OGH 3Ob56/12z

OGH3Ob56/12z14.6.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. K***** Gesellschaft mbH & Co KG, 2. K***** Gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte KG in Wien, wider die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Zöchbauer, Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 36 EO, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7. Februar 2012, GZ 47 R 606/11g-9, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 1. August 2011, GZ 23 C 18/10a-6, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Die vom Bezirksgericht Döbling mit Beschluss vom 15. November 2010 zu GZ 23 E 6285/10z-4 bewilligte Exekution ist einschließlich des Ausspruchs der Geldstrafe unzulässig.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 4.400,54 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin enthalten 502,79 EUR an USt und 1.383,80 EUR an Barauslagen) und die mit 5.274,68 EUR bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 522,53 EUR an USt und 2.139,50 EUR an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 5.109,87 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 376,26 EUR an USt und 2.852,30 EUR an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erstklägerin ist die Medieninhaberin der Tageszeitung „K*****“. Die Zweitklägerin ist die unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Erstklägerin.

Die Klägerinnen waren aufgrund einer Einstweiligen Verfügung gegenüber der Beklagten verpflichtet, es zur Sicherung eines eingeklagten, mittlerweile rechtskräftig mit Urteil abgewiesenen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs zu unterlassen, „im periodischen Druckwerk (Tageszeitung) 'K*****' redaktionelle Artikel zu veröffentlichen, wenn dabei der unrichtige Eindruck erweckt wird, der Artikel wäre 'exklusiv'“.

Am 12. September 2010 veröffentlichte die Tageszeitung „Ö*****“ auf ihrer Seite 7 das Ergebnis einer am 9. und 10. September 2010 durchgeführten G*****-Umfrage, aus der sich eine Prognose mit einem Gleichstand der beiden Großparteien für die Landtagswahl in der Steiermark am 26. September 2010 zu je 37 % ergab.

Am 16. September 2010 veröffentlichte die „K*****“ die Schlagzeile mit dem Wortlaut „Exklusiv-Umfrage; SPÖ und ÖVP liegen Kopf an Kopf: Dramatik pur bei Steiermark-Wahl“. Grundlage war die allein von der „K*****“ bei der I***** in Auftrag gegebene, zwischen 23. August und 1. September 2010 durchgeführte Umfrage, die ebenfalls in ihrer Hochschätzung auf einen Prozentanteil der wahlwerbenden Großparteien von je 37 % kam.

Zu 23 E 6285/10z des Erstgerichts behauptete die Beklagte als Betreibende, die Klägerinnen als Verpflichtete hätten gegen diese Einstweilige Verfügung verstoßen, da auf der Titelseite der „K*****“ vom 16. September 2010 durch die mit dem Wortlaut „Exklusiv-Umfrage; SPÖ und ÖVP liegen Kopf an Kopf: Dramatik pur bei Steiermark-Wahl“ aufgestellte Behauptung der Eindruck vermittelt worden sei, ausschließlich die „K*****“ verfüge über eine Umfrage, aus welcher sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen von SPÖ und ÖVP bei der Steiermark-Wahl ergebe. Allerdings sei bereits Tage zuvor, nämlich am 12. September 2010 im periodischen Druckwerk „Ö*****“ über eine Umfrage berichtet worden, die für diese Tageszeitung erstellt worden und aus der dasselbe Ergebnis, nämlich ein Kopf-an-Kopf-Rennen, hervorgegangen sei. Das Erstgericht bewilligte der Beklagten als Betreibenden wider die Klägerinnen als Verpflichtete die Exekution nach § 355 EO und verhängte eine Geldstrafe.

Die Klägerinnen begehrten mit ihrer Impugnationsklage, diese Exekutionsbewilligung samt Strafvollzugsbeschluss für unzulässig zu erklären. Es sei zwar richtig, dass die Erstklägerin die erwähnte Schlagzeile veröffentlicht habe, und zwar mit Blick auf die Wahl zum Steirischen Landtag am 26. September 2010. Die Schlagzeile sei jedoch wahr und zutreffend, da die Erstklägerin die Meinungsumfrage tatsächlich exklusiv bei der I***** GmbH in Auftrag gegeben, bezahlt und exklusiv veröffentlicht habe. Die Meinungsumfrage sei also nur und exklusiv in der „K*****“ veröffentlicht worden. Die inkriminierte Äußerung verstoße daher nicht gegen den Exekutionstitel, da damit nicht der unrichtige Eindruck exklusiver Berichterstattung erweckt worden sei. Der Umstand, dass allenfalls bei anderen Instituten zu anderen Zeitpunkten eingeholte Meinungsumfragen zufällig zu ähnlichen Ergebnissen gekommen seien, ändere daran nichts.

Die Beklagte trat dem im Wesentlichen nur mit den Behauptungen entgegen, die auch ihrem zur Exekutionsbewilligung führenden Antrag zugrunde lagen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf der Grundlage des eingangs wiedergegebenen Sachverhalts ab. Da die von den Klägerinnen zwar exklusiv in Auftrag gegebene Umfrage nur einen bereits zuvor veröffentlichten Trend bestätige, hätten die Leser der „K*****“ nichts exklusiv erfahren. Diese hätten davon ausgehen müssen, dass ihnen mit der Schlagzeile Nachrichten geboten würden, die bislang sonst niemandem zugänglich gewesen seien, weshalb dem Umstand, dass die zweite Umfrage noch knapper zum Wahltermin gelegen sei, keine Bedeutung zukomme.

Das Berufungsgericht gab der von den Klägerinnen erhobenen Berufung nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte die ordentliche Revision mangels zu lösender erheblicher Rechtsfragen für nicht zulässig. Insbesondere aufgrund der optischen Gestaltung der Schlagzeilen auf der Titelseite werde das Augenmerk des verständigen Durchschnittslesers auf das (offenbare) Ergebnis der Umfrage gelegt, nämlich ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Großparteien zur Landtagswahl in der Steiermark. Durch den Zusatz „Exklusiv-Umfrage“, der gerade keinen Hinweis auf die Art der Umfrage oder das damit beauftragte Institut enthalte, werde dem Leser allein suggeriert, die Klägerinnen verfügten exklusiv über eine Umfrage mit dem in der Schlagzeile angeführten Ergebnis. Darüber sei jedoch in „Ö*****“ bereits zuvor berichtet worden. Daher komme es nicht darauf an, ob die speziell von den Klägerinnen in Auftrag gegebene Meinungsumfrage ausschließlich von ihnen in Auftrag gegeben und veröffentlicht worden sei, da der Titelseite explizite Hinweise auf die Rolle der Klägerinnen im Zusammenhang mit der Umfrage nicht zu entnehmen seien bzw die Bedeutung der Formulierung einem nicht unerheblichen Teil der Leser als solche einer ausschließlichen Berichterstattung über ein Umfrageergebnis mit dem auf der Titelseite publizierten Inhalt erkannt werde. Sei jedoch über ein inhaltlich gleichlautendes Ergebnis einer - wenngleich anderen - Umfrage in einem anderen Medium informiert worden, gewinne der Durchschnittsleser der Titelseite den unrichtigen Eindruck, der Inhalt des Artikels im Blattinneren wäre exklusiv. Dabei haben sich die Klägerinnen die ungünstigste Auslegung ihrer Ankündigung zurechnen zu lassen.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerinnen mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Unzulässigerklärung der Exekution, hilfsweise auf Aufhebung. Die Klägerinnen erachten ihr Rechtsmittel als zulässig, weil das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht im Titelprozess dieselbe Veröffentlichung als zulässig beurteilt habe; in der Sache machen sie ua geltend, die beanstandete Berichterstattung sei wahr und zutreffend gewesen, weil die als „Exklusiv-Umfrage“ angepriesene Meinungsumfrage allein für die Erstklägerin durchgeführt worden und vorerst nur ihr zugänglich gewesen sei.

In der freigestellten Revisionsbeantwortung bestreitet die Beklagte sowohl die Zulässigkeit des Rechtsmittels unter Hinweis auf jüngste Judikatur des Obersten Gerichtshofs als auch dessen inhaltliche Berechtigung. Die beanstandete Berichterstattung habe über eine weniger aktuelle Umfrage zu einem späteren Zeitpunkt berichtet und dies als exklusiv bezeichnet. Damit sei jene Lesertäuschung, die der in Anspruch genommene Exekutionstitel hintanhalten solle, verwirklicht worden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil es einer (weiteren) Klarstellung zur Frage der Beurteilung einer Berichterstattung über eine so bezeichnete „Exklusiv-Umfrage“ bedarf, und berechtigt, weil sich das Ergebnis der Vorinstanzen als korrekturbedürftig erweist.

1. Der erkennende Senat hat erst jüngst im Rahmen eines Exekutionsverfahrens zur Frage der Verwirklichung eines Titelverstoßes im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über Meinungsumfragen mit dem Zusatz „Exklusiv-Umfrage“ Folgendes ausgeführt (3 Ob 7/12v):

„Bei der Berichterstattung über Meinungsumfragen richtet sich nämlich das Interesse des Durchschnittslesers regelmäßig nicht darauf, wer die Umfrage in wessen Auftrag durchführte, sondern welches Thema sie zum Gegenstand hatten und welche Ergebnisse erhoben wurden. Aus diesem Blickwinkel liegt der Zweck eines Hinweises auf die Exklusivität aber darin, Leser darauf aufmerksam zu machen, nur in diesem Druckwerk und daher auch früher als bei den Mitbewerbern […] über ein bestimmtes Umfragethema und -ergebnis informiert zu werden (iSv: „nur wir können über eine bestimmte Umfrage/eine Umfrage zu einem bestimmten Thema berichten“). Wenn dennoch in anderen periodischen Druckwerken […] zum nämlichen Umfragethema (sei die Umfrage zum selben Thema auch von einem anderen Unternehmen durchgeführt worden und sei dabei ein anderes Ergebnis erzielt worden) zumindest zur gleichen Zeit berichtet wird, so trifft die Behauptung eines zeitlichen Vorsprungs nicht zu, wodurch ein Titelverstoß verwirklicht wurde.

Auch die später im Text des Berichts erfolgte Nennung der Quelle ändert daran […] nichts, wenn nicht auch klargestellt wird, dass sich die in der Schlagzeile behauptete Exklusivität nicht auf das Thema der Umfrage bezieht (sondern darauf, wer sie beauftragt hat) oder dass es sich um eine selbst durchgeführte Umfrage unter eigenen Lesern handelt, was hier allerdings mit der notwendigen Deutlichkeit unterblieb; nur dann muss dem unbefangenen Durchschnittsleser klar sein, dass über eine nur für die Verpflichtete/von der Verpflichteten durchgeführte Umfrage berichtet wird und deshalb zum dabei behandelten Thema auch andere Umfragen vorliegen können, über die auch in anderen Medien zumindestens zeitgleich berichtet werden (oder worden sein) kann.“

2. Daran ist durchaus festzuhalten.

Entscheidend ist aber, was das Umfragethema bildet. Besonders knapp vor anstehenden Wahlen kommt dem Zeitpunkt oder -raum der Erhebung, der die Grundlage für das Ergebnis der Umfrage bildet, große Bedeutung zu. Das Interesse der Durchschnittsleser ist ja regelmäßig auch darauf gerichtet, wie aktuell das Umfrageergebnis ist, weil dessen Aussagekraft allgemein umso höher eingeschätzt wird, je näher es dem Wahltermin erhoben wurde. Zum Thema einer Umfrage zum Wahlverhalten der Wahlberechtigten zählt daher auch jener Zeitpunkt oder -raum, für den ihr Ergebnis Gültigkeit haben soll.

3. Eine im Verfahren vorgelegte Urkunde, die ihrem Inhalt nach unstrittig ist, ist der Entscheidung des Revisionsgerichts ohne weiteres zugrunde zu legen (RIS-Justiz RS0121557 [T3]).

Der Inhalt der als Beilagen ./E (Klägerinnen) und ./3 (Beklagte) vorgelegten, von den Streitteilen beauftragten Meinungsumfragen blieb im Verfahren unstrittig. Daher ist - was im eingangs dargestellten Sachverhalt bereits geschehen ist - zu berücksichtigen, dass die Erhebungen für die von der Klageseite beauftragte Umfrage zwischen 23. August und 1. September 2010 erfolgten, während jene für die von der Beklagten eingeholte Umfrage am 9. und 10. September 2010 durchgeführt wurden. Sie beziehen sich daher auf zwei - im Hinblick auf den Wahltermin schon am 26. September 2010 - wesentlich unterschiedliche Zeiträume und haben deshalb in der vorliegenden Konstellation unterschiedliche Themen zum Gegenstand. Mit der Veröffentlichung der - wenn auch - weniger aktuellen, allein von der Klageseite beauftragten Umfrage als „Exklusiv-Umfrage“ in der „K*****“ wurde daher nicht der unrichtige Eindruck einer exklusiven Berichterstattung erweckt.

Dass die Klägerinnen damit den unrichtigen Eindruck der Aktualität ihrer Berichterstattung erweckt haben, trifft nicht zu. Die Aktualität ist nicht mit Exklusivität gleichzusetzen und erstere auch nicht vom Titel erfasst, der nur die alleinige (exklusive) Berichterstattung zum Gegenstand hat. Über die I*****AS-Umfrage wurde nur in der Zeitung der klagenden Parteien berichtet und zwar der Wahrheit entsprechend. Anders war der Sachverhalt in der Vorentscheidung zu beurteilen, verlegt doch dort der Exekutionstitel eine Berichterstattung mit einem nicht zutreffenden zeitlichen Vorsprung.

4. Der Impugnationsklage ist daher stattzugeben, weshalb die Entscheidungen der Vorinstanzen entsprechend abzuändern waren.

5. Das bedingt die Kostenersatzpflicht der Beklagten nach §§ 41 und 50 ZPO für alle drei Instanzen.

Die Beklagte hat zutreffend die Verzeichnung des doppelten Einheitssatzes für die Klage beanstandet (§ 23 Abs 6 RATG), weshalb die erstinstanzliche Kostenverzeichnung der Klägerinnen entsprechend zu reduzieren war.

Die Kosten der Berufungs- und Revisionsschriftsätze haben die Klägerinnen richtig verzeichnet. Eine Entlohnung der Urkundenvorlagen im Berufungsverfahren hat mangels ersichtlicher Zweckmäßigkeit der Vorlagen nicht stattzufinden.

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