Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung
Text
Die Betreibende beantragte die Bewilligung der Forderungsexekution nach § 294a EO wider den Verpflichteten wegen rückständigen Ehegattenunterhalts und berief sich dazu auf folgende Urkunden in Fotokopie:
a. den am 13. März 1984 zwischen den Parteien abgeschlossenen Notariatsakt,
b. das Protokoll vom 14. März 1984 über die Scheidungstagsatzung beim Erstgericht, und
c. den Beschluss des Erstgerichts über die Scheidung im Einvernehmen vom 14. März 1984.
Dazu führte sie aus, selbst wenn der Notariatsakt kein vollstreckbarer sein sollte, sei er als notwendige Voraussetzung der Scheidung Inhalt des Scheidungsverfahrens und deshalb mit dem Scheidungsbeschluss vollstreckbar und rechtskräftig geworden. Die im Scheidungsprotokoll zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung und der darin inkludierte Notariatsakt seien seit dem 14. März 1984 rechtskräftig und vollstreckbar.
Im Akt erliegen der Notariatsakt und das Scheidungsprotokoll jeweils in Fotokopie, nicht jedoch der Scheidungsbeschluss; statt dessen findet sich eine „Vereinbarungsausfertigung“ des Scheidungsvergleichs vom 14. März 1984 in Fotokopie. Diesen Urkunden lässt sich Folgendes entnehmen:
Der im Hinblick auf die beabsichtigte einvernehmliche Scheidung zur Regelung ihrer gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche für den Fall der Scheidung von den Parteien am 13. März 1984 abgeschlossene Notariatsakt enthält ua betreffend den Ehegattenunterhalt einen Unterhaltsverzicht des Verpflichteten und dessen näher geregelte Verpflichtung, der Betreibenden einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 1.000 ATS wertgesichert zu bezahlen, nicht jedoch eine Vollstreckbarkeitsklausel im Sinn des § 1 Z 17 EO iVm § 3 lit d NO.
Dem Protokoll des Erstgerichts über die Scheidungstagsatzung ist ua zu entnehmen:
„Für den Fall der Scheidung haben wir bereits am 13. 3. 1984 vor dem öffentlichen Notar […] einen Notariatsakt abgeschlossen, welchen wir in Ausfertigung vorlegen.
Diese Vereinbarung in Form eines Notariatsaktes wird zum Akt genommen.
In Ergänzung dieses Notariatsaktes schließen wir, zusätzlich noch folgende
Vereinbarung.
1. [Obsorgeregelung für die minderjährigen ehelichen Kinder]
2. [Unterhaltsregelung für die minderjährigen ehelichen Kinder]
3. [Besuchsrechtsregelung]
4. Hinsichtlich weiterer vermögensrechtlicher Ansprüche im Verhältnis der beiden Antragsteller zueinander ( §§ 98 ff ABGB und §§ 81 ff Ehegesetz ) erklären beide Antragsteller ausdrücklich, daß sie in dieser Hinsicht keine weiteren Ansprüche mehr gegeneinander haben und auf solche auch verzichten.
5. Die Punkte 1., 2. und 3. dieser Vereinbarung bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung durch das zuständige Pflegschaftsgericht.
Über die Ehescheidung herrscht sohin Einvernehmen und wir haben die im Notariatsakt vom 13. 3. 1984 und oben festgehaltene im § 55 a Ehegesetz geforderte Regelung getroffen.
Wir beantragen daher zu fällen den
B e s c h l u ß .
Die zwischen … .“
Die „Vereinbarungsausfertigung“ des Scheidungsfolgenvergleichs vom 14. März 1984 enthält die Vergleichspunkte 1. bis 5. Letzterer endet mit „… durch das zuständige Pflegschaftsgericht“.
Das Erstgericht bewilligte die Exekution antragsgemäß.
Der Verpflichtete erhob Einspruch und wendete ein, ein die Exekution deckender Exekutionstitel sei nicht existent; der Notariatsakt sei nicht in die Form eines vollstreckbaren Notariatsakts gebracht worden, diese Vereinbarung sei nicht Gegenstand des Vergleichs im Zug des Scheidungsverfahrens gewesen.
Das Erstgericht wies den Einspruch ab.
Dem dagegen vom Verpflichteten erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass aufgrund des Einspruchs des Verpflichteten die mit Beschluss des Erstgerichts bewilligte Forderungsexekution gemäß § 294a EO unter gleichzeitiger Aufhebung aller bisher vollzogenen Exekutionsakte eingestellt werde. Die mit der Exekutionsbewilligung bestimmten Kosten des Exekutionsantrags wurden der betreibenden Partei aberkannt, auch auf weitere bisher aufgelaufene Exekutionskosten habe die betreibende Partei keinen Anspruch. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es (vorerst) für nicht zulässig und wies die Rekursbeantwortung der betreibenden Partei als unzulässig zurück.
Die Argumentation der Betreibenden im Exekutionsantrag sei in dieser Allgemeinheit nicht richtig. Der einzige Hinweis auf den genannten Scheidungsvergleich finde sich im Protokoll über die Scheidungsverhandlung, in dem die Parteien erklärten, sie hätten für den Fall der Scheidung bereits am 13. März 1984 einen gleichzeitig vorgelegten und zum Akt genommenen Notariatsakt abgeschlossen. Danach hätten sie in Ergänzung dieses Notariatsakts zusätzlich die Scheidungsvereinbarung geschlossen. In der Vereinbarung selbst sei auf den Notariatsakt in keiner Weise Bezug genommen worden. Für das Zustandekommen eines gerichtlichen Vergleichs werde zwar als ausreichend angesehen, dass im Vergleich auf ein zum Akt genommenes außergerichtliches Übereinkommen Bezug genommen und dieses zum Vergleichsinhalt erhoben werde. Dies sei hier jedoch nicht geschehen, weshalb dem Notariatsakt die Eigenschaft eines vollstreckbaren Exekutionstitels nicht zukomme, weil er weder die Vorschriften des § 1 Z 17 EO iVm § 3 NO erfülle noch in den anlässlich der einvernehmlichen Scheidung abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich im Sinn des § 1 Z 5 EO mitaufgenommen worden sei. Ein das Unterhaltsbegehren der Betreibenden rechtfertigender Exekutionstitel liege somit tatsächlich nicht vor. Im Sinn des § 54e Abs 1 EO sei daher in Stattgebung des Einspruchs das Forderungsexekutionsverfahren unter gleichzeitiger Aufhebung aller bis dahin vollzogener Exekutionsakte einzustellen.
Über Antrag der Betreibenden änderte das Rekursgericht seinen Zulässigkeitsausspruch ab. Ob die Formulierungen im Scheidungsprotokoll ausreichend seien, um den Notariatsakt damit auch in die Form des protokollierten gerichtlichen Vergleichs zu bringen, sei eine Rechtsfrage von allenfalls erheblicher Bedeutung über den Einzelfall hinaus, die so ganz konkret in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bislang nicht beantwortet worden sei.
In ihrem Revisionsrekurs begehrt die Betreibende die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Exekutionsbewilligung, hilfsweise die Aufhebung und die Zurückverweisung an die zweite oder erste Instanz. Als erhebliche Rechtsfrage macht sie geltend, das Rekursgericht habe aktenwidrig festgestellt, dass in der Vereinbarung selbst auf den Notariatsakt in keiner Weise Bezug genommen worden sei, obwohl auf diesen im 2. Absatz des Punktes 5. des Vergleichs hingewiesen worden sei; daran anknüpfend sei das Rekursgericht von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgegangen, wonach es genüge, wenn im Vergleich auf ein zum Akt genommenes außergerichtliches Übereinkommen Bezug genommen und dieses zum Vergleichsinhalt erhoben werde.
Der Verpflichtete erstattete unaufgefordert eine Revisionsrekursbeantwortung, in der er die Abweisung des Revisionsrekurses beantragt.
Rechtliche Beurteilung
Der Betreibenden gelingt es auf folgenden Überlegungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage darzustellen, weshalb ihr Revisionsrekurs ‑ ungeachtet des nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts ‑ als nicht zulässig zurückzuweisen ist:
1. Das zentrale Argument des Revisionsrekurses geht dahin, der Scheidungsvergleich umfasse auch die im Anschluss an dessen Punkt 5. im Protokoll zu findende Formulierung „Über die Ehescheidung herrscht sohin Einvernehmen und wir haben die im Notariatsakt vom 13. 3. 1984 und oben festgehaltene im § 55a Ehegesetz geforderte Regelung getroffen.“, was einen Hinweis auf den Notariatsakt darstelle, der damit zum Vergleichsinhalt erhoben worden sei.
Die in diesem Zusammenhang kritisierte „Feststellung“ des Rekursgerichts, in der Vereinbarung selbst sei auf den Notariatsakt in keiner Weise Bezug genommen worden, stellt keine (unrichtige) Wiedergabe aus dem Protokoll dar, sondern eine ‑ erkennbar als unzweifelhaft angesehene und deshalb nicht näher begründete ‑ Auslegung des Inhalts des als Urkunde vorliegenden Protokolls vom 14. März 1984, also eine Schlussfolgerung. Ihre allfällige Fehlerhaftigkeit vermag daher nicht den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit zu verwirklichen (vgl RIS‑Justiz RS0043347, insbes [T13 und T14]; RS0043324; RS0043421; Schragel in Fasching/Konecny² § 217 ZPO Rz 2).
2. Es entspricht ständiger Judikatur, dass die einzefallbezogene Auslegung, sei es von Vergleichen (RIS‑Justiz RS0113785), sei es von Parteienerklärungen (vgl RIS‑Justiz RS0044273 [T4 und T47]; RS0042828) keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO darstellt, sofern den Vorinstanzen dabei keine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist. Von einer solchen kann hier keine Rede sein.
3. Der Inhalt der vollstreckbaren Leistungsverpflichtung ist in erster Linie dem Exekutionstitel selbst zu entnehmen; bei ihm beginnt die Auslegung (RIS‑Justiz RS0000315). Die Verpflichtung ist somit nur aufgrund des Titels festzustellen (stRsp; RIS‑Justiz RS0000207).
Worin der Inhalt des hier zu prüfenden Exekutionstitels (Scheidungsvergleich) besteht, hängt von der Beurteilung der Frage ab, ob die Formulierung „Über die Ehescheidung herrscht sohin Einvernehmen und wir haben die im Notariatsakt vom 13. 3. 1984 und oben festgehaltene im § 55a Ehegesetz geforderte Regelung getroffen.“ Teil des Punktes 5. des Vergleichs ist (was die Betreibende ohne jede Begründung im Revisionsrekurs vertritt) oder nur die im Anschluss an den Vergleichstext protokollierte Behauptung beider Parteien, dass die Voraussetzungen für eine einvernehmliche Scheidung nach § 55a Abs 1 (Einvernehmen über die Scheidung) und Abs 2 EheG (Vorlage und Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung) vorliegen.
Für die zweite, vom Rekursgericht angenommene Variante spricht, dass schon die einleitende Erklärung des Einvernehmens über die Scheidung keinen Vergleichsgegenstand darstellt, der darüber hinaus jeder Konnex zum Inhalt des Punktes 5. fehlt, dennoch aber nicht gesondert nummeriert wurde. Weiters lässt sich dem betroffenen Satz in keiner Weise entnehmen, dass Regelungen des Notariatsakts in den gerichtlichen Vergleich übernommen werden sollen; er hat vielmehr bloß feststellenden Charakter zum Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen mit der Besonderheit, dass die notwendige schriftliche Vereinbarung zum Teil unterbreitet und zum Teil bei Gericht geschlossen wurde. Gewicht kommt schließlich auch dem Umstand zu, dass sich der Scheidungsrichter nicht veranlasst sah, diesen Satz in die „Vereinbarungsausfertigung“ aufzunehmen, was zweifellos mit einer Zugehörigkeit zum Vergleichstext nicht in Einklang zu bringen ist, nach der Aktenlage jedoch seinerzeit nicht von den Parteien beanstandet wurde.
Für die von der Betreibenden vertretene Variante spricht allenfalls ihr (verständlicher) Wunsch, eine exequierbare Unterhaltsvereinbarung zu erlangen, und das Fehlen einer klaren Trennung des Satzes vom Vergleichstext durch entsprechende Gestaltung des Verhandlungsprotokolls. Die Erwähnung des Notariatsakts durch die beiden Antragsteller und dessen Vorlage kann hingegen nicht als Hinweis für eine Vereinbarung der Übernahme der schon getroffenen Regelungen in den gerichtlichen Vergleich angesehen werden, weil § 55 Abs 2 EheG als Voraussetzung einer einvernehmlichen Scheidung auch eine schriftliche Vereinbarung über die unterhaltsrechtlichen Beziehungen und die gesetzlichen vermögensrechtlichen Ansprüche der Ehegatten im Verhältnis zueinander verlangt, die ‑ sofern sie nicht bei Gericht geschlossen wird ‑ zu „unterbreiten“ ist. Da eine selbständige Regelung dieser Punkte im Scheidungsvergleich unterblieb, waren die Parteien zur Behauptung einer bereits abgeschlossenen schriftlichen Vereinbarung und deren Vorlage gezwungen.
Wenn das Rekursgericht bei den dargestellten Umständen des vorliegenden Einzelfalls schloss, im Text des Scheidungsvergleichs sei auf den Notariatsakt kein Bezug genommen worden, ist darin ein jedenfalls vertretbares Auslegungsergebnis zu erblicken.
4. Nach ständiger Judikatur ist ein gerichtlicher Vergleich auch in der Form möglich, dass auf den Inhalt eines im Akt erliegenden außergerichtlichen Übereinkommens Bezug genommen und dies zum Inhalte des gerichtlichen Vergleichs erhoben wird (RIS‑Justiz RS0000108).
Die weitere Beurteilung des Rekursgerichts, hier fehle es an diesen Voraussetzungen, erweist sich ebenso als jedenfalls vertretbar, weil dem Protokoll über die Scheidungstagsatzung nur Hinweise auf die am Vortag in Gestalt eines Notariatsakts getroffenen Regelungen zu entnehmen sind, jedoch keine Erklärungen, die deren Übernahme in den gerichtlichen Vergleich erkennen lassen; vielmehr erfolgte der Vergleichsabschluss „in Ergänzung“ des Notariatsakts und „zusätzlich“, was dessen Aufnahme in den Vergleich widerspricht. Die bloße Vorlage des Notariaktsakts macht aber die geforderte Erklärung der Erhebung zum (Teil des) Vergleich(s) keinesfalls überflüssig.
Gerade darin liegt der Unterschied im Sachverhalt zu den von der Betreibenden für ihren Standpunkt zitierten, zu einvernehmlichen Scheidungen ergangenen Entscheidungen:
Zu AZ 3 Ob 5/89 wurde nämlich festgestellt, dass die Antragsteller „eine Vereinbarung wie im Übereinkommen vom 12. 9. 1988, welche dem Antrag angeschlossen ist mit nachstehenden Ergänzungen“ schlossen, weshalb an der Übernahme der außergerichtlichen Vereinbarung in den Vergleich ‑ anders als hier ‑ nicht ernstlich zu zweifeln war.
Zu AZ 8 Ob 217/98i fasste der Oberste Gerichtshof den Sachverhalt dahin zusammen, dass die Antragsteller eine von ihnen verfasste, aber noch nicht unterschriebene Vereinbarung dem Richter vorlegten, die nach Erörterung in einigen Punkten ergänzt und geändert wurde, und im Anschluss von den Antragstellern auf jeder Seite der geänderten und ergänzten Vereinbarung unterfertigt wurde. Im Protokoll wurde ausdrücklich festgehalten, dass die Antragsteller Vergleichsausfertigungen beantragten. Der Richter ließ antragsgemäß Reinschriften der von ihm ausdrücklich als „Vergleich“ bezeichneten Vereinbarung anfertigen, stellte den Scheidungsbeschluss und die Vergleichsausfertigungen zu und bestätigte in der Folge die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit. Da ‑ so der Oberste Gerichtshof ‑ alle beteiligten Personen einschließlich des Richters davon ausgegangen seien, dass die Antragsteller die Vereinbarung als gerichtlichen Vergleich gewertet wissen wollten, könne diese nur so verstanden werden, dass die Vereinbarung die Qualität eines gerichtlichen Vergleichs und somit eines Exekutionstitels haben sollte. Anders als hier erfolgte die abschließende Willenseinigung erst bei Gericht (es ging also gar nicht um die Übernahme einer außergerichtlichen Vereinbarung), die auch vom Gericht als Vergleich verstanden und behandelt wurde, wie die Zustellung von Vergleichsausfertigungen zeigt.
5. Infolge der grundsätzlichen Einseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens nach der EO (RIS‑Justiz RS0116198) stehen der verpflichteten Partei für ihre zwar nicht unzulässige (RIS‑Justiz RS0118686 [T11]), aber nicht zweckentsprechende (RIS‑Justiz RS0118686 [T12]) Revisionsrekursbeantwortung, in der auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen wird, Kosten nicht zu.
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