OGH 4Ob119/12x

OGH4Ob119/12x2.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** E*****, vertreten durch Suppan & Spiegl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer und Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 34.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 2.200 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Jänner 2012, GZ 22 Cg 95/10d-17, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger ist als Beamter bei der Sicherheitsdirektion Niederösterreich, Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, tätig. Er wird vorwiegend in den Bereichen Rechts- und islamistischer Extremismus sowie für Observationen und Personenüberwachungen als verdeckter Ermittler eingesetzt. Wesentliche Grundlage für den Erfolg solcher Einsätze ist ein anonymes Vorgehen. In der von der Beklagten herausgegebenen Zeitung wurde ein Lichtbild veröffentlicht, auf dem der Kläger erkennbar abgebildet ist und dem folgender Begleittext beigegeben ist: „Polizei zieht ab. Die Verfassungsschützer verließen den ORF nach 90 Minuten unverrichteter Dinge wieder.“ Seit dieser Veröffentlichung wurde der Kläger nicht mehr zu verdeckten Einsätzen in der rechtsradikalen Szene herangezogen.

Das Berufungsgericht hat ein Urteil bestätigt, mit dem dem beklagten Medienunternehmen untersagt wird, Personenbildnisse des Klägers ohne dessen Zustimmung im Zusammenhang mit der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit unter deren Preisgabe zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten. Bei der gebotenen Interessenabwägung nach § 78 UrhG seien die Geheimhaltungsinteressen des Abgebildeten berechtigte Interessen im Sinne dieser Bestimmung, die Vorrang gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit hätten. Der Beklagten wäre auch ohne besondere Nachforschungen leicht erkennbar gewesen, dass es sich um die Amtshandlung eines verdeckt ermittelnden Beamten handle, weil solches auf „Verfassungsschützer“ grundsätzlich zutreffe. Der Nachrichtenwert der Veröffentlichung wäre durch ein Unkenntlichmachen des Klägers auf dem Lichtbild nicht beeinträchtigt worden.

Rechtliche Beurteilung

Diese Entscheidung weicht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu § 78 UrhG nicht ab. So hat der Oberste Gerichtshof bereits mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass dann, wenn die beanstandete Bildnisveröffentlichung geeignet ist, den Erfolg von Amtshandlungen zu beeinträchtigen, die der Kläger im Rahmen seines Tätigkeitsbereichs als Polizist durchzuführen hat, berechtigte Interessen des Klägers durch eine ohne seine Zustimmung erfolgte identifizierende Bildberichterstattung, die ihn in seinem beruflichen Lebenskreis bei Ausübung einer Amtshandlung auf offener Straße zeigt, verletzt sind (4 Ob 172/00y; vgl RIS-Justiz RS0113854).

Eine Entscheidung, die zwar bisher die einzige ist, die aber ausführlich begründet wurde, reicht für das Vorliegen einer gesicherten Rechtsprechung aus (RIS-Justiz RS0103384 [T5]). Daran ändert auch eine kritische Anmerkung zu dieser Entscheidung im Schrifttum (Korn in MR 2000, 306) nichts, zumal auch dort ein Schutz des klagenden Polizisten dem Grunde nach bejaht worden ist und der Autor allein in der Wertungsfrage, ob die identifizierende Berichterstattung im Anlassfall das Fortkommen der abgebildeten Person unverhältnismäßig beeinträchtigt habe, eine zur Entscheidung gegenteilige Auffassung vertritt. Diese kritische Beurteilung im Einzelfall kann schon deshalb nicht auf den Anlassfall übertragen werden, weil nach dem dort zugrunde liegenden Sachverhalt der abgebildete Wirtschaftspolizist keiner „Under-Cover-Einheit“ angehörte.

Entgegen der undifferenzierten Auffassung der Beklagten ist die Veröffentlichung eines identifizierenden Lichtbilds nicht schon allein deshalb immer dann zulässig, wenn über einen wahren Sachverhalt berichtet wird. Auch die Ausübung der Pressefreiheit nach Art 10 EMRK ist mit Pflichten und Verantwortlichkeiten verbunden (Nachweise zur Rechtsprechung des EGMR bei Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5 332), und die Rechtfertigung einer Grundrechtsbeschränkung ist im Einzelfall anhand ihrer gesetzlichen Grundlage (hier: § 78 UrhG), der Legitimität des Ziels und der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs zu prüfen (Grabenwarter/Pabel aaO 315).

Eine derartige Interessenabwägung hat das Berufungsgericht hier durchgeführt und ist im Rahmen des ihm obliegenden Beurteilungsspielraums zu einem vom Obersten Gerichtshof gebilligten Ergebnis gelangt.

Den Entscheidungen zu 4 Ob 52/11t und 4 Ob 82/11d lag insoweit ein anderer Sachverhalt (ein anderes Lichtbild) zugrunde, als mangels Erkennbarkeit des dortigen Klägers eine Beeinträchtigung seiner berechtigten Interessen von vornherein ausschied.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte