OGH 7Ob241/10g

OGH7Ob241/10g30.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** AG *****, vertreten durch Maxwald - Bauer Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei G***** AG, *****, vertreten durch Dr. Peter Lindinger und Dr. Andreas Prammer, Rechtsanwälte in Linz, wegen 70.329,63 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 16. September 2010, GZ 2 R 24/10b-19, womit das Urteil des Landesgerichts Linz vom 26. November 2009, GZ 62 Cg 9/09a-13, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.017,26 EUR (darin enthalten 336,21 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die E***** AG (in der Folge: E*****) wurde vom Werkbesteller anlässlich des Umbaus eines Einkaufszentrums mit der Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten beauftragt. Sie gab diese Arbeiten an die E***** KEG (in der Folge: EI*****) als Subunternehmerin weiter. Im Zuge der Auftragsausführung verursachte die EI***** einen Wasserschaden an der Lüftungsanlage.

Die Beklagte war Betriebshaftpflichtversicherer der EI*****. Die Versicherungsnehmerin EI***** meldete den Schaden am 6. 6. 2005. Die Beklagte beauftragte die Gutachtenserstattung zu Schadensursache und -umfang. Bei der Befundaufnahme an Ort und Stelle waren die Projektleiter der E***** und EI***** anwesend. In dem Gutachten wurde die Verantwortung für den Schadenseintritt der EI***** zugewiesen und die Schadenshöhe mit 61.467,80 EUR beziffert. Als Geschädigte wurde der Werkbesteller angeführt. Die Beklagte übermittelte das Gutachten der EI*****, die es an den Generalplaner des Bauvorhabens weiterleitete. Aufgrund des Gutachtens war unter allen Beteiligten die Schadensursache und die Verantwortlichkeit der EI***** für den Schaden nicht mehr strittig. Die Projektleiter der E***** sprachen den Vertreter der EI***** immer wieder auf die Schadensmeldung und die Schadensliquidation durch ihren Haftpflichtversicherer, die Beklagte, an.

Am 27. 4. 2006 wurde der Schaden behoben. Die Rechnung über die Behebungskosten wurde vom Generalplaner auf den Betrag von 60.526 EUR gekürzt. Der Vertreter der EI***** übersandte die korrigierte Rechnung an die Beklagte. Er ersuchte den zuständigen Sachbearbeiter telefonisch um Überweisung des Rechnungsbetrags an die EI***** und verwies darauf, dass ein entsprechender Abzug von der gegenüber E***** zu legenden Schlussrechnung vorgenommen wurde. Der Sachbearbeiter der Beklagten forderte darüber eine schriftliche Bestätigung. Der Vertreter der EI***** teilte der Beklagten mit: „... Im Jahr 2005 wurde von der Firma EI***** ein Schadensfall verursacht, der von der Versicherung seitens Firma EI***** bezahlt werden muss. … Dieser Schaden wird der E***** von der Schlussrechnung abgezogen. E***** zieht den Schaden der EI***** ab. Momentan wird die Schlussrechnung von der EI***** von E***** zurückgehalten und in weiterer Folge von der Schlussrechnung abgezogen. Aufgrund dieser Situation bitte ich um Überweisung des Schadens auf das Konto der EI***** *****.“

Daraufhin überwies die Beklagte noch am selben Tag den Schadensbetrag abzüglich Selbstbehalt auf ein Konto der EI*************** per E-Mail mit dem Hinweis verständigte, dass sie davon ausgehe, dass der Schaden von EI***** an die Geschädigten korrekt beglichen worden sei.

Die EI***** leitete den ihr von der Beklagten überwiesenen Betrag nicht weiter. In der Folge ergaben sich zwischen der EI***** und der E***** Differenzen bezüglich der Abrechnung der Werkvertragsleistungen. Der Vertreter der EI***** teilte dem Vertreter der E***** nicht mit, dass die EI***** ********** im Herbst 2008 in Erfahrung brachte, dass die Beklagte die Versicherungsleistung bereits an die EI***** ausbezahlt hat, meldete sie den Schaden an ihren Betriebshaftpflichtversicherer, die Klägerin, die der E***** den Schaden abzüglich Selbstbehalt ersetzte. Die Klägerin forderte von der Beklagten Zahlung, die diese jedoch unter Hinweis auf die bereits an die EI***** geleistete Zahlung ablehnte.

Am 16. 2. 2007 wurde über das Vermögen der EI***** das Konkursverfahren eröffnet. Die Klägerin meldete die aus dem Wasserschaden resultierende Ersatzforderung der E***** gegen die Gemeinschuldnerin im Umfang der erbrachten Versicherungsleistung, die gemäß § 67 VersVG auf sie übergegangen sei, als Konkursforderung mit einen Betrag von 59.072,54 EUR an, die jedoch von der Masseverwalterin bestritten wurde. Im Prüfungsprozess, dem die Beklagte als Nebenintervenientin auf Seiten der Masseverwalterin beitrat, wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 16. 1. 2008 festgestellt, dass der Klägerin im Konkurs der EI***** eine Konkursforderung in dieser Höhe zustehe. Die Klägerin führte zur Hereinbringung ihrer Forderung Exekution nach § 294 EO durch Pfändung und Überweisung des Deckungsanspruchs der EI***** aus der bei der Beklagten abgeschlossenen Betriebshaftpflichtversicherung im Hinblick auf die abgesonderte Befriedigung nach § 157 VersVG. Die Beklagte bestritt das Bestehen der gepfändeten Forderung mit der Begründung, dass sie die Versicherungsleistung bereits erbracht habe.

Es kann nicht festgestellt werden, dass von Vertretern der E***** gegenüber Vertretern der EI***** ein Einverständnis zur Vereinnahmung der Versicherungsleistung gegeben worden wäre.

Die Klägerin begehrt - soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist - mittels Drittschuldnerklage die Bezahlung der gepfändeten und überwiesenen Forderung der EI***** als Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte als Haftpflichtversicherer. Die Ansprüche der E***** gegen die EI***** seien auf sie infolge Zahlung gemäß § 67 Abs 1 VersVG übergegangen. Sie sei geschädigte Dritte nach § 156 Abs 1 VersVG, weshalb ihr gegenüber die Auszahlung der Entschädigungsleistung durch die Beklagte an die EI***** unwirksam sei. Die EI***** habe die Zahlung behalten, was dem Verfügungsverbot des § 156 Abs 1 VersVG widerspreche. Die Beklagte hätte schuldbefreiend nur an den geschädigten Dritten, das sei die E*****, zahlen können. Es sei keine Aufrechnungsvereinbarung zwischen den Vertretern der E***** und der EI***** getroffen worden. Die Vertreter der E***** seien zu keinem Zeitpunkt mit einer Auszahlung der Versicherungssumme an die EI***** einverstanden gewesen. Zwischen der E***** und der Beklagten habe es keinerlei Kontakte gegeben. Der versicherungsrechtliche Befreiungsanspruch wandle sich nicht schon durch ein Anerkenntnis des Versicherungsnehmers, sondern erst mit der Befriedigung des Geschädigten in einen Zahlungsanspruch. Der Geschädigte sei nicht verpflichtet, sich um eine Direktzahlung der Versicherungsleistung an ihn zu bemühen.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Die Entschädigungssumme sei aufgrund der entsprechenden Mitteilung, dass die E***** den durch die EI***** anerkannten Schadensbetrag von deren bereits gelegter Teilschlussrechnung in Abzug bringe, an die EI***** ausbezahlt worden. Von dieser Vereinbarung habe die E***** später nichts mehr wissen wollen, als sich herausgestellt habe, dass die Werklohnforderung der EI***** (zumindest nach Ansicht der E*****) dafür nicht ausreiche und als in der Folge das Konkursverfahren über das Vermögen der EI***** eröffnet worden sei. Weder die E***** noch die Werkbestellerin hätten jemals Kontakt zur Beklagten aufgenommen, um eine Direktzahlung der Versicherungsleistung zu erhalten. Die E***** habe einer Auszahlung an die EI***** ausdrücklich zugestimmt, indem zwischen den Vertretern der E***** und der EI***** besprochen worden sei, dass die Versicherungssumme an die E***** weiterzuleiten sei, sobald sie von der Beklagten ausbezahlt worden sei. Da die Versicherungsnehmerin mit Zustimmung der Beklagten den Schaden anerkannt habe, habe sich der versicherungsrechtliche Befreiungsanspruch der EI***** bereits in einen Zahlungsanspruch umgewandelt, sodass die Beklagte gemäß § 154 Abs 1 VersVG verpflichtet gewesen sei, die Entschädigung binnen zwei Wochen zu leisten. Im Hinblick auf § 156 Abs 2 VersVG habe mangels eines entsprechenden Verlangens der EI***** keine Verpflichtung bestanden, direkt an den Geschädigten zu zahlen. Dazu wäre die Beklagte nur nach vorheriger Benachrichtigung der EI***** berechtigt gewesen. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, Nachforschungen darüber anzustellen, wer nun eigentlich den Schaden getragen habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - in dem für das Revisionsverfahren noch relevanten Umfang - statt. Die Aufrechnungsvereinbarung sei nicht nachgewiesen worden. Der Versicherungsnehmer habe nur dann gegenüber dem Haftpflichtversicherer einen Zahlungsanspruch, wenn er die Ansprüche des Geschädigten befriedigt habe. Nach den Intentionen des § 156 Abs 1 und 2 VersVG sei eine Zahlung an den Versicherungsnehmer vor erfolgter Befriedigung des Geschädigten nur dann zulässig, wenn ihr der Geschädigte ausdrücklich zugestimmt habe, was hier nicht der Fall sei. Da für die Beklagte im Zeitpunkt der Auszahlung die Person des Geschädigten nicht festgestanden sei, habe sie umso weniger auf die Angaben der EI***** über eine angebliche Schadenstragung vertrauen dürfen. Die Beklagte habe zwar keine Verpflichtung zu Nachforschungen über die Person des Geschädigten gehabt, sie hätte aber von der EI***** den Nachweis der Befriedigung des Geschädigten oder die Bekanntgabe dessen Person verlangen und ihre Leistung bis dahin zurückhalten müssen. Die Vertreter der EI***** hätten bloß eine künftige Aufrechnung angekündigt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Dem Versicherungsnehmer stehe gegenüber seinem Haftpflichtversicherer grundsätzlich nur ein Befreiungs- und Rechtsschutzanspruch, aber kein Zahlungsanspruch zu. Wenn ein Dritter berechtigte, vom Versicherungsvertrag gedeckte Schadenersatzforderungen gegen den Versicherungsnehmer erhebe, könne letzterer nur die Zahlung des Versicherers an den Dritten, nicht jedoch an sich selbst verlangen. Zur Zahlung an den Versicherungsnehmer sei der Versicherer weder verpflichtet noch berechtigt, es sei denn, der Geschädigte sei damit einverstanden oder der Befreiungsanspruch habe sich ausnahmsweise in einen Zahlungsanspruch umgewandelt, weil der Versicherungsnehmer befugterweise den geschädigten Dritten befriedigt habe. Im vorliegenden Fall sei es zu keiner Umwandlung des Befreiungsanspruchs der EI***** in einen Zahlungsanspruch gekommen, weil sie den Schaden nicht ersetzt habe. Ein Einverständnis des Geschädigten zu einer Zahlung an den Versicherungsnehmer liege nicht vor. Der Werkbesteller habe auch nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten keine solche Zustimmung erteilt. Selbst wenn zwischen den Vertretern der E***** und der EI***** vereinbart worden wäre - wie die Beklagte behaupte -, der Schaden solle durch einen Abzug von der Teilschlussrechnung der EI***** beglichen werden, könnte darin mangels Bezugnahme auf das Haftpflichtversicherungsverhältnis zwischen der EI***** und der Beklagten weder eine ausdrückliche noch eine die Kriterien des § 863 ABGB erfüllende konkludente Willenserklärung der E***** dahin erblickt werden, dass sie einer dem Rechnungsabzug vorangehenden Auszahlung der Beklagten an die EI***** zustimme. Auch aus der Behauptung, die Vertreter der E***** hätten den Vertreter der EI***** aufgefordert, die Versicherungsleistung im Falle ihres Erhalts an sie weiterzuleiten, könne eine dezidierte Zustimmung zur Auszahlung der Entschädigungsleistung an die Versicherungsnehmerin nicht abgeleitet werden. Mangels Einverständnisses seien die Verfügungen der EI***** gemäß § 156 Abs 1 VersVG unwirksam. Dem geschädigten Dritten stünden keine Direktansprüche gegen den Versicherer zu, weshalb er nicht verpflichtet sei, sich an den Versicherer zu wenden.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege, welche explizit dazu Stellung nehme, ob eine vor Befriedigung des Geschädigten und ohne dessen Zustimmung erfolgte Auszahlung der Versicherungsleistung an den Versicherungsnehmer den Haftpflichtversicherer gegenüber dem Geschädigten von seiner Deckungspflicht befreie.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Der Versicherer hat die Entschädigung binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an zu leisten, in welchem der Dritte vom Versicherungsnehmer befriedigt oder der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist (§ 154 Abs 1 VersVG). Verfügungen über die Entschädigungsforderung aus dem Versicherungsverhältnis sind dem Dritten gegenüber unwirksam (§ 156 Abs 1 VersVG). Ist die vom Versicherungsnehmer an den Dritten zu bewirkende Leistung durch Vergleich, Anerkenntnis oder Urteil festgestellt, so ist der Versicherer nach vorheriger Benachrichtigung des Versicherungsnehmers berechtigt und auf Verlangen des Versicherungsnehmers verpflichtet, die Zahlung an den Dritten zu bewirken (§ 156 Abs 2 VersVG).

Der Versicherungsanspruch in der Haftpflichtversicherung ist auf die Befreiung von begründeten und die Abwehr von unbegründeten Haftpflichtansprüchen gerichtet. Unbeschadet dieser beiden Komponenten (Befreiungs- und Rechtsschutzanspruch) handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch des Versicherungsnehmers, der in dem Zeitpunkt fällig wird, in dem der Versicherungsnehmer von einem Dritten auf Schadenersatz wegen eines unter das versicherte Risiko fallenden Ereignisses in Anspruch genommen wird, unabhängig davon, ob die Haftpflichtforderung begründet ist, weil Versicherungsschutz auch die Abwehr unberechtigter Ansprüche in sich schließt (7 Ob 84/08s, RIS-Justiz RS0080384, RS0081228, RS0080013, RS0080086). Der Anspruch auf Befreiung ist darauf gerichtet, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer durch Leistung an den Geschädigten von seiner Schadenersatzpflicht befreit (Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht³, 402). Der Befreiungsanspruch des Versicherungsnehmers wandelt sich gemäß § 154 Abs 1 VersVG nur dann in einen Zahlungsanspruch, wenn der Versicherungsnehmer den Dritten befriedigt oder der Anspruch des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder Vergleich festgestellt worden ist (7 Ob 84/08s; RIS-Justiz RS0080603, RS0080609; Langheid in Römer/Langheid VVG², § 154 Rn 5f). Ein Anerkenntnis im Sinn des § 154 VersVG ist jede Handlung oder Äußerung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Geschädigten, aus dem sich das Bewusstsein vom Bestehen eines Anspruchs unzweideutig ergibt (RIS-Justiz RS0080612). Für die Annahme eines Anerkenntnisses im Sinn des § 154 Abs 1 VersVG genügt ein deklaratorisches (Voit/Knappmann in Prölss/Martin, VVG27, § 154 Rn 10; Langheid aaO § 154 VVG Rn 11).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde der Schadenersatzanspruch der EI***** im Einverständnis mit der Beklagten von der Versicherungsnehmerin anerkannt. Grundsätzlich hat sich daher der Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch nach § 154 Abs 1 VersVG gewandelt.

§ 154 Abs 1 VersVG enthält keine Vorschriften über das Fälligwerden des einheitlichen Deckungsanspruchs aus der Haftpflichtversicherung, sondern ordnet an, wann der primär gar nicht auf eine Geldleistung gerichtete Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch übergeht (RIS-Justiz RS0080609). In § 154 Abs 1 VersVG ist allerdings nicht geregelt, an wen die Zahlung zu leisten ist. In dieser Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass sich aus den Intentionen des VersVG ergibt, dass der Geschädigte bei der Haftpflichtversicherung besonders geschützt sein soll. Verfügungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder der einstweiligen Verfügung erfolgen, stehen den rechtsgeschäftlichen Verfügungen gleich, was ihre Unwirksamkeit dem Dritten gegenüber betrifft (§ 156 Abs 1 zweiter Satz VersVG). Ist über das Vermögen des Versicherungsnehmers der Konkurs eröffnet, so kann der Dritte wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers verlangen (§ 157 VersVG).

Zwar hat der Dritte - mit Ausnahme der Kfz-Haftpflichtversicherung - gegen den Versicherer keinen direkten Anspruch, sondern ist auf einen Schadenersatzanspruch gegen den Versicherungsnehmer beschränkt. Er kann aber zur Hereinbringung der Schadenersatzforderung im Exekutionsverfahren diesen Anspruch pfänden und sich überweisen lassen. Dieser wandelt sich dadurch jedenfalls in einen Geldanspruch um. Der Geschädigte kann dann vom Versicherer unmittelbar Ersatz verlangen. Er tritt dabei in die Rechtsstellung des Versicherungsnehmers ein (Schauer aaO 410 mwN). Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Versicherungsnehmer bei berechtigten Haftpflichtforderungen eines Dritten nur Zahlung des Versicherers an diesen Dritten, nicht aber an sich selbst verlangen kann (7 Ob 84/08s; RIS-Justiz RS0065814). Einen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung an sich selbst hat der Versicherungsnehmer nämlich nur dann, wenn er die Ansprüche des geschädigten Dritten durch Erfüllungshandlungen befriedigt hat. Auch bei Feststellung der Haftpflichtansprüche des Dritten durch rechtskräftiges Urteil, durch Anerkenntnis oder Vergleich kann der Versicherungsnehmer, soweit der Dritte nicht bereits durch ihn befriedigt wurde, nur Zahlung an den Dritten, nicht aber an sich selbst verlangen (7 Ob 84/08s).

Verfügung im Sinn des § 156 VersVG, die dem Geschädigten gegenüber unwirksam ist, ist jede Handlung, die unmittelbar auf Änderung, Übertragung, Belastung oder Vernichtung der Entschädigungsforderung gerichtet ist. Dazu gehört die Entgegennahme der Entschädigung durch den Versicherungsnehmer (Voit/Knappmann aaO § 156 VersVG, Rn 4 mwN; Baumann in BK, § 156 VersVG Rn 9). Im Hinblick auf den dargestellten Zweck der Gesetzeslage, den Geschädigten besonders zu schützen und sicherzustellen, dass ihm die Versicherungsleistung tatsächlich zukommt, kann sie nur so ausgelegt werden, dass sich zwar mit dem Anerkenntnis des Schadens (mit Urteil, Vergleich) der Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch wandelt, dass aber der Haftpflichtversicherer grundsätzlich weder verpflichtet noch auch berechtigt ist, zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit an den Versicherungsnehmer selbst zu zahlen (RIS-Justiz RS0081040 [wobei sich die Leitentscheidung 7 Ob 39/83 auf einen Kraftfahrzeugversicherungsfall bei nicht vergleichbarer Gesetzeslage bezieht und der Rechtssatz von der Entscheidung 7 Ob 23/88 nicht gedeckt ist]; Voit/Knappmann aaO § 149 Rn 2; Baumann aaO § 149 VVG Rn 15; Langheid aaO § 156 Rn 9), was sich bereits als Umkehrschluss aus der vorhin dargelegten bisherigen Judikatur (vgl 7 Ob 84/08s; RIS-Justiz RS0065814) zu den Forderungsrechten des Versicherungsnehmers ergibt.

Dies hat - entgegen der Meinung der Beklagten - nicht zur Folge, dass dem Versicherer aufgebürdet wird, den geschädigten Dritten selbst ausfindig zu machen. Es ist vielmehr Sache des Versicherungsnehmers, diesen dem Versicherer zu präsentieren. An den Versicherungsnehmer selbst ist jedoch der Versicherer nur zur Zahlung berechtigt und verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer dem Geschädigten den Schaden selbst ersetzt hat oder wenn der Geschädigte der Auszahlung der Versicherungsleistung an den Versicherungsnehmer zustimmt (RIS-Justiz RS0080766). Die rechtsvernichtende Tatsache der Zustimmung muss der Versicherer behaupten und beweisen. Das non liquet (wie hier) geht daher zu Lasten der Beklagten. Aber auch aus ihrem eigenen Vorbringen lässt sich eine Zustimmung des Geschädigten zur Auszahlung der Versicherungsleistung direkt an den Versicherungsnehmer nicht ableiten. Lediglich - vom Versicherungsnehmer behauptete - Gespräche des Versicherungsnehmers mit dem Geschädigten über eine künftige Verrechnung können keinesfalls als Zustimmungserklärung zur Auszahlung an den Versicherungsnehmer und damit zur Übernahme des hier schlagend gewordenen Insolvenzrisikos interpretiert werden.

Der Vollständigkeit halber wird im Hinblick auf die Revisionsausführungen auch noch darauf hingewiesen, dass die Bindungswirkung des Haftpflichtprozesses dem Versicherer gegenüber, der - wie hier - am Prozess beteiligt war (oder vergeblich zur Intervention aufgefordert worden ist), zu Recht bejaht wurde (RIS-Justiz RS0041315).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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