OGH 8ObA65/06a

OGH8ObA65/06a23.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch dîe Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Walter Zeiler und Dr. Vera Moczarski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Friedrich R*****, vertreten durch Plankel, Mayrhofer & Partner, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagte Partei A***** GmbH, ***** vertreten durch Kraft & Winternitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 36.000 EUR sA, über den Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. März 2006, GZ 8 Ra 10/06h-31, womit über Berufung des Klägers das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 18. April 2005, GZ 16 Cga 169/03v-26, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Unternehmensgegenstand der Beklagten umfasst die Vermittlung von Versicherungsverträgen einschließlich fondsgebundener Lebensversicherungen und die Beratung in Versicherungsangelegenheiten, die Vermittlung von Finanzierungen einschließlich der Vermittlung von Personal- und Hypothekarkrediten, Leasingverträgen und Bausparverträgen, die Vermittlung von Wertpapieren, Anteilen an in- und ausländischen Kapitalanlagefonds und Veranlagungen, die Vermittlung der Vermögensverwaltung und die Beratung über die Veranlagung von Kundenvermögen. Im Zuge dieser Tätigkeiten vertreibt die Beklagte die Produkte ihrer Partnergesellschaften. Zu diesen Partnergesellschaften zählen unter anderem Versicherungsgesellschaften, Banken, Investmentfonds, Leasingunternehmen und Bausparkassen. Die Beklagte steht mit über 100 Partnergesellschaften in Form von „Partnerverträgen" in Geschäftsverbindung. Für ihre Vermittlerrolle zwischen Kunden und Partnergesellschaften als Produktgeber erhält die Beklagte die mit den einzelnen Partnern vereinbarten Provisionen.

Zur Erfüllung ihrer Geschäfte bedient sich die Beklagte sogenannter Agenten. Die Tätigkeit der Agenten bei der Vermittlung von Verträgen gliedert sich in zwei Phasen. Die erste Phase ist mit einer Bestanderhebung verbunden. Es wird erhoben, in welchen Vertragsbeziehungen der Kunde bereits steht und wie seine Bedürfnisse gestaltet sind. Mit dem jeweiligen Kunden wird dazu ein sogenannter Analysebogen zur Erhebung wichtiger Daten ausgefüllt. Stellt sich in dieser Phase heraus, dass der Kunde allenfalls Bedarf am Abschluss von Versicherungsverträgen oder einer Veranlagungsmöglichkeit hat, schlägt der Agent dem Kunden in der weiteren Phase ein Produkt eines Partnerunternehmens der Beklagten vor. Dabei nennt der Agent dem Kunden gegenüber auch das Partnerunternehmen. Entscheidet sich der Kunde zum Abschluss eines Vertrages, unterfertigt er einen vom Agenten vorbereiteten Antrag an das entsprechende Partnerunternehmen. Dieser Antrag wird mit dem Stempel des Agenten versehen und vom Agenten mitunterzeichnet. Der Kunde erhält eine Kopie dieses Antrags. In weiterer Folge übermittelt der Agent den Vertrag über die jeweilige Direktion der Beklagten an das Partnerunternehmen. Die Ausfertigung der Polizze bzw sonstiger geschlossener Verträge erfolgt durch die Partnergesellschaft und wird in der Regel an den Kunden direkt übermittelt. Mit der weiteren Abwicklung von Verträgen ist die Beklagte nicht betraut.

Für vermittelte Versicherungsverträge und sonstige Verträge erhält die Beklagte von der jeweiligen Partnergesellschaft die vereinbarte Provision.

Die Agenten erhalten für ihre Tätigkeit aufgrund einer besonderen vertraglich vereinbarten Vergütungsordnung eine Vergütung, die sich nach einem internen Vergütungsstufen- und Karriereplan berechnet. Die vermittelten Produkte der Partnergesellschaft werden intern nach einem Einheitensystem bewertet. Der Agent erhält für jede geleistete Einheit einen Geldbetrag, der sich nach der jeweils erreichten Stufe im Karriereplan der Beklagten bemisst. Etwa 70 % der Provision für einen Geschäftsabschluss wird dem Agenten bereits bei Vertragsabschluss ausbezahlt. Die endgültige Abrechnung der Provision erfolgt unter Anrechnung des geleisteten Vorschusses, nachdem die Beklagte von ihrer Partnergesellschaft die ihr zustehende Provision zur Gänze erhalten hat. Nach erfolgter Kündigung des Agentenvertrages entfällt die Bevorschussung von Vergütungen.

Mit diesen Vergütungen hat der Agent vereinbarungsgemäß sämtliche Kosten seines Geschäftsbetriebes einschließlich der Kosten für Personal, Reiseaufwendungen und Bürobedarf zu bestreiten. Agenten in der Karrierestufe „Wirtschaftsberater" erhalten neben dieser Vergütung bei aufrechtem Vertragsverhältnis einen Bonus. Der Kläger war zuletzt Agent in der Stufe eines Wirtschaftsberaters.

Der Agentenvertrag enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:

„......

2.11. Der Agent ist nicht berechtigt, während der Dauer des

Agentenvertrages für Konkurrenzunternehmen von A***** oder dessen

Partnergesellschaften tätig zu werden, sich an solchen

Konkurrenzunternehmen direkt oder indirekt, mittelbar oder

unmittelbar zu beteiligen oder solche in irgendeiner Weise zu

unterstützen.

....

2.12. Der Agent wird es insbesondere unterlassen,

.......

d.) Produkte zu vermitteln, die nicht von der jeweils gültigen

Produktbewertungstabelle....erfasst sind.

......

3.1. Dieser Agentenvertrag tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann von beiden Vertragsteilen jeweils unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines jeden Kalenderquartals gekündigt werden."

Zur Erfüllung seiner Aufgaben benützte der Kläger die Büroräumlichkeiten und die Infrastruktur einer Direktion der Beklagten. Dabei handelt es sich um ein Büro, das der Büroleiter auf eigene Verantwortung und auf eigene Rechnung aufgrund eines Vertragsverhältnisses mit der Beklagten betreibt. Der Büroleiter ist auch für die Personalaufbereitung zuständig. Er trifft Vorauswahlen und führt Aufnahmegespräche. Er schlägt der Beklagten Bewerber vor, die in der Folge mit den Interessenten direkt in eine Vertragsbeziehung tritt.

Bereits Ende des Jahres 2000 und in der Folge im Frühjahr 2001 trat eine Gruppe von Agenten - darunter auch der Kläger - an den Büroleiter mit dem Ersuchen heran, er möge sich für höhere Provisionsentgelte bei der Beklagten einsetzen. Die Agenten waren mit den von der Beklagten weitergegebenen Provisionsanteilen unzufrieden. Mitte September 2001 erfuhr der Büroleiter im Zuge eines privaten Lokalbesuches von den Bestrebungen des Klägers, sich selbständig zu machen. Diese Information leitete er an die Zentrale der Beklagten mit dem Hinweis weiter, dass nicht allzu lang mit einer Reaktion gewartet werden solle, da die Gefahr bestehe, dass der Kläger Kundendaten weiter verwende.

Am 21. 9. 2001 verfasste der Kläger folgendes, an die Geschäftsführung der Beklagten gerichtetes Schreiben, das bei der Beklagten am 25. 9. 2001 einlangte:

„.....Ich kündige hiemit meinen Agentenvertrag... Ich ersuche um einvernehmliche Auflösung zum 30. 9. 2001 unter gegenseitigem Verzicht auf die Kündigungsfrist und unter Mitnahme eines Teiles meines Kundenstockes.

Ich möchte auf diesem Weg für die langjährige gute Zusammenarbeit und ihre Unterstützung danken. Sollte eine einvernehmliche Auflösung des Agentenverhältnisses von ihrer Seite nicht möglich sein, so würde ich während der Kündigungszeit alle Pflichten und Rechte im Rahmen des Agentenvertrages wahrnehmen, mindestens solange, bis ein positiver schriftlicher Bescheid von Ihrer Seite bei mir einlangt. Sollte dieser schriftliche Bescheid nicht binnen zwei Wochen bei mir einlangen, gehe ich davon aus, dass Sie einer einvernehmlichen Auflösung im obigen Sinn zustimmen und nur die konkrete Abwicklung länger dauert...."

Bereits am 20. 9. 2001 hatte die Beklagte ein Kündigungsschreiben verfasst, das am Montag, dem 24. 9. 2001, per Einschreiben zur Post gegeben wurde. Dieses Schreiben lautet wie folgt:

„.....Unter Hinweis auf Punkt 3.1 des Agentenvertrages kündigen wir diesen Vertrag unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist, sodass das zwischen uns bestehende Vertragsverhältnis am 31. 12. 2001 endet. Wir gehen davon aus, dass Sie sich auch in der Kündigungszeit vertragskonform und unserem Unternehmen gegenüber loyal verhalten werden und ersuchen Sie, sämtliche Ihnen übergebene Unterlagen und Materialien bis zum Ablauf der Kündigungsfrist....abzugeben. Nach Beendigung des Vertragsverhältnisses werden Sie weiterhin detaillierte Abrechnungen erhalten, aus denen der aktuelle Kontostand zu ersehen sein wird..."

Nach Einlangen des Kündigungsschreibens des Klägers teilte die Beklagte dem Kläger mit am 10. 10. 2001 zur Post gegebenem Schreiben mit:

„..... Bezugnehmend auf Ihr Schreiben vom 21. 9. 2001, eingelangt am 25. 9. 2001, dürfen wir wie folgt Stellung nehmen: Prinzipiell treten wir Ihrem Wunsch nach einer einvernehmlichen Vertragsbeendigung positiv entgegen, jedoch ist uns eine solche einvernehmliche Vertragsauflösung aufgrund der derzeitigen Lage auf den Kapitalmärkten und das daraus resultierende Beratungsbedürfnis nicht möglich. Wir bestätigen sohin Ihre Kündigung zum 31. 12. 2001. ..."

Der Büroleiter trat in der Folge an den Kläger heran, er möge das Büro nicht mehr betreten. Man suche eine einvernehmliche Lösung. Der Büroleiter kündigte gegenüber dem Kläger an, das Vertragsverhältnis könne enden, sobald der Kläger seine Unterlagen zurückgebe. Nach Terminvereinbarung begab sich der Kläger am 19. 10. 2001 in das Büro des Büroleiters. Dort legte der Büroleiter dem Kläger ein bereits vorgefertigtes, von beiden Geschäftsführern der Beklagten unterschriebenes und mit 15. 10. 2001 datiertes Schreiben folgenden Inhaltes vor:

„...Ihr Vertragsverhältnis zur ... wurde nunmehr einvernehmlich zum 19. 10. beendet. In diesem Zusammenhang verweisen wir grundsätzlich auf jene Bestimmungen des Agentenvertrages, die ausdrücklich auch nach Beendigung des Agentenvertrages Geltung haben."

Noch im September 2001 beendeten eine Reihe anderer Agenten der Beklagten ihre Vertragsverhältnisse unter Verwendung ähnlicher Formulierungen in ihren Kündigungsschreiben. Diese Agenten schlossen sich in der Folge unter Beteiligung des Klägers zu einer Gesellschaft zusammen.

Es handelt sich um eine Gesellschaft, die am Markt konkurrenzierend zur Beklagten auftritt.

Der Kläger begehrt zuletzt 36.000 EUR. Auf den Agentenvertrag sei das HVertrG anzuwenden. Die Tätigkeit des Klägers habe insbesondere die Vermittlung von Geschäften des Unternehmensgegenstandes der Beklagten umfasst. Die Tätigkeit sei nicht auf die Versicherungsvermittlung reduziert gewesen. Der Kläger sei als Subvermittler für die Beklagte tätig geworden. Die Beklagte Ihrerseits werde von ihren Partnerunternehmen ständig mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen betraut. Dem Kläger gebühre daher analog § 24 HVertrG ein Ausgleichsanspruch von zumindest 38.000 EUR, zu dessen Berechnung der Kläger ein detailliertes Vorbringen erstattete. Davon werde derzeit ein Teilbetrag von 36.000 EUR geltend gemacht. Das Agentenverhältnis sei einvernehmlich zum 19. 10. 2001 beendet worden. Das Schreiben des Klägers vom 21. 9. 2001 stelle lediglich eine Reaktion auf das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 20. 9. 2001 dar, das dem Kläger am 21. 9. 2001 zugegangen sei. Im Übrigen sei dem Kläger bereits vor Zugang des Kündigungsschreibens der Beklagten zur Kenntnis gebracht worden, dass die Beklagte ihn kündigen wolle. In der Folge sei es zu einer einvernehmlichen Vertragsbeendigung gekommen. Der Kläger sei überdies durch den Büroleiter, dem Kompetenz zur Kündigung zukomme, am 21. 9. 2001 auch mündlich gekündigt worden. Die Beklagte habe jedenfalls begründeten Anlass für die einvernehmliche Vertragsbeendigung gegeben. Zur Darstellung des begründeten Anlasses erklärte der Kläger, sich einen Sachvortrag vorzubehalten.

Die Beklagte wendet ein, das Vertragsverhältnis habe durch die Kündigung des Klägers geendet. Lediglich aus Entgegenkommen habe die Beklagte einer einvernehmlichen Verkürzung der Kündigungsfrist mit Schreiben vom 15. 10. 2001 zugestimmt, um dem Kläger die frühere Tätigkeit in dem von ihm mitbegründeten Konkurrenzunternehmen der Beklagten zu ermöglichen. Einen begründeten Anlass für die Kündigung im Sinne des § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG habe der Kläger weder genannt noch bestehe ein solcher: Vielmehr sei die Kündigung des Klägers darin begründet gewesen, dass er ein Konkurrenzunternehmen der Beklagten mitbegründet habe und dort tätig sein wolle. Überdies sei das HVertrG auf das Vertragsverhältnis des Klägers zur Beklagten nicht anzuwenden: Der Kläger sei Subvermittler der Beklagten gewesen. Er habe Versicherungsgeschäfte und Kapitalanlagen für Partnergesellschaften der Beklagten vermittelt sowie Vermögensberatungen durchgeführt. Sowohl die Rechtsstellung des Klägers, als auch sein Tätigkeitsbereich als auch die Art der Vergütung des Klägers zeigten den Unterschied zu einem Waren- bzw zu einem reinen Versicherungsvertreter.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt stellte das Erstgericht noch fest, dass die Beendigung von Vertragsverhältnissen mit Mitarbeitern der Beklagten nicht zu den Aufgaben des Büroleiters der Beklagten zählt und dass der Büroleiter dem Kläger am 21. 9. 2001 mitteilte, dass die Kündigung seines Agentenvertrages erfolgen werde.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass die Rechtsstellung des Klägers jener eines Maklers, insbesondere eines Versicherungsmaklers, nahekomme, auf den das HVertrG auch nicht analog anzuwenden sei. Überdies habe der Kläger das Vertragsverhältnis selbst mit Schreiben vom 21. 9. 2001 aufgekündigt. Die Beklagte habe lediglich ihr Einverständnis zu einer Verkürzung der Kündigungsfrist erklärt. Aus diesem Grund bestehe kein Ausgleichsanspruch des Klägers nach § 24 HVertrG.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger erhobenen Berufung Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht, wobei es aussprach, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, ob Agenten von Vermittlungsunternehmen als Handelsvertreter zu betrachten seien.

Das Berufungsgericht bejahte die Anwendbarkeit des HVertrG: Unter „Geschäften" im Sinne des § 1 Abs 1 HVertrG sei nicht nur der Absatz von Waren, sondern auch jener von Dienstleistungen - so auch die Vermittlung von Verträgen - zu verstehen. Eine Vermittlungstätigkeit liege vor, wenn über die bloße Herstellung einer Geschäftsbeziehung hinaus durch Informieren, Beraten, Bereden und Verhandeln auf potenzielle Geschäftspartner vom Handelsvertreter Einfluss dahin ausgeübt werde, dass potenzielle Geschäftspartner zum Vertragsabschluss mit dem Unternehmer bewogen würden. Hier seien Kunden vom Agenten nicht bloß namhaft gemacht worden, sondern hätten diese auch mit Dritten (den Anbietern) Verträge geschlossen. Der Agent schaffe daher nicht bloß günstige Voraussetzungen für einen Geschäftsabschluss. Seine Tätigkeit erschöpfe sich nicht in der reinen Beratung. Er werde auch werbend und verdienstlich tätig, indem er die Willensbildung des Kunden in einer im Sinne des Vermittlungsvertrages gelegenen verdienstvollen Weise fördere. Die „ständige Betrauung" ergebe sich aus der im Vertrag enthaltenen Konkurrenzklausel und dem Verbot, andere Produkte zu vermitteln. Die - vom Kläger in der Berufung bekämpften - Feststellungen des Erstgerichtes, dass dem Büroleiter keine Kompetenz zur Kündigung von Agentenverträgen zugekommen sei und dass er in einem Gespräch am 21. 9. 2001 dem Kläger gegenüber angekündigt habe, die Beklagte wolle das Agentenverhältnis aufkündigen, übernahm das Berufungsgericht mit der Begründung nicht, dass die dazu im Ersturteil enthaltene

Beweiswürdigung mangelhaft sei: Das Erstgericht werde - nach Verfahrensergänzung - neue Feststellungen zu diesem Thema zu treffen haben. Erst dann lasse sich beurteilen, ob - wie vom Kläger behauptet - der Büroleiter den Kläger bereits am 21. 9. 2001 mündlich gekündigt habe und ob dem Büroleiter entsprechende Kompetenz zur Kündigung zukomme. Überdies werde zu prüfen sein, wann das Kündigungsschreiben der Beklagten dem Kläger zugekommen sei. Habe der Kläger das Kündigungsschreiben der Beklagten früher erhalten als die Beklagte jenes des Klägers, sei das Agentenverhältnis durch Kündigung der Beklagten beendet worden. Dann gebühre dem Kläger jedenfalls ein Ausgleichsanspruch. Selbst wenn aber das Kündigungsschreiben des Klägers der Beklagten zuvor zugegangen sei, bedürfe es einer Erörterung dahin, was die Parteien mit der Erklärung vom 15. 10. 2001 beabsichtigt hätten.

Sei danach von einer Kündigung des Vertragsverhältnisses durch die Beklagte oder von einer einvernehmlichen Beendigung auszugehen, gebühre dem Kläger dem Grunde nach ein Ausgleichsanspruch. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass das Vertragsverhältnis durch den Kläger gekündigt worden sei, müsse berücksichtigt werden, dass der Kläger vorgebracht habe, die Beklagte habe begründeten Anlass für die Vertragsbeendigung gegeben. Dem Kläger sei durch die „überraschende Rechtsauffassung" des Erstgerichtes die Möglichkeit genommen worden, sein Vorbringen zur Frage des Anlasses der Kündigung zu substantiieren und entsprechende Beweisanträge zu stellen. Der dagegen erhobene Rekurs der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Senat teilt die Auffassung des Berufungsgerichtes über die Anwendbarkeit des HVertrG auf das Vertragsverhältnis des Klägers zur Beklagten aus folgenden Überlegungen:

Zunächst ist klarzustellen, dass die zum HVG ergangene Rechtsprechung, wonach das HVG auf Subvertreter keine Anwendung finde (RIS-Justiz RS0062428), überholt ist, weil gemäß der ausdrücklichen Anordnung in § 1 Abs 2 HVertrG der Unternehmer auch ein Handelsvertreter sein kann.

Der Rekurs zieht die Anwendbarkeit des HVertrG auf das Agentenverhältnis zwischen den Streitteilen mit dem Argument in Zweifel, dass die Beklagte ihrerseits verschiedene Produkte ihrer Partnergesellschaften - vergleichbar einem Makler - vermittle und sich dabei der Agenten bediene. Die von der Beklagten eingesetzten Agenten gewännen Kunden nicht für die Beklagte, sondern für den jeweiligen Produktpartner der Beklagten. Es handle sich dabei im Wesentlichen um die Vermittlung von Vermittlungsleistungen, die nicht unter § 1 Abs 2 HVertrG zu subsumieren sei. Überdies unterscheide sich die Rechtsstellung eines Agenten der Beklagten in wesentlichen Punkten von jener eines klassischen Warenvertreters, der allein von der HV- RL 86/653 EWG erfasst werde.

Dazu ist zunächst klarzustellen, dass die Einschränkung des Art 1 Abs 2 der HV- RL 86/653 EWG des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter auf „Waren" keine zwingende Bestimmung darstellt: Eine Erweiterung des Geltungsbereiches, wie sie § 1 des österreichischen HVertrG vornimmt, der ganz allgemein von der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften, ausgenommen über unbewegliche Sachen, spricht, ist daher zulässig (vgl ErläutRV Nr 578 18. GP, abgedruckt in HGB13 618f).

Handelsvertreter nach § 1 Abs 1 HVertrG - und nach der im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmung des § 84 Abs 1 dHGB - ist somit nicht nur der Warenvertreter, sondern auch derjenige, der mit der Vermittlung oder dem Abschluss anderer Geschäfte ständig betraut ist. Nach der für den hier zu beurteilenden Fall noch anwendbaren Rechtslage (die geänderten Bestimmungen des HVertrG, die seine direkte Anwendung auf Versicherungsvertreter gewährleisten, treten erst mit 1. 7. 2006 in Kraft - vgl Nocker, Direkte Anwendung des HVertrG auf Versicherungsvertreter, ecolex 2006, 557 ff) sind zwar die Vermittlung und der Abschluss von Versicherungsgeschäften dem sachlichen Geltungsbereich des HVertrG (§ 28 HVertrG) entzogen. Allerdings bejaht die neuere Rechtsprechung des OGH unter Berufung auf Schima (Buntgemischtes aus dem neuen HVertrG, ecolex 1993, 227) die analoge Anwendung von Bestimmungen des HVertrG auf das Verhältnis Versicherer - selbständiger Versicherungsvertreter (SZ 2002/122 zu § 25 HVertrG; SZ 2002/172 zum Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, sieht sich der Senat nicht veranlasst. Eine nähere Auseinandersetzung damit, ob der Kläger im Rahmen seines Agentenverhältnisses zur Beklagten überwiegend Versicherungsverträge oder überwiegend die übrigen Finanzdienstleistungsprodukte vermittelte, deren Vermittlung nach der Definition in § 1 Abs 1 HVertrG jedenfalls unter das Gesetz fällt, kann daher unterbleiben.

Dass die Beklagte - wie vom Rekurs hervorgehoben - selbst nur Produkte ihrer Partnergesellschaften vermittelt, hindert die Anwendbarkeit des HVertrG auf das Agentenverhältnis des Klägers zur Beklagten nicht, weil es nach § 1 Abs 2 HVertrG eben gerade nicht schadet, dass der Handelsvertreter nicht im Namen und auf Rechnung des Vertragspartners, sondern eines Dritten handelt (für eine unmittelbare Anwendung schon des § 1 Abs 1 HVG wegen der gleichen Interessenlage für jene Vertreter, die im Namen und auf Rechnung des Geschäftsherrn ihres Vertragspartners Geschäfte vermitteln, bereits Jabornegg, Handelsvertreterrecht und Maklerrecht, 38 ff).

Aber auch, dass die Beklagte ihrerseits nicht bloß Produkte für ein

einziges Unternehmen vermittelt, sondern Vertragspartner mehrerer

„Partnergesellschaften" ist, schadet entgegen der im Rekurs

vertretenen Auffassung nicht: Die Feststellungen lassen mit

hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass nicht nur der Kläger von

der Beklagten „ständig betraut" im Sinne des § 1 HVertrG war, sondern

auch, dass die Beklagte ihrerseits in einer ständigen

Geschäftsbeziehung zu ihren Partnergesellschaften steht. „Ständiges

Betrauen" bezieht sich nicht auf das Tätigwerden, sondern den Inhalt

des Vertrages. Gegenstand muss also ein Dauerschuldverhältnis sein,

demzufolge der Betraute eine unbestimmte Vielzahl von Geschäften für

den Unternehmer abschließen oder vermitteln soll (vgl dazu Nocker,

Der Handelsvertretervertrag Rz 26; von Hoyningen-Huene, Münchner

Kommentar zum Handelsgesetzbuch Band 1² § 84 Rz 54; Brüggemann in

Großkomm. HGB4 § 84 Rdn.21). Damit ist aber auch das Argument des Erstgerichtes, die Rechtsstellung des Klägers sei jener eines Maklers vergleichbar, widerlegt: Das im Agentenvertrag vorgesehene Bemühen des Klägers um eine unbestimmte Vielzahl von Geschäftsvermittlungen steht der Annahme entgegen, der Kläger sei für die Beklagte bloß als Makler aufgetreten. Aus eben diesen Überlegungen scheidet auch die Stellung des Rechtsverhältnisses der Beklagten zu ihren Partnergesellschaften als bloße Maklerin aus. Die ständige Betrauung unterscheidet den Handelsvertreter vom Makler (Brüggemann aaO mwN). Dass aber Inhalt der Vermittlungstätigkeit des Klägers die „Vermittlung von Vermittlungstätigkeiten" war, schadet wegen des bereits dargelegten weiten Anwendungsbereiches des § 1 Abs 1 HVertrG nicht. Ebenfalls nicht zweifelhaft ist, dass der Kläger eine Vermittlungstätigkeit entfaltete, indem er den Abschluss von Geschäften durch Einwirkung auf den Dritten (hier: potenzielle Kunden der Partnergesellschaften der Beklagten) förderte (vgl dazu Nocker aaO Rz 29f; von Hoyningen-Huene aaO § 84 dHGB Rz 55 ff). Es liegt somit entgegen der Auffassung im Rekurs der Beklagten ein Fall des § 1 Abs 2 HVertrG vor, und zwar in Form einer echten Untervertretung, weil unmittelbare vertragliche Beziehungen nur zwischen dem Kläger und der Beklagten einerseits und der Beklagten und ihren Partnergesellschaften andererseits bestanden (Nocker aaO Rz 63ff; von Hoyningen-Huene aaO § 84 dHGB Rz 94 f.; Brüggemann aaO § 84 dHGB Rz 29, Hopt, Handelsvertreterrecht, § 84 dHGB Rz 31).

Dass - wie im Rekurs hervorgehoben - eine Anwendung des § 24 HVertrG auf das Rechtsverhältnis deshalb nicht geboten sei, weil nach der Art der vermittelten Geschäfte kein dauernder Vorteil für die Beklagte durch die Vermittlungstätigkeit des Klägers zu erwarten sei, betrifft in Wahrheit die Höhe des Ausgleichsanspruches nach § 24 HVertrG, der eben nur dann und soweit gebührt, als der Handelsvertreter dem Unternehmen neue Kunden zuführte oder bereits bestehende Geschäftsbeziehungen wesentlich erweiterte, wenn überdies zu erwarten ist, dass der Unternehmer oder dessen Rechtsnachfolger aus diesen Geschäftsverbindungen auch noch nach Aufhebung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile ziehen kann und überdies die Gewährung eines Ausgleichsanspruches der Billigkeit entspricht (§ 24 Abs 1 HVertrG). Sollten sich die dazu erstatteten Behauptungen der Beklagten als wahr erweisen, kann das für die Höhe des dem Kläger zustehenden Ausgleichsanspruches von Bedeutung sein, rechtfertigt aber nicht die Annahme, dass das HVertrG auf das Agentenverhältnis zwischen den Streitteilen nicht Anwendung zu finden hat. Damit bedarf es eines Eingehens auf die Frage der Vertragsbeendigung zwischen den Streitteilen: Nach § 24 Abs 3 HVertrG besteht der Anspruch nicht, wenn (Z 1) der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat, es sei denn, dass dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 darstellen, hiezu begründeten Anlass gegeben haben.

Im Unterschied zu der ebenfalls einen Agenten der Beklagten betreffenden Entscheidung 8 ObA 42/06v steht hier noch nicht fest, dass - wie von der Beklagten behauptet - das Vertragsverhältnis durch Eigenkündigung des Klägers endete und nur mit Zustimmung der Beklagten eine Verkürzung der Kündigungsfrist vereinbart wurde: Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, ist zunächst von Bedeutung, wann die jeweiligen Kündigungserklärungen der Parteien der Gegenseite zugingen: Die Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung wird mit Zugang an den Empfänger wirksam. Ging die Kündigungserklärung der Beklagten dem Kläger früher zu als die Kündigungserklärung des Klägers der Beklagten, endete das Vertragsverhältnis jedenfalls nicht durch eine Eigenkündigung des Klägers. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Verfahren in diesem Punkt insbesondere deshalb für ergänzungsbedürftig angesehen, weil es als noch nicht ausreichend geklärt erachtete, ob - dem Vorbringen des Klägers entsprechend - der mit Kündigungsbefugnis ausgestattete Personalleiter der Beklagten den Kläger am 21. 9. 2001 mündlich kündigte. Sollte sich in diesem Punkt das Vorbringen des Klägers als zutreffend erweisen, wäre davon auszugehen, dass das Vertragsverhältnis nicht durch Kündigung des Klägers endete. Ferner erachtete das Berufungsgericht das Verfahren der ersten Instanz deshalb für mangelhaft, weil auf Tatsachenebene nicht ausreichend geklärt sei, was die Parteien mit dem Inhalt des (von der Beklagten aufgesetzten) Schreibens vom 15. 10. 2001 beabsichtigten. Korrekturbedürftig ist die Auffassung des Berufungsgerichtes, soweit es eine Verletzung der das Erstgericht treffenden Anleitungspflicht im Zusammenhang mit dem vom Kläger in erster Instanz erstatteten Vorbringen, wonach die Beklagte begründeten Anlass zur „einvernehmlichen Vertragsbeendigung" gegeben habe, bejahte:

Zentrales Thema des erstinstanzlichen Verfahrens war die Art der Vertragsbeendigung. Die Beklagte wendete von allen Anfang an ein, das Vertragsverhältnis habe durch Eigenkündigung des Klägers geendet, weshalb diesem kein Ausgleichsanspruch zustehe. Wie weit daher der Kläger durch die Rechtsansicht des Erstgerichtes überrascht werden konnte, dass das Vertragsverhältnis durch seine Eigenkündigung endete, ist nicht ersichtlich. Einer Anleitung des Klägers dazu, sein nicht einmal im Berufungsverfahren näher spezifiziertes Vorbringen, wonach die Beklagte begründeten Anlass zur Vertragsbeendigung gegeben habe, zu ergänzen, bedarf es nicht. Daher wird sich das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren bei Prüfung des Ausgleichsanspruches dem Grunde nach ausschließlich damit zu beschäftigen haben, wie das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen konkret endete:

Es bedarf somit zunächst der Prüfung, ob der Büroleiter den Kläger am 21. 9. 2001 mündlich kündigte. War das nicht der Fall, muss geklärt werden, welche Kündigungserklärung früher zuging. Ging die Kündigungserklärung des Klägers früher zu, wäre grundsätzlich von einer Eigenkündigung des Klägers auszugehen. Allerdings bedürfte es einer Auseinandersetzung damit, ob und welche Gespräche dem „Schreiben" der Beklagten vom 15. 10. 2001 vorangingen. Im Hinblick darauf, dass hier - im Unterschied zu dem der Entscheidung 8 ObA 42/06v zugrundeliegenden Sachverhalt - auch die Beklagte ihren Willen zur Vertragsbeendigung äußerte, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Beklagte mit diesem Schreiben lediglich einer Verkürzung der Kündigungsfrist zustimmte. Vielmehr spricht der chronologische Ablauf eher für eine Willenseinigung der Parteien dahin, dass das Dienstverhältnis des Klägers einvernehmlich beendet wurde. Der vom Berufungsgericht erteilte Auftrag, den Inhalt des Schreibens zu erörtern, ist daher nicht zu beanstanden. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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