OGH 13Os24/12x

OGH13Os24/12x10.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 10. Mai 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wohlmuth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hicham E***** wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 4. Oktober 2011, GZ 27 Hv 108/11k-34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hicham E***** mehrerer Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 1 SMG (I) sowie der Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 15, 269 Abs 1 erster Fall) StGB (II) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (III) schuldig erkannt.

Danach hat er (soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung)

(I) von September 2009 bis zu seiner Festnahme Anfang März 2011 in Innsbruck und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) mehrfach übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 3.341 Gramm Cannabisprodukte mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 5 % (167 Gramm Reinsubstanz Delta-9-THC) und 200 Gramm Kokain mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von 15 % (30 Gramm Reinsubstanz) im Urteil namentlich genannten Abnehmern in zahlreichen Einzelgeschäften gewinnbringend überlassen „oder“ (in einem Fall I/e) „angeboten“, wobei er die Straftaten gewerbsmäßig begangen hat und schon einmal „wegen § 28a Abs 1 SMG“ verurteilt worden war.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Schuldspruch I aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Ein im Sinn der Z 5 dritter Fall relevanter Widerspruch kann nur aus dem Urteilsinhalt selbst, nicht aber aus dessen Verhältnis zu Verfahrensergebnissen abgeleitet werden, wie es die Mängelrüge versucht (RIS-Justiz RS0099548). Im Übrigen hat das Erstgericht die Glaubwürdigkeit des Zeugen Mohamed Z***** mit mängelfreier Begründung bejaht (US 10 f). Erhebliche, somit erörterungsbedürftige Widersprüche (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 425) in den Angaben dieses Zeugen vor der Polizei einerseits und in der Hauptverhandlung andererseits zeigt die Nichtigkeitsbeschwerde nicht auf. Die ins Treffen geführte Aussage des Zeugen, wonach er „für das Kilogramm Haschisch € 2.000,00 bezahlen hätte müssen“ (vgl dagegen US 2, wo von einem Grammpreis von 4,50 bis 5 Euro die Rede ist), bezog sich nicht auf das vom Schuldspruch I/a erfasste Suchtgift (vgl ON 15 S 159, ON 33 S 8 und US 10).

Davon abgesehen erschöpfen sich Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) darin, die Annahme der Glaubwürdigkeit des genannten Zeugen durch das Erstgericht anhand eigener spekulativer Überlegungen zu dessen Aussagemotivation sowie die tatrichterliche Beweiswürdigung zu den Depositionen des Zeugen Yousaf H***** - zudem ohne Bezugnahme auf aktenkundige Beweismittel - nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung in Frage zu stellen (vgl RIS-Justiz RS0106588, RS0099649).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Bleibt anzumerken, dass das Erstgericht das vom Schuldspruch I/e erfasste Anbieten von Suchtgift (§ 28a Abs 1 vierter Fall SMG) zu Unrecht in den Schuldspruch wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 1 SMG einbezogen hat. Zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit können nur gleichwertige Handlungen nach Maßgabe einzelner Tatbestände zusammengefasst werden. Demgemäß werden nach der Rechtsprechung Handlungen im Sinn der alternativen Tatbestandsvarianten des § 28a Abs 1 SMG, das sind Ein- und Ausfuhr (zweiter und dritter Fall) sowie Überlassen und Verschaffen (fünfter und sechster Fall), soweit der Vorsatz des Täters von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt umfasst, zu jeweils einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst (13 Os 1/07g).

Mehrere Ein- und Ausfuhrvorgänge (betreffend verschiedene Suchtgiftquantitäten) können demnach zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden, mehrere Überlassens- oder Verschaffensvorgänge zu einer anderen.

Beim Anbieten (vierter Fall) handelt es sich jedoch um eine zum Überlassen oder Verschaffen (fünfter und sechster) kumulative Tatbestandsvariante (13 Os 67/11v mit dem Hinweis auf Subsidiarität des Anbietens). Das - vorliegend in einem Fall in Bezug auf eine nicht festgestellte Menge von Suchtgift verwirklichte - Anbieten von Suchtgift hätte daher den Gegenstand eines eigenen Schuldspruchs (nach § 27 Abs 1 Z 1 siebter Fall [und Abs 3] SMG) bilden müssen. Da sich dieser Rechtsfehler nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgewirkt hat, war er von Amts wegen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) nicht aufzugreifen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte