OGH 10Ob28/12h

OGH10Ob28/12h2.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Manfred Kantner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Autobahnen‑ und Schnellstraßen‑Finanzierungs‑AG, 1011 Wien, Rotenturmstraße 5‑9, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwalts‑Partnerschaft in Wien, wegen eingeschränkt 49.954,55 EUR sA, über die Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 48.962,65 EUR sA) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse 991,90 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. März 2012, GZ 4 R 338/11x‑28, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 24. März 2011, GZ 39 Cg 33/07g‑22, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:0100OB00028.12H.1002.000

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei 1.696,09 EUR (darin enthalten 282,68 EUR USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin betreibt ein Transportunternehmen mit Sitz in Deutschland. Sie ließ im Zeitraum vom 1. 2. 2001 bis 31. 12. 2003 mit ihren LKWs die jeweils mehr als drei Achsen und mehr als 3,5 Tonnen höchstzulässiges Gesamtgewicht aufweisen, die Gesamtstrecke der Brenner‑Autobahn befahren und bezahlte dafür die jeweils von der Beklagten berechneten Mautgebühren einschließlich Umsatzsteuer. Auf der von Innsbruck zum Brennerpass parallel führenden Bundesstraße besteht ein Fahrverbot für LKW von mehr als 7,5 Tonnen Gesamtgewicht.

Die Beklagte hob im hier relevanten Zeitraum die für die Benützung der Brenner‑Autobahn anfallende Maut aufgrund der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 3. 6. 1964, betreffend die Finanzierung der Autobahn Innsbruck‑Brenner, BGBl 1964/135, ein. Nachdem die Bemautung der Brenner‑Autobahn in zwei Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (Rs C‑205/98 vom 26. 9. 2000 und Rs C‑157/02 vom 9. 9. 2003) bemängelt worden war, teilte die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie mit Schreiben vom 17. 4. 2001 mit, dass durch die geänderten, aktuell ‑ auch für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum ‑ festgesetzten Mauttarife die Proportionalität zwischen Teilstrecken und Gesamtstrecke verbessert erscheine und das Problem der Diskriminierung aufhöre zu existieren.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage zuletzt die Zahlung von 49.954,55 EUR sA, nämlich für 55 Fahrten im Zeitraum vom 1. 2. 2001 bis 28. 2. 2001, für 997 Fahrten im Zeitraum vom 1. 3. 2001 bis 31. 8. 2002 und für 1.097 Fahrten im Zeitraum vom 1. 9. 2002 bis 31. 12. 2003. Sie habe für die von ihr im angeführten Zeitraum vom 1. 2. 2001 bis 31. 12. 2003 insgesamt durchgeführten 2.149 Fahrten ein Mautentgelt von insgesamt 164.131,02 EUR bezahlt. Da aufgrund der von der Klägerin näher dargelegten Berechnungsweise ein Mautentgelt von lediglich 114.176,47 EUR gerechtfertigt gewesen wäre, ergebe sich ein Rückforderungsbetrag von 49.954,55 EUR. Die Einhebung der von der Klägerin geleisteten Mautgebühren sei mangels ausreichender innerstaatlicher Rechtsgrundlage rechtswidrig gewesen. Sie sei aber auch deshalb nicht zu Recht erfolgt, weil sie den Wegekostenrichtlinien des Rates (RL 93/89/EWG) bzw des Europäischen Parlaments und des Rates (RL 1999/62/EG) widerspreche. Zum einen liege eine mittelbare Diskriminierung vor, weil das Befahren der weit überwiegend von ausländischen Frächtern benützten Gesamtstrecke der Brenner‑Autobahn teurer sei als die Benützung der überwiegend von inländischen Frächtern benützten Teilstrecken. Jedenfalls diskriminierend sei der ausschließlich für die Benützung der Gesamtstrecke, nicht aber auch für die Benützung der Teilstrecken bei Nachtfahrten zwischen 22:00 Uhr und 5:00 Uhr verrechnete Zuschlag. Zum anderen habe die Beklagte auch eine unangemessen hohe Maut verrechnet, weil sich deren Höhe nicht an den Kosten des Verkehrswegenetzes orientiert habe.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendete im Wesentlichen ein, Grundlage für die Einhebungen der Mautgebühren im klagsgegenständlichen Zeitraum seien private Straßenbenützungsverträge gewesen. Die Einhebung der Maut habe ihre rechtliche Grundlage im Bundesgesetz vom 3. 6. 1964, betreffend die Finanzierung der Autobahn Innsbruck‑Brenner, BGBl 1964/135, gehabt, die Höhe der Mautgebühren sei jeweils mit Erlass durch den zuständigen Minister festgelegt worden. Jedenfalls für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum seien die Mautgebühren für Gesamtstrecke und Teilstrecken aufeinander abgestimmt worden, sodass die in den Urteilen C‑205/98 und C‑157/02 des Europäischen Gerichtshofs aufgezeigte Diskriminierung nunmehr aus den von der Beklagten im Einzelnen näher dargestellten Erwägungen vermieden werde. Dies habe die Europäische Kommission auch ausdrücklich in einem Schreiben zugestanden. Die Mautgebühren erfüllten auch das Erfordernis einer Orientierung an den tatsächlich für Bau, Betrieb und weiteren Ausbau erforderlichen Kosten. Darüber hinaus könne die von der Klägerin behauptete Unangemessenheit der Mauthöhe nicht von den einzelnen Rechtsunterworfenen geltend gemacht werden. Schließlich wendete die Beklagte auch die Verjährung der Ansprüche der Klägerin ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im ersten Rechtsgang ab.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung mit Beschluss vom 28. 9. 2009, 4 R 117/09v‑14, auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es legte seiner Entscheidung das in einem Parallelverfahren bei gleichgelagertem Sachverhalt ergangene Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 2. 6. 2009, 9 Ob 5/08p, zugrunde, worin sich der Oberste Gerichtshof ausführlich mit der Frage der innerstaatlichen Grundlage für die Einhebung der Maut auf der Brenner‑Autobahn auseinandergesetzt habe und zu dem Ergebnis gekommen sei, dass eine ausreichende gesetzliche Grundlage für die Mauteinhebung im klagsgegenständlichen Zeitraum bestanden habe. Weiters sei vom Obersten Gerichtshof klargestellt worden, dass es sich bei der innerstaatlichen Rechtsgrundlage für die Einhebung der Maut (§ 2 BGBl 1964/135) lediglich um eine Selbstbindungsnorm des Staates gehandelt habe, aus der ein Einzelner keine Rechte ableiten könne. Auch ein allfälliger Verstoß gegen Art 7 lit h der RL 93/89/EWG bzw Art 7 Abs 9 RL 1999/62/EG habe unbeachtet zu bleiben, weil der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 5. 2. 2004, C‑157/02, ausdrücklich festgestellt habe, dass sich der Einzelne bei unterbliebener oder unvollständiger Umsetzung der RL 93/89/EWG und der RL 1999/62/EG gegenüber einer staatlichen Stelle weder auf Art 7 lit h der RL 93/89/EWG noch auf Art 7 Abs 9 der RL 1999/62/EG berufen könne. Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, inwieweit eine nicht an den Planungs‑, Errichtungs‑ und Erhaltungskosten orientierte Mauteinhebung sittenwidrig sein solle.

Da jedoch die Bestimmung des Art 7 lit b der RL 93/89/EWG bzw Art 7 Abs 4 der RL 1999/62/EG unbedingt und hinreichend genau sei, sodass sich der Einzelne vor den nationalen Gerichten auf sie berufen könne, stelle sich letztlich die Frage nach dem von der Klägerin behaupteten gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungs-verbot, gegen welches bei einer unterschiedlichen Behandlung von den Fahrzeugen, die die Gesamtstrecke zurücklegen und überwiegend nicht in Österreich zugelassen sind, im Vergleich zu jenen, die Teilstrecken in Anspruch nehmen und ganz überwiegend in Österreich zugelassen sind, verstoßen werde. Die wegen eines Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht anfechtbare Mehrverrechnung an Mautgebühren könne allerdings nicht zu einer Rückforderung der gesamten bezahlten Mautbeträge, sondern nur der jeweiligen Überzahlungen führen. Insoweit sei das Verfahren im ersten Rechtsgang ergänzungsbedürftig geblieben.

Das Erstgericht gab dem (eingeschränkten) Klagebegehren im zweiten Rechtsgang hinsichtlich eines Teilbetrags von 11.016,78 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 38.937,77 EUR sA ab. Es stellte im Wesentlichen noch fest, dass die Klägerin als Transportunternehmerin im Zeitraum vom 1. 2. 2001 bis 28. 2. 2001 55, im Zeitraum vom 1. 3. 2001 bis 31. 8. 2002 997 und im Zeitraum vom 1. 9. 2002 bis 31. 12. 2003 1.097 Fahrten auf der Gesamtstrecke der Brenner‑Autobahn mit LKW, die jeweils mehr als drei Achsen und mehr als 3,5 Tonnen höchstzulässiges Gesamtgewicht hatten, durchführte. Sie bezahlte für die genannten Zeiträume 4.274,61 EUR brutto, 76.504,41 EUR brutto und 83.352 EUR brutto, insgesamt 164.131,02 EUR brutto. Diese Zahlungen an verlangten Mautgebühren entsprachen dem im jeweiligen Zeitraum geltenden Gesamtstreckentarif. Im Zeitraum vom 1. 3. 2001 bis 31. 8. 2002 führte die Klägerin acht und im Zeitraum vom 1. 9. 2002 bis 31. 12. 2003 sieben Fahrten auf der Gesamtstrecke der Brenner‑Autobahn in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 5:00 Uhr durch. Weiters stellte das Erstgericht die im klagsgegenständlichen Zeitraum für die Gesamtstrecke Innsbruck‑Brennerpass und für die Teilstrecken Innsbruck‑Stubaital, Innsbruck‑Matrei und Matrei‑Brennerpass geltenden Tarife fest. Der für Nachtfahrten vorgesehene Tarif galt in der Zeit von 22:00 Uhr bis 5:00 Uhr. Von den Benutzern der Teilstrecke Innsbruck‑Matrei nahmen 40 bis 50 % die sogenannte „Halbpreisregelung“ in Anspruch.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht eine Ungleichbehandlung der Benutzer der Teilstrecken im Vergleich zu jenen der Gesamtstrecke wegen der erhöhten Mautgebühr für Nachtfahrten auf der Gesamtstrecke und aufgrund der unterschiedlichen Kilometerpreise der Gesamtstrecke im Vergleich zu den von der Klägerin in Anlehnung an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs C‑205/98 ausgewählten repräsentativen Teilstrecken. Die Beklagte habe keine mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehende Erklärung für diese Diskriminierung darlegen können. Die in den drei Tarifzeiträumen pro Fahrt errechneten Differenzen zwischen den Durchschnittswerten der auf den drei Teilstrecken einerseits und auf der Gesamtstrecke andererseits vorgeschriebenen Mautentgelte könnten nicht mehr mit den im Rahmen einer Annäherungsrechnung auftretenden Ungenauigkeiten erklärt werden. Ausgehend von diesen Differenzen und der unbestrittenen Anzahl der von der Klägerin durchgeführten Fahrten resultiere ein Rückzahlungsbetrag in Höhe von 11.016,78 EUR.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht, jener der Beklagten hingegen teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die Beklagte zur Zahlung eines Betrags von 991,90 EUR sA an die Klägerin verpflichtete und das Mehrbegehren auf Zahlung von weiteren 48.962,65 EUR sA abwies. Es verwies in seiner ausführlichen rechtlichen Beurteilung auf seine bereits im Aufhebungsbeschluss unter Hinweis auf die Entscheidung 9 Ob 5/08p des Obersten Gerichtshofs vom 2. 6. 2009 vertretene Rechtsansicht, wonach der von der Klägerin relevierte Verstoß gegen § 2 des Bundesgesetzes vom 3. 6. 1964, betreffend die Finanzierung der Autobahn Innsbruck‑Brenner, BGBl 1964/135, keine taugliche Rechtsgrundlage für einen Rückforderungsanspruch darstelle. Ausgehend von den vom Europäischen Gerichtshof in der Entscheidung vom 26. 9. 2000, C‑205/98, dargelegten Erwägungen bestehe keine Veranlassung, von der ‑ auch vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung vom 2. 6. 2009, 9 Ob 5/08p, grundsätzlich für maßgeblich erachteten ‑ Auswahl der drei Teilstrecken als Vergleichsmaßstab abzugehen. Soweit die Beklagte das halboffene Mautsystem mit technisch‑wirtschaftlichen Überlegungen, wonach eine Besetzung weiterer Nebenmautstellen mit Personal sowohl tagsüber als auch im geringeren Nachtverkehr mit der auch aus öffentlich‑rechtlichen Gründen gebotenen wirtschaftlichen Betriebsführung nicht zu vereinbaren gewesen wäre, zu rechtfertigen versuche, sei darauf hinzuweisen, dass die österreichische Bundesregierung bereits in dem zwischen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und der Republik Österreich zu C‑205/98 geführten Vertragsverletzungsverfahren zur Rechtfertigung des dort zu beurteilenden Tarifmodells die aus dem geringen Umfang des Schwer‑ und Nachtverkehrs auf den Teilstrecken resultierenden hohen Verwaltungskosten geltend gemacht und das vormalige Tarifsystem mit dem mit der Durchführung eines alternativen Mautsystems verbundenen zu hohen Verwaltungsaufwand zu rechtfertigen versucht habe. Der Europäische Gerichtshof sei diesem Argument mit dem Hinweis entgegengetreten, dass sich Mitgliedstaaten nicht auf Erwägungen berufen könnten, die auf verwaltungstechnische Schwierigkeiten abstellen, um diskriminierende Regelungen einzuführen oder beizubehalten.

Zu der weiter strittigen Frage, welcher Preis für die Teilstrecke Innsbruck‑Matrei im Hinblick auf die dort geltende „Halbpreisregelung“ in die Durchschnittsrechnung Eingang zu finden habe, verwies das Berufungsgericht darauf, dass nach dieser „Halbpreisregelung“ an der Hauptmautstelle in Schönberg zunächst der Tarif für die Gesamtstrecke zu entrichten sei und bei Abfahrt in Matrei ein kostenloses Rückfahrtticket ausgestellt werde. Für jene, die ein solches Rückfahrtticket lösen, reduziere sich somit der Tarif für eine Fahrt um die Hälfte. Nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts werden diese Regelungen aber nur von 40 bis 50 % der Verkehrsteilnehmer in Anspruch genommen. Da auch der Europäische Gerichtshof bei der Auswahl der in die Durchschnittsrechnung aufzunehmenden Teilstrecken nicht auf die theoretische Tarifsituation aller Teilstrecken Bedacht genommen, sondern nur auf die tatsächlichen Verhältnisse abgestellt habe, indem er nur die vom Schwerverkehr tatsächlich frequentierten Teilstrecken für maßgeblich angesehen habe, sei auch für die Teilstrecke Innsbruck‑Matrei ein die Tatsache der Inanspruchnahme der Halbpreisregelung durch 40 % der Verkehrsteilnehmer berücksichtigender (gewichteter) Durchschnittswert in die Durchschnittsrechnung der drei maßgeblichen Teilstrecken einzubeziehen. Aus den vom Berufungsgericht vorgenommenen ‑ und in seiner Entscheidung im Einzelnen näher dargestellten ‑ Berechnungen ergebe sich, dass im klagsgegenständlichen Zeitraum der Durchschnittstarif der maßgeblichen Teilstrecken tagsüber stets über dem Tarif der Gesamtstrecke gelegen sei. Ein Rückforderungsanspruch der Klägerin komme daher insoweit nicht in Betracht.

Anders gestalte sich die Situation bei den Nachtfahrten, weil zwischen 22:00 Uhr und 5:00 Uhr nur für die Gesamtstrecke jeweils der doppelte Tarif verrechnet worden sei. Dieser Tarif betrage im Zeitraum vom 1. 3. 2001 bis 31. 8. 2002 jeweils 151,16 EUR und im Tarifzeitraum vom 1. 9. 2002 bis 31. 12. 2003 jeweils 151 EUR. Dies ergebe im Vergleich zum Durchschnittswert der Teilstrecken, für welche weiterhin nur der Tagestarif zu bezahlen gewesen sei, einen Mehraufwand pro Fahrt von 63,98 EUR für den Zeitraum vom 1. 3. 2001 bis 31. 8. 2002 und von 68,58 EUR für den Zeitraum vom 1. 9. 2002 bis 31. 12. 2003. Bei festgestellten acht Nachtfahrten im Zeitraum vom 1. 3. 2001 bis 31. 8. 2002 habe die Klägerin daher 511,84 EUR und bei sieben Nachtfahrten im Zeitraum vom 1. 9. 2002 bis 31. 12. 2003 480,06 EUR, insgesamt 991,90 EUR, zu viel gezahlt. Für die von der Beklagten in ihrem Rechtsmittel vertretene Ansicht, dass nur die 2 EUR pro Fahrt übersteigenden Mehrbeträge zurückzuerstatten seien, gebe die Entscheidung 9 Ob 5/08p des Obersten Gerichtshofs keinen Anhaltspunkt. Das Klagebegehren erweise sich daher im Umfang des Betrags von 991,90 EUR als berechtigt, während das Mehrbegehren abzuweisen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Rechtsfrage der anzuwenden Berechnungsmethode von erheblicher Bedeutung sei und über den Einzelfall hinausgehe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richten sich die Revisionen beider Parteien.

Die Klägerin begehrt die Abänderung der bekämpften Entscheidung im Sinne einer vollen Klagsstattgebung, die Beklagte im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung. Hilfsweise wird jeweils ein Aufhebungsantrag gestellt.

In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Parteien, die Revision der Gegenseite als unzulässig zurückzuweisen (Klägerin) bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie sind aber nicht berechtigt.

I. Zur Revision der Klägerin:

1. Die Klägerin bekämpft in ihrer Revision wiederum die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach es sich bei den §§ 1 und 2 des Bundesgesetzes vom 3. Juni 1964, betreffend die Finanzierung der Autobahn Innsbruck‑Brenner, BGBl 1964/135, um Selbstbindungsnormen handle, die keine Rechtsansprüche oder Rechtspflichten für den Einzelnen begründen. Auch wenn der Klägerin bewusst sei, dass sie sich nicht direkt auf Art 7 lit h der RL 93/89/EWG bzw Art 7 Abs 9 RL 1999/62/EG berufen könne, seien die durch die Beklagte vereinnahmten (überhöhten) Mauteinnahmen aus bereicherungsrechtlichen Überlegungen zurückzuerstatten, weil die Mauterträge nicht nur für die Herstellung, Erhaltung und Finanzierung sowie für den Verwaltungsaufwand der Brenner‑Autobahn verwendet worden seien. Selbst wenn man davon ausgehe, dass es sich um Selbstbindungsnormen handle, habe die Klägerin dennoch einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch, weil es Schutzzweck der Norm sei, die Straßenbenützer vor überhöhten Mautgebühren zu schützen. Das Verfahren vor den Vorinstanzen sei mangelhaft geblieben, weil sich das Berufungsgericht mit der von der Klägerin in diesem Zusammenhang erhobenen Beweisrüge, wonach anstelle der vom Erstgericht getroffenen Feststellung, das Benützungsentgelt sei der Beklagten zur Abdeckung der Kosten für die Herstellung, Erhaltung und Finanzierung der Autobahn überlassen worden, die Feststellung zu treffen gewesen wäre, dass dieses Entgelt der Beklagten nur teilweise zur Abdeckung der Kosten für die Herstellung, Erhaltung und Finanzierung der Brenner‑Autobahn überlassen wurde. Es hätte auch durch die Einholung des von der Klägerin beantragten Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt werden können, dass die (von der Beklagten) vereinnahmten Mautbeträge nicht ausschließlich im Sinne des Gesetzes, sondern auch für die Finanzierung anderer Vorhaben verwendet worden seien.

1.1 Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass ‑ wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 9 Ob 5/08p auch unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs näher darlegte ‑ die Mauteinhebung im Rahmen der Privatwirtschaft erfolgte und es sich bei den erwähnten Normen (§§ 1, 2 des Bundesgesetzes vom 3. 6. 1964, betreffend die Finanzierung der Autobahn Innsbruck‑Brenner, BGBl 1964/135), um Selbstbindungsnormen handelt, aus denen die Klägerin keine Ansprüche ableiten kann. Selbstbindungsnormen bilden nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs nur die Verwaltung selbst, wirken aber nicht unmittelbar nach außen und statuieren daher keine Rechte und Pflichten der Rechtsunterworfenen. Sie begründen keine Rechtsansprüche oder Rechtspflichten für den Einzelnen (vgl 1 Ob 272/02k, SZ 2003/17 mwN ua; RIS‑Justiz RS0053815; Korinek/Holoubek , Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung [1993] 104 ff mwN). Es trifft daher auch die von der Klägerin vertretene Rechtsansicht, es sei Zweck der erwähnten Norm, die Straßenbenützer vor überhöhten Mautbeträgen zu schützen, nicht zu, weil es dem bereits dargelegten Wesen einer Selbstbindungsnorm entspricht, dass Einzelne daraus keine Ansprüche ableiten können. Der von der Klägerin relevierte Verstoß gegen § 2 des Bundesgesetzes vom 3. 6. 1964, betreffend die Finanzierung der Autobahn Innsbruck‑Brenner, BGBl 1964/135, stellt daher nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts keine taugliche Rechtsgrundlage für einen Rückforderungsanspruch dar. Es liegt somit die in diesem Zusammenhang von der Klägerin ebenfalls geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens nicht vor.

2. Eine weitere Mangelhaftigkeit des Verfahrens erblickt die Klägerin darin, dass das Berufungsgericht die Feststellung des Erstgerichts, wonach von den Benutzern der Teilstrecke Innsbruck‑Matrei 40 bis 50 % die „Halbpreisregelung“ in Anspruch nahmen, ungeprüft übernommen und seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt habe. Da die diesbezügliche Feststellung des Erstgerichts für die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts bedeutungslos gewesen sei, habe für die Klägerin keine Notwendigkeit bestanden, diese Feststellung zu bekämpfen. Die Beweiswürdigung des Erstgerichts lasse in keiner Weise erkennen, aufgrund welcher Überlegungen die monierte Feststellung gerechtfertigt sein solle. Das Berufungsgericht habe die Feststellung kommentarlos übernommen, obwohl nicht ausgesprochen worden sei, dass es die Beweiswürdigung des Erstgerichts übernehme. Mangels Vorliegens entsprechender Beweisergebnisse hätte das Erstgericht hinsichtlich dieses Beweisthemas eine negative Feststellung treffen müssen.

2.1 Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 8. 4. 2010 ausdrücklich vorgebracht, dass tatsächlich nur für ca 40 % der aus Richtung Innsbruck in Matrei ausfahrenden Fahrzeuge von der Halbpreisregelung Gebrauch gemacht wurde. Dieses Vorbringen wurde von der Klägerin nicht substantiiert bestritten. Der Zeuge DI F***** gab bei seiner Einvernahme in der Tagsatzung am 3. 5. 2010 unter anderem an, dass der Anteil der Fahrzeuge, die sich ermäßigte Rückfahrten organisierten „unter 50 %, eher darunter“ gelegen sei. Das Erstgericht konnte daher die von ihm getroffene Feststellung mit Recht auf das insoweit unbestrittene Vorbringen der Beklagten und auf die von ihm als überzeugend und schlüssig beurteilte Aussage des genannten Zeugen stützen. Der Vorwurf der Klägerin, die Beweiswürdigung des Erstgerichts lasse in keiner Weise erkennen, aufgrund welcher Überlegungen die monierte Feststellung gerechtfertigt sein solle, entbehrt daher jeder Grundlage. Auch der Umstand, dass das Berufungsgericht diese vom Erstgericht getroffene Feststellung übernommen hat, stellt keinen Verfahrensmangel dar, da sich die Beklagte in ihrer Berufung (S 7 Punkt 7.) ausdrücklich auf diese Feststellung berufen hat und die Klägerin die Richtigkeit dieser Feststellung auch in ihrer Berufungsbeantwortung nicht bekämpft hat (vgl § 468 Abs 2 ZPO). Das Berufungsgericht konnte daher die vom Erstgericht getroffene und von der Klägerin nicht bekämpfte Feststellung seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde legen. Der behauptete Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.

3. Zum weiteren Vorbringen der Klägerin in ihren Rechtsausführungen, bei der anzustellenden Vergleichsrechnung sei die seitens der Beklagten den Frächtern eingeräumte (theoretische) Möglichkeit, die Teilstrecke Innsbruck‑Matrei im Rahmen der Halbpreisregelung zweimal (einmal im Hinverkehr und einmal im Rückverkehr) zu benützen, und nicht bloß das Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme dieser Regelung durch die Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen, wird im Folgenden bei der Behandlung der Revision der Beklagten Stellung genommen werden (vgl Punkt 2.3 und 2.4).

II. Zur Revision der Beklagten:

1. Die Beklagte versucht in ihrer Revision wiederum das halboffene Mautsystem mit technischen und betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten zu rechtfertigen. Auf der Brenner‑Autobahn sei bis zur Einführung der elektronischen Einhebung der fahrleistungsabhängigen Maut ab 1. 1. 2004 das sogenannte halboffene Mautsystem zum Einsatz gekommen. Es habe sich dabei nicht um ein Kilometermautsystem gehandelt, bei welchem der Preis „pro Kilometer“ festgelegt und dann mit der jeweils zurückgelegten Entfernung multipliziert werde, sondern um ein Streckenmautsystem, bei welchem für bestimmte unterschiedlich lange (Teil‑)Strecken „Streckentarife“ bestmöglich in Relation zu den Tarifen der anderen Strecken festgelegt werden. Eine kilometergenaue Preisermittlung für die tatsächlich gefahrene Strecke und damit eine exakte Vergleichbarkeit der Tarife pro Kilometer sei mit dem bis 31. 12. 2003 auf der Brenner‑Autobahn vorhandenen Mautsystem nicht möglich gewesen. Das halboffene Mautsystem sei mit nur drei Stationen, nämlich der Hauptmautstelle Schönberg und zwei Nebenmautstellen, nämlich an der Anschlussstelle Stubaital (von und in Richtung Innsbruck) und an der Anschlussstelle Matrei/Steinach (von und in Richtung Brenner) ausgekommen, während sonst in Anbetracht der neuen Teilstrecken weit mehr Mautstellen zu errichten und über 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche mit Personal zu besetzen gewesen wären. Die Aufwendungen für ein solches Mautsystem wären weit höher gewesen als das aus den Teilstrecken angesichts des dort zu vernachlässigenden Verkehrs erzielbare Mautaufkommen. Eine Besetzung weiterer Nebenmautstellen mit Personal wäre somit mit der gebotenen wirtschaftlichen Betriebsführung nicht zu vereinbaren gewesen. Die Beklagte beantragt daher neuerlich die ergänzende Feststellung, dass ein Mautsystem, das die „Halbpreisregelung“ für die Teilstrecke Innsbruck‑Matrei/Steinach vermieden hätte, einen Aufwand verursacht hätte, der weit höher als die auf den Teilstrecken erzielbaren Mauteinnahmen gewesen wäre.

1.1 Dazu ist zunächst grundsätzlich auszuführen, dass gemäß Art 7 Abs 4 der hier anzuwendenden RL 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. 6. 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (im Folgenden: RL 1999/62/EG) Maut‑ und Benützungsgebühren weder mittelbar noch unmittelbar zu einer unterschiedlichen Behandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit des Verkehrsunternehmers oder des Ausgangs‑ oder Zielpunkts des Fahrzeugs führen dürfen. Die RL 1999/62/EG ersetzte die RL 93/89/EWG . Die RL 93/89/EWG enthielt in Art 7 lit b ein im Wesentlichen gleichlautendes Verbot der mittelbaren und unmittelbaren Diskriminierung. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 5. 2. 2004, C‑157/02, ausgesprochen, dass die Bestimmung des Art 7 lit b der RL 93/89/EWG unbedingt und hinreichend genau sei, sodass sich der Einzelne vor den nationalen Gerichten auf sie berufen könne. Ausdrücklich wurde auch festgehalten, dass die (auch hier) Beklagte als staatliche Organisation aufzufassen sei, der gegenüber ein Berufen auf die Richtlinie möglich sei (vgl auch 9 Ob 5/08p).

1.2 Es hat bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Europäische Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung bei mittelbaren Diskriminierungen eine Rechtfertigungsmöglichkeit grundsätzlich darin sieht, dass der Ungleichbehandlung objektive, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängige Erwägungen zugrunde liegen und die Ungleichbehandlung in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck steht, der damit zulässiger Weise verfolgt wird (vgl Kucsko‑Stadlmayer in Mayer , EU‑ und EG‑Vertrag [2005] Art 12 EGV Rz 30 mwN; Holoubek in Schwarze [Hrsg], EU‑Kommentar 3 Art 18 AEUV Rz 21 mwN ua). Eine Rechtfertigung aus wirtschaftlichen Gründen wird vom Europäischen Gerichtshof in der Regel aber ebenso abgelehnt (vgl Epiney in Calliess/Ruffert , EUV/AEUV 4 Art 18 AEUV Rz 14 ua) wie eine Rechtfertigung aus allgemeinen haushaltspolitischen Erwägungen (vgl Kucsko‑Stadlmayer/Kuras in Mayer , EU‑ und EG‑Vertrag [2005] Art 141 EGV Rz 101 mwN). Hervorzuheben ist weiters, dass der Grundsatz der Nichtdiskriminierung in der Verkehrspolitik einen hohen Rang hat (vgl Schäfer in Streinz , EUV/EGV [2003] Art 70 EGV Rz 48). Das Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit zählt zu einer der grundlegenden Vorschriften des Vertrags und kann als Leitmotiv des Vertrags bezeichnet werden (vgl Epiney in Calliess/Ruffert in EUV/AEUV 4 Art 18 AEUV Rz 1). Bei der Beantwortung der Frage, ob ein angemessener Rechtfertigungsgrund für eine mittelbare Diskriminierung vorliegt oder nicht, ist daher nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts immer die Bedeutung des Diskriminierungsverbots mitzuberücksichtigen.

1.3 Wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, hat bereits der Generalanwalt Saggio in seinen Schlussanträgen vom 24. 2. 2000 (vgl Rz 37) im Vertragsverletzungsverfahren der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen die Republik Österreich dem Argument der Österreichischen Bundesregierung eines hohen Verwaltungsaufwands bei einer anderen Gestaltung des Mautsystems entgegengehalten, dass kein Mitgliedstaat sich auf interne Schwierigkeiten berufen könne, um die Nichteinhaltung der sich aus den Gemeinschaftsrichtlinien ergebenden Verpflichtungen zu rechtfertigen. Der Europäische Gerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 26. 9. 2000, C‑205/98, dem Standpunkt des Generalanwalts angeschlossen und klargestellt, dass sich Mitgliedstaaten nicht auf Erwägungen berufen können, die auf verwaltungstechnische Schwierigkeiten abstellen, um diskriminierende Regelungen einzuführen oder beizubehalten (Rz 78). Der Europäische Gerichtshof betonte weiters, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber in dem von der Wegekostenrichtlinie erfassten Bereich Abweichungen der Mitgliedstaaten von den Vorschriften der Richtlinie nur insoweit zulassen wollte, als sie aus den in der Richtlinie vorgesehenen Gründen und unter den darin festgelegten Voraussetzungen erfolgten. Der Gemeinschaftsgesetzgeber habe mit dem Erlass der Wegekostenrichtlinie auf dem besonderen Gebiet der Festsetzung von Mautgebühren Unterschiede bei der Gebührengestaltung, die unmittelbar oder mittelbar auf der Staatsangehörigkeit der Verkehrsunternehmer oder dem Ausgangs‑ oder Zielpunkt des Verkehrs beruhen, verbieten wollen, ohne irgendeine Ausnahme hiervon zuzulassen.

1.4 Der Europäische Gerichtshof hat damit die Wegekostenrichtlinie unmissverständlich in dem Sinn ausgelegt, dass sie abschließend jegliche direkte und indirekte Diskriminierung ohne eine Rechtfertigungsmöglichkeit verbieten wolle. Ausgehend von dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs muss aber nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts jeder Versuch der Beklagten, ihr Tarifsystem mit technischen oder betriebswirtschaftlichen Erwägungen zu rechtfertigen, erfolglos bleiben. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten sekundären Feststellungsmängel liegen daher mangels Relevanz nicht vor.

2. Der Europäische Gerichtshof hat in der ebenfalls die Bemautung der Brenner‑Autobahn betreffenden Entscheidung C‑205/98 vom 26. 9. 2000 festgestellt, dass es eine gegen Art 7 lit b der RL 93/89/EWG über die Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie die Erhebung von Maut‑ und Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege verstoßende mittelbare unterschiedliche Behandlung aufgrund der Staatsangehörigkeit der Verkehrsunternehmer darstellt, wenn für einen Gütertransport durchführende Kraftfahrzeuge mit mehr als drei Achsen, je nach dem, ob sie die Gesamtstrecke oder Teilstrecken einer Autobahn benutzen, unterschiedliche Gebühren anfallen und sich dies zu Lasten der Verkehrsunternehmer auswirkt, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind. Diese Ungleichbehandlung bestehe darin, dass die zur begünstigten Gruppe gehörenden Fahrzeuge (Benützer der Teilstrecken) überwiegend in Österreich zugelassen seien, während die zur benachteiligten Gruppe gehörenden Fahrzeuge (Benützer der Gesamtstrecke), die 99 % des Gesamtverkehrs der Kraftfahrzeuge mit mehr als drei Achsen ausmachen, überwiegend nicht in Österreich zugelassen seien. Der Europäische Gerichtshof hat in dieser Entscheidung unmissverständlich auch zum Ausdruck gebracht, dass nicht die Gesamtsumme der Teilstrecken maßgeblich ist, sondern repräsentative Streckenabschnitte der Gesamtstrecke gegenüberzustellen sind. Darunter verstand er die Teilstrecken Innsbruck‑Schönberg (= Stubaital), Innsbruck‑Matrei und Matrei‑Grenze Brenner (Rz 73). Diese Auswahl von Teilstrecken, deren Durchschnitts-Kilometermaut der Maut für das Befahren der Gesamtstrecke gegenüberzustellen sei, ergebe sich aus der Erwägung, dass an diesen Strecken die in wirtschaftlicher Hinsicht bedeutsamen Ortschaften liegen, während die übrigen längs der Autobahn gelegenen Städte vor allem touristische Bedeutung haben. Somit sei davon auszugehen, dass die Kraftfahrzeuge mit mehr als drei Achsen, die diese genannten Teilstrecken oder die Gesamtstrecke befahren, aus gleichartigen Gründen für den Verkehr eingesetzt werden, nämlich für den Schwerlastverkehr entweder im Transit ‑ bei Inanspruchnahme der Gesamtstrecke ‑ oder von oder nach einer der durch diese Teilstrecken bedienten Ortschaften.

2.1 In dem ebenfalls die Bemautung der Brenner‑Autobahn betreffenden Urteil vom 5. 2. 2004, C‑157/02, hat der Europäische Gerichtshof ausgesprochen, dass unmittelbar anwendbare Bestimmungen einer Richtlinie auch einer juristischen Person des Privatrechts entgegengehalten werden können, der die Mauteinhebung für die Benützung öffentlicher Verkehrswege übertragen wurde. Daraus folgt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Benützer der Gesamtstrecke der österreichischen Brenner‑Autobahn gegenüber den Benützern bestimmter Teilstrecken durch die für die Verwendung bestimmter Kraftfahrzeuge festgelegten Mautbeträge nicht zu benachteiligen. Auch wenn der Europäische Gerichtshof in dieser Entscheidung C‑157/02 auf die Frage, auf welche Weise und unter Heranziehung welcher Parameter die jeweils zulässige Maut für eine Einzelfahrt über die Gesamtstrecke zu berechnen sei, nicht eingegangen ist, ergibt sich doch aus der Begründung, dass der Europäische Gerichtshof weiterhin davon ausgeht, dass zum Vergleich die in seiner Entscheidung C‑205/98 Rz 73 genannten drei Teilstrecken heranzuziehen sind (9 Ob 5/08p mwN).

2.2 Das Berufungsgericht folgte in seiner Entscheidung dieser vom Europäischen Gerichtshof vorgegebenen Vergleichsrechnung. Strittig ist allerdings auch im Revisionsverfahren die Frage, welcher Preis für die Teilstrecke Innsbruck‑Matrei im Hinblick auf die dort geltende „Halbpreisregelung“ in die Vergleichsrechnung Eingang zu finden hat. Nach dieser „Halbpreisregelung“ ist an der Hauptmautstelle in Schönberg zunächst der Tarif für die Gesamtstrecke zu entrichten, bei Abfahrt in Matrei wird ein unentgeltliches Rückfahrtticket ausgestellt, wodurch sich die Kosten der Hin‑ und Rückfahrt insgesamt um die Hälfte reduzieren. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen nahmen jedoch tatsächlich nur 40 bis 50 % der Fahrzeuge diese Regelung in Anspruch.

2.3 Die Klägerin macht in diesem Zusammenhang geltend, dass bei der Vergleichsrechnung nicht das Ausmaß der tatsächlichen Inanspruchnahme dieser Halbpreisregelung sondern die seitens der Beklagten den Frächtern eingeräumte (theoretische) Möglichkeit der Inanspruchnahme der Halbpreisregelung zu berücksichtigen sei.

2.4 Diesem Einwand der Klägerin ist entgegenzuhalten, dass bei der Prüfung des Vorliegens einer Diskriminierung stets auf die faktischen Umstände abzustellen ist. Zu beurteilen sind daher die tatsächlichen Folgen ( Kucsko‑Stadlmayer in Mayer , EU‑ und EG‑Vertrag [2005] Art 12 EGV Rz 40 mwN). Auch der Europäische Gerichtshof nimmt, wie bereits dargelegt, bei der Auswahl der in die Vergleichsrechnung aufzunehmenden Teilstrecken nicht auf die theoretische Tarifsituation hinsichtlich aller Teilstrecken Bedacht, sondern stellt nur auf die tatsächlichen Verhältnisse ab, indem er nur jene vom Schwerverkehr tatsächlich frequentierten Teilstrecken für die Vergleichsrechnung als maßgeblich erachtet. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht auch dann auf die tatsächlichen Umstände abgestellt, wenn es in seiner Vergleichsrechnung berücksichtigte, dass nur 40 bis 50 % der Straßenbenutzer die Halbpreisregelung tatsächlich in Anspruch nehmen.

3. Die vom Berufungsgericht in seiner Entscheidung für die drei Tarifzeiträume 1. 1. 2001 bis 28. 2. 2001, 1. 3. 2001 bis 31. 8. 2002 und 1. 9. 2002 bis 31. 12. 2003 im Einzelnen angestellte Vergleichsrechnung der für die Gesamtstrecke der Brenner‑Autobahn einerseits und für die drei erwähnten Teilstrecken andererseits anfallenden Mautgebühren ergibt, dass der Durchschnittstarif der maßgeblichen Teilstrecken tagsüber stets über dem Tarif der Gesamtstrecke lag. Ein Rückforderungsanspruch der Klägerin kommt daher insoweit nicht in Betracht.

4. Hinsichtlich der Nachtfahrten stellt sich die Situation nach ebenfalls zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts jedoch insofern anders dar, als zwischen 22:00 und 5:00 Uhr nur für die Gesamtstrecke jeweils der doppelte Tarif verrechnet wurde, somit im Tarifzeitraum vom 1. 3. 2001 bis 31. 8. 2002 151,16 EUR und im Tarifzeitraum vom 1. 9. 2002 bis 31. 12. 2003 151 EUR. Dies ergibt zum Durchschnittswert der Teilstrecken, für welche weiterhin nur der Tagestarif zu bezahlen war, für den Tarifzeitraum vom 1. 3. 2001 bis 31. 8. 2002 einen Mehraufwand pro Fahrt von 63,98 EUR und im Tarifzeitraum vom 1. 9. 2002 bis 31. 12. 2003 einen solchen von 68,58 EUR pro Fahrt. Die Maut für eine Nachtfahrt ist damit bei der Gesamtstrecke um 70 bis 80 % höher als der Durchschnittstarif der maßgeblichen Teilstrecken. Daraus ergibt sich eine mittelbare Diskriminierung der ganz überwiegend nicht in Österreich zugelassenen Kraftfahrzeuge, die die Gesamtstrecke befahren. Diese mittelbare Diskriminierung verstößt gegen Art 7 Abs 4 RL 1999/62/EG . Bei den festgestellten acht Nachtfahrten im Tarifzeitraum vom 1. 3. 2001 bis 31. 8. 2002 hat die Klägerin daher 511,84 EUR zu viel bezahlt, bei sieben Nachtfahrten im Tarifzeitraum vom 1. 9. 2002 bis 31. 12. 2003 weitere 480,06 EUR, insgesamt also 991,90 EUR.

4.1 Soweit die Beklagte gegen diese zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichts wiederum ins Treffen führt, der Anteil jener Fahrten von Schwerfahrzeugen am gesamten Schwerverkehr der Brenner‑Autobahn, die nicht wie der internationale Güterverkehr die Gesamtstrecke der Brenner‑Autobahn, sondern nur Teilstrecken benützen, liege bei lediglich ca 1 %, wobei diese Fahrten praktisch nicht in der Zeit zwischen 22:00 und 5:00 Uhr abgewickelt würden, ist darauf hinzuweisen, dass die Geringfügigkeit des Schwerlastverkehrs auf den Teilstrecken der Brenner‑Autobahn deren Vergleichbarkeit mit der Gesamtstrecke nicht ausschließt, da es für eine Diskriminierung nicht darauf ankommt, wie sich der Schwerlastverkehr auf die Gesamtstrecke und die Teilstrecken verteilt und in welcher Häufigkeit die Gesamtstrecke bzw die erwähnten drei Teilstrecken von den Kraftfahrzeugen befahren wurde. Die Ungleichbehandlung besteht vielmehr darin, dass die zur begünstigten Gruppe gehörenden Fahrzeuge, die die Teilstrecken befahren, überwiegend in Österreich zugelassen sind, während die zur benachteiligten Gruppe gehörenden Fahrzeuge, die die Gesamtstrecke befahren und 99 % des Gesamtverkehrs der Kraftfahrzeuge mit mehr als drei Achsen ausmachen, überwiegend nicht in Österreich zugelassen sind.

4.2 Auch dem weiteren Argument der Beklagten, die Einführung und Verwaltung eines erhöhten Nachttarifs auch an den Nebenmautstellen der Brenner‑Autobahn hätte einen hohen Verwaltungsaufwand verursacht und wäre daher betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen gewesen, kommt, wie bereits zu Punkt 1.3 und 1.4 dargelegt wurde, keine Berechtigung zu.

4.3 Gemäß Art 7 Abs 10 RL 1999/62/EG konnten die Mitgliedstaaten die Mautsätze unter anderem nach der Tageszeit differenzieren, soweit keine Mautgebühr mehr als 100 % über der während der günstigsten Tageszeit erhobenen Mautgebühr liegt. Diese Differenzierung der Mautgebühr unter anderem nach der Tageszeit musste dem angestrebten Ziel angemessen sein. Ein konkretes Vorbringen dahingehend, dass die Verdoppelung des Mauttarifs auf der Gesamtstrecke der Brenner‑Autobahn während der Nachtstunden (22:00 bis 5:00 Uhr) zur Reduzierung des Schwerverkehrs auf der Gesamtstrecke während der Nachtstunden aus Lärmschutzgründen unbedingt erforderlich gewesen sei und nur diese Maßnahme, welche in der mittelbaren Diskriminierung der nicht österreichischen Verkehrsteilnehmer bestanden hat, zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet gewesen sei, wurde von der Beklagten im Verfahren erster Instanz nicht erstattet, sodass auf diese Frage nicht weiter einzugehen ist.

4.4 Soweit die Beklagte im Hinblick auf die erwähnte Halbpreisregelung auch bei Nachtfahrten eine verhältnismäßige Berechnung des Durchschnittstarifs in dem Ausmaß begehrt, in welchem der Halbpreistarif von den Verkehrsteilnehmern bei Nachtfahrten tatsächlich in Anspruch genommen wurde, ist auf das eigene Vorbringen der Beklagten zu verweisen, wonach Fahrten auf Teilstrecken während der Nachtstunden praktisch nicht stattgefunden haben.

4.5 Schließlich sind die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in seiner Entscheidung 9 Ob 5/08p vom 2. 6. 2009, wonach allfällige im Bereich von nur etwa über 2 EUR gelegene Rundungsdifferenzen pro Fahrt auf der Gesamtstrecke durchaus (noch) mit der Ungenauigkeit der aufgezeigten Annäherungsrechnung erklärt werden könnten, auch nach Ansicht des erkennenden Senats nicht dahin zu verstehen, dass bei den für die Nachtfahrten festgestellten Differenzen von 63,98 EUR bzw 68,58 EUR pro Fahrt, bei denen es sich um keine Rundungsdifferenzen mehr handelt, nur die jeweils 2 EUR pro Fahrt übersteigenden Mehrbeträge zurückzuerstatten seien.

5. Der von der Beklagten im Verfahren erster Instanz noch erhobene Einwand der Verjährung wird im Hinblick auf die hier maßgebende 30‑jährige Verjährungsfrist (vgl dazu 9 Ob 5/08p) in der Revision zutreffend nicht mehr releviert.

6. Da die rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht somit zutreffend ist, musste den Revisionen beider Parteien ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Parteien haben die Kosten ihrer erfolglosen Rechtsmittel selbst zu tragen, jedoch dem jeweiligen Prozessgegner dessen Revisionsbeantwortungskosten zu ersetzen, wobei eine Saldierung den aus dem Spruch ersichtlichen Zuspruch an die Beklagte ergibt.

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