OGH 5Ob111/12b

OGH5Ob111/12b23.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch die Mahringer Steinwender Bestebner Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Mory & Schellhorn OEG, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 7.112,75 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 22. März 2012, GZ 53 R 346/11f-48, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Thalgau vom 17. August 2011, GZ 2 C 1438/09i-44, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 93,19 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Nach den für den Obersten Gerichtshof (und damit auch für die weitere rechtliche Beurteilung) maßgeblichen, von der Klägerin im Berufungsverfahren unbekämpft gebliebenen und im Folgenden auf das Wesentliche zusammengefassten Feststellungen war die von der Klägerin, an die sich die Beklagte zwecks Erstellung einer neuen Betriebssoftware gewandt hatte, gelieferte Standardsoftware für die Bedürfnisse der Beklagten an sich nicht geeignet („hinsichtlich bestimmter wesentlicher funktionaler Eigenschaften völlig unbrauchbar“: Seite 38 des Ersturteils), sondern es hätte einen erheblichen Aufwand erfordert, sie für deren Bedürfnisse und die besonderen Anforderungen zu entwickeln. Im ersten „Richtangebot“ der Klägerin waren die erforderlichen Anpassungsnotwendigkeiten noch nicht annähernd spezifiziert. Erst bei der - nach Auftragserteilung - erfolgten Installation des EDV-Programms bei der Beklagten stellte sich heraus, dass die Beklagte in ihrer EDV-Ausstattung auch noch eines neuen Servers bedurfte (der über weitere Bestellung der Beklagten von der Klägerin nachgeliefert und installiert wurde). Trotz und nach einzelnen Schulungen sowie Programmierung von Programmerweiterungen und Anpassungen war und blieb das gelieferte Softwareprogramm bis zur „Rücktritt“serklärung der Beklagten am 10. 8. 2009 - ungeachtet einzelner von der Beklagten bzw ihrer Mitarbeiter nicht wahrgenommener bzw abgesagter Schulungstermine - „nur bedingt geeignet“. Die angebotene Software an die Bedürfnisse der Beklagten anzupassen, wäre nämlich ein komplexes Vorhaben gewesen, das eine methodisch korrekte, klar strukturierte und systematische Vorgangsweise verlangte, welche Vorgangsweise die Klägerin jedoch nicht einhielt. Bei Auftragserteilung lag nur eine unvollständige Dokumentation der Anforderungen vor. Eine Dokumentation („Pflichtenheft“) als fachliche Grundlage der Auftragserteilung wurde nicht bewirkt, weil zum einen wesentliche Anforderungen fehlten und zum anderen Form und Struktur unpassend waren. Die von der Klägerin intendierte, aber nicht (ausreichend) offengelegte Vorgangsweise, nämlich die Anpassungen unter Mitwirkung der Beklagten zu erarbeiten, hätte es erfordert, die Beklagte schon vor Auftragserteilung darauf hinzuweisen und ihre Mitarbeit an der Programmerstellung zu vereinbaren. All dies hat die Klägerin unterlassen. Zwar hat es auch die Beklagte unterlassen, sich während der Auftragsabwicklung aktiv mit dem Programm auseinanderzusetzen und projektbezogene Fragen der Klägerin hinreichend zu beantworten, sowie bei Auftragserteilung eine ausreichende Anforderungsdefinition zu leisten. Die Herstellung einer für die Erfordernisse der Beklagten tauglichen Software scheiterte allerdings letztlich an der mangelhaften Planung der Klägerin vor Auftragserteilung. Ohne den Vertrags“rücktritt“ der Beklagten wäre es der Klägerin möglich gewesen, die Gebrauchstauglichkeit der Software nur unter erheblichem eigenen Aufwand und unter erheblicher Mitwirkung der Beklagten, verbunden mit auch finanziell erheblichem Aufwand, herzustellen.

Die Beklagte hat bisher 7.937,68 EUR bezahlt. Auf die von der Klägerin gelegten Rechnungen haftet noch der Klagsbetrag von restlich 7.112,75 EUR sA als offen aus, den die Klägerin aus dem Titel Werklohn fordert.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Klageabweisung ab und ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass „- soweit überblickbar - ein vergleichbarer Sachverhalt zur Warnpflicht des Unternehmens bei Softwareverträgen, bei denen im Rahmen der Vertragsabwicklung auch noch die fehlende Mitwirkung auf Seiten des Auftraggebers hinzutritt, bisher vom Höchstgericht nicht behandelt wurde. Die Lösung dieser Rechtsfragen geht über den Anlassfall hinaus“.

Hiegegen richtet sich die primär auf Wiederherstellung des Ersturteils gerichtete Revision der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 508a Abs 1 ZPO ist der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Zur Qualifikation des Vertrags über den Erwerb von Computer-Software liegt bereits ausreichend Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor. Während die dauerhafte Überlassung einer auf Datenträgern verkörperten Standardsoftware gegen einmaliges Entgelt als Kaufvertrag qualifiziert wird (RIS-Justiz RS0108702), ist die Lieferung von Individualsoftware, also einer solchen, die speziell auf die besonderen Bedürfnisse und individuellen Umstände und Wünsche eines Bestellers ausgerichtet ist, als Werkvertrag zu beurteilen (2 Ob 668/84 EvBl 1985/79; 2 Ob 625/90 WBl 1991, 270; 9 Ob 81/04h SZ 2005/109). Da die von der Klägerin angebotene Standardsoftware als klassische Warenwirtschaftssoftware (für Ein- und Verkauf von Waren, Lagerhaltung etc) für die Bedürfnisse der Beklagten als Büro für sicherheitstechnische und medizintechnische Überprüfungen nicht geeignet war, sondern es eines erheblichen Aufwands bedurft hätte, sie für die Bedürfnisse der Beklagten und die besonderen Anforderungen ihres Betriebs zu entwickeln, wobei ihr die Klägerin auch einen entsprechenden Erfolg zusagte, ist die Beurteilung - auch wenn zwischen den Parteien nicht die Herstellung einer Spezialsoftware vereinbart war - nach den Regeln des Werkvertragsrechts vorzunehmen, weil aus einem bereits bestehenden Softwareprodukt mit erheblichem Aufwand durch Anpassungen und Erweiterungen eine in dieser Form bisher nicht existierende, auf die besonderen Bedürfnisse der Erwerberin zugeschnittene Individualsoftware herzustellen war.

Da dieses „Werk“ zum Zeitpunkt des „Rücktritts“ tatsächlich noch bei weitem nicht fertiggestellt war - waren doch für die Beklagte wesentliche Funktionen und Lösungen noch lange nicht erreicht bzw erreichbar, hätte es doch hiezu feststellungskonform auch noch eines erheblichen (beiderseitigen) Aufwands bedurft, um die erforderlichen Anpassungen zu bewirken -, ist weder von einer Ablieferung iSd § 377 UGB noch einer Über- bzw Abnahme des Werks auszugehen, sodass weder die Verletzung einer Rügeobliegenheit noch Gewährleistungsansprüche zu beurteilen sind (vgl RIS-Justiz RS0018234).

Im vorliegend zu beurteilenden Fall unterblieb die Herstellung des geschuldeten Erfolgs, weil es seitens der Klägerin vor Auftragserteilung unterlassen wurde, die für die zu liefernde Software maßgeblichen Anforderungen verbindlich zu definieren, ein sogenanntes Pflichtenheft zu erstellen (nach den zugrunde gelegten AGB [Softwarebedingungen, Punkt 3.] war ein solches schriftlich zu vereinbaren), um eine Klärung des in Auftrag zu gebenden Werks im Sinn einer Detailspezifikation zur Erstellung der Software zu ermöglichen. Dazu wäre ein erheblicher Aufwand erforderlich gewesen, um die von der Klägerin im Rahmen des Werkvertrags zu lösenden Aufgaben im Sinn der gewünschten Funktionalität und der Qualitätseigenschaften auch nur annähernd zu definieren.

Der Klägerin musste aufgrund ihrer besonderen Sachkenntnis bewusst sein, dass die Erbringung des Werks bei ihrem Informationsstand in hohem Maß gefährdet, wenn nicht unmöglich war. Darauf, dass in den Softwarebedingungen, die dem Vertrag zugrunde lagen, dem Besteller die Auswahl der Software und die Erteilung der notwendigen Informationen oblag, kann sich die Klägerin gegenüber der Beklagten, die erkennbar keine Fachkenntnisse besaß, nicht berufen. Sie hätte in Erfüllung vorvertraglicher Verpflichtungen schon vor Auftragserteilung die Beklagte darüber aufklären müssen, dass ohne eine Detailspezifikation vor Beginn der Softwareanpassung bzw Entwicklung - wie in den Softwarebedingungen auch vorgesehen - eine Erarbeitung der von der Beklagten für ihren speziellen Betrieb benötigten Lösungen nicht zu verwirklichen sei.

(Erst) Im Schreiben vom 21. 7. 2009, das dem Vertragsrücktritt der Beklagen unmittelbar voranging und diesen offensichtlich auslöste, hat die Klägerin auf die übliche Vorgangsweise hingewiesen und festgehalten, welche Schritte aus ihrer Sicht im Laufe der Einführung und ständigen Anpassung und Verbesserung der Software einzuhalten sind. Dass sie diese Informationen der Beklagten bereits vor Vertragsabschluss erteilt und die Zustimmung der Beklagten zu einem erheblichen gemeinsamen Zeit- und Mehrkostenaufwand erzielt hätte, steht nicht fest. Wenn sich die Klägerin darauf beruft, dass die Beklagte als Bestellerin eine für das Gelingen des Werks erforderliche Mitwirkung unterlassen hat (vgl RIS-Justiz RS0027906), ist ihr abermals entgegenzuhalten, dass es bei der von der Klägerin (einseitig) gewählten Vorgangsweise, nämlich der Entgegennahme des Auftrags ohne sachgemäß erforderliche Definition des zu erbringenden Werks, einer spezifischen Aufklärung über das Erfordernis der gemeinsamen Erarbeitung und die besondere Bedeutung zeitintensiver Mitwirkung der Beklagten an der Werkerstellung und wohl auch eines Mehrkostenaufwands bedurft hätte. Damit liegt aber die Ursache für das Fehlschlagen des Werks in der Verletzung eigener vorvertraglicher Aufklärungspflichten der Klägerin.

Da die Klägerin erstmals mit ihrem Schreiben vom 21. 7. 2009 die (umfangreiche) Mitwirkung der Beklagten bei der Softwareanpassung und -erweiterung in detaillierter Form einforderte, statt rechtzeitig vor Auftragsvergabe darauf entsprechend hinzuweisen (Seite 39 des Ersturteils), durfte Letztere diese ablehnen. Die in diesem Schreiben vorgeschlagene Vorgangsweise stellte nämlich keine rechtzeitige Erfüllung einer (nach dem Vorgesagten bereits vorvertraglich entstandenen) Aufklärungspflicht durch die Klägerin mehr dar, sondern zielte im Ergebnis auf die Durchsetzung einer eigenmächtig gewählten und damit einseitigen Vertrags-(um-)gestaltung ab. Die Klägerin durfte daher die bis zu diesem Zeitpunkt nicht vertragsgemäß erbrachte Leistung durch ihren „Vertragsrücktritt“ (richtig: Abbestellung - vgl 3 Ob 126/11t) endgültig zurückweisen. Die fehlende Bereitschaft der Beklagten zu weiteren Schulungen fällt damit - mangels Zumutbarkeit - nicht ins Gewicht.

Das führt aber, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte und durch den Obersten Gerichtshof sohin keiner aufzugreifenden Korrektur bedarf, zum Verlust des (restlichen) Entgeltanspruchs der Klägerin.

Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979; RS0035962). Die in der Revisionsbeantwortung verzeichneten Kosten eines „Einspruchs gegen den Zahlungsbefehl“ sind hiebei keine Kosten des Revisionsverfahrens und waren daher nicht zuzuerkennen.

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