OGH 6Ob229/11m

OGH6Ob229/11m16.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N*****GmbH, *****, vertreten durch Dr. Lisbeth Lass und Dr. Hans Christian Lass, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei S***** N*****, vertreten durch Mag. Dr. Erich Keber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Beseitigung und Unterlassung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. Juli 2011, GZ 4 R 233/11k‑16, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 31. März 2011, GZ 15 C 686/09t‑12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass der Revision werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben, das gesamte Verfahren für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung

Die Beklagte ist seit 1990 Mieterin einer Wohnung in einem Wohnhaus der klagenden Vermieterin. Die Wohnung liegt im vierten, obersten Stockwerk, die Stiege sowie der später eingebaute Lift enden dort. In diesem Geschoss befinden sich drei Wohnungen, nämlich jene der E***** S***** (im Folgenden als Nachbarin bezeichnet) im Süden, eine weitere Wohnung Richtung Norden, jene der Beklagten geht nach Osten. Gegenüber der Wohnungseingangstür der Beklagten befindet sich die Lifteingangstür. Sämtliche Wohnungstüren sind mit Türspionen ausgestattet. Durch den Türspion in der Wohnungstür der Beklagten erhält man Sicht auf die Lifteingangstür.

Die Beklagte und deren Ehemann wurden jahrelang tyrannisiert, etwa indem das Schlüsselloch mit Spezialkleber verklebt, das Türblatt angeritzt bzw mit schwarzem Stift verschmiert wurde bzw beleidigende Zettel angebracht wurden. Die Beklagte vermutet die Nachbarin als Urheberin.

Die Beklagte zeigte diese Vorfälle an, die Beweislage erlaubte aber (zunächst) keine strafgerichtliche Verfolgung. Auch die Klägerin, der diese Vorfälle ebenfalls angezeigt wurden, schritt gegen die Nachbarin zunächst nicht ein.

Einmal bewarf die Nachbarin den Ehemann der Beklagten mit einem Gegenstand, wodurch er verletzt wurde. Deswegen wurde die Nachbarin wegen Körperverletzung gemäß § 83 Abs 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe rechtskräftig verurteilt.

Die Klägerin mahnte die Nachbarin zwar ab und forderte sie zu einem leidlichen Verhalten auf; dies änderte aber an den Sachbeschädigungen an der Wohnungstür der Beklagten nichts.

Daraufhin meldete die Beklagte bei der Klägerin die Installation einer Videokamera an und ließ eine solche in der Folge durch ein Fachunternehmen auch installieren. Danach kam es zu keinen weiteren Übergriffen mehr durch die Nachbarin.

Die Kamera ist mit einem Bewegungsmelder ausgestattet und setzt sich nur dann in Tätigkeit, wenn sich im Bereich der Kamera etwas bewegt. Überwacht wird der Bereich vor der Wohnungstür der Beklagten, damit auch die Eingangstür zum Lift, ein geringer Teil des in den vierten Stock führenden Stiegenhauses sowie von oben die Türmatte der nördlich an die Wohnung der Beklagten anschließenden Wohnung. Das Bild von der Kamera kann über den Fernsehapparat angeschaut werden, es wird ständig aufgezeichnet, wobei sich aber die Aufzeichnungen etwa alle ein bis zwei Tage selbst löschen bzw die Aufzeichnung neu überschrieben wird.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte zur Entfernung der beschriebenen „Videoüberwachungsanlage“, zur Wiederherstellung des vorigen Zustands sowie zur künftigen Unterlassung der Anbringung von „Videoüberwachungsanlagen“ im Stiegenhaus des betreffenden Hauses ohne Genehmigung der Klägerin zu verurteilen.

Sie brachte vor, die Beklagte habe die Videoüberwachungsanlage ohne ihre Zustimmung errichtet (§ 20 Abs 1 Z 1 lit b WGG iVm § 9 MRG). Deren Anbringung verstoße nicht nur gegen wohnrechtliche Bestimmungen, sondern auch gegen den Mietvertrag und die Hausordnung, die Bestandteil des Mietvertrags sei, weshalb die geltendgemachten Ansprüche nicht im Außerstreitverfahren, sondern im streitigen Rechtsweg geltend zu machen seien.

Nach dem Mietvertrag stehe dem Mieter das Recht zu, die bestehenden Anlagen des Hauses, die der gemeinsamen Benützung der Bewohner dienen, gemäß den jeweiligen Bestimmungen der Hausordnung zu benützen. Die Vermieterin behalte sich im Übrigen die Bestimmung der Benützung der allgemeinen Teile des Hauses vor. Alle Veränderungen am Bestandgegenstand dürften nur mit schriftlicher Erlaubnis der Vermieterin vorgenommen und wieder beseitigt werden.

Auch in der Hausordnung sei vorgesehen, dass alle Veränderungen am Bestandgegenstand, Einbauten und sonstige baulichen Veränderungen nur mit schriftlicher Erlaubnis der Vermieterin vorgenommen werden dürften. Gemeinschaftsräume wie das Treppenhaus seien dem gemeinschaftlichen Gebrauch aller Mieter gewidmet und von allen Gegenständen freizuhalten, soweit sie nicht dazu zweckgewidmet seien.

Die Videoüberwachungsanlage beeinträchtige schutzwürdige Interessen der Klägerin, der Mitmieter sowie deren Mitbewohner und berechtigter Besucher, da durch die Videoüberwachung unzulässigerweise in deren Persönlichkeitsrechte und Privatsphäre eingegriffen werde. Die Überwachungsanlage verstoße auch gegen das Datenschutzgesetz und sei von der Datenschutzkommission nicht genehmigt. Die Beklagte habe sich trotz Aufforderung geweigert, die Videoüberwachungsanlage zu entfernen, sodass die für das Unterlassungsbegehren notwendige Wiederholungsgefahr gegeben sei. Die Anlage stelle einen unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht der Klägerin am Haus dar, sodass auch das Entfernungsbegehren berechtigt sei.

Die Beklagte wendete ein, ein Eingriff in die Privatsphäre anderer Mieter liege nicht vor, zumal ausschließlich der unmittelbare Eingangsbereich zur Wohnung der Beklagten überwacht werde. Sonstige Benützer des Stiegenhauses würden nicht beobachtet. Die Klägerin als Vermieterin, der all die Vorfälle mit der Nachbarin gemeldet worden seien, habe nichts unternommen, um die Privatsphäre der Beklagten und ihrer Familie zu schützen. Die Klägerin, der die beabsichtigte Anbringung der Videokamera schriftlich angekündigt worden sei, habe dem nicht widersprochen. Die Anbringung der Videokamera im unmittelbaren Eingangsbereich der Beklagten stelle die einzige adäquate Möglichkeit zum Schutz vor weiteren Beschädigungen dar. Seit diesem Zeitpunkt habe es von der Nachbarin keine weiteren Übergriffe mehr gegeben. Die Videoüberwachung sei das gelindeste Mittel, um Sachbeschädigungen vorzubeugen. Aufgrund der wiederholten Eingriffe liege ein berechtigtes Interesse der Beklagten und ihrer Familie vor. Aufgrund der erwähnten rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung der Nachbarin werde die Klägerin die Nachbarin aus der Mietergemeinschaft durch Kündigung ausschließen müssen. Ungeachtet dieser Verurteilung habe die Nachbarin ihr unleidliches und rechtswidriges Verhalten gegenüber der Beklagten und ihrer Familie fortgesetzt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und vertrat die Rechtsansicht, bei der Vorgangsweise der Beklagten handle es sich um einen Akt der angemessenen und erlaubten Selbsthilfe. Es setzte sich weder im Spruch noch in der Begründung mit der Frage der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs auseinander.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge.

Die Videoüberwachungsanlage befinde sich teilweise innerhalb (digitales Aufzeichnungsgerät) und teilweise außerhalb (Kamera) des Mietobjekts der Beklagten. Die Bestimmungen des Mietvertrags und der Hausordnung schlössen die Montage einer Videoüberwachungsanlage nicht aus, sofern § 9 MRG anzuwenden und dessen Voraussetzungen erfüllt seien. Das Mietverhältnis unterliege dem WGG, weshalb gemäß dessen § 20 Abs 1 Z 1 lit b § 9 MRG auch hier anzuwenden sei. Der vorliegende Fall sei auch unter § 9 MRG zu subsumieren.

Ein Eingriff in das Recht auf Achtung der Geheimsphäre liege zwar vor, weil die Videoüberwachungsanlage nicht nur den unmittelbaren Zugangsbereich zur Wohnungstür der Beklagten filme, sondern auch die Eingangstür zum Lift, einen geringen Teil des in den vierten Stock führenden Treppenhauses sowie von oben die Türmatte der nördlich an die Wohnung der Beklagten anschließenden Wohnung. Es liege aber ein gerechtfertigter Zweck vor, nämlich einerseits der Schutz der Beklagten vor Vandalismus und andererseits das Interesse an der Erlangung von Beweismitteln für ein allfälliges Verfahren gegen den Störer. Die Videoüberwachung sei daher nach den Kriterien des § 9 MRG zulässig.

Die Videoüberwachung werde in § 50a Abs 1 DSG in der Fassung der am 1. 1. 2010 in Kraft getretenen DSG‑Novelle 2010 (BGBl I 2009/133) gesetzlich definiert. Die hier strittige Videoüberwachungsanlage entspreche den gesetzlichen Kriterien und sei daher gemäß §§ 50c iVm 17 ff DSG meldepflichtig. Die Beklagte sei dieser Meldepflicht nicht nachgekommen. Die Meldepflicht und die damit im Zusammenhang stehende Vorabkontrolle nach dem DSG einerseits und die „zivilrechtliche Zulässigkeit“ von Videoüberwachungen seien aber losgelöst voneinander zu beurteilen, die bloße Verletzung von Meldepflichten nach dem DSG führe zwar zu den im DSG vorgesehenen Sanktionen, nicht aber per se zu einer „zivilrechtlichen“ Rechtswidrigkeit einer Videoüberwachung.

Auch das Berufungsgericht setzte sich weder im Spruch noch in der Begründung mit der Frage der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs auseinander.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, da seine Entscheidung im Widerspruch zur strikten ‑ grundsätzlich am Wortlaut des § 9 MRG orientierten ‑ Rechtsprechung stehen könnte. Videoüberwachung im privaten Bereich stelle ein aktuelles und über den Einzelfall hinausgehendes Problem dar. Darüber hinaus fehle Rechtsprechung zur Frage, ob die Verletzung der Meldepflicht gemäß § 50c DSG eine Rechtswidrigkeit begründe, die zur Berechtigung eines Entfernungs‑ bzw Unterlassungsanspruchs führe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, weil der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 6 ZPO vorliegt (vgl 6 Ob 55/07t).

1. Für die Frage, ob über ein Begehren im außerstreitigen Verfahren oder im Prozess zu entscheiden ist, kommt es auf den Inhalt des Begehrens, nicht aber darauf an, ob das Begehren selbst begründet ist (RIS‑Justiz RS0013639). Dabei ist von den Behauptungen des Antragstellers, nicht aber von den Einwendungen des Antragsgegners oder den Feststellungen auszugehen, die das Gericht aufgrund der durchgeführten Beweise trifft (RIS‑Justiz RS0013639 [T9]; vgl auch RS0102190; RS0005896).

2.1. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall Folgendes: Die Klägerin hat die geltend gemachten Ansprüche (auch) auf § 9 MRG gestützt. Nach § 9 Abs 1 MRG hat der Hauptmieter eine von ihm beabsichtigte wesentliche Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstands dem Vermieter anzuzeigen. Lehnt der Vermieter nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Anzeige die beabsichtigte Veränderung ab, so gilt seine Zustimmung als erteilt.

2.2. Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung betrifft der Anwendungsbereich des § 9 MRG grundsätzlich nur Veränderungen innerhalb des Mietgegenstands (RIS‑Justiz RS0069646).

2.2.1. In der jüngeren Rechtsprechung ist jedoch eine Tendenz erkennbar, den Anwendungsbereich von § 9 MRG etwas weiter zu ziehen:

In 5 Ob 31/86 = MietSlg 38.284 wurde eine Kabelverlegung zur Erreichung des Anschlusses am Kabelfernsehnetz durch allgemeine Teile des Hauses nach § 9 MRG beurteilt.

In der in einem Verfahren nach § 37 MRG ergangenen Entscheidung 5 Ob 307/01k wobl 2003/2 (zust Vonkilch) wurde ausgeführt, der Vermieter habe unter den Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 1 und Z 3‑7 MRG ua die Errichtung von Gasleitungsanlagen und einer Beheizungsanlage zu dulden, wofür im Regelfall auch Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden müssten, die nicht zum Mietgegenstand gehörten bzw nicht mitgemietet seien.

In 5 Ob 115/11i immolex 2012/14 (zust Neugebauer‑Herl) wurde die von der Mieterin zweier Geschäftslokale begehrte Anbringung einer zur Alarmanlage gehörigen Außensirene im Hof des Hauses als Fall des § 9 MRG angesehen und im Verfahren nach § 37 MRG behandelt.

Auch die zweitinstanzliche Rechtsprechung hat den Anwendungsbereich des § 9 MRG in Fällen, in denen Teile der begehrten oder durchgeführten Änderungen außerhalb des Mietgegenstands lagen, unter den § 9 MRG subsumiert: Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat etwa die Montage einer Attrappe einer Videokamera oberhalb einer Wohnungseingangstüre dem Tatbestand des § 9 Abs 1 MRG unterstellt (MietSlg 58.229), ebenso die Installation von Entlüftungsrohren an der Hausfassade (MietSlg 38.285), sowie das Aufstellen eines Klimageräts im Hof oder auf dem Flachdach (MietSlg 40.270).

2.2.2. In der Lehre vertreten Prader/Kuprian, Videoüberwachung im wohnrechtlichen Bereich (WEG, MRG, WGG), immolex 2005, 230 (232), die Meinung, bei § 9 MRG gehe es in erster Linie zwar um Veränderungen innerhalb des Mietobjekts, jedoch sei in Einzelfällen die Inanspruchnahme außerhalb gelegener Flächen und Bauteile nicht ausgeschlossen. Die Installierung einer Videokamera unter Inanspruchnahme außenseitig gelegener Bereiche sei nicht generell ausgeschlossen, werde jedoch in der Regel generell am kumulativ geforderten Kriterium der „Übung des Verkehrs“ scheitern.

Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht (2007), § 9 MRG Rz 13, führt aus, richtigerweise sei davon auszugehen, dass der Tatbestand des § 9 MRG großzügig zu verstehen sei und grundsätzlich auch die (vorläufige oder dauernde) Inanspruchnahme von nicht zum Mietgegenstand selbst gehörenden Teilen des Hauses darunter subsumiert werden könne. Schon bei der isolierten Interpretation des § 9 MRG falle nämlich auf, dass nicht nur die Maßnahmen des § 9 Abs 5 Z 2 MRG regelmäßig auch Bereiche außerhalb des Mietgegenstands ieS tangierten, sondern häufig auch die in den Z 1, 2 und 4 genannten. Damit werde aber schon schwerlich erklärlich, warum der Gesetzgeber „Veränderungen des Bestandgegenstandes“ in § 9 Abs 1 MRG derart restriktiv verstanden haben solle, wenn der Großteil der in Abs 2 genannten Maßnahmen diesem Verständnis widerspreche. Durch ein großzügigeres Verständnis des grundsätzlichen Tatbestandsumfangs von § 9 MRG würde all jenen Entscheidungen eine zureichende Begründung geboten, in denen ohne nähere Thematik sehr wohl über den Bestandgegenstand selbst hinausreichende Arbeiten unter § 9 MRG subsumiert worden seien.

2.3. Der referierte Fall 5 Ob 115/11i ist mit dem vorliegenden durchaus vergleichbar: In beiden Fällen befindet sich die betreffende Anlage (dort Alarmanlage, hier Videoüberwachungsanlage) teilweise innerhalb (dort etwa Innensirene, hier digitales Aufzeichnungsgerät) und teilweise außerhalb (dort Außensirene, hier Videokamera) des Mietgegenstands. Im Licht der zitierten Rechtsprechung (insbesondere 5 Ob 115/11i) und Lehre ist daher nach Ansicht des erkennenden Senats auch der vorliegende Fall dem § 9 MRG zu unterstellen.

3. Gemäß § 22 Abs 1 Z 4 iVm Abs 4 WGG (vgl § 37 Abs 1 Z 6 MRG) ist über Anträge, die die Veränderung (Verbesserung) der zum entgeltlichen Gebrauch überlassenen Wohnung oder des Geschäftsraums (§ 9 MRG) betreffen, im Außerstreitverfahren zu entscheiden.

3.1. Dabei sind sowohl Duldungsansprüche des Hauptmieters nach § 9 Abs 1 MRG als auch ‑ hier geltend gemachte ‑ Unterlassungsansprüche des Vermieters dem Wirkungsbereich des Außerstreitrichters zugeordnet; nur vertragliche Ansprüche sind im Rechtsweg durchzusetzen (RIS‑Justiz RS0069665). Die für Veränderungen (Verbesserungen) des Mietgegenstands (§ 9 MRG) in § 37 Abs 1 Z 6 MRG (bzw hier § 22 Abs 1 Z 4 iVm Abs 4 WGG) normierte Verweisung ins Außerstreitverfahren gilt auch für ‑ hier gegenständliche ‑ Entfernungsbegehren und Wiederherstellungsbegehren in Fällen, in denen der Mieter Veränderungen (Verbesserungen), die nach § 9 MRG der Zustimmung des Vermieters bedürfen, ohne dessen Zustimmung vorgenommen hat (RIS‑Justiz RS0069603).

3.2. Die Klägerin hat sich für das von ihr gewählte streitige Verfahren auf die oben referierten vertraglichen Vereinbarungen (Mietvertrag, Hausordnung) berufen.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten: Ansprüche aus der Veränderung des Mietgegenstands sind nur dann (ausnahmsweise) nicht im außerstreitigen, sondern im streitigen Rechtsweg durchzusetzen, wenn sie sich nicht unmittelbar auf das Gesetz, sondern auf eine konkrete Vereinbarung im Mietvertrag stützen. Wird aber das Klagebegehren auf eine Mietvertragsbestimmung gestützt, so ist damit noch nicht zwangsläufig die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs gegeben. Wird nämlich im Vertrag nur das Gleiche verankert, was sich ohnehin bereits aus § 9 MRG ergibt, so reicht die vertragliche Bestimmung für die Annahme des streitigen Rechtswegs nicht aus. Nur konkrete bindende Absprachen über die in den §§ 8 und 9 MRG angeführten Rechte und Pflichten können die Zulässigkeit des Rechtswegs auslösen, nicht aber die im Gesetz vorgesehenen genormten Inhalte eines jeden Mietvertrags (9 Ob 23/09m RIS‑Justiz RS0069665 [T8]; vgl auch 6 Ob 206/00p = RIS‑Justiz RS0069665 [T6]).

Die von der Klägerin behaupteten vertraglichen Vereinbarungen sind aber keine konkreten Absprachen, die über das, was sich ohnehin aus dem Gesetz ergibt, hinausgehen (anders etwa in 6 Ob 104/99h).

4. Da somit die gegenständliche Rechtssache im außerstreitigen Verfahren zu erledigen ist, ist dem erkennenden Senat ein Eingehen auf die materiellrechtlichen Fragen dieses Falls verwehrt.

5. Verfügt eine Gemeinde über einen in Mietangelegenheiten fachlich geschulten Beamten oder Angestellten und rechtfertigt die Anzahl der dort nach § 37 Abs 1 MRG anfallenden Verfahren die Betrauung der Gemeinde zum Zweck der Entlastung des Gerichts, so kann ein Verfahren nach § 37 Abs 1 MRG bei Gericht hinsichtlich der in der Gemeinde gelegenen Mietgegenstände nur eingeleitet werden, wenn die Sache vorher bei der Gemeinde anhängig gemacht worden ist (§ 39 Abs 1 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG). Auf welche Gemeinden die im § 39 Abs 1 MRG genannten Voraussetzungen zutreffen, stellt der Bundesminister für Justiz gemeinsam mit dem Bundesminister für Inneres durch Kundmachung fest (§ 39 Abs 2 MRG). Die Gemeinden, auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des MRG die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 MRG zutreffen, sind durch die Kundmachung der Bundesminister für Justiz und für Inneres, BGBl 1979/299, bestimmt (§ 50 MRG). Nach dieser Kundmachung liegen die Voraussetzungen für die Stadt Innsbruck, in der das Bestandobjekt liegt, vor.

Eine Behandlung eines Klagebegehrens als Antrag im Verfahren außer Streitsachen (statt der Zurückweisung der Klage) ist dann nicht möglich, wenn eine Gemeindeschlichtungsstelle besteht und daher vor der Anrufung der Gemeinde das außerstreitige Verfahren vor Gericht unzulässig ist (RIS‑Justiz RS0105601; vgl auch RS0070782).

Dass im vorliegenden Fall die Gemeindeschlichtungsstelle angerufen wurde, hat keine Partei behauptet, weshalb gemäß § 477 Abs 1 Z 6 iVm § 513 ZPO nicht nur das Verfahren für nichtig zu erklären, sondern auch die Klage zurückzuweisen war.

6. Die Kostenentscheidung gründet auf § 51 Abs 2 ZPO. Angesichts der von vornherein nicht sicheren Beurteilung der zulässigen Verfahrensart kann keiner Partei ein Verschulden an der Einleitung und Fortführung des nichtigen Verfahrens zugemessen werden.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte