OGH 5Ob116/12p

OGH5Ob116/12p20.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M*****, 2. F*****, 3. J*****, 4. P*****, alle vertreten durch Mag. Roland Schlegel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17‑19, wegen Abtretung einer Erbschaft (Streitwert 71.652,95 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. März 2012, GZ 13 R 242/11w‑17, womit über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. Oktober 2011, GZ 15 Cg 28/11i‑13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern die mit 2.057,18 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 342,86 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind gesetzliche Erben der H***** (in der Folge: Erblasserin), die am 11. 8. 1980 verstarb.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 11. 10. 1983, GZ 3 A 614/80‑44 wurde der reine Nachlass der Erblasserin nach fruchtlosem Ablauf der Frist zur Einberufung der unbekannten Erben für erblos erklärt und über Antrag der Finanzprokuratur dem Staat übergeben. Dieser Beschluss wurde allen Beteiligten des Verlassenschaftsverfahrens zugestellt. Er erwuchs in Rechtskraft.

Die Erstklägerin, der Zweitkläger und die Drittklägerin stellten am 5. 8. 2010, der Viertkläger am 6. 8. 2010 beim Bundesministerium für Finanzen Anträge auf Ausfolgung des Nachlasses. Diesen Anträgen waren eine schematische Darstellung der Verwandtschaftsverhältnisse (Stammbaum), jedoch keine Originalpersonenstandsurkunden angeschlossen.

Mit Schreiben vom 24. 8. 2010 teilte die Beklagte dem Klagevertreter mit, dass der Nachlass insbesondere wegen Verjährung des Anspruchs nicht ausgefolgt werde.

Die Kläger begehren mit der am 21. 3. 2011 eingebrachten Klage, die Beklagte schuldig zu erkennen, den Klägern den der Beklagten mit Beschluss vom 11. 10. 1982 (richtig: 1983) übertragenen reinen Nachlass nach der Erblasserin zu 1/1‑Anteilen abzutreten. Die Kläger als wahre Erben könnten gegen die Beklagte die Erbschaftsklage erheben, die auch nicht verjährt sei: Selbst wenn man von einer Verjährbarkeit der Erbschaftsklage ausgehe, könne die 30‑jährige Frist erst ab Erwerb des Nachlasses ‑ und nicht, wie von der Beklagten vertreten bereits mit dem Erbanfall ‑ beginnen. Im Übrigen gelte bei einer gebotenen verfassungskonformen Interpretation des § 1485 ABGB die dort geregelte 40‑jährige Frist auch für die Kläger. Schließlich sei die Verjährung jedenfalls durch den von den Klägern gestellten Ausfolgungsantrag unterbrochen worden, weil das Bundesministerium für Finanzen über den Ausfolgungsantrag mit Bescheid zu entscheiden gehabt hätte.

Die Beklagte wendet ausschließlich Verjährung ein. Zwar verjähre das Erbrecht als solches nicht; die mit Erbschaftsklage geltend zu machenden Ansprüche verjährten hingegen in 30 Jahren ab dem Tod des Erblassers. § 1485 ABGB sei nicht anwendbar. Die Prüfung des Ausfolgungsantrags der Kläger sei im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung erfolgt. Eine Verjährungsunterbrechung habe daher nicht stattgefunden.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Verjährung mit der Begründung ab, dass aus der einzigen zu dieser Rechtsfrage aufgefundenen Entscheidung (Judikatenbuch 28 = GLU 565) folge, dass die 30‑jährige Verjährungsfrist mit dem Todestag der Erblasserin, somit am 11. 8. 1980, begonnen habe.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von den Klägern erhobenen Berufung Folge und änderte das Ersturteil im Sinne einer Klagestattgebung ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage des Beginns der Verjährungsfrist der Erbschaftsklage keine aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere.

Rechtlich vertrat das Berufungsgericht ‑ unter Darstellung der dazu vertretenen Lehrmeinungen und der Rechtsprechung ‑ die Auffassung, dass die Erbschaftsklage erst mit Rechtskraft der Einantwortung an die Erben zulässig sei, außer es käme zu keiner Abhandlung. Der aufgrund eines Heimfallsrechts mit der Erbschaftsklage in Anspruch genommene Staat sei erst dann passiv legitimiert, wenn ihm der Nachlass überlassen worden sei, also dann, wenn er diesen besitze. Die Übergabe sei mit Beschluss des Abhandlungsgerichts erfolgt. Erst mit diesem Zeitpunkt beginne die 30‑jährige Verjährungsfrist. Der Verjährungseinwand der Beklagten sei daher unberechtigt.

Die aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten strebt eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, hilfsweise eine Aufhebung, an.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

In der Revision hält die Beklagte ihren Standpunkt aufrecht, dass die Verjährungsfrist ab Todestag der Erblasserin zu laufen begonnen habe.

Dazu wurde erwogen:

1. Die Beklagte hat den Nachlass aufgrund des in § 760 ABGB geregelten sogenannten „Heimfallsrechts“ erworben.

1.1 Nach herrschender Ansicht ist das Heimfallsrecht ‑ anders als nach deutscher Rechtslage (vgl § 1936 Abs 1 BGB) ‑ kein Erbrecht. Weder gibt der Staat eine Erbsantrittserklärung (früher: Erbserklärung) ab, noch wird ihm der Nachlass eingeantwortet. Mit Übernahme des Nachlasses kommt es zu einer Gesamtrechtsnachfolge (Kralik, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts² ‑ Das Erbrecht [1983] 84 f; Welser in Rummel³ § 760 ABGB Rz 2; Eccher in Schwimann, ABGB³ § 760 Rz 1, 3; Windisch, Zur Durchsetzbarkeit des staatlichen Heimfallsrechtes gegen behauptete Erbrechte, in FS Finanzprokuratur [1995], 309 f; 5 Ob 554/84 NZ 1985, 132; 3 Ob 523/95 JBl 1997, 241 mwN [Auckenthaler]).

1.2 Die Aneignung des Nachlasses der Erblasserin durch die Beklagte erfolgte hier noch nach den Verfahrensvorschriften des AußStrG 1854. Das dem Heimfall vorangehende Verfahren regelten die §§ 128 ff AußStrG 1854, wonach die Übergabe der Verlassenschaft an den Fiskus die erfolglose Ediktalladung der (unbekannten) Erben und ein Zuwarten von sechs Monaten voraussetzte. Verstrich diese Frist ungenützt, so hatte das Verlassenschaftsgericht die Finanzprokuratur als Vertreter des Fiskus zu verständigen und dem Staat den Nachlass des Erblosen zu überlassen (§ 130 AußStrG 1854). Dabei steht es diesem nach der Rechtsprechung (7 Ob 622/85 SZ 59/150; 3 Ob 523/95 JBl 1997, 241 [Auckenthaler]; RIS‑Justiz RS0008111) frei, ob er vom Heimfallsrecht Gebrauch machen will. Mit Stellung eines Ausfolgungsantrags des heimfallsberechtigten Staats und über Zuweisung des Nachlasses an ihn endet jedenfalls das Verlassenschaftsverfahren.

1.3 Ob das Heimfallsrecht seiner Natur nach, wie von den Klägern behauptet, auch (oder gar ausschließlich) öffentlich‑rechtlichen Charakter hat, bedarf hier schon deshalb keiner Auseinandersetzung, weil es im ABGB geregelt und damit eine positiv‑rechtliche Zuordnung zum Privatrecht erfolgt ist. Unbestritten übt der Fiskus sein Heimfallsrecht nicht als übergeordneter Rechtsträger mittels einseitiger Gestaltungsrechte aus, sondern bedient sich zur Geltendmachung seiner Ansprüche derselben Mittel wie alle anderen Rechtsgenossen. Insbesondere kann der Staat in Ausübung seines Heimfallsrechts nicht in subjektive Rechte durch Befehls‑ und Zwangsgewalt eingreifen (Deixler‑Hübner, Das Heimfallsrecht an Nachlässen, insbesondere die verfahrensrechtliche Stellung der Republik Österreich in der Verlassenschaftsabhandlung, in Buchegger/Holzhammer, Beiträge zum Zivilprozessrecht III [1989] 9 ff; Windisch in FS Finanzprokuratur 310 f).

1.4 Die Auffassung der Kläger, die Beklagte hätte über ihren „Ausfolgungsantrag“ mittels Bescheid absprechen müssen, entbehrt daher der Rechtsgrundlage.

2. Es bedarf zunächst einer Prüfung, ob § 823 ABGB (analog) anzuwenden ist.

2.1 Aus der Qualifikation des Heimfallsrechts als „erbrechtsähnliches“, zur Gesamtrechtsnachfolge führendes Recht folgert die herrschende Ansicht, dass die ‑ spärlichen ‑ gesetzlichen Regeln durch eine sinngemäße Anwendung der erbrechtlichen Vorschriften zu ergänzen sind (Kralik, Erbrecht 85; Windisch in FS Finanzprokuratur 311; Welser in Rummel³ § 760 ABGB Rz 2; Apathy in KBB³ § 760 Rz 2; Deixler‑Hübner, Heimfallsrecht 8).

2.2 So entspricht es auch der völlig herrschenden Ansicht, dass der wahre Erbe nach Zuweisung des Nachlasses an den Staat, womit die Verlassenschaftsabhandlung beendet ist, gegen den Staat in sinngemäßer (zutreffend wohl analoger ‑ vgl Rabl, Verwendungsanspruch des wahren Erben gegen den Fiskus ‑ ist der Heimfall gegenüber dem wahren Erben gerechtfertigt?, NZ 1997, 141; ebenso Scheuba in ABGB‑ON 1.01 § 760 Rz 5) Anwendung des § 823 ABGB vorgehen kann (Weiß in Klang² III [1952] 1071; Welser in Rummel³ § 760 ABGB Rz 9; 6 Ob 674/80 NZ 1981, 108; 3 Ob 523/95 JBl 1997, 241 [Auckenthaler]; vgl auch § 128 letzter Satz AußStrG 1854).

2.3 Eine entsprechende ausdrückliche Anordnung fand sich im Übrigen im Hofdekret vom 12. 10. 1835, JGS Nr 90, das allerdings lediglich der Erläuterung des § 760 ABGB diente (Deixler‑Hübner, Heimfallsrecht 3), weshalb die Rechtslage auch nach seiner Aufhebung durch das Erste Bundesrechtsbereinigungsgesetz BGBl I 1999/191 jedenfalls im hier interessierenden Zusammenhang (zur Frage, ob der Staat nach wie vor eo ipso als redlicher Besitzer anzusehen ist, siehe Apathy in KBB³ § 760 Rz 4) unverändert ist.

2.4 Der Staat ist allerdings erst dann passiv legitimiert, wenn ihm der Nachlass überlassen wurde (2 Ob 171/00m NZ 2001, 227 mwN).

3. Damit ist aber die verfahrensentscheidende Frage zu beantworten, ob die (im Anlassfall analog anzuwendende) Erbschaftsklage überhaupt verjähren kann; gegebenenfalls, ab wann die Verjährungsfrist zu laufen beginnt.

3.1 Weitgehende Übereinstimmung besteht in Lehre und Rechtsprechung dahin, dass das Erbrecht an sich unverjährbar ist (Kralik, Erbrecht 60; Klang in Klang² [1951] VI 607; M. Bydlinski in Rummel³ § 1479 ABGB Rz 1; Likar‑Peer in Ferrari/Likar‑Peer, Erbrecht [2007] 39; Eccher in Schwimann³ § 532 ABGB Rz 6 und § 823 ABGB Rz 1; Vollmaier in Klang³ § 1479 Rz 18; Vollmaier, Verjährung und Verfall [2009] 132 f; 9 Ob 228/98i NZ 1999, 167; 1 Ob 67/07w; aA Welser in Rummel³ §§ 823, 824 ABGB Rz 25, der sich für die Verjährbarkeit des Erbrechts und der Erbschaftsklage ausspricht, und Anders, Grundriß des Erbrechts² [1910] 91).

3.2 Für eine generelle Unverjährbarkeit auch der Erbschaftsklage tritt Kralik (Erbrecht 337 f) ein. Vollmaier (Verjährung und Verfall 133 f; ferner in Klang³ § 1479 ABGB Rz 19) folgt dieser Auffassung mit der Begründung, dass der redliche Scheinerbe den Nachlass nach 30 Jahren ohnedies durch Ersitzung erwerben könne und dadurch ausreichend geschützt sei.

3.3 Demgegenüber bejahen die überwiegende Lehre und die ständige Rechtsprechung die grundsätzliche Verjährbarkeit der Erbschaftsklage (Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts ‑ Familien‑ und Erbrecht² [1937] 620; Welser in Rummel³ §§ 823, 824 ABGB Rz 25; M. Bydlinski in Rummel³ § 1478 Rz 5; Ferrari in Ferrari/Likar‑Peer, Erbrecht [2007] 497; Ferrari‑Hoffmann‑Wellenhof, Die Erbschaftsklage [1991] 392; 4 Ob 602/79 SZ 53/10; RIS‑Justiz RS0013139).

Entgegen der Auffassung von Eccher (in Schwimann³ § 823 ABGB Rz 12) lässt sich aus der Entscheidung 9 Ob 228/98i (NZ 1999, 167) nicht das Gegenteil ableiten: Dort wurde vielmehr ebenfalls ausdrücklich darauf verwiesen, dass einzelne, mit dem Erbrecht in Zusammenhang stehende Ansprüche, wie etwa die Erbschaftsklage, im Gegensatz zum Erbrecht an sich der Verjährung unterliegen.

3.4 Nicht nur die Verjährbarkeit der Erbschaftsklage, sondern auch der Beginn des Fristenlaufs ist umstritten.

3.4.1 Nach Lehre und Rechtsprechung unterliegt die Erbschaftsklage dann der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1487 ABGB, wenn der Kläger zugleich eine letztwillige Verfügung umstoßen muss (4 Ob 602/79 SZ 53/10; 10 Ob 66/99z SZ 72/179; RIS‑Justiz RS0013139; M. Bydlinski in Rummel³ § 1478 ABGB Rz 5; Ferrari-Hoffmann-Wellenhof, Erbschaftsklage 389 mwN).

3.4.2 Von diesem Fall abgesehen, soll nach einer Auffassung die Verjährungsfrist mit dem Erbanfall zu laufen beginnen (Ehrenzweig, Familien‑ und Erbrecht² 406; Welser in Rummel³ §§ 823, 824 ABGB Rz 25; M. Bydlinski in Rummel³ § 1478 ABGB Rz 5; Ferrari‑Hoffmann‑Wellenhof, Erbschaftsklage 392; ebenso GlU 565 = JB 28, wobei im zu beurteilenden Fall keine Einantwortung stattfand; in GlU 11441 wurde der Erbanfall, spätestens jedoch der Zeitpunkt der Annahme der Erbserklärung als maßgeblich erachtet).

3.4.3 Die Erbrechtsanmaßung des Gegners, also jener Zeitpunkt, ab dem ein Dritter Erbschaftssachen „pro herede“ besitzt, soll nach einem anderen Standpunkt entscheidend sein (Klang in Klang VI² 604; Unger, Das Österreichische Erbrecht [1864] 230; Anders, Erbrecht² 91).

3.4.4 Die Einantwortung für maßgeblich erachten die Entscheidung GlU 1055 für den Fall, dass „sich das Erbrecht auf die Einantwortung gründet“; ferner Krasnopolski/Kafka, Österreichisches Erbrecht V [1914] 336 (vgl auch 1 Ob 12/54 JBl 1954 ‑ Einantwortung für Beginn des Fristenlaufs nach § 1487 ABGB maßgeblich).

3.4.5 Ohne nähere Begründung setzen jedoch Unger, Das Österreichische Erbrecht4 [1894] 384, Krasnopolski/Kafka, Erbrecht 205 und Anders, Erbrecht² 97 abweichend von ihrer für die Verjährung der Erbschaftsklage vertretenen Meinung den Beginn der Verjährungsfrist für die Klage des Erben gegen den heimfallsberechtigten Staat ab Erbanfall an. Diese Auffassung beruht offenbar darauf, dass dem Staat der Nachlass nicht aufgrund einer Einantwortung „im technischen Sinn“ (vgl Anders, Erbrecht² 97) überlassen wird.

3.5 Die Lösung der Frage hat nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs an der Rechtsnatur des mit der Erbschaftsklage geltend gemachten Anspruchs anzuknüpfen.

3.5.1 Wenngleich die Rechtsnatur der Erbschaftsklage im Detail strittige Einzelfragen aufwirft, ist gesichert, dass sie als „Universalklage“ (RIS‑Justiz RS0041422) im Gegensatz zur sogenannten „Singularklage“ (RIS‑Justiz RS0013131) den Zweck der gänzlichen Abtretung der angefallenen Erbschaft (oder einer entsprechenden Quote) verfolgt (1 Ob 630/94 SZ 68/61; 3 Ob 320/02h SZ 2003/134; 3 Ob 219/05k NZ 2007, 306; RIS‑Justiz RS0041422; ausführlich Kralik, Erbrecht 330 ff; Weiß in Klang III² 1066 ff).

3.5.2 Die Erbschaftsklage ist somit keine Rechtsmittelklage, die auf die Vernichtung oder Aufhebung der Einantwortung gerichtet ist. Vielmehr macht der Kläger mit der Erbschaftsklage gegenüber dem in der Einantwortung ausgewiesenen vermeintlichen Erben ein Erbrecht geltend, das in der Einantwortung nicht nach Maßgabe des Erbanspruchs, wie der Kläger ihn erhebt, berücksichtigt worden ist. Der Kläger strebt die Rechtstellung als Universalsukzessor des Erblassers anstelle oder neben dem eingeantworteten Scheinerben an (1 Ob 506/94 SZ 67/122; RIS‑Justiz RS0041429). Die Erbschaftsklage ist Leistungsklage (1 Ob 506/94 SZ 67/122; RIS‑Justiz RS0013137; Kralik, Erbrecht 332; zur Fassung des Begehrens vgl RIS‑Justiz RS0013130).

3.5.3 Die Auffassung, dass die Verjährungsfrist der Erbschaftsklage ab Erbanfall zu laufen beginnt, wird damit begründet, dass das Erbrecht selbst zunächst durch Erbantrittserklärung (früher: Erbserklärung) und nach der Einantwortung durch die Erbschaftsklage geltend gemacht wird. Es handle sich um ein unverwandelbares Recht, das lediglich auf verschiedene Weise geltend gemacht werde. Es sei daher nur konsequent, die Verjährung mit jenem Zeitpunkt beginnen zu lassen, zu dem dieses Recht zum ersten Mal ausgeübt werden könne (Ferrari‑Hoffmann‑Wellenhof, Erbschaftsklage 392; ebenso M. Bydlinski in Rummel³ § 1478 ABGB Rz 5).

3.5.4 Sieht man jedoch das Erbrecht als „unverwandelbares Recht“ an, das im Verlassenschaftsverfahren durch Erbantrittserklärung und danach mit Erbschaftsklage geltend gemacht wird, müssten Erbrecht und Erbschaftsklage konsequenterweise demselben Verjährungsregime unterworfen werden (so im Ergebnis Welser in Rummel³ §§ 823, 824 ABGB Rz 25).

3.5.5 Maßgeblich ist jedoch nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs, dass mit der Erbantrittserklärung (früher Erbserklärung) das Recht, Nachfolger des Erblassers zu werden, also das Erbrecht an sich, geltend gemacht wird, während mit der Erbschaftsklage der dargestellte Anspruch auf Abtretung gegen einen Dritten ‑ dessen materielle Berechtigung vom Bestehen des als Vorfrage (Kralik, Erbrecht 331) zu beurteilenden unverjährbaren Erbrechts abhängt ‑ erhoben wird. Dieser Anspruch setzt aber schon begrifflich einen Anspruchsgegner voraus. Aus diesem Grund ist auch unbestritten, dass die Erhebung der Erbschaftsklage selbst erst ab Einantwortung (RIS‑Justiz RS0008381) bzw bei Heimfall ab Zuweisung des Nachlasses (2 Ob 171/00m NZ 2001, 227 mwN) erfolgreich erhoben werden kann.

3.5.6 Ausgehend von der allgemeinen Regel, dass die Verjährung eines Anspruchs nicht beginnt, bevor er nicht geltend gemacht werden kann (stRsp; RIS‑Justiz RS0034343; M. Bydlinski in Rummel³ § 1478 ABGB Rz 2 mwN), ist daher der Auffassung der Vorzug zu geben, dass auch die Verjährung der Erbschaftsklage nicht vor jenem Zeitpunkt beginnt, zu dem die Klage erstmals erhoben werden kann. Sofern eine Einantwortung stattgefunden hat, ist diese ‑ wenn nicht gleichzeitig eine letztwillige Verfügung umgestoßen werden muss (vgl 3.4.1; zum Verjährungsbeginn in diesem Fall s RIS‑Justiz RS0106004 und RS0034312) ‑ maßgebend.

3.5.7 Diese Lösung steht auch in Einklang mit der herrschenden Auffassung, die das Erbrecht an sich als unverjährbar erachtet: Die Geltendmachung des Erbrechts durch Erbantrittserklärung steht nach nunmehriger Rechtslage bis zur Bindung des Gerichts an den Einantwortungsbeschluss (§ 164 AußStrG; vgl 3 Ob 227/10v iFamZ 2011/175, 219) zu; nach der hier noch maßgeblichen früheren Rechtslage war der Zeitpunkt der Rechtskraft der Einantwortungsurkunde maßgeblich (3 Ob 229/02a mwN). Bis zu diesem Zeitpunkt konnte eine Erbserklärung abgegeben werden. Eine weitere „Befristung“ oder etwa eine Verjährung der Möglichkeit der Abgabe einer Erbantrittserklärung (Erbserklärung) ist im Gesetz nicht vorgesehen. Im ‑ wenngleich wohl eher theoretischen, in der Revision als der Rechtssicherheit abträglich bezeichnetem ‑ Fall, dass ab Tod des Erblassers bis zur Bindung des Gerichts an seinen Einantwortungsbeschluss mehr als 30 Jahre vergehen, könnte demnach auch zu einem Zeitpunkt, der 30 Jahre nach dem Tod des Erblassers, also nach dem Erbanfall, liegt, noch eine Erbantrittserklärung abgegeben werden, die der Abhandlung zugrunde zu legen wäre.

3.5.8 Einer generellen Unverjährbarkeit auch der Erbschaftsklage steht hingegen § 1479 ABGB entgegen. Ein Grund für eine teleologische Reduktion dieser Bestimmung ist nicht ersichtlich: Der Gedanke, dass der unredliche Besitzer von Erbschaftssachen diese nicht ersitzen kann, während der redliche Besitzer durch die Möglichkeit der Ersitzung in 30 Jahren geschützt sei, trifft nicht nur auf die Erbschaftsklage, sondern auch auf andere, der Verjährung unterliegende Ansprüche zu (vgl Apathy, Die Ersitzung „pro herede“ im österreichischen Recht, in FS Strasser [1983], 947 [951] mit Beispielen in FN 27). Neben Schuldnerschutzüberlegungen dienen Verjährungsvorschriften im Übrigen auch dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und der Vermeidung von übermäßigem Verfahrensaufwand (Vollmaier in Klang³ § 1451 Rz 22; M. Bydlinski in Rummel³ § 1451 ABGB Rz 2 je mwN).

4. Überträgt man diese Überlegungen sinngemäß auf den hier zu entscheidenden Fall, ergibt sich, dass die Verjährungsfrist für die analog anzuwendende Erbschaftsklage nicht vor Zuweisung des Nachlasses, die mit dem Ausfolgungsbeschluss vom 11. 10. 1983 erfolgte, zu laufen begann. Erst ab diesem Zeitpunkt war eine erfolgreiche Klageführung möglich (2 Ob 171/00m NZ 2001, 227).

Ausgehend von diesem Datum der Zuweisung ist somit die am 21. 3. 2011 eingebrachte Klage innerhalb der 30‑jährigen Verjährungsfrist erhoben worden.

5. Der unberechtigten Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Minderverzeichnung in der Revisionsbeantwortung (TP 3B statt 3C) konnte nicht amtswegig korrigiert werden (§ 405 ZPO; RIS‑Justiz RS0113805).

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