OGH 6Ob256/12h

OGH6Ob256/12h27.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. G***** S*****, vertreten durch Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Univ.‑Prof. DI Dr. F***** H*****, vertreten durch Dr. Roland Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 9. August 2012, GZ 36 R 153/12k‑22, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 20. März 2012, GZ 24 C 277/11g‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0060OB00256.12H.0227.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie zu lauten haben wie folgt:

„Der Beklagte ist schuldig, es zu unterlassen, vom Kläger Lichtbilder oder sonstige Bildnisse vergleichbarer Art anzufertigen.“

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit 6.460,14 EUR (darin 940,39 EUR USt und 817,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit 3.467,56 EUR (darin 405,26 EUR USt und 1.036 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 3.047,04 EUR (darin 1.296 EUR Barauslagen und 291,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Eigentümer eines Wohnhauses in Wien. Im Zusammenhang mit diesem Wohnhaus hat der Beklagte mehrere Bauunternehmen mit Bauwerkleistungen beauftragt. Mit mehreren dieser Werkunternehmer befindet sich der Beklagte in gerichtlichen Auseinandersetzungen. Der Kläger ist geschäftsführender Gesellschafter einer Rechtsanwalts GmbH, welche ihrerseits zwei Bauunternehmen bei der klagsweisen Durchsetzung von Werklohnforderungen gegenüber dem Beklagten vertritt. Im Rahmen eines dieser Verfahren kam es am 8. 3. 2011 zu einer Befundaufnahme mit einem sachverständigen Malermeister im Haus des Beklagten.

Die Stimmung zwischen den Beteiligten ist grundsätzlich eher schlecht und angespannt. Zu Beginn der Befundaufnahme und vor Durchführung der Befundungen fertigte der Beklagte ‑ ohne dies zuvor anzukündigen oder zu erklären ‑ mit seiner Digitalkamera ein Lichtbild an, auf welchem der Kläger, die Geschäftsführer der Mandantin der Klagevertreterin, ein Vorarbeiter der Mandantin der Klagevertreterin sowie der Sachverständige abgebildet wurden. Diese Personen standen gerade in einem Bereich des Hauses, von dem die Stiegenhäuser und der Zugang in den Innenhof abzweigen. Der Kläger, der Vorarbeiter und die Geschäftsführer der Mandantin des Klägers sind mit ernster Miene dargestellt; vom Sachverständigen sieht man den Hinterkopf und einen Teil des Oberkörpers von hinten. Der Sachverständige wollte zum Zeitpunkt der Anfertigung des Lichtbildes gerade beginnen, den Anwesenden den Ablauf der Befundaufnahme zu erklären.

Der Beklagte ist seinerseits auch als Gerichtssachverständiger tätig und erstattet Gutachten mit Lokalaugenscheinen und Bauverhandlungen. In deren Rahmen fertigt er üblicherweise Lichtbilder der teilnehmenden Personen an, um bei Bedarf die Namen der Anwesenden eruieren zu können. Den Grund für die Anfertigung des Lichtbildes im konkreten Fall erklärte der Beklagte den Anwesenden nicht.

Sogleich nach Anfertigung des Lichtbildes forderte der Kläger den Beklagten auf, dieses zu löschen. Er war aufgeregt, weil der Beklagte eine Personengruppe und nicht etwa das Bauwerk fotografiert hatte. Der Kläger fragte den Beklagten, wozu dieser das Lichtbild aufgenommen habe. Der Beklagte empfand das Verhalten des Klägers als aggressiv. Er entgegnete: „Zur Belustigung“. Dies ärgerte den Kläger. Er forderte den Beklagten unter Hinweis auf eine vom Kläger behauptete Rechtswidrigkeit dieser Handlung daraufhin auf, das Lichtbild zu löschen. Nach Rücksprache des Beklagten mit dem Beklagtenvertreter verweigerte der Beklagte dies.

Der Kläger begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Anfertigung von Lichtbildern des Klägers zu unterlassen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Ausgehend von dem im Vorigen wiedergegebenen Sachverhalt erwog es in rechtlicher Sicht, dass § 78 UrhG nur eine ‑ Persönlichkeitsinteressen verletzende ‑ Veröffentlichung eines Personenbildnisses, nicht jedoch schon die unbefugte Bildaufnahme an sich verbiete. Eine unbefugte Bildaufnahme könne daher allenfalls aufgrund einer Verletzung des höchstrichterlich anerkannten Rechts auf Geheim‑ und Privatsphäre als Fallgruppe des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des § 16 ABGB rechtswidrig sein. Im vorliegenden Fall handle es sich jedoch nicht um den Kernbereich der Geheimnissphäre; vielmehr handle es sich um eine Bildaufnahme im Rahmen einer Befundaufnahme zu einem öffentlichen Verfahren. § 228 Abs 4 StPO sowie § 22 MedienG würden Aufnahmen nur bei Gerichtsverhandlungen verbieten; Film‑ und Fotoaufnahmen im Gerichtsgebäude außerhalb der Verhandlungen seien jedoch zulässig. Insofern vermittelten die angeführten Vorschriften den berufsmäßigen Parteienvertretern keinen erhöhten Identitätsschutz, sondern sollten sicherstellen, dass es zu keiner einseitigen Berichterstattung komme, zu keiner Befangenheit und zu keiner Belastung der Verfahrensbeteiligten. Außerdem stehe der Kläger als berufsmäßiger Parteienvertreter schon aufgrund der prinzipiellen Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen verstärkt in der Öffentlichkeit.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es gebe im österreichischen Recht keine positiv‑rechtliche Bestimmung, wonach eine Anfertigung eines Lichtbildes von einem Dritten ohne dessen Zustimmung unzulässig wäre, sofern dadurch nicht schützenswerte Interessen des Abgebildeten verletzt würden. Die Ablichtung eines Parteienvertreters aus Anlass einer Befundaufnahme könne weder als Eingriff in die Privat‑ geschweige denn in die Geheimsphäre des Klägers angesehen werden. Es bestehe auch kein Anlass, Parteienvertreter besonders vor nicht autorisierten Bildaufnahmen zu schützen, weil sie als berufsmäßige Parteienvertreter zur Wahrung der Interessen der von ihr vertretenen Prozesspartei gezwungen seien und daher im Interesse der vertretenen Partei auch an einer gerichtlichen Befundaufnahme teilnehmen müssten. Es sei nicht nachvollziehbar, warum dem Beklagten nicht erlaubt sein solle, in seinem eigenen Haus bei einer gerichtlichen Befundaufnahme ein Lichtbild der anwesenden Personen anzufertigen. Ob er ein berechtigtes Interesse an der Anfertigung des Lichtbildes hatte, sei daher letztlich irrelevant. Das Lichtbild sei in keiner Weise geeignet, sich über den Kläger lustig zu machen oder diesen gar zu verspotten. Der deutschen Rechtsprechung, wonach bereits die unbefugte Herstellung von Personenaufnahmen das allgemeine Persönlichkeitsrecht berühre, könne nicht gefolgt werden.

Nachträglich ließ das Berufungsgericht die Revision mit der Begründung zu, es fehle an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob es im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art 8 EMRK und die überwiegende deutsche Lehre und Rechtsprechung des BGH im Sinne der Rechtsentwicklung erforderlich erscheine, eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 78 UrhG über § 16 ABGB dahingehend vorzunehmen, dass bereits ein Schutz gegen die Bildaufnahme selbst zu bejahen sei.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

1.  Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

2.1.  Das Recht auf Bildnisschutz gehört zu den Persönlichkeitsrechten iSd § 16 ABGB (RIS‑Justiz RS0123001). Die Persönlichkeitsrechte geben dem Geschädigten Abwehransprüche und gegebenenfalls Ansprüche auf Schadenersatz (RIS‑Justiz RS0008994).

2.2.  Die Rechtsprechung betont allerdings, dass eine Überspannung des Schutzes der Persönlichkeitsrechte zu einer unerträglichen Einschränkung der Interessen anderer und jener der Allgemeinheit führen würde (RIS‑Justiz RS0008990).

3.1.  Schon nach bisheriger Rechtsprechung waren geheime Bildaufnahmen im Privatbereich, fortdauernde unerwünschte Überwachungen und Verfolgungen (RIS‑Justiz RS0107155) sowie eine systematische, verdeckte, identifizierende Videoüberwachung (RIS‑Justiz RS0120422) als Eingriff in die Geheimsphäre zu qualifizieren.

3.2.  Außerhalb derartiger Sonderfälle wurde jedoch bisher die bloße Aufnahme einer Person ‑ im Gegensatz zur Verbreitung ‑ als zulässig angesehen. Nach herrschender Ansicht bietet § 78 UrhG keinen Schutz gegen die ungewollte Aufnahme von Bildern. Soweit in der Literatur ein solcher Schutz unter gewissen Umständen anerkannt wird, wird dieser aus § 16 ABGB abgeleitet (vgl dazu zusammenfassend Thiele , Unbefugte Bildaufnahme und ihre Verbreitung im Internet ‑ braucht Österreich einen eigenen Paparazzi‑§? RZ 2007, 2 ff). In der Literatur wird teilweise vorgeschlagen, ähnlich der deutschen Lösung die Bestimmung des § 78 UrhG über § 16 ABGB so auszuweiten, dass sowohl die Bildveröffentlichung als auch die Bildaufnahme nur dann gestattet sind, wenn dadurch keine berechtigten Interessen des Abgebildeten verletzt werden ( Frick , Persönlichkeitsrechte‑Rechtsvergleichende Studie über den Stand des Persönlichkeitsschutzes in Österreich, Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein 107 f).

3.3.  Koziol (Haftpflichtrecht II² 12) bezeichnet die Ausdehnung des im Gesetz anerkannten Schutzes des Rechts am eigenen Bild auf einen Schutz gegen die Aufnahme des Bildes als höchst fraglich. Ein Schutz könne hier über das Recht an der Geheimsphäre in gewissem Umfang erreicht werden. Korn/Neumayer (Persönlichkeitsschutz im Zivil‑ und Wettbewerbsrecht [1991] 95 f) sprechen sich gegen eine Ausweitung des Rechts am eigenen Bild auf einen Schutz gegen die Aufnahme des Bildes aus. Bei begründeter Besorgnis, dass in das Recht am eigenen Bild eingegriffen werde, biete ohnedies § 78 UrhG über eine vorbeugende Unterlassungsklage Schutz vor unzulässiger Verbreitung. Wenn überhaupt könne man nur aus dem Recht auf Wahrung der Geheimsphäre ein Verbot der Geheimaufnahmen im privaten Bereich ableiten.

4.1.  Nach herrschender Auffassung in Deutschland kann schon das ungenehmigte Herstellen eines Personenfotos eine Verletzung des aus dem Grundgesetz abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen. Bei der Prüfung ist anhand aller Umstände des Einzelfalls eine Güter‑ und Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Abzubildenden und den Interessen des Fotografen vorzunehmen ( Wanckel , Foto‑ und Bildrecht 4 [2012] 35 ff mwN).

4.2.  Der deutsche Bundesgerichtshof hat bereits 1995 ausgesprochen, dass die ungenehmigte Herstellung von Bildnissen einer Person grundsätzlich auch ohne Verbreitungsabsicht unzulässig ist (BGH NJW 1995, 1955). Dies gilt umso mehr, wenn die Aufnahme mit Verbreitungsabsicht erfolgt (OLG Karlsruhe NJW‑RR 1999, 1699: Anfertigung von Bild‑ und Tonaufnahmen eines Wachkomapatienten für eine Fernsehsendung). Anderes gilt nach deutschem Recht etwa, wenn ein Haus mit dessen Bewohnern im Garten aus der Luft ausschließlich deshalb fotografiert wird, um die Aufnahme den Bewohnern zum Kauf anzubieten (OLG Oldenburg NJW‑RR 1988, 951), weiters bei Fotografien von Sachen ohne Verletzung der Intim‑ oder Privatsphäre oder des Hausrechts (OLG Brandenburg NJW 1999, 3339). Gleiches gilt bei Personen der Zeitgeschichte, wenn eine spätere Veröffentlichung in Betracht kommt (KG Berlin NJW‑RR 2007, 1196). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umfasst der Begriff des Privatlebens auch Elemente, die die Identität einer Person betreffen wie den Namen und ihr Bild sowie ihre physische und psychische Integrität (RIS‑Justiz RS0126881; Grabenwarter , EMRK 5 [2012] 232).

5.  Im Kontext der fotografischen Überwachung von Personen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits festgehalten, dass das Aufzeichnen von Daten und ihre systematische bzw dauerhafte Verwendung das Privatleben berühren können. In einem solchen Fall wurde darauf abgestellt, ob die fragliche Überwachungsmaßnahme auf eine bestimmte Person gerichtet war oder nicht und ob persönliche Daten verarbeitet bzw in einer Art und Weise verwendet wurden, dass sie einen Eingriff in das Privatleben darstellten (Bsw 420/07 = RIS‑Justiz RS0128094).

6.  Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des deutschen Bundesgerichtshofs an.

6.1.  Aus Art 8 EMRK ergeben sich nicht nur Abwehrrechte gegen den Staat, sondern auch korrespondierend Schutzpflichten des Staats. Allerdings hängen Art und Ausmaß dieser Schutzpflichten von Art und Schwere der Beeinträchtigung der Rechte des Verletzten ab. Hinsichtlich der missbräuchlichen Veröffentlichung bzw Ausstellung eines Bildes gewährt § 78 UrhG ohnedies ausreichend Schutz, weil hiernach eine Veröffentlichung bzw Ausstellung des Lichtbildes dann verboten ist, wenn eine Beeinträchtigung schützenswerter Interessen des Abgebildeten vorliegt.

6.2.  Das Recht am eigenen Bild stellt eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Daher kann bereits die Herstellung eines Bildnisses ohne Einwilligung des Abgebildeten einen unzulässigen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht darstellen. Dabei wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht nur dann verletzt, wenn Abbildungen einer Person in deren privatem Bereich angefertigt werden, um diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vielmehr kann auch die Herstellung von Bildnissen einer Person in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen und ohne Verbreitungsabsicht einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen. Schon das damit verbundene fotografische Festhalten einer bestimmten Tätigkeit oder Situation kann vom Abgebildeten als unangenehm empfunden werden und ihn an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit hindern. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der Verbreitungs-, aber auch Manipulationsmöglichkeiten durch die moderne (Digital-)Technik, kann der Aufgenommene doch im Vorhinein nie wissen, wie der Fotografierende die Aufnahme in der Folge verwenden wird. Insoweit entspricht die Rechtslage beim Recht am eigenen Bild im Wesentlichen derjenigen beim Recht am eigenen Wort. Demnach kann auch bereits die Aufnahme des gesprochenen Worts ‑ unabhängig von einer allfälligen späteren Verbreitung ‑ eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Aufgenommenen darstellen (SZ 65/134; SZ 74/168).

6.3. Dabei bedarf es allerdings ‑ wie stets bei der Ermittlung von Umfang und Grenzen von Persönlichkeitsrechten ‑ einer umfassenden Güter‑ und Interessenabwägung im Einzelfall. Hierbei kommt es zunächst darauf an, ob der Abgebildete auf der Aufnahme zu identifizieren ist. Je weniger deutlich dies der Fall ist, umso geringer ist die Beeinträchtigung. Außerdem ist zu berücksichtigen, ob die Aufnahme gezielt erfolgt oder eine Person nur zufällig auf ein Bild gerät. Im ersteren Fall wird ein Gefühl der Überwachung vermittelt, das den Abgebildeten an der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit hindert. In diesem Sinne hat auch der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass dann, wenn vorübergehende Passanten zufällig in eine Aufnahme miteinbezogen werden, diese ohne weiteres hinnehmen müssen, wenn sie öffentlichen Wegeraum benützen. Ist der Abgebildete überhaupt nicht mehr zu identifizieren ‑ wie etwa bei Urlaubsfotos Außenstehende Personen im Hintergrund der Aufnahme ‑ scheidet eine Persönlichkeitsrechtsverletzung in der Regel jedenfalls dann aus, wenn der Abgebildete nicht den Eindruck erhält, er werde gezielt fotografiert.

6.4.  Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine gezielte Aufnahme des Klägers, auf der dieser einwandfrei zu identifizieren ist. Der vorliegende Fall unterscheidet sich daher etwa von Urlaubsfotos, auf denen zufällig im Hintergrund vielleicht auch andere Menschen zu sehen sind.

6.5.  Außerdem hat der Beklagte kein schutzwürdiges Interesse an der Notwendigkeit der Anfertigung einer Fotografie dargetan. Es wäre ihm freigestanden, das Einverständnis des Klägers zu verlangen und seine Handlung entsprechend zu erklären, etwa dahin, dass er die Aufnahme als Gedächtnisstütze benötige. Die Einholung einer Einverständniserklärung wäre umso eher möglich gewesen, als die Anfertigung der Aufnahme keineswegs dringlich war. Zudem wäre der angebliche Zweck der Aufnahme als Gedächtnisstütze ohne weiteres auch durch Anfertigung entsprechender Notizen zu erfüllen gewesen.

6.6.  Stattdessen hat der Beklagte auf Frage des Klägers nach dem Zweck der Aufnahme geantwortet, er habe diese „zur Belustigung“ angefertigt. Damit musste die Aufnahme aber für den Kläger schon nach dem objektiven Wortlaut dieser Erklärung ‑ ungeachtet des vom Beklagten nach den Feststellungen des Erstgerichts damit tatsächlich verfolgten Zwecks ‑ als besonders bedrohlich erscheinen, musste der Kläger doch in Anbetracht der Möglichkeiten der modernen Digitaltechnik mit entsprechenden Manipulationen bzw einem Missbrauch des Beklagten ernsthaft rechnen.

7.1.  Nicht entscheidend ist demgegenüber, dass es sich im vorliegenden Fall um eine im Zusammenhang mit einer Befundaufnahme eines Sachverständigen durchgeführten Fotografie handelt. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erfolgte die Aufnahme nämlich vor Beginn der Befundaufnahme. § 171 ZPO iVm § 22 MedienG ist daher auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar (vgl dazu Zeder , Medienrecht im Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz, ÖJZ 2011, 14 [17]). Diese Bestimmungen sind auf die Befundaufnahme durch den Sachverständigen nicht zugeschnitten. Vielmehr bezwecken diese in erster Linie den Persönlichkeitsschutz der Beteiligten, Angeklagte, Zeugen und weitere Verfahrensbeteiligte sollen mit der Berichterstattung verbundenen psychischen Belastungen geschützt werden. Weiters sollen durch diese Bestimmungen Störungen der äußeren Ordnung im Gerichtssaal und mögliche Beeinträchtigungen der Wahrheitsfindung verhindert werden ( Zeder aaO).

7.2.  Demgegenüber ist die Befundaufnahme durch den Sachverständigen nicht öffentlich, sodass schon aus diesem Grund in der Regel keine entsprechende Berichterstattung möglich ist. Auch der Zweck der Bewahrung der Ordnung im Gerichtssaal sowie der Verhinderung von Beeinträchtigungen der Wahrheitsfindung lässt sich nicht ohne weiteres auf die Befundaufnahme des Sachverständigen übertragen. Vor allem aber ist das Verbot des § 22 MedienG zeitlich auf die Verhandlung selbst beschränkt; Aufnahmen vor oder nach der Verhandlung oder in Verhandlungspausen im Gerichtsgebäude sowie im Verhandlungssaal sind grundsätzlich zulässig ( Zeder aaO). Umso weniger steht § 22 MedienG Aufnahmen außerhalb des Gerichtssaals entgegen.

7.3.  Daher muss im vorliegenden Fall weder auf die Frage, ob sich das Verbot des § 22 MedienG nur an den Verhandlungsleiter oder auch an den Aufnehmenden richtet ( Berka in Berka/Höhne/Noll/Polley , MedienG § 22 Rz 5) ebenso wenig eingegangen werden wie auf die prozessuale Einordnung der Befundaufnahme durch den Sachverständigen (dazu Fasching , Die Ermittlung von Tatsachen durch den Sachverständigen im Zivilprozess, FS Matscher 97 ff).

8.  Nicht gefolgt werden kann der Rechtsansicht des Klägers, soweit dieser in der Vorlage des Lichtbildes im Verfahren einen weiteren Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht erblickt. Die Vorlage des Fotos in einem auf Unterlassung der Anfertigung derartiger Fotografien gerichteten Verfahrens ist schon deshalb zweckmäßig, weil Art und Gegenstand der Aufnahme ein entscheidendes Element im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung darstellen. Damit war die Vorlage des Fotos aber von § 78 UrhG gedeckt.

9.  Die Wiederholungsgefahr ist zweifelsfrei zu bejahen. Abgesehen davon, dass der Beklagte sogar nach Aufforderung durch den Kläger sich geweigert hat, die Aufnahme zu löschen, hat er seine Handlung im vorliegenden Verfahren verteidigt. Nach ständiger Rechtsprechung indiziert aber die Verteidigung der eigenen Handlung durch den Beklagten das Vorliegen von Wiederholungsgefahr (RIS‑Justiz RS0012075; G.   Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek , UWG² § 14 Rz 21).

10.  Damit waren aber die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern.

11.  Aufgrund der Abänderung war auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens neu zu fassen. Diese gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Dabei war im Revisionsverfahren der Antrag nach § 508 ZPO nicht gesondert zu honorieren. Der Antrag ist vielmehr nach Anmerkung 1 zu TP 3c RATG von der Entlohnung nach TP 3 RATG mitumfasst.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte