OGH 5Ob200/12s

OGH5Ob200/12s20.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers P***** N*****, vertreten durch Mag. Peter Skolek, Rechtsanwalt in Mödling, gegen sämtliche Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft *****, Liegenschaftsadresse *****, wegen §§ 9 Abs 3, 52 Abs 1 Z 1 WEG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Teil‑/Zwischensachbeschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 29. Mai 2012, GZ 19 R 102/11b‑131, womit über Rekurs des Antragstellers der „Teilsachbeschluss“ des Bezirksgerichts Baden vom 14. März 2011, GZ 9 Msch 7/06z‑124, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 15. März 2011, GZ 9 Msch 7/06z‑125, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses des Antragstellers wird der Antrag des Antragstellers, „ihm einen der freistehenden Keller auf Stiege 1 oder 2 der Liegenschaft zuzuweisen“, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs dahin Folge gegeben, dass die Entscheidung insoweit, als mit Zwischensachbeschluss das Begehren, den als „Müllr.3,50m²“ bezeichneten Liegenschaftsteil im Nutzwertneufestsetzungsverfahren dem Objekt top 38 des Antragstellers zuzuschlagen, abgewiesen wurde, ersatzlos behoben wird.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Antragsteller und die Antragsgegner sind Mit‑ und Wohnungseigentümer der Liegenschaft *****.

Der Antragsteller ist zu 65/3747‑Anteilen und 120/3747‑Anteilen Mit‑ und Wohnungseigentümer der Objekte top 33 und top 38.

In dem vom Antragsteller eingeleiteten Verfahren auf Neufestsetzung der Nutzwerte hinsichtlich der Liegenschaft brachte der Antragsteller unter anderem vor, dass ein neben seinem Objekt top 38 liegender, als „Müllnische“ genutzter Bereich der Liegenschaft richtigerweise Teil des Wohnungseigentumsobjekts top 38 sei. Darüber hinaus begehrte er die „Zuweisung eines Kellers“ anstelle eines ihm zugeordneten, unbrauchbaren Kellerbereichs zu seinem Objekt top 38.

Das Erstgericht erkannte im Rahmen des Nutzwertneufestsetzungsverfahrens ‑ soweit hier verfahrensgegenständlich ‑ mit „Teilsachbeschluss“ unter Punkt II.II. dahin, dass die Antragsgegner die Änderung der Widmung eines allgemeinen Teils der Liegenschaft in ein dem Objekt top 38 zugeordnetes Kellerabteil im Ausmaß von 3,50 m² zu dulden hätten, somit der bezeichnete Teil eines Abstellraums der top 38 des Antragstellers zugeschlagen werde, der Rest des Abstellraums hingegen allgemeiner Teil der Liegenschaft bleibe.

Unter Punkt II.IV. wies das Erstgericht das Begehren des Antragstellers, den „Müllr 3,50 m²“ neben top 38 im Rahmen der Neufestsetzung der Nutzwerte dem Objekt top 38 als Wohnraum zuzuschlagen, ab. Die Fläche dieser „Müllnische“ sei allgemeiner Teil der Liegenschaft und werde als solche Eingang in die Neufestsetzung der Nutzwerte finden.

Dabei beurteilte das Erstgericht das Begehren auf Zuordnung eines Kellerabteils zu top 38 als Änderungsbegehren iSd § 16 Abs 2 WEG und führte aus, dass infolge einer Interessenabwägung und der Benützungssituation der Gesamtliegenschaft ein wichtiges Interesse des Antragstellers an einem brauchbaren Kellerabteil bestehe. Auch wenn ihm nach dem Inhalt des Kaufvertrags kein Kellerabteil zustehe, stünden seinem Begehren doch wesentliche Interessen der anderen Wohnungseigentümer nicht entgegen.

Hinsichtlich der „Müllnische“ legte das Erstgericht die Feststellung zugrunde, dass dieser Teil der Liegenschaft seit Jahrzehnten als allgemeiner Teil benützt worden sei und jedenfalls schon zu Beginn der 1970er Jahre keine bauliche Verbindung zum Objekt top 38 bestanden habe. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags durch den Antragsteller, dem ein Plan angeschlossen gewesen sei, sei dieser Bereich von top 38 klar abgegrenzt und von diesem Objekt nicht zugänglich gewesen. Nach der dergestalt ermittelten Widmung habe die Müllnische allgemeiner Teil der Liegenschaft zu bleiben.

Dem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz teilweise Folge und wies das Begehren des Antragstellers, ihm einen freistehenden Keller auf Stiege 1 oder 2 zuzuweisen, mit Teilsachbeschluss ab.

Die Abweisung des Begehrens, die „Müllnische“ dem Objekt top 38 zuzurechnen, bestätigte das Rekursgericht in Form eines Zwischensachbeschlusses.

Unter Heranziehung der Bestimmung des § 16 Abs 2 Z 2 WEG hielt das Rekursgericht das „Änderungsbegehren“ des Antragstellers auf Vergrößerung des Eingangsbereichs seiner Wohnung durch Hinzuschlagen der „Müllnische“ für nicht durch ein wichtiges Interesse ausreichend begründet. Für die Verkehrsüblichkeit einer solchen Einbeziehung allgemeiner Teile lägen keine Anhaltspunkte vor.

Auch das Begehren auf Zuweisung eines freistehenden Kellerabteils beurteilte das Rekursgericht nach § 16 Abs 2 Z 2 WEG. Aus dem Umstand, dass den anderen Wohnungseigentümern ein Kellerabteil zugewiesen sei, könne nicht geschlossen werden, es wäre verkehrsüblich, sich eine derzeit freistehende Allgemeinfläche zuzueignen und so das eigene Wohnungseigentumsobjekt um Zubehör zu vergrößern. Ein wichtiges Interesse sei ebenfalls nicht erkennbar, weil der Antragsteller das Objekt top 38 laut Kaufvertrag ohne Kellerabteil erworben habe. Ein „Ausgleich“ für den Verlust der „Müllnische“ sei abzulehnen, weil im Zeitpunkt des Erwerbs des Wohnungseigentums durch den Antragsteller die „Müllnische“ bereits allgemeiner Teil der Liegenschaft gewesen sei.

Ausdrücklich billigte das Rekursgericht die Vorgehensweise des Erstgerichts, wonach im Verfahren zur Neufestsetzung der Nutzwerte auch über begehrte Widmungsänderungen abgesprochen werden könne.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich der beiden nun in Frage stehenden Objekte jeweils 10.000 EUR übersteigt. Der Frage, ob in einem Verfahren auf Nutzwertfestsetzung Anträge nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG iVm § 16 Abs 2 Z 2 WEG zulässigerweise Gegenstand einer Zwischenerledigung sein könnten, komme erhebliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu, weshalb der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen sei.

Gegen die Abweisung des Begehrens auf Zuweisung eines Kellerabteils und die Verweigerung der Einbeziehung der „Müllnische“ in das Objekt top 38 richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung seiner diesbezüglichen Anträge.

Die Antragsgegner haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass dieses Rechtsmittels sind erhebliche Verfahrensmängel aufzugreifen:

1. Ein Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 1 WEG ist ein strukturiertes Verfahren mit dem definierten Ziel (hier) der Festsetzung ‑ in casu: Neufestsetzung ‑ der Nutzwerte einer Liegenschaft. Das Verfahren unterliegt nicht der Dispositionsmaxime der Parteien (5 Ob 52/00h wobl 2001/53; 5 Ob 190/10t wobl 2011/112). Der Nutzwertfestsetzung sind die materielle Sach‑ und Rechtslage und die von Amts wegen als Vorfrage zu prüfende Widmung aller Liegenschaftsteile zugrundezulegen. Entscheidend ist, dass die Festsetzung der Nutzwerte bestehende Widmungen nur nachzuvollziehen hat, nicht aber einen eigenen Rechtsgrund für die Widmung schafft (RIS‑Justiz RS0083252). Die Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts zu einer bestimmten Nutzung und das Festhalten an der dadurch definierten Nutzung gehören zu den absolut geschützten Rechten jedes Wohnungseigentümers (5 Ob 148/11t wobl 2012/109). Eine Änderung eines solchen Rechtszustands ist überhaupt nur nach Maßgabe des § 16 Abs 2 WEG in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG möglich (5 Ob 241/09s wobl 2010/18), wenn sie nicht von der Zustimmung aller gedeckt ist.

2.1. Es widerspricht damit diametral dem Verfahrensziel einer Festsetzung der Nutzwerte, wenn bestehende konkrete Widmungen verändert werden sollen, allgemeine Teile bestimmten Objekten zugeschlagen oder Flächen gegeneinander getauscht werden sollen. Änderungsbegehren iSd § 16 Abs 2 WEG können also nie im Rahmen eines Nutzwertfestsetzungsverfahrens zum Verfahrensgegenstand gemacht werden.

2.2. Ist hingegen unklar, ob eine bestimmte Fläche ‑ hier die Fläche der „Müllnische“ ‑ allgemeiner Teil der Liegenschaft ist oder nach der bestehenden Widmung zum Bestand eines bestimmten Wohnungseigentumsobjekts gehört, ist die entsprechende, ausdrückliche oder konkludente, Widmung als Vorfrage im Nutzwertfestsetzungsverfahren zu klären.

2.3. Der Bedarf eines Wohnungseigentümers nach einem Kellerabteil ‑ hier wird die „Zuweisung“ eines solchen begehrt ‑ ist im Nutzwertfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen. Wurde an Kellerabteilen Wohnungseigentum bzw Zubehöreigentum nicht begründet, bleiben sie allgemeine Teile der Liegenschaft. Von § 3 Abs 2 WEG sind sie ‑ weil sie keine selbständigen wohnungseigentumsfähigen Objekte sind ‑ nicht erfasst. Sie sind also in die Nutzwertfestsetzung nicht einzubeziehen.

3. Die vom Erstgericht gewählte und vom Rekursgericht im Ergebnis gebilligte Vorgangsweise, in einer Zwischenentscheidung im Nutzwertfestsetzungsverfahren über derartige Begehren zu entscheiden, ist daher rechtlich verfehlt.

4. Vor allem aber haben die Vorinstanzen verkannt, dass es sich bei der „Zuweisung“ eines Teils einer Allgemeinfläche an einen bestimmten Wohnungseigentümer um einen Akt der Verfügung iSd § 828 ABGB handelt, der der Einstimmigkeit bedarf und einer gerichtlichen Entscheidung nicht zugänglich ist. Ein solches Begehren ist generell nicht vom Änderungsrecht nach § 16 Abs 2 WEG umfasst (5 Ob 38/01a wobl 2001/108 SZ 74/37; RIS‑Justiz RS0109188 [T17]; RS0117159; 5 Ob 116/01x wobl 2002/5). Die Widmung einerseits als allgemeiner Teil der Liegenschaft und andererseits als Wohnungseigentumsobjekt erfolgt ausschließlich durch die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer, wofür in der Regel der Wohnungseigentumsvertrag maßgeblich ist (RIS‑Justiz RS0120725; 5 Ob 72/07k). Eine mangelnde Nutzungsnotwendigkeit betroffener Grundflächen durch andere Miteigentümer ändert daran nichts (5 Ob 185/09f; RIS‑Justiz RS0083341). Allgemeine Teile werden von der Nutzwertfestsetzung nicht erfasst (5 Ob 29/08p mwN).

Somit erweist sich das Begehren des Antragstellers, ihm im Rahmen des Nutzwertfestsetzungsverfahrens einen allgemeinen Teil der Liegenschaft als Keller zuzuweisen, in mehrfacher Weise als unzulässig.

In Abänderung der Entscheidung des Rekursgerichts war daher das diesbezügliche Begehren zurückzuweisen.

5. Nach den obigen Darlegungen käme allenfalls die Fassung eines Zwischensachbeschlusses über eine Vorfrage in Betracht. Hier ist strittig, ob die neben dem Objekt top 38 liegende Müllnische nach der bisherigen Widmung zum Objekt top 38 zugehört oder aber allgemeiner Teil ist. Eine derartige Entscheidung nach § 37 Abs 3 Z 11 MRG setzt aber einen Zwischenantrag auf Feststellung voraus, der hier nicht vorliegt.

Das hatte zur (ersatzlosen) Aufhebung des diesbezüglichen Entscheidungsteils zu führen.

Es ist also dahin zusammenzufassen, dass in einem Verfahren auf Festsetzung der Nutzwerte die Vorfragenprüfung auf die materielle Sach‑ und Rechtslage hinsichtlich der Widmung der Liegenschaftsteile beschränkt ist und die Festsetzung der Nutzwerte bestehende Widmungen nur nachzuvollziehen hat. Die Festsetzung der Nutzwerte schafft keinen eigenen Rechtsgrund für die Widmung (RIS‑Justiz RS0083252). Die Unterschiedlichkeit des Rechtsschutzziels in Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 1 WEG einerseits und § 52 Abs 1 Z 2 WEG andererseits verbietet eine gleichzeitige Verfolgung solcher unterschiedlicher Ansprüche.

Ein Begehren auf Umwidmung eines allgemeinen Teils der Liegenschaft in ein Zubehörobjekt und damit ins Wohnungseigentum eines einzelnen Miteigentümers stellt eine Verfügung iSd § 828 ABGB dar. Eine solche bedarf der Einstimmigkeit und ist daher generell nicht vom Änderungsrecht nach § 16 Abs 2 WEG umfasst.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.

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