OGH 10ObS92/12w

OGH10ObS92/12w26.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. DDr. Hubert Fuchs (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei G***** C*****, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Ausgleichszulage, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 20. März 2012, GZ 25 Rs 122/11v‑41, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 2. November 2011, GZ 42 Cgs 220/09h‑36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die Höhe des Ausgleichszulagenanspruchs der Klägerin ab 1. 4. 2011, den die Vorinstanzen mit monatlich 378,78 EUR bejahten.

Die Klägerin ist türkische Staatsbürgerin. Sie lebt im Haushalt ihres Sohnes C***** C*****, der seit 2003 österreichischer Staatsbürger ist, bezieht eine Witwenpension, die im Jahr 2011 211,81 EUR betrug, und seit November oder Dezember 2009 Pflegegeld der Stufe 6. Sie zahlt ihrem Sohn monatlich 100 bis 150 EUR für Miete. Die restliche Pension, die Ausgleichszulage und das Pflegegeld, das die Schwiegertochter für die Pflege der Klägerin erhält, und das Einkommen ihres Sohnes bilden das Haushaltsbudget, aus dem die gemeinsamen Lebenskosten bestritten werden.

Die Vorinstanzen rechneten als Nettoeinkommen der Klägerin iSd § 292 Abs 1 und 3 ASVG die ihr vom Sohn gewährte volle freie Verpflegung als Sachbezug in Höhe von 80 % des Werts der vollen Station für 2011 (§ 292 Abs 3 Satz 2 ASVG; SachbezugswerteVO BGBl II 2001/416 idgF) dem Pensionseinkommen der Klägerin hinzu. Das Berufungsgericht führte aus, schon aufgrund der ausdrücklichen Anordnung des § 292 Abs 3 ASVG sei die Einbeziehung des Sachbezugs geboten. Es sei aber auch ein die volle Verpflegung umfassender Unterhaltsanspruch der Klägerin nach § 143 ABGB gegen ihren Sohn zu bejahen. Daher seien entgegen der Auffassung der Klägerin der Sachbezug kein Bezug aus Leistungen der freien Wohlfahrtspflege iSd § 292 Abs 4 lit f ASVG.

Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof „in jüngerer Zeit mit einer Konstellation wie der gegenständlichen insbesondere in Ansehung des Ausnahmetatbestands des § 292 Abs 4 lit f ASVG“ nicht zu befassen hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision der Klägerin ist entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden, Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Die Behauptung der Revisionswerberin, das Berufungsgericht sei von den oberstgerichtlichen Entscheidungen 10 ObS 72/88, 10 ObS 130/09 (gemeint wohl: 10 ObS 130/90) und 10 ObS 136/03a (offenbar gemeint: 10 ObS 196/03a) abgewichen, ist unzutreffend. Die Entscheidung 10 ObS 130/90 spricht aus, dass ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch der dortigen Klägerin gegen ihren Sohn bei der Feststellung der Ausgleichszulage zu berücksichtigen ist. In der Entscheidung 10 ObS 196/03a bejahte der Oberste Gerichtshof, dass von einem Lebensgefährten dem anderen gewährte freie Station (freies Quartier und freie Verpflegung) als Sachbezug mit Versorgungscharakter mit dem nach § 292 Abs 3 ASVG maßgeblichen Bewertungssatz zu berücksichtigen ist. Die Entscheidung 10 ObS 72/88, SSV‑NF 2/37, schließlich hält fest, dass eine in Würdigung ihrer künstlerischen Leistungen einer Pensionistin ehrenhalber von der Stadt Wien zuerkannte jederzeit widerrufliche laufende außerordentliche monatliche Zuwendung zu dem bei der Berechnung der Ausgleichszulage zu berücksichtigenden Nettoeinkommen zählt.

2. Die Revisionswerberin meint, im Sinn des § 25 IPRG richte sich die Unterhaltsverpflichtung nach dem Personalstatut des Unterhaltsberechtigten, sodass ein Unterhaltsanspruch der Klägerin nach türkischem Recht zu beurteilen sei.

Das widerspricht der klaren Rechtslage:

Nach § 24 IPRG und nach § 25 Abs 2 IPRG sind die Wirkungen der Ehelichkeit, Legitimation oder der Unehelichkeit eines Kindes nach dessen (jeweiligen) Personalstatut zu beurteilen. Zu den erfassten Wirkungen gehören die wechselseitigen Unterhaltsansprüche zwischen Eltern und Kindern (6 Ob 726/87, EFSlg 57.629; 6 Ob 705/89; Verschraegen in Rummel, ABGB3 § 24 IPRG Rz 2 und § 25 IPRG Rz 9 mwN). Es kommt daher auch beim Elternunterhalt auf das (wandelbare) Personalstatut des Kindes an (Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 Rz 567). Der Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihren Sohn, der seit 2003 Österreicher ist, richtet sich somit nach österreichischem Recht. Das hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt. Die von der Klägerin für ihre Meinung zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs vermögen diese Ansicht nicht nur nicht zu unterstützen, betreffen sie doch Kindesunterhalt, sondern bestätigen im Gegenteil die vorstehenden Ausführungen.

3. Mit der nicht weiter ausgeführten Behauptung, man gelange auch nach österreichischem Recht keinesfalls zum Ergebnis, dass der Sohn verpflichtet wäre, seiner Mutter volle freie Station zu gewähren, wird keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dargetan, fehlt doch jede Darlegung, weshalb die Beurteilung des Berufungsgerichts unzutreffend ist. Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht gar nicht einen Unterhaltsanspruch auf die Gewährung voller freier Station bejahte, hängt die Bemessung des Unterhalts von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt.

4. Die Ansicht der Revisionswerberin, die von ihrem Sohn erhaltene freie Verpflegung sei ein Bezug im Sinn des § 292 Abs 4 lit f ASVG, beruht auf der Prämisse, dass sie keinen Unterhaltsanspruch gegen ihren Sohn hat. Da dies nicht zutrifft, wird schon aus diesem Grund auch in diesem Belang keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass sich schon aus der ausdrücklichen Anführung der Sachbezüge und der hiefür normierten Pauschalanrechnung unabhängig vom tatsächlichen Wert (§ 292 Abs 3 ASVG) eindeutig ergibt, dass solche wiederkehrenden Sachbezüge (wie freies Quartier und Verpflegung) als Einkünfte in Geldeswert jedenfalls als Einkommen zu berücksichtigen sind, wobei es nicht von Bedeutung ist, aus welchem Rechtstitel sie zufließen, ob sie auf einem gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch beruhen oder etwa nur freiwillig geleistet werden (10 ObS 196/03a; vgl RIS‑Justiz RS0085317 [T1]).

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