OGH 14Os46/12i

OGH14Os46/12i10.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Juli 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lindenbauer als Schriftführer in der Strafsache gegen Stevan I***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Stevan I***** und Sasa P***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. Jänner 2012, GZ 054 Hv 157/11v-67, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Stevan I***** und Sasa P***** jeweils eines Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I/A/1), mehrerer Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB (I/A/2/a), in einem Fall nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB (I/A/2/b) und jeweils eines Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (II) sowie jeweils eines Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Fall StGB (1/B) und der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (1/C) schuldig erkannt.

Danach haben sie in Wien

(I) gemeinsam als Mittäter (§ 12 StGB)

A) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Elmar M***** dadurch, dass sie ihn am 6. April 2011 in seiner Wohnung überfielen, ihn fesselten, die Fesselung bis zum Nachmittag des 8. April 2011 mit nur kurzen Unterbrechungen aufrecht hielten, ihn wiederholt mit einem Klappmesser mit etwa 9 cm langer Klinge bedrohten und Sasa P***** ihm wiederholt androhte, bei Widerstand serbische Söldner zu holen,

1) durch Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben im Zeitraum 6. bis 8. April 2011 ca 6.380 Euro und weitere im Ersturteil detailliert aufgelistete fremde bewegliche Sachen weggenommen, wobei sie den Raub unter Verwendung einer Waffe verübten;

2) durch Drohung mit dem Tod, am 7. April 2011 zu Handlungen und Duldungen, die ihn am Vermögen schädigten oder schädigen sollten,

a) genötigt und zwar

i) zur Duldung der Behebung von 400 Euro unter Verwendung seiner Kreditkarte durch Sasa P*****,

ii) zur Überweisung von 14.000 USD an Milan Z***** zum Zweck der Übergabe von 10.000 Euro von Milan Z***** an Sasa P*****;

b) zu nötigen versucht, und zwar jeweils zur Duldung der Behebung von 350 Euro unter Verwendung seiner Kreditkarte sowie durch Behebung von Bargeld unter Verwendung seiner Bankomartkarte durch Sasa P*****;

B) sich im Zuge der unter Punkt I/A/1 geschilderten Tat unbare Zahlungsmittel, über die sie nicht verfügen durften, nämlich die Kreditkarte und Bankomatkarte des Elmar M***** mit dem Vorsatz verschafft, dass sie durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werden;

C) Elmar M***** im Zeitraum 6. bis 8. April 2011 auf die in Punkt I/A geschilderte Weise widerrechtlich gefangen gehalten;

(II) am 8. April 2011 Elmar M***** durch Drohung mit dem Tod zum Verbleib in seiner Wohnung genötigt, indem sie äußerten, dass seine Wohnung 36 Stunden nach ihrer Flucht hindurch von Söldnern überwacht werde, die ihn bei Verlassen der Wohnung erschießen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen - von den Angeklagten gemeinsam ausgeführten - Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse bei der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung - wie sie die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt - abzielen, werden vom Obersten Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen beantwortet, um über den Umfang der Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Indem die Tatsachenrügen der Angeklagten (im Übrigen auch entgegen entsprechendem Erfordernis ohne Angabe von Fundstellen im Akt; vgl RIS-Justiz RS0117446) im Urteil ohnedies erörterte Beweisergebnisse nicht gegen die Feststellungen entscheidender Tatsachen sondern isoliert gegen den persönlichen Eindruck der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit des Opfers ins Treffen führten, zeigten sie keine erheblichen Bedenken gegen die dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen auf (vgl Ratz WK-StPO § 281 Rz 491). Im Übrigen haben die Tatrichter den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend sowie dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragend mängelfrei begründet, weshalb sie den leugnenden Verantwortungen der Beschwerdeführer zuwider den belastenden Depositionen des Elmar M***** unter Beachtung der sonstigen Ermittlungsergebnisse Glauben geschenkt und sie als Feststellungsgrundlage herangezogen haben (US 7 ff).

Bleibt anzumerken, dass der Schuldspruch I/A/2/a (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) wegen des „Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB“ (US 3) verfehlt ist, weil nach den Urteilskonstatierungen (US 5) das diesem und das dem Schuldspruch I/A/2/a/i wegen eines der beiden Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB zugrundeliegende Tatgeschehen (anders als das den Schuldsprüchen I/A/2/a/i und I/A/2/a/ii zugrundeliegende) eine tatbestandliche Handlungseinheit darstellt (vgl dazu RIS-Justiz RS0120233; RS0122006; Ratz WK-StPO § 281 Rz 521; 11 Os 51/11a, 12 Os 121/11b, 13 Os 1/07g [verst Senat]). Zu amtswegiger Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, weil unrichtige Subsumtion Angeklagte nicht ohne weiteres iSd § 290 StPO konkret benachteiligt (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 ff) und vorliegend das Oberlandesgericht diesen Umstand - aufgrund dieser Klarstellung - ohne Bindung an die verfehlte rechtliche Unterstellung bei der Entscheidung über die von den Angeklagten gegen den Sanktionsausspruch erhobenen Berufungen zu berücksichtigen hat (RIS-Justiz RS0118870).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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