Übertragung der Befugnisse „für einzelne Fälle oder für bestimmte Angelegenheiten“ vom Betriebsrat wieder widerrufen werden kann, enthält das ArbVG nicht. Sowohl die Gesetzesmaterialien (vgl AB 933 BlgNR 13. GP, 5, wiedergegebenen in Tomandl ArbVG zu § 114) als auch die einhellige Lehre gehen von einer Widerrufsmöglichkeit durch den Betriebsrat aus (Mosler in ZellKomm2, § 114 ArbVG Rz 7; Naderhirn in Strasser/Jabornegg/Resch ArbVG § 114 Rz 12 f; Winkler in Tomandl ArbVG § 114 Rz 4; Preiss in Czerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, ArbVG III4, 688).
§ 53 Abs 1 BR-GO 1974 lautete wie folgt:
„Der Betriebsrat kann beschließen, die Ausübung seiner Befugnisse für einzelne Fälle oder für bestimmte Angelegenheiten dem Zentralbetriebsrat mit dessen Zustimmung zu übertragen. Dem Betriebsinhaber sind diese Beschlüsse umgehend schriftlich mitzuteilen. Sie erlangen erst mit der Verständigung des Betriebsinhabers Rechtswirksamkeit. Die Übertragung gilt, sofern sie nicht befristet ist oder sich aus der Natur der übertragenden Angelegenheiten eine Befristung ergibt, für die Dauer der Tätigkeit des Betriebsrates. Vor Abschluss einer in Behandlung stehenden Angelegenheit kann die Übertragung nur aus wichtigen Gründen, sonst jederzeit vom Betriebsrat widerrufen werden; sie bedarf zur Rechtswirksamkeit der Verständigung des Betriebsinhabers.“
II. Der erkennende Senat hat in seinem Beschluss vom 25. Mai 2011, 8 ObA 80/10p, in diesem Verfahren ua den fünften Satz des § 53 der BR‑GO 1974 nach Art 89 Abs 2 iVm 139 B‑VG beim Verfassungsgerichtshof angefochten. Er ist dabei davon ausgegangen, dass im Revisionsverfahren zu prüfen ist, inwieweit ein Widerruf der Kompetenzübertragung vorgenommen wurde und zulässig ist.
Die vom Senat an den Verfassungsgerichtshof herangetragenen Bedenken lassen sich dahin zusammenfassen, dass Satz 5 dieser Bestimmung die Widerrufsmöglichkeit „vor Abschluss einer in Behandlung stehenden Angelegenheit“ auf „wichtige Gründe“ eingeschränkt, sich aber eine derartige Einschränkung im Gesetz nicht findet. Der Gesetzgeber hat in § 113 Abs 1 ArbVG klar den Primat der Betriebsräte bei der Vertretung der Interessen der Belegschaft ihres Betriebs geregelt. Demokratisch legitimierte Interessenvertretungen können im Rahmen des ArbVG nur dort ihre Interessenvertretungsaufgabe und damit auch die gegenüber ihren Wählern bestehende Verantwortung weitergeben, wo dies ausdrücklich vorgesehen ist (vgl etwa auch zum Verbot der dynamischen Verweisung RIS‑Justiz RS0050836; RS0050859). Dies spricht dafür, dass nach dem Gesetz die Vertretung durch ein nach der gesetzlichen Kompetenzverteilung nicht zuständiges Organ nur solange möglich sein soll, als dies vom Willen des nach der gesetzlichen Kompetenzverteilung zuständigen Organs getragen ist. Damit weichen aber die darüber hinausgehenden Einschränkungen der Verordnung vom Gesetz ab (vgl in diesem Sinne auch Winkler in Tomandl ArbVG § 114 Rz 4 FN 7).
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 30. 6. 2012, V 72/11‑14 den fünften Satz des § 53 der BR‑GO 1974 als gesetzwidrig aufgehoben und gemäß Art 139 Abs 5 letzter Satz B‑VG ausgesprochen, dass die Aufhebung mit 31. 1. 2014 in Kraft tritt.
Der Verfassungsgerichtshof hat diese Aufhebung im Wesentlichen damit begründet, dass die Übertragung der Zuständigkeit vom Betriebsrat auf den Zentralbetriebsrat nach § 114 ArbVG vom Betriebsrat auch wieder widerrufen werden kann und es damit unvereinbar ist, wenn der Verordnungsgeber den Widerruf in bestimmten Fällen an Voraussetzungen bindet, für die sich im Gesetz keine Anhaltspunkte finden.
Nach Zustellung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs war das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen.
Zufolge Art 139 Abs 6 B‑VG ist im vorliegenden Anlassfall für die Aufhebung des fünften Satzes des § 53 der BR‑GO 1974 die darin enthaltene Regelung nicht mehr anzuwenden. Es bleibt daher bei dem schon im Rahmen der gesetzlichen Regelungen angenommenen allgemeinen Widerrufsrecht im obigen Sinne. Die verbleibenden Bestimmungen des § 53 BR‑GO 1974 beziehen sich nicht auf dieses und stellen insoweit auch keine Einschränkung dar.
Auf dieser Grundlage sind folgende Überlegungen anzustellen:
III. Dass hier von einer Übertragung der Abschlusskompetenz des Betriebsrats an den Zentralbetriebsrat auszugehen ist, hat der erkennende Senat bereits in seinem Anfechtungsbeschluss zugrunde gelegt. An diesem Ergebnis ist festzuhalten: Ein ausdrücklicher Beschluss auf Übertragung der Befugnis zum Abschluss der Betriebsvereinbarung durch den Betriebsrat auf den Zentralbetriebsrat sowie die ausdrückliche Übernahme der Übertragung durch den Zentralbetriebsrat waren nicht feststellbar. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist der Betriebsinhaber allerdings weder berechtigt noch verpflichtet, Untersuchungen über die innere Willensbildung des Betriebsrats anzustellen, wenn ihm nicht bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, dass die Erklärung des Betriebsratsvorsitzenden beschlussmäßig nicht gedeckt ist (RIS‑Justiz RS0051490; RS0051485). Dies gilt ‑ wie der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt hat ‑ auch für die Fragen der Willensbildung im Zusammenhang mit einer Kompetenzübertragung vom Betriebsrat auf den Zentralbetriebsrat und die Frage der Rechtswirksamkeit der Willensbildung gegenüber dem Betriebsinhaber nach § 114 ArbVG (9 ObA 108/11i). § 114 Abs 4 ArbVG hebt ausdrücklich hervor, dass die Kompetenzübertragung erst mit der Verständigung des Betriebsinhabers von den vorhergehenden Beschlüssen Rechtswirksamkeit erlangt. Vom Vorliegen der gebotenen Verständigung ist hier auszugehen. Der Vorsitzende des klagenden Betriebsrats hat nicht nur an zahlreichen Besprechungen des Zentralbetriebsrats mit der Geschäftsleitung der Beklagten und an der Fassung von Beschlüssen über die Betriebsvereinbarung teilgenommen, sondern er hat auch die im Mai 2007 zwischen der Beklagten und dem Zentralbetriebsrat abgeschlossene Vereinbarung, in der die Übertragung ausdrücklich bestätigt wurde, mit ausgehandelt. Dies konnte der Betriebsinhaber als die Bekanntgabe des Beschlusses auf Übertragung der Kompetenz zur Verhandlung und zum Abschluss der Betriebsvereinbarung auf den Zentralbetriebsrat verstehen. Dass der Betriebsinhaber weder berechtigt noch verpflichtet ist, darüber hinausgehende Untersuchungen über die innere Willensbildung des Betriebsrats anzustellen, wurde bereits oben ausgeführt. Im Übrigen hatten auch alle anderen Betriebsratsmitglieder Kenntnis von den Verhandlungen und der abzuschließenden Betriebsvereinbarung. Sie hatten keinen Einwand dagegen, dass entsprechend dem Abstimmungsergebnis bei der Befragung der Arbeitnehmer die Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird.
IV. Wurden dem Betriebsinhaber gegenüber dem Betriebsrat zuzurechnende Erklärungen abgegeben, wonach eine Übertragung der Kompetenz nach § 114 ArbVG erfolgt ist, so treten die damit verbundenen Rechtsfolgen ein, die allerdings durch einen Widerruf des Betriebsrats, der seine Kompetenz übertragen hat, beseitigt werden können. Bloße nachträgliche Zweifel aufgrund unklarer späterer Erklärungen des Betriebsratsvorsitzenden über das Fehlen entsprechender Beschlüsse des Betriebsrats über die Übertragung reichen zur Beseitigung der Wirkungen der Bekanntgabe der Übertragung bei einer bereits ausgehandelten Betriebsvereinbarung nicht aus. Weder der Gesetzgeber noch die BR‑GO sehen eine Trennung der Kompetenzübertragung zwischen Verhandlung und Abschluss der Betriebsvereinbarung vor. Der Betriebsrat hat ja ohnehin die Möglichkeit des Widerrufs der Übertragung. Im Übrigen wurde die Übertragung hier ja von allen Betriebsratsmitgliedern akzeptiert.
Ungeklärt sind aber hier noch die näheren Umstände des vom klagenden Betriebsrats behaupteten Widerrufs, die von den Vorinstanzen im Hinblick auf die Bestimmung des fünften Satzes des § 53 der BR-GO 1974 weder erörtert noch festgestellt wurden.
Ausgehend von der durch den Verfassungsgerichtshof bereinigten Rechtslage ist grundsätzlich vom Erfordernis eines Beschlusses des Betriebsrates über den Widerruf und der Mitteilung dieses Beschlusses an den Zentralbetriebsrat auszugehen. Jedenfalls ist es aber erforderlich, dass ‑ wie nach Abs 4 des § 114 ArbVG ‑ ein derartiger Beschluss dem Betriebs‑(Unternehmens‑)inhaber umgehend mitgeteilt wird. Erst mit dessen Verständigung kann der Widerrufsbeschluss Rechtswirksamkeit erlangen (Mosler in ZellKomm2, § 114 ArbVG Rz 7; Naderhirn aaO, § 114 Rz 34; Winkler aaO, § 114 Rz 6; Preiss aaO, 689; AB 933 BlgNR 13. GP, 5, wiedergegeben in Tomandl, ArbVG zu § 114). Auch bei der Verständigung des Betriebsinhabers vom Widerruf wird ‑ im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung ‑ regelmäßig von der Maßgeblichkeit der Erklärungen des Betriebsratsvorsitzenden auszugehen sein.
All dies wurde bisher weder erörtert noch wurden die vor diesem Hintergrund zur Beurteilung erforderlichen Umstände näher festgestellt. Aus den Feststellungen ergibt sich nur, dass der Vorsitzende des klagenden Betriebsrats gegenüber dem Vorsitzenden des Zentralbetriebsrats in einem E‑Mail auf das Erfordernis der Beschlussfassung und der Verständigung des Betriebsinhabers sowie auf die Unzufriedenheit der Mehrheit der von ihm vertretenen Arbeitnehmer mit dem Verhandlungsergebnis hinwies und abschließend zum Ausdruck brachte, dass diese den Zentralbetriebsrat mit Nachverhandlungen zur Verbesserung beauftragen wollten. Davon erlangte auch der beklagte Arbeitgeber Kenntnis. Ein Widerruf der Kompetenzübertragung bzw die Bekanntgabe eines Beschlusses des Betriebsrats über den Widerruf kann allein darin aber nicht ‑ ohne „vernünftigen Grund daran zu zweifeln“ (§ 863 ABGB) ‑ gesehen werden, geht doch aus der E‑Mail abschließend eher hervor, dass weitere Verhandlungen durch den Zentralbetriebsrat sogar gewünscht sind. Dass an die Äußerungen des Betriebsratsvorsitzenden über Beschlüsse des Betriebsrats kein strenger formeller Anspruch gestellt wird, hat der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt (9 ObA 108/11i). Ausgehend davon fällt es nicht ins Gewicht, dass in den Erklärungen des Betriebsratsvorsitzenden einerseits auf die formellen Betriebsratsbeschlüsse und andererseits auf die Belegschaft Bezug genommen wurde. Insoweit erweisen sich der Hinweis auf die fehlenden Beschlüsse über die Kompetenzübertragung einerseits und der Wunsch nach Nachverhandlungen durch den Zentralbetriebsrat als Wunsch der Belegschaft als widersprüchlich. Diese Erklärung allein könnte daher nicht als „Widerruf“ gewertet werden.
Allerdings hat der Vorsitzende des klagenden Betriebsrats in weiterer Folge auch in der Versammlung der Betriebsratsvorsitzenden am 9. 4. 2008 gegen den Abschluss der Betriebsvereinbarung gestimmt und dadurch den „Unmut“ der durch den Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer mit der in Aussicht genommenen Betriebsvereinbarung zum Ausdruck gebracht. Die genaueren Umstände und die dabei konkret abgegebenen Äußerungen wurden jedoch nicht festgestellt, sodass derzeit noch nicht beurteilt werden kann, ob bei dieser Gelegenheit eine als Bekanntgabe des Widerrufs der Kompetenzübertragung auf den Zentralbetriebsrat zu wertende (schlüssige) Erklärung abgegeben wurde.
Sollte eine solche Erklärung abgegeben worden sein, wird ferner zu klären sein, ob davon auch der Zentralbetriebsrat und insbesondere auch der „Betriebsinhaber“ verständigt wurde.
Damit erweist sich aber das Verfahren als ergänzungsbedürftig.
Im Übrigen hat sich die Beklagte auch darauf gestützt, dass der Zentralbetriebsrat bei Abschluss der in Rede stehenden Betriebsvereinbarung im Rahmen seiner Kompetenz zum Abschluss von Sozialplänen nach § 109 Abs 3 ArbVG iVm § 113 Abs 4 lit g ArbVG tätig geworden sei. Wenngleich derzeit nicht ersichtlich ist, inwieweit in der hier maßgeblichen Betriebsvereinbarung eine Maßnahme zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung der nachteiligen Folgen einer Betriebsänderung iSd § 109 Abs 3 ArbVG gelegen sein könnte und inwieweit eine Betriebsänderung im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wäre dieses Vorbringen (erforderlichenfalls) mit der Beklagten zu erörtern bzw wären entsprechende Feststellungen zu treffen.
Insgesamt war die Rechtssache daher zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Im Hinblick darauf ist auf die vom klagenden Betriebsrat geltend gemachten Mängel des Berufungsurteils bei der Behandlung der Beweisrüge sowie auf die behauptete Aktenwidrigkeit nicht einzugehen.
Der Vorbehalt der Entscheidung über die Verfahrenskosten ‑ zu denen auch die Kosten des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof gehören (9 ObA 212/93) ‑ gründet sich auf die § 2 ASGG sowie § 52 ZPO.
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