OGH 4Ob200/12h

OGH4Ob200/12h28.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** K*****, vertreten durch Dr. Franz Grauf und Dr. Bojan Vigele, Rechtsanwälte in Völkermarkt, gegen die beklagte Partei C***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Helmut Binder, Rechtsanwalt in Villach, wegen 13.034,60 EUR sA und Feststellung (Streitwert 1.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 10.034,60 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 6. August 2012, GZ 2 R 119/12f-40, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 8. Mai 2012, GZ 29 Cg 195/10k-36, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 742,27 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 123,71 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger fuhr mit seinem Mountainbike auf einer etwa 2,5 m breiten Forststraße mit einer Oberfläche aus Schotter, gebrochenem Gestein und gebrochenen Dachziegeln, die ein Gefälle von etwa 10 % aufwies, mit etwa 20 km/h bergab. Diese Forststraße mündet wenige Meter unterhalb der Unfallstelle in einen als Radwanderweg ausgeschilderten öffentlichen Weg. An der Unfallstelle hat die Beklagte seit Jahren an zwei außerhalb des Wegs angebrachten Holzstehern eine quer über den Weg gespannte silbergraue Metallkette angebracht, von der der Kläger - ihm war diese Forststraße bis dahin unbekannt - nichts wusste. Ein besonders aufmerksam fahrender Mountainbiker hätte die quer über die Forststraße gespannte Kette aus einer Entfernung von etwa 50 m erkennen können, bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit war sie jedenfalls aus einer Entfernung von etwa 25 m erkennbar. Der Anhalteweg für einen Mountainbiker aus einer Geschwindigkeit von 20 km/h beträgt knapp 12 m. Der Kläger, der die Kette nicht bemerkte, fuhr dagegen, stürzte über sie und zog sich durch den Sturz schwere Verletzungen zu.

Der Kläger war auf die Forststraße gelangt, indem er mit seinem Mountainbike zunächst einen über einen anderen Weg gelegten Metallschranken umging, an Verkehrszeichen „Allgemeines Fahrverbot“ mit dem Zusatz „Forststraße“ samt Zusatztafel „gilt auch für Reiter und Radfahrer“ vorbeiging, etwa 100 bis 150 m auf einem Wanderweg und schließlich etwa 12 m über eine Waldlichtung und über den Wegrand der Forststraße sein Mountainbike weiterschob. Erst auf der Forststraße bestieg er sein Mountainbike und fuhr diese in der Annahme bergab, dass man auf dieser Forststraße - wie überhaupt im Wald - Fahrrad fahren dürfe.

Die Vorinstanzen wiesen das auf die Wegehalterhaftung des § 1319a ABGB gestützte Schadenersatzbegehren des Klägers mit der Begründung ab, dieser hätte erkennen müssen, dass er auf der Forststraße mit seinem Mountainbike nicht fahren dürfe. Die Beklagte habe nicht damit rechnen müssen, dass der Kläger die Forststraße in dieser Art rechtswidrig benützen werde. Überdies hätte der Kläger bei gehöriger Aufmerksamkeit und Reaktion den Sturz durch eine Bremsung nach Erkennen des Hindernisses verhindern können. Das Berufungsgericht verwies ausdrücklich darauf, dass die über den Weg gespannte Kette jedenfalls aus einer Entfernung von 25 m erkennbar gewesen wäre und der Anhalteweg bei einer Fahrgeschwindigkeit von 20 km/h nur knapp 12 m betrage.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers, mit der er sein Schadenersatzbegehren weiter verfolgt, ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Der Kläger stützt sich im Rechtsmittelverfahren nur mehr auf die Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB. Der Wegehalter hat für Unfallsfolgen nur einzustehen, wenn ihm oder seinen Leuten grobe Fahrlässigkeit vorwerfbar ist. Darunter ist eine auffallende Sorglosigkeit zu verstehen, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falls in ungewöhnlicher Weise verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist. Es kommt im jeweils zu prüfenden Einzelfall darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um eine gefahrlose Benützung gerade dieses Wegs sicherzustellen (4 Ob 211/11z mwN zur stRsp).

Der Oberste Gerichtshof hat zu 1 Ob 260/05z sogar bei einem als Mountainbikestrecke freigegebenen Forstweg einen grob fahrlässigen Verstoß gegen die den Wegehalter treffenden Verkehrssicherungspflichten verneint, wenn die unfallskausale Wegschranke nur aus einer Entfernung von 10 bis 15 m erkennbar war, wenn gleichzeitig aus einer Entfernung von 55 m in die Augen fallende seitliche Pfosten und ein Fußgängerdurchgang neben der Forststraße die Gefahrenquelle bei gebotener Aufmerksamkeit erkennbar machen. Ist die silbergraue Metallkette jedenfalls aus 25 m Entfernung erkennbar, bei Anwendung besonderer Aufmerksamkeit sogar aus 50 m, liegt gleichfalls kein grob fahrlässiges Verhalten des Wegehalters oder seiner Leute vor, wenn keine darüber hinausgehende Warnung oder Absicherung erfolgt.

Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist mit dem der Entscheidung 4 Ob 211/11z zugrundeliegenden insoweit nicht zu vergleichen, weil dort das über die Forststraße gespannte, nicht besonders kenntlich gemachte Weideband erst aus einer Entfernung von 12,5 m erkennbar war.

Da somit die Haftung der Beklagten als Wegehalterin nach § 1319a ABGB mangels grob fahrlässigen Verstoßes gegen sie treffende Verkehrssicherungspflichten jedenfalls ausgeschlossen ist, ist die vom Berufungsgericht und dem Revisionswerber als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Rechtsfrage, ob für den Kläger die unerlaubte Benützung einer Forststraße erkennbar war, nicht entscheidungswesentlich.

Im Übrigen kommt es bei Prüfung der Frage der Erkennbarkeit einer unerlaubten oder widmungswidrigen Benützung einer Forststraße, welche nach § 1319a Abs 2 zweiter Satz ABGB die Haftung des Wegehalters ausschließt, darauf an, ob dem Benutzer der Straße aufgrund seiner optischen Wahrnehmungen erkennbar ist, die Straße widmungswidrig und unbefugt zu nutzen (2 Ob 23/94). Ob dem Geschädigten erkennbar war, eine Forststraße (im Sinn des Forstgesetzes) und keinen öffentlichen Weg, auf dem das Radfahren grundsätzlich erlaubt ist, zu benutzen, lässt sich nur anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls beurteilen. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, die von ihm benutzte Forststraße sei ein öffentlicher Weg, weil er auf die ihm unbekannte Forststraße unter Umgehung eines Schrankens, Nutzung eines Fußwegs und Schieben seines Rads über eine Waldlichtung gelangte, bildet keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung. Es ist Aufgabe des Waldbesitzers, durch entsprechende Beschilderung Forststraßen von sonstigen öffentlichen Wegen eindeutig abzugrenzen (2 Ob 23/94 mwN), dies kann aber nur für die Verbindungen der Forststraßen mit öffentlichen Wegen gelten und nicht für das sonstige Umgebungsgelände, das nicht für die Benützung mit dem Fahrrad vorgesehen ist, müssten Forststraßen sonst doch entweder zur Gänze eingezäunt oder abgeschrankt oder mit in kurzen Abständen aufzustellenden (zahllosen) Schildern „abgesichert“ werden.

Da die Beklagte auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision hinwies, hat ihr der Kläger die Kosten der Revisionsbeantwortung gemäß §§ 41 und 50 ZPO zu ersetzen.

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