OGH 6Ob200/12y

OGH6Ob200/12y16.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** S*****, vertreten durch Dr. Maximilian Motschiunig, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei R***** M*****, vertreten durch Steiner & Steiner Rechtsanwalts KG in Wien, wegen Feststellung und Einverleibung einer Dienstbarkeit, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 19. Juli 2012, GZ 2 R 124/12f‑54, womit das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 18. April 2012, GZ 8 C 1120/08i‑50, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (RIS‑Justiz RS0042392) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1.1. Der Inhalt von ersessenen Dienstbarkeiten bestimmt sich nach dem Zweck, zu dem das belastete Grundstück am Beginn der Ersitzungszeit verwendet wurde. Die Grenzen der Rechtsausübung sind bei ersessenen Dienstbarkeiten besonders genau zu beachten (RIS‑Justiz RS0011664 [T2, T9]). Auch bei ungemessenen Dienstbarkeiten bestehen Schranken aufgrund des ursprünglichen Bestandes und der ursprünglich vorhersehbaren Benützungsart.

1.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist allerdings eine Anpassung der Benützungsart durch den Servitutsberechtigten an die fortschreitende technische Entwicklung grundsätzlich zulässig (RIS‑Justiz RS0016364 [T4, T5]). Es soll dem Berechtigten der angestrebte Vorteil ermöglicht, dem Belasteten so wenig wie möglich geschadet werden. Eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit läge nur dann vor, wenn das dienende Grundstück dadurch erheblich schwerer belastet wird (RIS‑Justiz RS0016368 [T14]). Wird nicht die Betriebsform des herrschenden Grundstücks wesentlich geändert, so ist für den Umfang der Dienstbarkeit des Fahrrechts das jeweilige Bedürfnis des Berechtigten maßgebend, soweit der Belastete keine unzumutbare Beeinträchtigung erleidet. Die Modernisierung eines Betriebs oder ein besserer Geschäftsgang bilden keine Änderung der Betriebsform (RIS‑Justiz RS0016369). Hingegen sind Belastungen des dienenden Guts infolge Änderung der Bewirtschaftungsart des herrschenden Guts unzulässig (RIS‑Justiz RS0011691).

2. Die Frage des Ausmaßes bzw Umfangs einer Dienstbarkeit und die Fragen der Grenzen der zulässigen Erweiterung sind grundsätzlich einzelfallbezogen und stellen in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (7 Ob 12/07a mwN).

3.1. Der beklagten Partei ist zuzugeben, dass nach herrschender Auffassung eine erheblich schwerere Belastung des dienenden Guts und damit eine unzulässige Erweiterung der Servitut insbesondere dann anzunehmen ist, wenn die Beschaffenheit des Wegs (etwa dessen Breite und/oder Befestigung) geändert werden muss (RIS‑Justiz RS0016367; Spath in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 484 Rz 11; Hofmann in Rummel, ABGB³ § 484 Rz 2).

3.2. Allerdings gilt diese Auffassung nur für den Regelfall. Im Einzelfall kann eine Verbreiterung des Wegs im Rahmen der bei Beurteilung des Vorliegens einer unzulässigen Erweiterung der Servitut gebotenen Gesamtbetrachtung unschädlich sein. Nach den Feststellungen des Erstgerichts verursacht die Holzbringung mit Harvester und Forwarder geringere Schäden am Boden, es sind weniger Fahrten notwendig als mit einem Traktor und eine Verbreiterung des Wegs auf 4 m führt zu keinem wirtschaftlichen Nutzungsentgang für die beklagte Partei. Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage keine unzulässige Ausweitung der Servitut angenommen haben, steht dies mit den dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung im Einklang.

4. Damit vermag die Revision aber keine Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzuzeigen, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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