OGH 7Ob126/11x

OGH7Ob126/11x19.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, *****, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 25.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. März 2011, GZ 4 R 130/10g-20, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 6. April 2010, GZ 40 Cg 28/09g-14, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.470,24 EUR (darin enthalten 245,04 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat bei der Beklagten einen Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2003) und die Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (EHVB 2003) zugrunde liegen. Alleinige Versicherungsnehmerin dieses Vertrags ist die Klägerin, wobei jedoch der Bürobetrieb der M***** Gesellschaft mbH (kurz: M-GmbH) mit dieser Haftpflichtpolizze mitversichert ist. Weder die Klägerin noch die M-GmbH sind am jeweils anderen Unternehmen beteiligt. Am 25. 9. 2003 wurde die M-GmbH als übernehmende Gesellschaft mit der A***** Gesellschaft m.b.H. (kurz: A-GmbH) als übertragende Gesellschaft verschmolzen.

Art 7 AHVB 2003 hat unter anderem folgenden Wortlaut:

Was ist nicht versichert? (Risikoausschlüsse)

1. Unter die Versicherung gemäß Art 1 AHVB fallen insbesondere nicht

1.1. Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel und/oder Ansprüche wegen Schäden, die an den vom Versicherungsnehmer (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen, auch infolge einer in der Herstellung, Lieferung oder Montage liegenden Ursache entstehen;

1.2. Ansprüche, soweit sie auf Grund eines Vertrages oder einer besonderen Zusage über den Umfang der gesetzlichen Schadenersatzpflicht hinausgehen;

[...] 6. Es besteht kein Versicherungsschutz aus Schäden, die zugefügt werden

6.1. dem Versicherungsnehmer (den Versicherungsnehmern) selbst;

6.2. Angehörigen des Versicherungsnehmers (als Angehörige gelten der Ehegatte, Verwandte in gerader aufsteigender und absteigender Linie, Schwieger-, Adoptiv- und Stiefeltern, im gemeinsamen Haushalt lebende Geschwister; außereheliche Gemeinschaft ist in ihrer Auswirkung der ehelichen gleichgestellt);

6.3. Gesellschaftern des Versicherungsnehmers und deren Angehörigen (Punkt 6.2.);

6.4. Gesellschaften, an denen der Versicherungsnehmer oder seine Angehörigen (Punkt 6.2.) beteiligt sind, und zwar im Ausmaß der prozentuellen Beteiligung des Versicherungsnehmers und seiner Angehörigen (Punkt 6.2.) an diesen Gesellschaften.

Bei juristischen Personen, geschäftsunfähigen oder beschränkt geschäftsfähigen Personen werden deren gesetzliche Vertreter und Angehörige dem Versicherungsnehmer und seinen Angehörigen gleichgehalten.

7. [...].

Art 10 AHVB 2003 enthält folgende Regelung:

Wem steht die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu, wer hat Pflichten aus dem Versicherungsvertrag zu erfüllen? (Rechtsstellung der am Vertrag beteiligten Personen)

Soweit die Versicherung neben Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers selbst auch Schadenersatzverpflichtungen anderer Personen umfasst, sind alle in dem Versicherungsvertrag bezüglich des Versicherungsnehmers getroffenen Bestimmungen auch auf diese Personen sinngemäß anzuwenden; sie sind neben dem Versicherungsnehmer in gleichem Umfang wie dieser für die Erfüllung der Obliegenheiten verantwortlich. Die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag steht ausschließlich dem Versicherungsnehmer zu.

Die Liegenschaft *****gasse ***** Wien wurde durch die M-GmbH und die A-GmbH als Bauträger erworben und renoviert. Im Zuge dessen montierte die Klägerin in den Wohneinheiten 150 Liter fassende Warmwasserboiler und schloss sie „installationsmäßig“ an. Auftraggeber dieser Arbeiten war die M-GmbH.

Am 26. 7. 2007 löste sich in der Wohnung Top Nr 30 einer dieser Warmwasserboiler aus der Verankerung und stürzte zu Boden. Da nicht nur der Inhalt des Boilers, sondern - auf Grund ausgerissener Druckwasseranschlüsse - auch Wasser aus der Wasserleitung in beträchtlichem Ausmaß austreten konnte, kam es zu erheblichen Wasserschäden in den Wohnungen Top Nr 29 und 30, in dem unter der Top Nr 30 befindlichen Fitnessstudio und in dem im Erdgeschoss gelegenen Supermarkt.

Der Anspruch auf Deckung wurde am 13. 6. 2008 von der Klägerin gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Mit Schreiben vom 17. 9. 2008 lehnte die Beklagte die Deckungspflicht ab.

Mit der vorliegenden Deckungsklage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr die Beklagte auf Grund und im Umfang des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Betriebshaftpflichtversicherungsvertrags für den genannten Schadensfall Deckungsschutz zu gewähren habe. Geschädigter „Dritter“ im Sinn des § 149 VersVG sei jede nicht mit dem Versicherungsnehmer identische Person, also auch jede - wie hier - mitversicherte Person. Ansprüche eines Mitversicherten gegen den Versicherungsnehmer seien vom Versicherungsschutz nicht ausgeschlossen. Es handle sich bei den Schäden nicht um „Erfüllungsschäden“ oder „Erfüllungssurrogate“, sondern um von der Versicherung gedeckte Folgeschäden auf Grund mangelhafter Erfüllung des zwischen der M-GmbH und der Klägerin geschlossenen Werkvertrags. Es liege auch keine wirtschaftliche Identität zwischen der Klägerin und der M-GmbH vor. Der Ausschlussgrund nach Art 7 Z 6 AHVB sei nicht erfüllt, weil es sich bei der M-GmbH weder um den Versicherungsnehmer selbst, noch um einen Angehörigen oder eine Gesellschaft des Versicherungsnehmers oder deren Angehörigen handle.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete - soweit noch von Bedeutung - ein, die M-GmbH sei (Mit-)Versicherungsnehmerin. Es gehe daher um Ansprüche eines Versicherungsnehmers gegen den anderen, weshalb ein geschädigter „Dritter“ im Sinn des § 149 VersVG nicht vorhanden sei. Für dem Versicherungsnehmer selbst zugefügte Schäden (Art 7 Z 6 AHVB) und für Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel und/oder wegen Schäden, die an dem vom Versicherungsnehmer hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen auch infolge einer in der Herstellung, Lieferung oder Montage liegenden Ursache entstehen (Art 7 Z 1 AHVB), bestehe kein Versicherungsschutz. Gemäß Art 7 Z 10 AHVB erstrecke sich die Versicherung auch nicht auf Schadenersatzansprüche wegen Schäden an jenen Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung, Benützung oder einer sonstigen Tätigkeit seien. Diese Ausschlüsse hätten nicht nur für Tätigkeiten der Klägerin, sondern auch für Tätigkeiten der M-GmbH zu gelten. Es bestehe nämlich „weitestgehende wirtschaftliche Identität“ mit der Klägerin, weil beide Unternehmen im Eigentum der Familie M***** stünden. Ansprüche des Mitversicherungsnehmers gegen den Versicherungsnehmer seien aber nicht gedeckt und Ausschlüsse, die den Mitversicherungsnehmer beträfen, könnten auch dem Versicherungsnehmer entgegengehalten werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Den eingangs wiedergegebenen - unstrittigen (vom Berufungsgericht berichtigten) - Sachverhalt beurteilte es rechtlich dahin, der Versicherungsnehmer als Vertragspartner des Versicherers aus dem Versicherungsvertrag müsse vom (Mit-)Versicherten, der neben dem Versicherungsnehmer einen eigenständigen Versicherungsschutz genieße, streng unterschieden werden. Im vorliegenden Fall handle es sich nicht um Ansprüche eines Versicherungsnehmers gegen den anderen Versicherungsnehmer, weshalb die M-GmbH geschädigte „Dritte“ im Sinn des § 149 VersVG sein könne. Das sei jede nicht mit dem Versicherungsnehmer identische, somit auch jede (mit-)versicherte Person, die gegen den Versicherungsnehmer Schadenersatzansprüche erhebe. Auch die Ansprüche der (Mit-)Versicherten stünden unter Versicherungsschutz. Die von der Beklagten angeführten Ausschlussgründe, die die M-GmbH beträfen, könnten gemäß Art 10 AHVB der Klägerin nicht entgegengehalten werden. Durch diese Bestimmung werde lediglich klargestellt, dass der dem (Mit-)Versicherten gebotene Schutz dem Umfang nach dem Schutz des Versicherungsnehmers entspreche. Eine Anwendung des Haftungsausschlusses auch auf (Mit-)Versicherte werde allein dadurch nicht angeordnet. Eine wirtschaftliche Identität zwischen Versicherungsnehmer und Versicherten sei nicht von Bedeutung. Die Rechtsprechung betreffend eines Regressausschlusses zu § 67 VersVG lasse sich auf die Bestimmung des § 149 VersVG wegen des unterschiedlichen Normzwecks der beiden Bestimmungen nicht übertragen. Der Ausschlusstatbestand des Art 7 Z 6 AHVB liege ebenfalls nicht vor, weil es sich bei der M-GmbH weder um den Versicherungsnehmer selbst noch um einen Angehörigen oder eine Gesellschaft des Versicherungsnehmers und deren Angehörigen handle und eine Beteiligung der Klägerin an der M-GmbH nicht bestehe. Die Ausschlussgründe gemäß Art 7.1.1 und 7.1.3 AHVB, wonach insbesondere für Ansprüche aus Gewährleistung in den näher beschriebenen Fällen keine Versicherungsdeckung bestehe, seien ebenfalls nicht gegeben. Nach ständiger Rechtsprechung beziehe sich das Leistungsversprechen des Versicherers nämlich auf die Deckung von Sachschäden sowie solchen Vermögensschäden, die durch einen derartigen Sachschaden entstanden seien. Ein „Nichterfüllungsschaden“ liege hier nicht vor. Vielmehr resultierten die Schäden aus einem versicherten Haftschaden und seien daher von der festzustellenden Deckungspflicht der beklagten Haftpflichtversicherung erfasst.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Der Beurteilung, die M-GmbH sei geschädigte „Dritte“ im Sinn des § 149 VersVG, trat es mit folgender Begründung bei:

Die M-GmbH sei weder Versicherungsnehmer noch Mitversicherungsnehmer des Versicherungsvertrags. Sie sei vielmehr eine mitversicherte Person. Soweit die Beklagte davon ausgehe, die M-GmbH sei Mitversicherungsnehmer, sei die Berufung nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgegangen werde. Gemäß § 149 VersVG sei der Haftpflichtversicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser auf Grund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken habe. Wer als „Dritter“ im Sinn dieser Bestimmung anzusehen sei, werde im VersVG nicht näher definiert. Soweit für das Berufungsgericht überblickbar gebe es auch keine jüngere höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem im Wesentlichen gleichgelagerten Sachverhalt. Nach der zu § 149 VersVG ergangenen Entscheidung 7 Ob 53/77 (RIS-Justiz RS0081034; VersR 1978, 727) sei geschädigter Dritter jede nicht mit dem Versicherungsnehmer identische Person, die gegen den Versicherungsnehmer Schadenersatzansprüche erhebe. Es müsse sich also um eine Person handeln, die einen in den Bereich des Vertrags fallenden Anspruch gegen den Versicherungsnehmer habe. Nach diesem Rechtssatz sei die M-GmbH als geschädigter „Dritter“ im Sinn des § 149 VersVG anzusehen, weil sie nicht mit dem Versicherungsnehmer (der Klägerin) identisch sei.

Die Ausführungen in der Entscheidung 7 Ob 47/86, die zwischen den Bestimmungen der §§ 67 und 149 VersVG nicht differenzierten, könnten hingegen dahin verstanden werden, dass geschädigter Dritter auch nach § 149 VersVG (also nicht nur nach § 67 VersVG) jede vom Versicherungsnehmer und (Mit-)Versicherten verschiedene Person sei, sodass die M-GmbH als Mitversicherter nicht „Dritter“ im Sinn des § 149 VersVG wäre. Einer solchen Auffassung könne sich das Berufungsgericht aber nicht anschließen. Dagegen sprächen auch die vom Obersten Gerichtshof zu 7 Ob 47/86 zitierten Entscheidungen (SZ 34/75, SZ 52/112 und SZ 53/151), die jeweils die Frage behandelten, wer als „Dritter“ im Sinn des § 67 VersVG (und nicht des § 149 VersVG) anzusehen sei. Dass „Dritter“ im Sinn des § 67 Abs 1 VersVG jeder sei, der nicht Versicherungsnehmer oder Versicherter sei, entspreche der herrschenden Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0081376; RS0080632).

Für die Beurteilung, dass (im Unterschied zu § 67 Abs 1 VersVG) „Dritter“ nach § 149 VersVG jede nicht mit dem Versicherungsnehmer identische Person, somit auch der Versicherte und der Mitversicherte sei, sprächen auch die Lehrmeinungen zu dieser Frage. Dagegen spreche auch nicht die Argumentation der Beklagten, dass mit dem Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag eine Versicherung für fremde Rechnung im Sinn des § 74 VersVG bezüglich der M-GmbH vorliege. Eine solche Versicherung habe nämlich hinsichtlich § 67 VersVG, nicht aber hinsichtlich § 149 VersVG zur Folge, dass der Versicherte nicht als „Dritter“ anzusehen sei.

Das Erstgericht habe auch richtig erkannt, dass ein Haftungsausschluss weder aus Art 7 noch aus Art 10 AHVB abzuleiten sei. Fuchs/Grigg/Schwarzinger (in AHVB 2005 und EHVB 2005, 186 f) führten zu Art 7 Z 6 aus, dass kein Versicherungsschutz für Schäden bestehe, die dem Versicherungsnehmer (den Versicherungsnehmern) selbst zugefügt würden. Es entspreche dem Wesen der Haftpflichtversicherung, dass Schäden, die dem Versicherungsnehmer selbst zugefügt würden, nicht mitversichert seien, weil es an einem geschädigten Dritten mangle. Hingegen stünden Ansprüche der Versicherten gegen den Versicherungsnehmer sowie Ansprüche der Versicherten untereinander grundsätzlich unter Versicherungsschutz. Zu Art 10 AHVB führten diese Autoren (aaO 210) sinngemäß aus, der Versicherungsschutz in der Haftpflichtversicherung erstrecke sich oft nicht nur auf den Versicherungsnehmer selbst, sondern auch auf andere Personen (Mitversicherte), deren Schutz in seinem wirtschaftlichen Interesse gelegen oder ihm gesetzlich auferlegt sei. Man nenne dies Versicherung auf fremde Rechnung. Ihre Rechtsstellung sei - im Vergleich zu der des Versicherungsnehmers - stark eingeschränkt, da nur dieser die Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausüben dürfe, für die Erfüllung der Obliegenheiten seien jene aber im gleichen Umfang wie er verantwortlich. Beim Umfang ihres Versicherungsschutzes (zB Versicherungssumme, Selbstbehalt örtlicher Geltungsbereich) seien sie dem Versicherungsnehmer gleichgestellt, es träfen sie aber auch alle Einschränkungen, die in den Bedingungen für den Versicherungsnehmer vorgesehen seien, also insbesondere die Ausschlüsse gemäß Art 7 AHVB. Für die Ansprüche untereinander hätten folgende Regeln zu gelten:

Ausgeschlossen seien die Ansprüche zwischen mehreren Versicherungsnehmern derselben Polizze; ausgeschlossen seien aber auch die Ansprüche eines Versicherungsnehmers gegen Mitversicherte derselben Polizze, da in einer Haftpflichtversicherung der Versicherungsnehmer nie „geschädigter Dritter“ sein könne; versichert seien hingegen die Ansprüche der Mitversicherten untereinander; ebenso versichert seien Ansprüche der Mitversicherten gegen den (die) Versicherungsnehmer. Es ergebe sich somit, dass hier - entgegen den Berufungsausführungen - kein Fall eines Risikoausschlusses nach den Art 7 und 10 AHVB gegeben sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil es zur Frage, wer als „Dritter“ im Sinn des § 149 VersVG anzusehen sei, lediglich die beiden zitierten Entscheidungen (7 Ob 53/77 und 7 Ob 47/86) gebe, die sich hinsichtlich dieser Begriffsbestimmung - „zumindest vom Wortlaut her“ - nicht deckten.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revision zurückzuweisen oder ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist - zur Klarstellung - zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Revisionsausführungen der Beklagten sind nicht stichhältig, die damit bekämpfte (zusammengefasst wiedergegebene) Begründung der angefochtenen Entscheidung ist hingegen in allen Streitpunkten - sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung - zutreffend. Gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO reicht es daher aus, auf die Richtigkeit der Ausführungen des Gerichts zweiter Instanz hinzuweisen und lediglich zu den Einwänden der Revisionswerberin Stellung zu nehmen.

Vorweg ist festzuhalten, dass die Beklagte von den - in der Revision nicht mehr angreifbaren - Feststellungen der Tatsacheninstanzen abweicht, wenn sie davon ausgeht, die M-GmbH sei auch Versicherungsnehmerin oder als solche zu behandeln gewesen, weil sich dies aus Art 10 AHVB 2003 ergebe. Die genannte Bestimmung regelt nämlich - schon nach ihrer Überschrift - lediglich die „Rechtsstellung der am Vertrag beteiligten Personen“, also der Streitparteien. Mit den nicht dem Gesetz entsprechenden Ausführungen, die nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehen, hat sich der Oberste Gerichtshof nicht weiter zu befassen (7 Ob 233/11g mwN; RIS-Justiz RS0043603; RS0043312; 10 ObS 60/11p). Das gilt auch für den Hinweis auf die deutsche Lehre und Judikatur zu den Ansprüchen eines Mitversicherungsnehmers gegen den Versicherungsnehmer (und zur „Cross-Liability-Klausel“).

Gegenstand des Revisionsverfahrens sind allein die Rechtsfragen, ob die Klägerin als Versicherungsnehmer auch dann Versicherungsschutz genießt, wenn die im selben Haftpflichtversicherungsvertrag mitversicherte M-GmbH geschädigt wird und ob sich die Klägerin Deckungsausschlüsse, die in der Person des Mitversicherten verwirklicht sind, zurechnen lassen muss. Wie auch die Revision festhält, kommt es also darauf an, ob die mitversicherte M-GmbH insoweit als geschädigter „Dritter“ im Sinn des § 149 VersVG anzusehen ist.

Entgegen dem Standpunkt der Revisionswerberin wurde diese Frage von den Vorinstanzen jedoch im Einklang mit den Grundsätzen ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre beantwortet.

Da der - zum Dreiecksverhältnis gehörende - „Dritte“ ein Begriffsmerkmal des § 149 VersVG ist, kann dann, wenn Geschädigter und Versicherungsnehmer identisch sind, begrifflich von einer Haftpflichtversicherung nicht gesprochen werden (RIS-Justiz RS0081033). Nach den zur zitierten Bestimmung vorliegenden Rechtssätzen ist geschädigter Dritter also „jede nicht mit dem Versicherungsnehmer identische Person, die gegen den Versicherungsnehmer Schadenersatzansprüche erhebt“ (RIS-Justiz RS0081034 iVm RS0081033). Davon wurde auch zu 7 Ob 47/86 nicht abgegangen, weil dort gar nicht zu beantworten war, wer - im Gegensatz dazu - als „Dritter im Sinn des § 67 Abs 1 VersVG“ (vgl RIS-Justiz RS0081376; RS0080632) anzusehen ist.

Hier ist allein maßgebend, ob und inwieweit jene Person, die einen Haftpflichtanspruch geltend macht, einem Personenkreis angehört, der identisch mit jenem ist, dem gegenüber ein Schadenersatzanspruch behauptet wird. Geschädigter Dritter im Sinn des § 149 VersVG ist aber - wie bereits ausgeführt - jede vom Versicherungsnehmer verschiedene Person, somit auch der Mitversicherte. Diese Ansicht wird nicht nur in der Rechtsprechung, sondern auch in der Lehre einhellig vertreten.

So führt Baumann (in Honsell [Hrsg] Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 67 Rn 51 mwN) aus, dass als Dritte gemäß § 67 VersVG all jene angesehen werden, die weder Versicherungsnehmer noch Versicherte des betreffenden Versicherungsverhältnisses sind; während Dritter gemäß § 149 VersVG jede nicht mit dem Versicherungsnehmer identische Person ist, die gegen den Versicherungsnehmer in den Schutzbereich des Versicherungsvertrags fallende (Schadenersatz-)Ansprüche hat oder geltend macht (Baumann aaO § 149 Rn 115 und 118).

Auch Prölss in Prölss/Martin 27 bezeichnet als Dritten im Sinn des § 67 VVG grundsätzlich jeden, der nicht Versicherungsnehmer oder Versicherter ist (aaO § 67 VVG Rn 12); Dritter im Sinn des § 149 VVG ist hingegen, wer gegen den Versicherungsnehmer einen in den Bereich des Versicherungsvertrags fallenden Haftpflichtanspruch hat oder erhebt (Voit/Knappmann in Prölss/Martin 27 § 149 VVG Rn 18).

Lorenz (in Heiss/Lorenz, VersVG2, § 149 Rz 57) führt zu § 149 VersVG ebenfalls aus, geschädigter Dritter sei jede nicht mit dem Versicherungsnehmer identische Person, die gegen den Versicherungsnehmer Schadenersatzansprüche erhebe; während er zu § 67 VersVG darlegt (aaO § 67 VersVG Rz 36 bis 38), dass „Dritter“ im Sinn des § 67 VersVG jeder sei, der nicht Versicherungsnehmer oder Versicherter sei. Daher gingen Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen einen „Dritten“, der selbst Mitversicherter aus dem betreffenden Versicherungsvertrag sei, nicht auf den Versicherer über. Diese Gleichstellung des Versicherten mit dem Versicherungsnehmer auch im Lichte von § 67 VersVG ergebe sich aus § 75 Abs 1 VersVG.

Die dargelegte Differenzierung zwischen den beiden Bestimmungen ist aus ihrem unterschiedlichen Regelungsinhalt abzuleiten:

§ 67 Abs 1 VersVG normiert, dass ein dem Versicherungsnehmer gegen einen Dritten zustehender Schadenersatzanspruch „auf den Versicherer übergeht, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt“. Der Übergang von Ersatzansprüchen des Versicherungsnehmers gegen den Dritten auf den Versicherer soll eine Entlastung des nicht versicherten Schädigers verhindern. Ein Mitversicherter, dessen Interesse ebenfalls versichert ist, kann somit nicht Dritter im Sinn des § 67 VersVG sein. Gegen den unter Versicherungsschutz stehenden Mitversicherten ist ein Regress daher ebenso ausgeschlossen wie gegen den Versicherungsnehmer. Nach § 67 Abs 2 VersVG ist der Übergang sogar dann ausgeschlossen, wenn sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen bestimmte Familienangehörige richtet (vgl RIS-Justiz RS0126554).

Die hier anzuwendende Bestimmung des § 149 VersVGverpflichtet“ hingegen den Versicherer bei der Haftpflichtversicherung, „dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser auf Grund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat“. Sie regelt also die Leistungspflicht des (Haftpflicht-)Versicherers. Seine Ersatzpflicht ist auf die Leistungspflicht des Versicherungsnehmers (Schädiger) bezogen, die dieser auf Grund seiner Verantwortlichkeit für eine bestimmte Tatsache an einen Dritten (Geschädigter) zu bewirken hat.

Nach dem Prinzip der Haftpflichtversicherung, das in der Befreiung des Versicherungsnehmers von begründeten und in der Abwehr von unbegründeten Haftpflichtansprüchen schadenersatzberechtigter Dritter besteht (7 Ob 62/82, SZ 56/66; RIS-Justiz RS0080430; RS0080384; 7 Ob 241/10g), erhält der Versicherungsnehmer bei Eigenschädigung aus seiner Haftpflichtversicherung keine Deckung.

Maßgeblich im Sinn des § 149 VersVG ist somit, dass der schädigende „Versicherungsnehmer“ und der „geschädigte Dritte“ nicht identisch sind, weil der Versicherungsnehmer nicht Ersatz für selbst zugefügte Schäden vom Haftpflichtversicherer erlangen kann. Dass diese Voraussetzung vorliegt, steht fest. Es ist aber auch den Versicherungsbedingungen kein Deckungsausschluss für den hier strittigen Schaden zu entnehmen: Der Ausschluss nach Art 7 Punkt 6.1. bis 6.4. AHVB 2003 ist nämlich nur für Schäden vorgesehen, die dem Versicherungsnehmer selbst und bestimmten ihm nahe stehenden Personen zugefügt werden; Mitversicherte werden dort nicht genannt.

Aus der „Bedingungslage nach den geltenden AHVB/EHVB 2003“, auf die sich die Revision ausdrücklich beruft, ist daher ebenfalls nicht abzuleiten, dass die M-GmbH kein „geschädigter Dritter“ sein könne. „Mitversicherte“ werden in dieser Ausschlussklausel jedenfalls nicht erwähnt; der Standpunkt, dies beruhe lediglich darauf, dass sie von § 149 VersVG ohnehin nicht als „Dritte“ erfasst seien, ist nicht nur - wie bereits dargelegt - unrichtig, sondern auch dadurch klar widerlegt, dass der Versicherungsnehmer selbst sehr wohl in der Risikoausschlussklausel als eine der Personen ohne Versicherungsschutz für ihnen zugefügte Schäden genannt wird (Art 7 Punkt 6.1. AHVB 2003).

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch dargelegt, dass die bezüglich der M-GmbH vorliegende „Versicherung für fremde Rechnung“ im Sinn des § 74 VersVG lediglich in Bezug auf die - hier nicht maßgebende - Anwendung des § 67 VersVG (nicht aber hinsichtlich der Bestimmung des § 149 VersVG) zur Folge hätte, dass Mitversicherte nicht als „Dritte“ anzusehen, sondern dem Versicherungsnehmer gleichzuhalten wären (4 Ob 146/10i; 2 Ob 112/10z; 7 Ob 27/91, SZ 64/140; RIS-Justiz RS0081312; RS0081376; RS0080632; Schauer, Das Österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 165). Die Ersatzansprüche der M-GmbH als Mitversicherte gegen die Versicherungsnehmerin (Klägerin) waren somit auf Grund des Versicherungsvertrags zwischen den Streitteilen haftpflichtversichert. Daran konnten auch die Risikoausschlüsse nach Art 7 iVm Art 10 AHVB 2003 nichts ändern.

Die Revision ist daher nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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