OGH 4Ob138/12s

OGH4Ob138/12s18.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. F***** N.V., 2. F***** N.V., *****, 3. A***** Ltd, *****, alle drei vertreten durch Gassauer Fleissner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 4. A***** GmbH, *****, vertreten durch Waldbauer Paumgarten Naschberger und Partner, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Unterlassung (Streitwert 30.340 EUR), Beseitigung (Streitwert 5.500 EUR), Auskunft (Streitwert 5.500 EUR), Zahlung nach Rechnungslegung (Streitwert 6.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.500 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Mai 2012, GZ 3 R 97/11y-36, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Im Kennzeichenstreit stehen einander die Warenausstattung der Beklagten (Wortbestandteil „Flügel“, Bildbestandteil eine als Comic-Figur gestaltete Ente mit weit geöffneten Augen und weit geöffnetem Schnabel) für ein alkoholisches Mischgetränk (verpackt in 20 ml Glasflasche) und die älteren Wortmarken der Klägerin „R***** verleiht Flüüügel“ und „...verleiht Flügel“ jeweils für einen (in Dosen verpackten) alkoholfreien Energy-Drink (mit dem Produkthinweis „nicht mit Alkohol mischen“) gegenüber.

2.1. Das Berufungsgericht hat die Produkte der Streitteile als „keinesfalls ident“ beurteilt, es bestehe infolge der unterschiedlichen Zusammensetzung der Getränke eine „nicht unerhebliche Warenverschiedenheit“. Da die Klägerin ihr Getränk unter dem bekannten Markennamen „R*****“ vermarkte, löse das in der Warenausstattung der Beklagten enthaltene Wort nur eine sehr lose Assoziation zu den genannten Wortmarken der Klägerin und deren Produkt aus, die noch keine Verwechslungsgefahr begründe.

2.2. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen der Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung, dass Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen ist (statt vieler: 4 Ob 154/06k = ÖBl 2007/30 [Gamerith] - amadeo by living dimension; 17 Ob 16/07p; 17 Ob 22/07w). Für den Ähnlichkeitsvergleich sind die einzelnen Zeichenbestandteile nicht isoliert zu betrachten und dürfen nicht nur die nicht übereinstimmenden Zeichenteile zugrunde gelegt werden; vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welcher Einfluss auf den Gesamteindruck des Zeichens den einzelnen Markenteilen zukommt (RIS-Justiz RS0066753). Ob das verwendete Zeichen der Marke des Konkurrenten in Bild, Klang oder Bedeutung ähnlich ist, richtet sich daher nach dem Gesamteindruck, den Marken und Zeichen hervorrufen. Dabei sind die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen. Entscheidend ist die Wirkung auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren- oder Dienstleistungsart, der die Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die Einzelheiten achtet (RIS-Justiz RS0117324). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die beiden Zeichen, insbesondere bei Dienstleistungsmarken, regelmäßig nicht gleichzeitig wahrgenommen werden und dass der Grad der Aufmerksamkeit von der Art der Ware oder Dienstleistung abhängt (17 Ob 10/11m mwN).

3.1. Die Klägerin macht geltend, der Wortbestandteil „Flügel“ besitze sowohl im Slogan als auch in der Verwendungsform der Beklagten eine selbständig kennzeichnende Stellung, was nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) Verwechslungsgefahr begründe.

3.2. Der EuGH hat in seiner Entscheidung C-120/04 (= ÖBl 2006, 143 [Hofinger] - Thomson Life) ausgeführt, es komme nicht darauf an, dass das übernommene Zeichen das Eingriffszeichen dominiere. Vielmehr könne bei identischen Waren oder Dienstleistungen Verwechslungsgefahr für das Publikum schon dann bestehen, wenn das strittige Zeichen durch die Aneinanderreihung der Unternehmensbezeichnung eines Dritten und einer normal kennzeichnungskräftigen registrierten Marke gebildet werde und die ältere Marke im zusammengesetzten Zeichen eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält.

3.3. Abgesehen davon, dass im Anlassfall keine identischen Waren vorliegen, hat der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen, dass die Argumentation des EuGH in der genannten Entscheidung aber nur greift, wenn die Zeichen (insbesondere Wortzeichen) tatsächlich aneinandergereiht, dh nebeneinander gesetzt werden, weil sie nur dann für das Publikum zumindest im Regelfall getrennt wahrnehmbar und damit typischerweise selbstständig kennzeichnend bleiben; nur diesen „Sonderfall“ erfasst die Argumentation des EuGH. Anderes muss gelten, wenn - wie hier - eine Bildmarke mit weiteren Bestandteilen verschmolzen wird. In diesem Fall wird das Publikum die einzelnen Bestandteile in der Regel nicht mehr als solche wahrnehmen, sondern das Zeichen als Einheit auffassen. Die im Wesentlichen unveränderte Übernahme einer Marke muss daher - anders als bei einer bloßen Aneinanderreihung - nicht zwingend bewirken, dass diese Marke ihre selbstständig kennzeichnende Funktion behält. Vielmehr kann sich hier - nach allgemeinen Grundsätzen - aus dem Gesamteindruck des zusammengesetzten Zeichens ergeben, dass die Klagsmarke ihre selbstständig kennzeichnende Funktion verloren hat, weil das Publikum die anderen Bestandteile wegen ihrer hohen Kennzeichnungskraft als eindeutigen Herkunftshinweis auffasst und das übernommene Zeichen demgegenüber in den Hintergrund tritt. Dann bestünde auch keine Verwechslungsgefahr (17 Ob 16/07p).

3.4. Die Beurteilung des Berufungsgerichts im Anlassfall, die Warenausstattung der Beklagten sei nach ihrem Gesamteindruck weit von den Klagsmarken entfernt, ist im Lichte dieser Rechtsprechung nicht zu beanstanden.

4.1. Ob Verwechslungsgefahr iSd § 2 Abs 3 Z 1 UWG vorliegt, hat sich an den für § 9 UWG geltenden Grundsätzen zu orientieren (17 Ob 26/11i). Diese entsprechen den für die Beurteilung eines Markeneingriffs aufgestellten Grundsätzen, wobei für diese wiederum ein gemeinschaftsweit einheitlicher Maßstab gilt (RIS-Justiz RS0121482).

4.2. Das Berufungsgericht hat bei seiner markenrechtlichen Beurteilung Verwechslungsgefahr zwischen der Warenausstattung der Beklagten für deren alkoholisches Mischgetränk und den älteren Wortmarken der Klägerin mit vertretbarer Begründung verneint. Da Verwechslungsgefahr auch Tatbestandselement nach § 2 Abs 3 Z 1 UWG ist, kann die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch sohin (auch) nicht auf den Tatbestand des Imitationsmarketing stützen.

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