OGH 6Ob127/12p

OGH6Ob127/12p13.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen F***** M*****, geboren am 19. September 2000, *****, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung, 1230 Wien, Rößlergasse 15, über den Revisionsrekurs des Vaters Mag. M***** M*****, vertreten durch MMag. Philip Hoflehner, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Jänner 2012, GZ 45 R 541/11h‑80, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Liesing vom 1. September 2011, GZ 8 PU 100/11s‑74, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

1. Das Rekursgericht hat seinen über Zulassungsvorstellung des Vaters abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es habe bei seiner Entscheidung darauf abgestellt, dass in den Einkommensverhältnissen des Vaters seit dem Vorbeschluss keine Änderungen eingetreten seien; der Vater mache jedoch geltend, dass zur Zeit der Vorentscheidung bestehende Tatsachen dem Gericht erst nachträglich bekannt geworden seien. Damit zeigt das Rekursgericht schon ganz grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

2. Der Vater macht geltend, anlässlich der Unterhaltsfestsetzung am 23. 4. 2009 (rückwirkend ab 1. 10. 2007) sei das Erstgericht von einer unrichtigen Bemessungsgrundlage ausgegangen, weil es damals sein rechtliches Gehör verletzt habe; er habe diese Umstände nunmehr dem Erstgericht zur Kenntnis gebracht.

Der Vater verlangt mit Antrag vom 31. 5. 2011 eine Herabsetzung des damals festgesetzten Unterhalts für den Zeitraum ab 1. 10. 2007.

Die Vorinstanzen wiesen diesen Antrag für die Zeit vom 1. 10. 2007 bis 30. 4. 2009 zurück und für die Zeit vom 1. 5. 2009 bis 31. 10. 2010 ab. Eine Änderung der Verhältnisse sei nicht eingetreten; für den Zeitraum bis 30. 4. 2007 sei der rechtskräftige Beschluss vom 23. 4. 2009 zu beachten.

2.1. Nach herrschender Auffassung (3 Ob 43/07f iFamZ 2007/111 [Fucik]; 6 Ob 127/07h; Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ [2008] § 140 ABGB Rz 71; Gitschthaler, Unterhaltsrecht² [2008] Rz 409/6; ders in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR [2011] § 94 ABGB Rz 23) wurde über die vor der Beschlussfassung erster Instanz (Vortitel) liegenden Zeiträume bindend abgesprochen; diese sind somit von der materiellen Rechtskraft erfasst. Die Unterhaltsfestsetzung für diese Zeiträume ist nur im Weg eines Abänderungsantrags nach §§ 72 ff AußStrG abänderbar. Dies gilt auch dann, wenn ‑ wie hier ‑ die frühere Unterhaltsfestsetzung in Anwendung des § 17 AußStrG erfolgte (3 Ob 43/07f).

Der Beschluss des Erstgerichts vom 23. 4. 2009 (Vortitel) wurde dem Vater in Teheran zu eigenen Handen zugestellt und ist mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen; ob das Erstgericht damals tatsächlich zu Recht in Anwendung des § 17 AußStrG vorgegangen ist, ist deshalb im jetzigen Verfahrensstadium unbeachtlich.

Ob der nunmehrige Herabsetzungsantrag des (zu diesem Zeitpunkt unvertretenen) Vaters vom 31. 5. 2011 (teilweise) als Abänderungsantrag zu werten gewesen wäre, der sich auf neue Tatsachen beziehungsweise aufgefundene Beweismittel stützte (§ 73 Abs 1 Z 6 AußStrG), kann dahin gestellt bleiben. Nach § 74 Abs 2 Z 4 AußStrG wäre ein derartiger Antrag binnen vier Wochen ab dem Zeitpunkt einzubringen gewesen, zu dem der Vater imstande gewesen wäre, Tatsachen beziehungsweise Beweismittel bei Gericht vorzubringen. Der Vater ist bereits seit November 2010 wieder in Österreich; Hinderungsgründe hat er jedoch keine dargelegt.

2.2. Hinsichtlich des Zeitraums ab 1. 5. 2009 sind die Vorinstanzen übereinstimmend davon ausgegangen, dass sich die Unterhaltsbemessungsgrundlage des Vaters nicht geändert habe. Dies erscheint schon deshalb unbedenklich, weil der Vater nicht in der Lage ist, für das von ihm im Iran bezogene (angeblich niedrigere) Einkommen Unterlagen vorzulegen. Aus der im Revisionsrekurs erwähnten Rechtsprechung, wonach eine wesentliche Änderung der Verhältnisse auch darin bestehen kann, dass dem Gericht bei der früheren Unterhaltsfestsetzung Umstände nicht bekannt gewesen waren (RIS‑Justiz RS0047398 [T4]), und die hier für den Zeitraum ab 1. 5. 2009 an sich Beachtung finden könnte, ist somit mangels Umstandsänderung nichts zu gewinnen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte