OGH 2Ob186/12k

OGH2Ob186/12k11.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** K*****, vertreten durch Pallauf Meißnitzer Staindl & Partner Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 13.827,84 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Juni 2012, GZ 2 R 20/12t‑14, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 27. November 2011, GZ 10 Cg 71/11s‑10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0020OB00186.12K.1011.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 908,64 EUR (darin enthalten 151,44 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Begründung

Der Kläger war mit seiner Familie und weiteren Verwandten auf einem Campingplatz eine Woche lang auf Urlaub. Am Abreisetag half der Kläger mit, den Wohnwagen seines Schwiegervaters an dessen bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW anzukuppeln. Der Schwiegervater fuhr mit seinem PKW auf dem vor dem Heck des Wohnwagens situierten Weg vor und stellte diesen Heck zu Heck mit dem Wohnwagen ab. Er stellte den Motor ab und verließ das Kraftfahrzeug. Der Wohnwagen sollte nun durch Mithilfe aller fünf anwesenden Erwachsenen von seinem Standplatz händisch rückwärts auf den Weg hinausgezogen bzw -geschoben und im Anschluss händisch vorwärts bewegt an den PKW angekuppelt werden. Der Schwiegervater stellte sich zur Deichsel, die Schwiegermutter und die Schwägerin des Klägers stellten sich an den vorderen Bereich des Wohnwagens. Im seitlichen Heckbereich des Wagens befanden sich beidseits Haltegriffe aus Kunststoff. Der Kläger positionierte sich am rechten, seine Ehefrau am linken Haltegriff. Sodann begannen die fünf Personen händisch den Wohnwagen in Richtung Weg in Bewegung zu setzen, wobei der Kläger am Haltegriff anzog. Plötzlich brach dieser Haltegriff ab, wodurch der Kläger stürzte und rückwärts auf den Schotterweg fiel. Dabei verletzte sich der Kläger am linken Ellbogengelenk.

Der Klägerbegehrt von der Beklagten 13.827,84 EUR sA (5.000 EUR Schmerzengeld, 8.727,84 EUR Verdienstentgang, 100 EUR unfallkausale Spesen). Unfälle beim Ankuppeln eines Anhängers an ein Zugfahrzeug seien als Unfälle beim Betrieb der Einheit aus Zugfahrzeug und Anhänger im Sinne des EKHG zu betrachten, weshalb die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Zugfahrzeugs für die durch den Abriss des Haltegriffs verwirklichte Betriebsgefahr hafte.

Die Beklagte wendet ein, der Unfall habe sich nicht beim Betrieb des Fahrzeugs im Sinn des EKHG ereignet. Wohnwägen seien keine Kraftfahrzeuge, zum Kfz-Risiko der Zugmaschine gehörten nur Schäden, die beim Ziehen des Anhängers durch das Kraftfahrzeug verursacht würden. Demnach müsse sich der Anhänger bei Eintritt des Schadensereignisses am ziehenden Kraftfahrzeug befinden oder von diesem gelöst haben, aber noch in Bewegung sein. Der Unfall des Klägers habe sich nicht unmittelbar beim An- oder Abhängen des Wohnwagens ereignet; es handle sich um eine Vorbereitungshandlung, die nicht zum Risiko des Zugfahrzeugs gehöre.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht führte zusammengefasst aus: Ein Wohnwagen sei ein Anhänger iSd § 2 Abs 1 Z 2 KFG. Ein solcher sei zwar ein Fahrzeug, jedoch (mangels eines Eigenantriebs durch technisch freigemachte Energie) kein Kraftfahrzeug und unterliege daher für sich allein grundsätzlich nicht dem Anwendungsbereich des EKHG (RIS‑Justiz RS0127606). Der Wohnwagen sei nach der Ankunft am Urlaubsort für eine ganze Woche vom Zugfahrzeug getrennt und nicht auf einer Verkehrsfläche, sondern auf einem Campingstandplatz abgestellt gewesen, damit er dort während des Urlaubs als ortsfeste Unterkunft diene. Dadurch sei die Betriebseinheit des Wohnwagens mit dem Zugfahrzeug aufgehoben worden, weshalb keine Gefährdungshaftung des Halters (bzw Haftpflichtversicherers) des Zugfahrzeugs nach EKHG bestehe (2 Ob 33/06a). Der Unfall habe sich nicht beim eigentlichen Ankuppeln (Herstellen einer kraftschlüssigen Verbindung zwischen Zugfahrzeug und Anhänger) ereignet, sondern im Zuge einer Vorbereitungshandlung, die als solche weder die „Anwesenheit“ noch die Mitwirkung eines Zugfahrzeugs erfordert habe. Im Bruch des Haltegriffs am Wohnwagen habe sich nicht die Betriebsgefahr des bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW verwirklicht.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zu den Rechtsfragen vorliege, ob mit dem (nicht bloß kurzfristigen) Abstellen eines Wohnwagens auf einem Campingplatz die haftungsrechtliche Betriebseinheit mit dem Zugfahrzeug ende und ob bereits eine Vorbereitungshandlung für das beabsichtigte Ankuppeln (und nicht erst dieses selbst) die Betriebseinheit wiederherstelle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Die Frage, ob ein Schaden iSd § 1 EKHG beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs verursacht wurde, hängt von den Umständen des zu entscheidenden Falls ab und geht daher in ihrer Bedeutung über den Anlassfall nicht hinaus (RIS‑Justiz RS0111365), es sei denn, dem Berufungsgericht wäre eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen.

Der Begriff „beim Betrieb“ ist dahin zu bestimmen, dass entweder ein innerer Zusammenhang mit einer dem Kraftfahrzeugbetrieb eigentümlichen Gefahr oder, wenn dies nicht der Fall ist, ein adäquat ursächlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs bestehen muss (RIS‑Justiz RS0022592).

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, hier habe sich keine Betriebsgefahr des Zugfahrzeugs des Wohnwagens verwirklicht, ist durchaus vertretbar und jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Der Bruch eines Haltegriffs ist ebenso wie etwa das Ausreißen oder Abbrechen eines Hakens oder ein Seilriss kein typischerweise dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs eigentümliches Ereignis, sondern kann sich auch sonst ereignen. Die vom Revisionswerber für seinen Rechtsstandpunkt ins Treffen geführte Entscheidung 2 Ob 64/91 ist nicht einschlägig, weil sich dort die Klägerin ‑ anders als hier ‑ beim Einsteigen in ein Kraftfahrzeug verletzte. Nach oberstgerichtlicher Rechtsprechung ist das Einsteigen in ein Fahrzeug ein mit dem Betrieb zusammenhängender Vorgang (RIS‑Justiz RS0058145).

Auch der Revisionswerber zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Auch die Frage, ob und inwieweit die Zurechnung von Anhängern zur Betriebseinheit des Zugfahrzeugs von der Verwendung des Anhängers abhängig ist, ist im jeweiligen Einzelfall zu beantworten.

Das Berufungsgericht ist auch nicht von oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Betriebszugehörigkeit von Be‑ und Entladen von Kraftfahrzeugen abgewichen. Sofern man das Ankuppeln eines Wohnwagens an das Zugfahrzeug überhaupt als „Beladen“ des Kraftfahrzeugs ansehen wollte, wäre auf folgende Rechtsprechung zu verweisen: Das Be‑ und

Entladen stellt zwar einen Betriebsvorgang dar. Allerdings ist dabei in jedem konkreten Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob auch tatsächlich ein Gefahrenzusammenhang in dem Sinn besteht, dass der Unfall aus einer spezifischen Gefährlichkeit des Kraftfahrzeugs resultiert (RIS‑Justiz RS0124207). Dies hat das Berufungsgericht ‑ wie ausgeführt ‑ im Ergebnis vertretbar verneint.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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