OGH 7Ob63/12h

OGH7Ob63/12h25.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** M*****, vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in Lienz, gegen die beklagte Partei W***** M*****, vertreten durch Dr. Thaddäus Schäfer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts, über die außerordentliche Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 29. Februar 2012, GZ 4 R 22/12k-21, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass mangels Parteienidentität jedenfalls keine Bindung an das im „Vorverfahren“ 66 Cg 63/07z des Landesgerichts Innsbruck ergangene Urteil bestehe, mit dem die auf Nichtigerklärung oder Aufhebung des Übergabsvertrags vom 9. 12. 2004 gerichtete Klage des Vaters der Streitteile rechtskräftig abgewiesen wurde. Dass, wie der Revisionswerber in der Zulassungsbeschwerde geltend macht, oberstgerichtliche Judikatur zu „Fragen der Präjudizialität und Bindung ... im Sinn der Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht“ fehle, kann daher mangels Entscheidungsrelevanz keinen tauglichen Zulassungsgrund darstellen. Entgegen der Meinung des Revisionswerbers hat das Berufungsgericht dem im genannten Verfahren ergangenen Urteil auch nicht „de facto“ Bindungswirkung zugebilligt, sondern ist aufgrund der Beweisergebnisse im vorliegenden Verfahren ebenfalls zum Ergebnis gelangt, dass der Notariatsakt vom 9. 12. 2004 nicht nichtig sei.

2. Nach oberstgerichtlicher Judikatur steht demjenigen, der eine Liegenschaft als Erster außerbücherlich erworben und in Besitz genommen hat, ein schadenersatzrechtlicher Herausgabeanspruch (Naturalrestitution nach § 1323 ABGB) zu, wenn der Zweiterwerber dessen - durch den Besitz verstärktes - Forderungsrecht kannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen musste. Der schadenersatzrechtliche Herausgabeanspruch gegen den Zweiterwerber besteht schon dann, wenn dieser leicht fahrlässig das durch den Besitz verstärkte Forderungsrecht des Erwerbers nicht erkannte (RIS-Justiz RS0011224 [T12]; RS0011118 [T9]; RS0015122 [T2]; 6 Ob 169/07g). Das Berufungsgericht folgt diesen Grundsätzen. Die Rechtsmeinung des Revisionswerbers, der bezweifelt, dass in solchen Fällen der Doppelveräußerung leichte Fahrlässigkeit zur Begründung der Haftung ausreiche, weicht hingegen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab. Im vorliegenden Fall stellt sich diese Frage im Übrigen nicht. Ist doch unter den festgestellten Umständen (verwandtschaftliche Verhältnisse, Erbverzicht des Beklagten unter Bezugnahme auf den Notariatsakt vom 9. 12. 2004, Schenkungsvertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten vom 15. 6. 2005) davon auszugehen, dass der Beklagte positiv Kenntnis von der Übergabe an den Kläger und dessen Besitznahme hatte.

3. Die Ausführungen, mit denen sich der Revisionswerber schließlich im Rahmen der Rechtsrüge dagegen wendet, dass er die Besitznahme durch den Kläger schlüssig zugestanden habe (§ 267 ZPO), stützen sich lediglich auf die Behauptung, der Kläger habe in erster Instanz kein entsprechendes Vorbringen erstattet. Dies ist aktenwidrig. Der Kläger hat schon in der Klage vorgebracht, dass auch der Beklagte (so wie der Vater) wusste, dass die „übergabsgegenständliche Liegenschaft ausschließlich vom Kläger infolge tatsächlicher Übergabe 2004 seit 2004 bewirtschaftet und das Hof- und Wohngebäude G***** vom Kläger bewohnt und bewirtschaftet“ wurde. Dem hat der Beklagte nicht substanziiert widersprochen. Die Annahme eines diesbezüglichen schlüssigen Geständnisses durch das Berufungsgericht begegnet unter den spezifischen Verhältnissen des vorliegenden Falls keinerlei Bedenken (vgl RIS-Justiz RS0039927 [T9a und T13]; RS0039941 [T3 und T4]).

4. Der Revisionswerber zeigt sohin insgesamt eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht auf. Sein außerordentliches Rechtsmittel ist daher unzulässig und zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

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