OGH 4Ob105/12p

OGH4Ob105/12p10.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Perg, gegen die beklagte Partei K***** AG *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 640.095,50 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 469.920 EUR), gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 27. Februar 2012, GZ 4 R 506/11b‑28, mit welchem das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 30. Mai 2011, GZ 2 Cg 171/09x‑22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 3.063,96 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 510,66 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

Im Werkvertrag zwischen den Parteien war vorgesehen, dass die Beklagte nach Maßgabe des Baufortschritts Teilzahlungen zu leisten hatte. Die Beklagte trat vor Fertigstellung des Werks ohne einen in der Sphäre der Klägerin liegenden Grund vom Werkvertrag zurück.

Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte zur Zahlung jener Teilrechnungen, die vor deren Rücktritt ‑ jeweils nach Prüfung durch die Bauaufsicht - fällig geworden waren. Dass die Klägerin noch keine Schlussrechnung gelegt habe, sei für das Bestehen dieses Anspruchs unerheblich. Die Revision ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, dass „höchstrichterliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt“ fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist ungeachtet dieses den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs nicht zulässig.

1. Die Entscheidungen der Vorinstanzen beruhen auf der Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags, insbesondere auf der Beurteilung des Zusammenwirkens zwischen dem „Zahlungsplan“, den übrigen Bestimmungen des Werkvertrags und der subsidiär geltenden ÖNORM B2110. Eine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO wäre in diesem Zusammenhang nur begründet, wenn das Berufungsgericht infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt hätte (RIS-Justiz RS0042936).

2. Ein solcher Fall liegt nicht vor.

2.1. Die Auffassung der Vorinstanzen, dass die Parteien mit dem „Zahlungsplan“ nicht die Abrechnung von Teilgewerken iSv § 1170 Satz 2 ABGB, sondern Vorauszahlungen auf den Werklohn vereinbart hatten (vgl 10 Ob 10/10h = ecolex 2010, 658 [Friedl] mwN), ist nicht zu beanstanden. Solche Vorauszahlungen können bei ‑ hier unstrittig eingetretener ‑ Fälligkeit auch eingeklagt werden; ein Leistungsverweigerungsrecht wegen behaupteter Mängel besteht aufgrund des Vorleistungscharakters nicht (RIS-Justiz RS0019881; 10 Ob 10/10h). Auf eine allenfalls mögliche Preisminderung (10 Ob 10/10h) kommt die Beklagte in der Revision nicht zurück.

2.2. Eine ausdrückliche Regelung, wonach eine Klage auf Zahlung fälliger Werklohnteile nicht mehr möglich sei, sobald der Auftragnehmer Schlussrechnung legen könne, enthalten weder der Werkvertrag noch die danach subsidiär anwendbare ÖNORM B2110. Soweit man insofern eine Lücke des Vertrags, also einen Konfliktfall annimmt, der von den Parteien nicht bedacht und daher auch nicht ausdrücklich geregelt wurde, wäre unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (RIS-Justiz RS0017758, RS0017899); die Lücke wäre daher durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen (RIS-Justiz RS0017829).

2.3. Aus ergänzender Vertragsauslegung mag sich zwar ergeben, dass ein Anspruch auf Vorauszahlungen nicht mehr besteht, wenn der Auftragnehmer nach Fertigstellung des Werks grundlos keine Schlussrechnung legt und so die Endabrechnung behindert (1 Ob 563/91 mwN). Auf den hier zu beurteilenden Fall einer vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den Auftraggeber, die ausschließlich auf Umstände in seiner Sphäre zurückzuführen ist, kann das aber nicht übertragen werden. Denn damit würde dem Auftraggeber im Ergebnis die Möglichkeit eingeräumt, sich durch einseitige Erklärung einer bereits fälligen Verpflichtung zu entziehen. Ein solcher Vertragswille kann redlichen und vernünftigen Parteien auch dann nicht unterstellt werden, wenn man ein legitimes Interesse des Auftraggebers daran bejaht, dass der Auftragnehmer alsbald nach Beendigung des Vertrags Schlussrechnung legt. Denn für diesen Fall sieht Punkt 8.3.7. der ÖNORM B2110 ohnehin die Möglichkeit einer Ersatzvornahme vor. Sollte die Beklagte daher tatsächlich der Auffassung sein, dass die hier strittigen Vorauszahlungen höher seien als der tatsächliche Werklohnanspruch, hätte sie selbst eine Abrechnung vornehmen und auf dieser Grundlage einen entsprechenden Einwand erheben können.

2.4. Die von der Beklagten zitierte „einheitliche und kontinuierliche deutsche Rechtsprechung“ zu Abschlagszahlungen iSv § 16 VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B) ist schon deshalb nicht einschlägig, weil sie nicht den hier zu beurteilenden Fall ‑ nämlich die nicht vom Auftragnehmer zu vertretende vorzeitige Vertragsbeendigung durch den Auftraggeber ‑ erfasst.

3. Aus diesen Gründen ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit hingewiesen hat, ist die Beklagte zum Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung verpflichtet.

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