OGH 4Ob602/79

OGH4Ob602/7929.1.1980

SZ 53/10

Normen

ABGB §823
ABGB §870
ABGB §1478
ABGB §1487
ABGB §823
ABGB §870
ABGB §1478
ABGB §1487

 

Spruch:

Die Erbschaftsklage nach § 823 ABGB verjährt zwar regelmäßig erst nach 30 bzw. 40 Jahren; muß aber der Kläger damit zugleich eine letztwillige Erklärung "umstoßen" - etwa durch den Nachweis, daß der Erblasser nicht (mehr) testierfähig war -, dann unterliegt dieser Anspruch der dreijährigen Verjährung nach § 1487 ABGB. Diese Verjährungsfrist beginnt unabhängig davon zu laufen, ob und wann der Kläger von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat, es sei denn, der Beklagte hätte eine solche Kenntnisnahme durch den Kläger arglistig verhindert

OGH 29. Jänner 1980, 4 Ob 602/79 (OLG Wien 13 R 199/79; LGZ Wien 40c Cg 224/78)

Text

Die Klägerin ist die eheliche Tochter des am 24. Dezember 1966 verstorbenen Alois C. Dieser hatte in dem am 15. Feber 1967 kundgemachten Testament vom 17. Juni 1966 die Beklagte - seine geschiedene Gattin, die Mutter der Klägerin - zur Universalerbin eingesetzt und zugleich verfügt, daß die Klägerin auf den Pflichtteil gesetzt werde. Das Testament ist in Maschinschrift abgefaßt und mit den Worten "Mein letzter Wille" überschrieben; es enthält den handschriftlichen Zusatz "Laut vorgelesen und als richtig bestätigt. Wien, 17. Juni 1966" sowie - neben der Unterschrift des Testators - die Unterschriften von Dr. Viktor D, Dr. Walter A und Sylvia M, jeweils mit dem handschriftlichen Beisatz "Als erbetener Testamentszeuge."

Im Verlassenschaftsverfahren 2 A 1091/66 des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien hat die Klägerin am 2. Dezember 1968 vor dem Gerichtskommissär Dr. Heinz F ein Protokoll unterschrieben, wonach sie sich ihres Pflichtteilsrechtes unwiderruflich entschlage und keine wie immer gearteten Forderungen gegen den Nachlaß zu stellen beabsichtige. Mit Beschluß des Verlassenschaftsgerichtes vom 17. September 1970 wurde auf Grund des erwähnten Testaments der gesamte Nachlaß der Beklagten eingeantwortet.

In ihrer am 23. November 1978 überreichten, als Erbrechtsklage bezeichnete Klage brachte die Klägerin vor, sie habe im Jahr 1977 erfahren, daß der Nachlaß nach ihrem Vater wesentlich größer als ursprünglich vom Gerichtskommissär angegeben und überdies Alois C bei der Abfassung des Testamentes vom 17. Juni 1966 nicht mehr im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte gewesen sei. Da das Testament sohin ungültig sei, habe die gesetzliche Erbfolge einzutreten, bei welcher der Nachlaß zur Gänze der Klägerin und ihrer Schwester zufallen müsse. Das Testament sei daher von der Beklagten offenbar unterschoben worden, und auch die Erklärung der Klägerin vor dem Gerichtskommissär sei sicherlich auf die Veranlassung der Beklagten hin erfolgt. All dies habe die Klägerin erst im Zuge ihrer 1977 begonnenen Erhebungen erkennen können, weshalb sie ihre seinerzeitige Erklärung wegen Irrtums, der letztlich von der Beklagten veranlaßt wurde oder zumindest dieser auffallen mußte, nachdem sie ja von der beim Notar abgegebenen Erklärung in Kenntnis war, anfechte.

Die Klägerin stellt daher den Urteilsantrag a) die Beklagte schuldig zu erkennen, das gesamte zum Zeitpunkt des Todes ihres Vaters am 24. Dezember 1966 vorhandene Vermögen anzugeben, einen Eid dahin zu leisten, daß ihre Angaben richtig und vollständig sind, sowie die nach Ablegung des Eides näher bezeichneten Vermögenswerte zur Hälfte herauszugeben; b) festzustellen, daß das Testament ihres Vaters vom 17. Juni 1966 ungültig ist; c) festzustellen, daß die Beklagte nicht Testamentserbin, vielmehr die Klägerin auf Grund des Gesetzes zur Hälfte des Nachlasses als Erbin berufen ist.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt, das Vorbringen der Klägerin bestritten und insbesondere Verjährung nach § 1487 ABGB eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Aufnahme weiterer Beweise ab. Soweit die Klägerin in lit. b und c ihres Urteilsantrages die Feststellung ihres Erbrechts verlange, sei die Klage schon deshalb unbegrundet, weil die Verlassenschaft bereits eingeantwortet und daher nur noch eine auf Herausgabe des Nachlasses gerichtete Erbschaftsklage möglich wäre. Selbst wenn man aber das Manifestations- und Herausgabebegehren der Klägerin (lit. a des Urteilsantrages) in diesem Sinne verstunde, fehle es an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse, weil die Klägerin durch Einsicht in das Hauptinventar die hier angestrebte Klarstellung des Vermögens erreichen könne. Davon abgesehen müsse das Klagebegehren schon wegen Verjährung des eingeklagten Anspruches erfolglos bleiben. Die Erbschaftsklage verjähre zwar grundsätzlich in 30 Jahren, doch gelte das nicht, wenn dabei - wie hier - eine äußerlich formgerechte letztwillige Verfügung angefochten werde; für diesen Anspruch gelte - unabhängig davon, ob und wann der Berechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat - die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB. Diese sei im Zeitpunkt der Klageerhebung in jedem Fall bereits abgelaufen gewesen, gleichgültig, ob man sie mit der Kundmachung des Testaments oder mit der Annahme der Erbserklärung zu Gericht beginnen lasse. Es treffe zwar zu, daß diese kurze Verjährungsfrist nicht für solche Klagen gelte, mit denen ein Widerruf, eine Verfälschung oder eine Unterschiebung der letztwilligen Verfügung geltend gemacht wird; eine solche "Unterschiebung" des Testaments vom 17. Juni 1966 werde aber von der Klägerin selbst nicht behauptet.

Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Berufungsgericht verneinte die geltend gemachten Verfahrensmängel und billigte auch die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts durch das Prozeßgericht erster Instanz.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, ist das auf Vermögensangabe, Eidesleistung und Herausgabe des halben Verlassenschaftsvermögens gerichtete Begehren der Klägerin im Hinblick darauf, daß die Verlassenschaftsabhandlung nach Alois C schon im September 1970 mit der Einantwortung abgeschlossen worden ist, richtig als Erbschaftsklage im Sinne des § 823 ABGB zu beurteilen. Eine solche Klage verjährt zwar gemäß §§ 1478, 1485 Abs. 1 ABGB regelmäßig erst nach 30 bzw. 40 Jahren (Jud 28 = GlU 565; GLU 1055, 11 441; Ehrenzweig[2] II/2, 620; Weiß in Klang[2] III, 1066); muß aber der Kläger damit zugleich eine letztwillige Erklärung "umstoßen", dann unterliegt dieser Anspruch der dreijährigen Verjährung nach § 1487 ABGB (Ehrenzweig a. a. O.). Diese kurze Verjährungsfrist - welche dem Testamentserben so schnell wie möglich Gewißheit darüber verschaffen soll, ob und wie weit der letzte Wille von einer Anfechtung durch Dritte unberührt bleibt (SZ 45/130; 5 Ob 129/74) - greift auch diesmal Platz. Die Klägerin bezeichnet das - äußerlich formgerechte (§ 579 ABGB) - Testament ihres Vaters vom 17. Juni 1966 deshalb als ungültig, weil Alois C damals nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte (§ 565 ABGB) gewesen sei. Ihre Klage ist also entgegen der Meinung der Revision tatsächlich darauf gerichtet, die mehrfach erwähnte letztwillige Erklärung wegen fehlender Testierfähigkeit des Erblassers "umzustoßen" (Klang[2] VI, 627; ebenso 5 Ob 224/72; 6 Ob 766/78). Für die gegenteilige Rechtsauffassung der Klägerin ist auch mit dem Hinweis auf das Jud 67 = GLU 3124 nichts gewonnen, nach welchem die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB für solche Klagen nicht gilt, mit denen eine Verfälschung oder eine Unterschiebung der letztwilligen Verfügung geltend gemacht wird: Zwar hat die Klägerin nicht nur in der Klage, sondern auch in einem vorbereitenden Schriftsatz mehrfach davon gesprochen, daß die bekämpfte letztwillige Verfügung "von der Beklagten offenbar unterschoben" worden sei; ihr gesamtes Vorbringen in erster Instanz läßt aber, im Zusammenhang gelesen, keinen Zweifel daran, daß sie ein solches "Unterschieben" ausschließlich in der Vorlage dieses - formell zwar einwandfreien, aber mangels Testierfähigkeit des Erblassers ungültigen - Testamentes durch ihre Mutter im Verlassenschaftsverfahren erblickt. Daß aber dem Verstorbenen eine Erklärung "unterschoben" worden wäre, die in Wahrheit gar nicht von ihm herrührt - in welchem Fall eine letztwillige Verfügung, die im Sinne des § 1487 ABGB "umgestoßen" werden könnte, gar nicht vorhanden wäre (vgl. auch dazu Jud 67 = GlU 3124; Klang a. a. O., 627) -, ist von der Klägerin nicht einmal behauptet worden.

Die in Lehre und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortete Frage, ob die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB mit der Testamentskundmachung (so GlU 6070, 7037, 11 859; Ehrenzweig a. a. O., 621), mit der Annahme der Erbserklärung zu Gericht (so Klang a. a. O., 627 f.) oder aber - spätestens - mit der Einantwortung des Nachlasses (so JBl. 1954, 462) zu laufen beginnt, braucht diesmal nicht weiter erörtert zu werden, weil diese Frist bei Einbringung der gegenständlichen Klage am 23. November 1978 in jedem Fall längst abgelaufen war. Dem Zeitpunkt, in welchem die Klägerin von der Anfechtbarkeit des von ihrem Vater errichteten Testaments erfahren hat, kommt dabei entgegen der Meinung der Revision keine rechtliche Bedeutung zu. Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, ist der Beginn der Verjährungsfrist regelmäßig von der Kenntnis des Anspruches durch den Berechtigten unabhängig, sofern nicht das Gesetz - wie etwa in § 1489 ABGB für Schadenersatzansprüche - ausdrücklich das Gegenteil bestimmt (SZ 12/103; SZ 40/117; JBl. 1954, 462; Gschnitzer, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts,246; Ehrenzweig[2] I/1, 305f.; dazu auch Klang a.a.O; 601 f.). Da dies bei der kurzen Verjährungsfrist nach § 1487 ABGB nicht geschehen ist, beginnt auch die Verjährung des Rechtes, ein Testament "umzustoßen", unabhängig davon zu laufen, ob und wann der Kläger von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat (vgl. Ehrenzweig a.a.O., 306; Klang a.a.O., 628). Daß aber die Beklagte eine solche Kenntnisnahme der Klägerin arglistig verhindert hätte - in welchem Fall nach Lehre (Ehrenzweig[2] I/1, 305 f.) und Rechtsprechung (SZ 12/103; JBl. 1954, 462; SZ 40/117; SZ 45/130; 6 Ob 710/76) ein neuer, besonderer Verpflichtungsgrund angenommen werden könnte, welcher dem Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist entgegenstunde -, hat die Klägerin in erster Instanz nicht einmal behauptet. Die bloße Kenntnis der Beklagten von der Testierunfähigkeit des Erblassers, wie sie die Klägerin jetzt in der Revision - im übrigen ohne Deckung durch ihr Tatsachenvorbringen in erster Instanz und damit als unbeachtliche Neuerung - behauptet, reicht zur Annahme eines solchen arglistigen Verhaltens der Beklagten in keinem Fall aus.

Auf die Abweisung ihres Feststellungsbegehrens - welche von den Vorinstanzen mit der Unzulässigkeit einer Erbrechtsklage nach rechtskräftiger Einantwortung des Nachlasses begrundet worden ist - kommt die Klägerin in der Revision mit keinem Wort zurück; es genügt daher, insoweit auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils zu verweisen.

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