Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Nach Vorlage der vom Stadtgericht Prag zum Urteil des Obergerichts Prag vom 24. November 2010 ausgestellten Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel bewilligte das Erstgericht dem Betreibenden mit Beschluss vom 7. Dezember 2011 die Forderungsexekution zur Hereinbringung der vollstreckbaren Forderung von 7.856,54 EUR sA.
Mit dem am 23. Dezember 2011 eingebrachten Antrag auf Aufschiebung der Exekution brachte die Verpflichtete vor, sie habe gegen das Berufungsurteil Revision eingebracht, was vom tschechischen Rechtsvertreter des Betreibenden mit Schreiben vom 15. März 2011 bestätigt worden sei. Der Revision komme keine aufschiebende Wirkung zu, jedoch sei die Aussetzung der Vollstreckung des Exekutionstitels beantragt, allerdings noch nicht entschieden worden. Die Verpflichtete wies weiters auf Vorfälle im Titelverfahren hin, die sie (erkennbar) als Verletzung ihres rechtlichen Gehörs durch Erst- und Berufungsgericht qualifiziert; daher lägen die Voraussetzungen für die Aufschiebung der Exekution vor. Die Verpflichtete stellte den Antrag, das Vollstreckungsverfahren auszusetzen, in eventu das Vollstreckungsverfahren auf Sicherungsmaßnahmen zu beschränken, in eventu die Vollstreckung von der Leistung einer gerichtlich zu bestimmenden Sicherheit abhängig zu machen. Mit dem Antrag legte sie jeweils in Fotokopie und in deutscher Sprache ohne Beglaubigung einer Übersetzung folgende Urkunden vor: ein Schreiben des Rechtsvertreters des Betreibenden vom 15. März 2011 (./1), in dem dieser ua erklärt, er habe zur Kenntnis genommen, dass die Verpflichtete gegen das Berufungsurteil am 28. Februar 2011 Revision eingelegt habe, und eine an mehreren Stellen handschriftlich ausgebesserte, sechsseitige „Berufung“ gegen das Berufungsurteil an das Höchste Gericht der Tschechischen Republik (./2).
Das Erstgericht schob die bewilligte Forderungsexekution gemäß Art 23 lit c EuVTVO auf, wenn eine Sicherheitsleistung von 2.000 EUR erlegt werde. In seiner Begründung ging es davon aus, dass von der Verpflichteten ein Rechtsbehelf iSd Art 23 EuVTVO eingelegt worden ist. Die Sicherheitsleistung wurde von der Verpflichteten erlegt.
Dem Rekurs des Betreibenden gab das Rekursgericht Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Antrags ab. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es ursprünglich für nicht zulässig, änderte diesen Ausspruch jedoch über Zulassungsvorstellung der Verpflichteten ab. Es liege keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vor, ob und wenn ja auf welche Weise der Antragsteller nachzuweisen habe, dass er einen Rechtsbehelf eingelegt habe.
Maßgeblich für die Entscheidung über einen Aussetzungsantrag nach Art 23 EuVTVO seien einerseits die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs und andererseits die Wahrscheinlichkeit eines dem Schuldner bei uneingeschränkter Vollstreckung drohenden nicht wieder gutzumachenden Schadens. Nach Art 20 EuVTVO gelte für das Vollstreckungsverfahren das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats (lex fori), also österreichisches Recht (§§ 42 ff EO). Für Österreich könne den Intentionen des Art 23 EuVTVO durch die bestehenden Regeln über die Aufschiebung der Exekution mit oder ohne die nach § 44 Abs 2 EO vorgesehene Sicherheitsleistung Rechnung getragen werden. Der Aufschiebungswerber habe in seinem Antrag alle für die Bewilligung der Aufschiebung maßgebenden tatsächlichen Behauptungen zu bescheinigen, daher auch die primäre Voraussetzung für die Anwendung des Art 23 EuVTVO, nämlich das Einlegen eines Rechtsbehelfs. Wenn der Aufschiebungsantrag nicht mit der Aktion (Klage oder Antrag), die den Aussetzungs- bzw Aufschiebungsgrund bilde, verbunden werde, sei auch die Einleitung des entsprechenden Verfahrens und der Inhalt der Aktion zu behaupten und bescheinigen. Dies erfolge am Besten dadurch, dass eine mit der Einlaufstampiglie des hiefür zuständigen Gerichts versehene Gleichschrift des Einleitungsschriftsatzes vorgelegt werde. Die Vorlage einer unbeglaubigten, handschriftlich korrigierten Übersetzung eines Revisionsschriftsatzes könne diesen Ansprüchen nicht genügen; auch aus dem Schreiben des gegnerischen Rechtsvertreters könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnommen werden, ob tatsächlich ein Rechtsbehelf beim zuständigen Gericht eingelegt worden sei. Es hätte auch die Beibringung eines amtlichen Schriftstücks des zuständigen Gerichts im Ursprungsmitgliedstaat, das ein anhängiges Rechtsmittelverfahren bestätige, keine unzumutbare Beschwer für die Verpflichtete bedeutet. Abgesehen davon sei ein Erfordernis für eine Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens die Bescheinigung außergewöhnlicher Umstände, die von der Verpflichteten nicht dargestellt worden seien. Weiters habe sie - obwohl eine offenkundige Gefahr auch aus dem tatsächlichen Vorbringen nicht abzuleiten sei - weder behauptet noch bescheinigt, worin die ihr konkret drohende Gefahr bei bedingungsloser Vollstreckung bestehe. Daher fehle es für eine Aussetzung des Verfahrens an jeder Grundlage.
Dagegen richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Verpflichteten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne „des Eventualantrags, das gegenständliche Vollstreckungsverfahren gegen Erlag einer Sicherheitsleistung auszusetzen“. Es fehle an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der Anforderungen an ein Bescheinigungsmittel für einen Antrag nach Art 23 EuVTVO. Die Verpflichtete wirft dem Rekursgericht vor, es habe de facto die Notwendigkeit der Bescheinigung mit dem Beweis einer Tatsache gleichgestellt und hätte im Hinblick auf die fehlende Bestreitung der Einbringung einer Revision von einer ausreichenden Bescheinigung von deren Erhebung ausgehen müssen. Auch das Schreiben des Rechtsvertreters des Betreibenden vom 15. März 2011 sei als geeignetes Bescheinigungsmittel anzusehen. Das Rekursgericht habe übersehen, dass außergewöhnliche, dem Tatbestand des § 81 Z 1 EO gleichkommende Umstände zum Titelverfahren im Aufschiebungsantrag behauptet und bescheinigt worden seien. Zu Unrecht sei es auch davon ausgegangen, es müssten die im Art 23 EuVTVO aufgezählten Möglichkeiten kumulativ vorliegen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, weil noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum notwendigen Inhalt eines Antrags nach Art 23 EuVTVO vorliegt; er ist aber aus folgenden Gründen nicht berechtigt:
1. Zunächst ist klarzustellen, dass die Verpflichtete nach ihrem Rechtsmittelantrag (nur mehr) die Aussetzung gegen Sicherheitsleistung iSd Art 23 lit c EuVTVO anstrebt, also die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung entsprechend ihrem ursprünglichen (richtig) Hauptantrag; Überlegungen zu den übrigen Möglichkeiten erübrigen sich daher.
2. Das nähere Verfahren zur Beurteilung eines Antrags nach Art 23 EuVTVO sowie die zulässigen Sicherungsmaßnahmen sind in der EuVTVO nicht geregelt; dafür normiert Art 20 Abs 1 EuVTVO mangels einschlägiger Bestimmungen die lex fori als maßgeblich.
Der Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens entspricht in Österreich die Aufschiebung der Exekution nach §§ 42 ff EO, deren Regeln mit den Intentionen des Art 23 EuVTVO auf der Grundlage der bestehenden Rechtslage durch die Regeln über die Aufschiebung der Exekution mit oder ohne die nach § 44 Abs 2 EO vorgesehene Sicherheitsleistung im Einklang stehen (Rechberger in Fasching/Konecny 2 Art 23 EuVTVO Rz 5; Höllwerth in Burgstaller/Neumayr, IZVR Art 23 EuVTVO Rz 10; Pabst in Rauscher EuZPR/EuIPR (2010) Art 23 EuVTVO Rz 22). Maßgebend für die Ermessensentscheidung nach Art 23 EuVTVO sind nämlich die Erfolgsaussichten des im Ursprungsmitgliedstaat eingelegten Rechtsbehelfs sowie die Wahrscheinlichkeit, dass eine bedingungslose Zwangsvollstreckung einen nicht wieder gutzumachenden Schaden verursachen würde (Rechberger Art 23 EuVTVO Rz 4; Höllwerth Art 23 EuVTVO Rz 8; Pabst Art 23 EuVTVO Rz 5; Kropholler EuZPR9 Art 23 EuVTVO Rz 6). Die in § 44 Abs 1 EO vorgesehene Möglichkeit, die Bewilligung der Exekutionsaufschiebung zu verweigern, wenn die Exekution begonnen oder fortgeführt werden kann, ohne dass dies für den Schuldner mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils verbunden wäre, entspricht daher ebenfalls einer nach Art 23 EuVTVO möglichen Entscheidung. Auch die von der herrschenden Ansicht in Österreich angenommene Verpflichtung des Aufschiebungswerbers, die ihm drohende Gefahr konkret zu behaupten und bescheinigen, sofern diese nach der Aktenlage nicht offenkundig ist (RIS-Justiz RS0001619; RS0001421; Jakusch in Angst 2 § 42 Rz 62a ff), ist eine nach Art 20 Abs 1 EuVTVO zulässige Verfahrensgestaltung, die im Übrigen auch der von der EuVTVO bezweckten Beschleunigung und Erleichterung der Zwangsvollstreckung entspricht (Höllwerth Art 23 EuVTVO Rz 10).
Das Rekursgericht ist somit für die Aussetzung des Exekutionsverfahrens nach Art 23 lit c EuVTVO zutreffend vom Erfordernis für die Verpflichtete entsprechend §§ 42 ff EO ausgegangen, in ihrem Antrag auf Aussetzung alle für dessen Bewilligung maßgebenden tatsächlichen Behauptungen aufzustellen und auch zu bescheinigen. Dem widerspricht der Revisionsrekurs auch gar nicht.
3. Gemäß § 44 Abs 1 EO darf die Exekution nur aufgeschoben werden, wenn der Beginn oder die Fortführung für denjenigen, der die Aufschiebung verlangt, mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils verbunden wäre. Ein Vermögensnachteil wäre nur dann nicht oder nur schwer ersetzbar, wenn der Aufschiebungswerber entweder aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, insbesondere wegen mangelnder finanzieller Mittel des allenfalls Ersatzpflichtigen, nicht damit rechnen kann, Ersatz für seinen Schaden zu erlangen (RIS-Justiz RS0001666 [T2]; RS0001628). Ist dieser Umstand nicht offenkundig, so muss der Aufschiebungswerber Umstände konkret behaupten und erforderlichenfalls bescheinigen, aus denen sich die Gefahr eines solchen Nachteils ergibt (RIS-Justiz RS0001619). Ob ein solcher Vermögensnachteil droht, hängt vom Exekutionsobjekt und von der Exekutionsart ab (RIS-Justiz RS0001666). Bei der Forderungsexekution ist die Gefahr von Vermögensnachteilen nicht offenkundig. Sie muss daher behauptet und bescheinigt werden. Dabei genügen allgemeine und daher nichtssagende Behauptungen nicht, es bedarf vielmehr konkreter Tatsachenbehauptungen (RIS-Justiz RS0001685).
Ausdrückliche oder schlüssige Behauptungen zu einem der Verpflichteten für den Fall des Beginns oder der Fortführung der Forderungsexekution drohenden Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils finden sich in ihrem Aussetzungsantrag allerdings nicht. Das hat schon das Rekursgericht zutreffend erkannt und frei von Rechtsirrtum auch darauf seine antragsabweisende Entscheidung gegründet. Diesem selbständigen Abweisungsgrund tritt die Verpflichtete in ihrem Revisionsrekurs auch gar nicht entgegen.
4. Da die zuletzt allein verlangte Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens schon an der fehlenden Erfüllung ihrer Behauptungslast zu einem drohenden Vermögensnachteil scheitern muss, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit den weiteren Argumenten des Revisionsrekurses. Selbst bei Annahme der ausreichenden Bescheinigung der Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung und außergewöhnlicher Umstände käme nämlich eine Bewilligung der Aussetzung nicht in Frage.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO iVm § 78 EO.
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