OGH 4Ob183/11g

OGH4Ob183/11g10.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S***** M*****, gegen die beklagte Partei S***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Johannes Honsig-Erlenburg, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 53.061,51 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. September 2011, GZ 6 R 309/11w-13, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 17. Mai 2011, GZ 1 Cg 227/10i-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen 53.061,51 EUR zu bezahlen und die mit 14.957,06 EUR (darin enthalten 1.542,51 EUR USt und 5.702 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.“

Text

Entscheidungsgründe:

Die S***** GmbH & Co KG (in der Folge „KG“) schloss mit der beklagten Bank im Jahr 2009 einen Giro- und einen Kontokorrentkreditvertrag. Die Verträge wurden von der S***** GmbH (in der Folge „GmbH“) als Komplementär-GmbH der KG unterfertigt. Zugunsten der GmbH wurde ein weiteres Konto sowie ein Wertpapierdepot eröffnet. Sämtlichen Verträgen lagen die AGB der Beklagten zugrunde, die unter anderem wie folgt lauteten:

Z 47 (1) Der Kunde räumt dem Kreditinstitut ein Pfandrecht an Sachen und Rechten jeder Art ein, die in die Innehabung des Kreditinstituts gelangen.

(2) Das Pfandrecht besteht insbesondere auch an allen pfändbaren Ansprüchen des Kunden gegenüber dem Kreditinstitut, z.B. aus Guthaben. Unterliegen dem Pfandrecht des Kreditinstituts Wertpapiere, so erstreckt sich das Pfandrecht auch auf die zu diesen Wertpapieren gehörenden Zins- und Gewinnanteilscheine.

Z 48 (1) Das Pfandrecht sichert die Ansprüche des Kreditinstituts gegen den Kunden aus der Geschäftsverbindung, auch wenn die Ansprüche bedingt, befristet oder noch nicht fällig sind. Das Pfandrecht an Guthaben/Werten aus Gemeinschaftskonten/-depots sichert alle Ansprüche, die dem Kreditinstitut gegen alle Konto-/Depotinhaber aus der Geschäftsverbindung gemeinsam zustehen.

Z 56 Das Kreditinstitut kann ihm obliegende Leistungen an den Kunden wegen aus der Geschäftsverbindung entstandener Ansprüche zurückbehalten, auch wenn sie nicht auf demselben rechtlichen Verhältnis beruhen. Die Z 48 und 49 gelten entsprechend.

Z 57 (1) Das Kreditinstitut ist berechtigt, zwischen sämtlichen Ansprüchen des Kunden, soweit sie pfändbar sind, und sämtlichen Verbindlichkeiten des Kunden ihm gegenüber aufzurechnen.

Im Februar 2010 wurde sowohl über die KG als auch über die GmbH der Konkurs eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt haftete am Konto der KG ein Debetsaldo von über 1 Mio EUR aus, am Konto der GmbH befanden sich 4.686,91 EUR an Guthaben und am Depot Wertpapiere im Wert von 52.891,90 EUR. In ihrer Forderungsanmeldung im Konkurs der GmbH erklärte die Beklagte die Aufrechnung des Guthabens mit den Forderungen gegen die KG aufgrund ihrer Haftung als Komplementärin. Neben der Aufrechnung nach Z 57 der AGB machte sie ihr Pfandrecht nach Z 47 und Z 48 AGB sowie ihr Zurückbehaltungsrecht am Wertpapierdepot gemäß § 369 UGB geltend. Die Beklagte verkaufte die Wertpapiere und buchte nach Abzug der Spesen und Gebühren den Erlös von 53.061,51 EUR auf das Konto der KG zur Aufrechnung um. In der Folge verkaufte der Insolvenzverwalter der GmbH deren Forderung auf Herausgabe des Verwertungserlöses der Wertpapiere samt Verzugszinsen an die Klägerin, wobei der Forderungsübergang mit Vertragsunterfertigung eintreten sollte. Der Kauf- und Abtretungsvertrag lautet wie folgt:

I. Der Insolvenzmasse [GmbH] steht eine Forderung gegen die [Beklagte] auf Herausgabe eines Verwertungserlöses eines Wertpapierdepots, das der [GmbH] gehört hat, im Gegenwert von € 53.061,51 zu. [Der Insolvenzverwalter] über das Vermögen der [GmbH] verkauft diese Forderung an [die Klägerin] um den Kaufpreis von € 53.061,51 und diese erklärt die Vertragsannahme. Ein Anspruch auf Bezahlung von Verzugszinsen gilt als mitverkauft. Der Verkäufer tritt daher die der Insolvenzmasse zustehende Forderung gegen die [Beklagte] an die Käuferin ab. Der Forderungsübergang wird unmittelbar mit Unterfertigung dieses Vertrags wirksam.

II. Der Kaufpreis wird erst dann zur Zahlung fällig, wenn die Käuferin selbst die gegenständliche Forderung bei der [Beklagten] eingezogen hat. Erfolgt die Einziehung in Teilbeträgen, wird der Kaufpreis im jeweiligen Teilbetrag zur Zahlung fällig.

III. Der Verkäufer garantiert für die Richtigkeit und Einbringlichkeit der Forderung. Sollte die Forderung daher nicht richtig und einbringlich sein, hat die Käuferin auch keinen oder bei teilweiser Unrichtigkeit oder teilweiser Uneinbringlichkeit nur einen entsprechend geringeren Kaufpreis zu bezahlen. Weitere Rechtsfolge dieser Garantieübernahme ist, dass der Verkäufer das Kostenrisiko der klagsweisen Geltendmachung der Forderung übernimmt. Für den Fall des Unterliegens wird er daher die der beklagten Partei zugesprochenen Prozesskosten übernehmen, aber auch die Kosten der klagenden Partei, jeweils abgerechnet zum Tarif. Darüber hinausgehende Ansprüche können aus dieser Garantie nicht abgeleitet werden.

IV. Die Käuferin wird sich bemühen, die Fälligkeit des Abtretungspreises ehestmöglich herzustellen. Sie wird daher die Forderung gegen die [Beklagte] ordnungsgemäß betreiben.

V. Die Kosten der Errichtung und Vergebührung dieses Vertrags trägt der Verkäufer.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung von 53.061,51 EUR. Das Pfandrecht der Beklagten besichere nur Forderungen aus der Geschäftsverbindung zwischen ihr und der GmbH. Forderungen gegen die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der KG würden durch dieses Pfandrecht nicht besichert. Auch die von der Beklagten erklärte Aufrechnung sei unzulässig, weil vor Konkurseröffnung keine aufrechenbaren Forderungen zwischen der Beklagten und der GmbH bestanden hätten. Der Beklagten stehe auch kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 369 UGB zu, weil diese Bestimmung nur auf Forderungen abstelle, die dem Unternehmer gegen einen anderen Unternehmer aus den zwischen ihnen geschlossenen unternehmensbezogenen Geschäften zustehe. Hier bestünden aber zwei getrennte Geschäftsverbindungen, nämlich einerseits zwischen der Beklagten und der KG und andererseits zwischen der Beklagten und der GmbH.

Die Beklagte wendete ein, ihr Direktanspruch gegen die GmbH gemäß § 128 Satz 1 UGB iVm § 161 Abs 1 UGB ergebe sich im Zusammenhang mit deren Haftung für die KG aus der Kreditzuzählung. Gemäß Z 48 Abs 1 Satz 2 der mit der GmbH vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der österreichischen Sparkassen (AGB) sichere das Pfandrecht alle gesetzlichen Ansprüche, die dem Kreditinstitut gegen alle Kontoinhaber aus der Geschäftsverbindung gemeinsam zustehen, sohin auch die genannten Ansprüche aus der Haftung der GmbH für den Kredit an die KG. Die zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung fällige Forderung von über 1 Mio EUR gegen die KG sei daher als „im Zusammenhang mit ihrer Geschäftsverbindung“ zur GmbH stehend zu werten. Im Übrigen bestritt die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin. Gegenstand des Kauf- und Abtretungsvertrags zwischen der Klägerin und dem Insolvenzverwalter sei kein Kaufgeschäft iSd § 116 InsO gewesen. Auch das höchstpersönliche Prozessführungsrecht des Insolvenzverwalters sei kein veräußerliches Recht iSd § 1393 ABGB.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Nach Z 47 und 48 AGB bestehe das Pfandrecht an allen pfändbaren Ansprüchen des Kunden gegenüber dem Kreditinstitut und sichere dessen Ansprüche gegen den Kunden aus der Geschäftsverbindung. Gemäß § 161 Abs 1 UGB hafte der Komplementär für die Gesellschaftsschulden unmittelbar, primär, unbeschränkt und persönlich mit seinem gesamten Privatvermögen. Die Aufrechnung der Beklagten sei daher wirksam.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Die Klage sei schon aufgrund mangelnder Aktivlegitimation der Klägerin abzuweisen. Einziger Vereinbarungszweck des zwischen der Klägerin und dem Insolvenzverwalter abgeschlossenen Kauf- und Abtretungsvertrags sei nämlich die Übertragung des Prozessführungsrechts gewesen. Die materielle Berechtigung an der Forderung gegen die Beklagte sei der Klägerin - trotz des Vertragswortlauts - nicht abgetreten worden, weil laut Vertrag im Falle des Prozesserfolgs der erzielte Betrag der Insolvenzmasse gebühre und diese auch im Falle des Unterliegens das wirtschaftliche Risiko trage. Eine gewillkürte Prozessstandschaft sei dem österreichischen Recht jedoch fremd.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die Klägerin geltend, dass die zwischen ihr und dem Insolvenzverwalter im Kauf- und Abtretungsvertrag vereinbarte Abtretung als volle Zession (Verkauf der Forderung an die Klägerin), jedenfalls aber als Inkassozession zu qualifizieren sei. Aus dem Vertrag gehe klar hervor, dass das materielle Recht an sie übertragen worden sei. Auch wenn der Insolvenzverwalter durch diese Vorgangsweise gegen § 81 Abs 4 IO verstoßen haben sollte, so ändere dies nichts an der Gültigkeit des Rechtsgeschäfts zwischen Masse und Drittem. Die Aktivlegitimation der Klägerin sei daher gegeben. Mit der „eigentlichen Rechtsfrage“ betreffend die Auslegung der AGB habe sich das Berufungsgericht gar nicht auseinandergesetzt. Die Auffassung des Erstgerichts treffe nicht zu. Zu berücksichtigen sei, dass das Pfandrecht gemäß Z 48 AGB Ansprüche gegen den Kunden „aus der Geschäftsverbindung“ sichere. Davon seien gesetzliche Ansprüche nicht erfasst. Im Übrigen sei die Geschäftsverbindung zwischen der Beklagten und der KG getrennt von jener mit deren Komplementär-GmbH zu bewerten. Ein Pfandrecht an den Wertpapieren der GmbH hätte daher nur zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten gegen die GmbH und nicht auch gegen die KG begründet werden können. Mangels Bestands aufrechenbarer Forderungen zwischen der Beklagten und der GmbH vor Konkurseröffnung sei die von der Beklagten erklärte Aufrechnung unzulässig. Eine Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 369 UGB gehe in Ermangelung von Forderungen aus der direkten Vertragsbeziehung zwischen Beklagter und GmbH ebenfalls ins Leere.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurück- bzw abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1.1. Dem österreichischen Recht ist eine gewillkürte Prozessstandschaft (= Prozessführung im eigenen Namen über fremdes Recht) fremd. Da die Klagebefugnis nicht ohne den zugrundeliegenden materiellrechtlichen Anspruch abgetreten werden kann, ist eine (stille) Zession, bei der der Zedent zur Einziehung der abgetretenen Forderung ermächtigt bleibt, rechtlich ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0053157; RS0032788).

1.2. Davon zu unterscheiden ist allerdings die Inkassozession. Bei dieser wird der Zessionar Gläubiger, er ist aber verpflichtet, die eingehobene Leistung an den Zedenten abzuführen. Im Regelfall liegt die Übertragung eines Vollrechts unter obligatorischen Beschränkungen, somit eine Art Treuhand, nämlich eine uneigennützige Treuhand vor (RIS-Justiz RS0010457). Die Inkassozession ist ein Fall der abgeschwächten Abtretung, aber nichtsdestoweniger echte Abtretung, die dem Zessionar die Stellung eines Gläubigers verschafft (RIS-Justiz RS0032583). Bei der Inkassozession wird die Klagebefugnis nicht vom materiellrechtlichen Anspruch getrennt (RIS-Justiz RS0102349; RS0102353). Die Aktivlegitimation des Zessionars hängt nicht von der Verständigung des Zessus ab (RIS-Justiz RS0032568).

1.3. Im vorliegenden Fall verkaufte der Insolvenzverwalter der GmbH (Gemeinschuldnerin) die Forderung gegen die Beklagte auf Herausgabe eines Verwertungserlöses eines Wertpapierdepots im Gegenwert von 53.061,51 EUR um eben diesen Kaufpreis an die Klägerin. Als Verkäufer trat er die der Insolvenzmasse zustehende Forderung an die Klägerin ab. Der Forderungsübergang wurde unmittelbar mit Unterfertigung des Kauf- und Abtretungsvertrags wirksam. Der Kaufpreis sollte erst dann zur Zahlung fällig werden, wenn die Käuferin selbst die gegenständliche Forderung bei der Beklagten eingezogen hat. Der Verkäufer garantierte für die Richtigkeit und Einbringlichkeit der Forderung und übernahm das Kostenrisiko der klagsweisen Geltendmachung.

Daraus leitete das Berufungsgericht ab, dass der Klägerin nicht die materielle Berechtigung an der Forderung abgetreten worden sei, weil der erzielte Betrag ausschließlich der Insolvenzmasse gebühre und diese im Falle des Unterliegens allein das wirtschaftliche Risiko trage.

1.4. Dies ist unzutreffend. Es liegt gerade im Wesen der Inkassozession, dass der Zessionar Gläubiger wird, aber verpflichtet ist, die eingehobene Leistung an den Zedenten abzuführen (vgl oben RIS-Justiz RS0010457; 3 Ob 229/99v). Im Regelfall liegt die Übertragung eines Vollrechts mit einer obligatorischen Beschränkung, somit eine uneigennützige Treuhand vor. Auch die Vereinbarung einer Kostentragungspflicht bei Prozessverlust durch den Zedenten steht einer Inkassozession, mit der das Vollrecht übertragen wird, nicht entgegen (7 Ob 137/02a).

1.5. Die Beklagte macht in ihrer Revisionsbeantwortung (erstmals) geltend, dass der Kauf- und Abtretungsvertrag zwischen dem Insolvenzverwalter und der Klägerin bloß zum Schein abgeschlossen worden sei. Bei einem Scheingeschäft schaffen die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein der Abgabe einer Willenserklärung, wollen jedoch schon bei Geschäftsabschluss die damit verbundenen Rechtsfolgen nicht oder nicht so wie vertraglich niedergelegt eintreten lassen (Bollenberger in KBB 3 § 916 ABGB Rz 1 mwN). Die Beklagte bleibt jedoch - abgesehen davon, dass dieser Einwand als Neuerung zu werten ist - die Begründung dafür schuldig, warum die Parteien hier die mit dem Geschäftsabschluss verbundenen Rechtsfolgen, nämlich die Übertragung der materiellen Berechtigung, nicht hätten eintreten lassen wollen. Die Behauptung, die Abtretung verletze den Grundsatz der Höchstpersönlichkeit der Amtsausübung des Insolvenzverwalters (§ 81 Abs 4 IO) vermag jedenfalls nicht das Vorliegen eines Scheingeschäfts zu begründen. Im Übrigen macht ein Verstoß gegen die genannte Gesetzesbestimmung derartige Rechtsgeschäfte nicht unwirksam (vgl Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze §§ 81, 81a KO Rz 11, 38) und hat daher keinen Einfluss auf die Aktivlegitimation.

1.6. In Wahrheit bestreitet die Beklagte die Zulässigkeit von Inkassozessionen an sich. Damit wendet sie sich gegen die oben dargestellte Rechtslage. Der Senat sieht keine Veranlassung, von der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Inkassozession abzuweichen.

1.7. Nach der zwischen dem Insolvenzverwalter und der Klägerin getroffenen Vereinbarung wurde nicht nur die Klagebefugnis, sondern auch das zugrundeliegende Recht abgetreten. Von einer gewillkürten Prozessstandschaft kann daher hier keine Rede sein. Der Klägerin fehlt es somit nicht an der Aktivlegitimation.

2.1. Gemäß § 128 UGB iVm § 161 Abs 2 UGB haftet der Komplementär einer KG für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern unbeschränkt. Im Unterschied zur Rechtslage bei den Kapitalgesellschaften trifft das Gesetz keine Vorsorge für Aufbringung und Erhaltung eines Gesellschaftsvermögens. Ohne das Prinzip unbeschränkter Gesellschafterhaftung wären die Risken von Gesellschaftsgläubigern daher häufig untragbar (Koppensteiner/Auer in Straube zum UGB I4 § 128 Rz 2). Der Komplementär haftet unmittelbar und unbeschränkbar für Schulden der KG; im Fall von Geldschulden ebenso wie die Gesellschaft (vgl Koppensteiner/Auer aaO Rz 9, Rz 11).

2.2. Im vorliegenden Fall ist zu klären, ob bereits aus dem allgemeinen Grundsatz der Haftung der GmbH als Komplementärgesellschaft der KG für deren Schulden abzuleiten ist, dass die Kreditschuld, die im Rahmen der Geschäftsverbindung zwischen KG und Beklagter entstand, als Anspruch der Beklagten „aus der Geschäftsverbindung“ mit der GmbH zu qualifizieren ist, und ob somit das Pfandrecht der Beklagten gemäß Z 47 und Z 48 AGB und das Zurückbehaltungsrecht gemäß Z 56 AGB den Anspruch der Beklagten (auch) gegen die GmbH sichert.

2.3. Nach dem Wortlaut der Bestimmungen der Z 48 (1) AGB und Z 56 AGB ist dies nicht der Fall. Kreditschuldner ist die KG und die Haftung der GmbH gründet sich nicht auf einen Vertrag mit der Beklagten (etwa durch vertragliche Übernahme einer Haftung als Mitschuldner oder Bürge), sondern auf das Gesetz (§ 128 UGB iVm § 161 Abs 2 UGB). Gesetzliche Ansprüche sind aber vom Wortlaut „Ansprüche des Kreditinstituts gegen den Kunden aus der Geschäftsverbindung“ nicht umfasst.

2.4. Die von der Beklagten ins Treffen geführte Entscheidung des BGH, XI ZR 383/06, hatte AGB der Sparkasse zur Grundlage, wonach ausdrücklich auch gesetzliche Ansprüche der Sparkasse sowie Ansprüche gegen Dritte, vom Pfandrecht gesichert sind, für deren Erfüllung ihr Kunde persönlich haftet. Die Entscheidung ist daher für die hier zu beurteilende Frage nicht einschlägig. Die hier anzuwendenden AGB der Beklagten erstrecken das Pfandrecht des Kreditinstituts nicht auf gesetzliche Ansprüche und auch nicht auf Ansprüche gegen Dritte.

2.5. Von einem „Anspruch des Kreditinstituts gegen den Kunden aus der Geschäftsverbindung“ könnte im Zusammenhang mit einem Komplementär bzw einer Komplementärgesellschaft allenfalls dann gesprochen werden, wenn das Darlehen in Wahrheit deren Interesse bzw jenem ihrer Gesellschafter diente und die KG bloß „vorgeschoben“ wurde. Ein diesbezügliches konkretes Vorbringen hat die Beklagte in erster Instanz jedoch nicht erstattet. Die Behauptung, dass ein und dieselbe Person für die KG wie auch für die GmbH gehandelt habe, reicht dazu jedenfalls nicht aus. Auch ist es nicht ausreichend, dass die Geschäftsverbindung der Beklagten zur GmbH ausschließlich im Zusammenhang mit deren Besorgung der Geschäftsleitung für die KG stand. Die „Besorgung der Geschäftsleitung“ führt noch nicht dazu, dass die Kreditforderung der Beklagten zu einer solchen gegen die GmbH „aus der Geschäftsverbindung“ würde. Im Übrigen ergibt sich die Unabhängigkeit der jeweiligen Bankverbindungen schon daraus, dass - gemäß den unbestrittenen Klagsangaben - die Konteneröffnungen zu höchst unterschiedlichen Zeitpunkten (Differenzen von mehreren Jahren) erfolgten.

2.6. Somit ist zu folgern, dass der Beklagten gemäß ihrer Geschäftsbedingungen weder ein Pfandrecht noch ein Zurückbehaltungsrecht zu Lasten der GmbH zusteht.

3.1. Zu prüfen bleibt, ob die Beklagte berechtigt war, mit ihrer aus §§ 128, 161 UGB resultierenden Forderung gegen die Komplementär-GmbH gegen deren Forderung auf Auszahlung des Erlöses des Wertpapierdepots aufzurechnen. Die Klägerin verneint dies in ihrer Revision mit der Begründung, dass vor Konkurseröffnung der GmbH keine aufrechenbaren Forderungen zwischen der Beklagten und der GmbH bestanden hätten und im Übrigen eine solche Aufrechnung auch nicht durch vor Konkurseröffnung begründete Ab- und/oder Aussonderungsrechte der Beklagten gerechtfertigt werden könne. Die Beklagte hält dem in ihrer Revisionsbeantwortung nichts entgegen. Auch in erster Instanz beschränkte sie sich diesbezüglich auf die Anmerkung „der Vollständigkeit halber“, sie habe im Hinblick auf die Nichterfüllung der Zahlungspflichten durch die KG mit der ausdrücklich vereinbarten Aufrechnung vorgehen können.

3.2. Dem Einwand der Klägerin, vor Konkurseröffnung der GmbH hätten keine aufrechenbaren Forderungen zwischen der Beklagten und der GmbH bestanden, kommt Berechtigung zu, zumal eine Forderung der GmbH gegen die Beklagte erst nach Auflösung des Wertpapierdepots und Eingang des Verwertungserlöses bestand. Der Anspruch der GmbH auf Herausgabe der Wertpapiere kann nicht als bedingter Anspruch auf Geldleistung im Sinn von § 19 Abs 2 IO beurteilt werden, sodass schon aus diesem Grund eine Aufrechnung mit dem Anspruch der GmbH auf Herausgabe der Wertpapiere bzw (nach Konkurseröffnung) des Verwertungserlöses nicht stattfinden konnte. Eine Aufrechnung nach Konkurseröffnung war mangels Gleichartigkeit ausgeschlossen, § 90 (2) IO nicht anzuwenden.

4. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Klägerin aktiv zur Geltendmachung des Zahlungsanspruchs gegen die Beklagte legitimiert ist und die Beklagte nicht berechtigt war - weder aufgrund eines in den AGB vereinbarten Pfandrechts, noch eines Zurückbehaltungsrechts oder aufgrund einer Aufrechnung - den Erlös aus dem Wertpapierdepot der GmbH einzubehalten. Der Klageanspruch besteht daher zu Recht.

Der Revision der Klägerin ist somit Folge zu geben und die Urteile der Vorinstanzen sind im Sinne der Klagestattgebung abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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