Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Dem Minderjährigen wurden mit Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 15. 7. 2009 Unterhaltsvorschüsse gemäß den §§ 3, 4 Z 1 UVG für den Zeitraum 1. 2. 2009 bis 31. 1. 2012 in Höhe von 165 EUR monatlich bewilligt.
Der Magistrat der Stadt Wien (Amt für Jugend und Familie) beantragte in Vertretung des Minderjährigen beim Bezirksgericht Leopoldstadt zu AZ 32 Pu 141/09g den Unterhalt ab 1. 2. 2010 auf 215 EUR monatlich zu erhöhen (ON 173). Noch vor Abschluss dieses Verfahrens wurde am 3. 2. 2011 beim Bezirksgericht Donaustadt zu AZ 13 S 5/11d über den unterhaltspflichtigen Vater das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet (ON 207).
Der Magistrat der Stadt Wien (Amt für Jugend und Familie) meldete in Vertretung des Minderjährigen im Schuldenregulierungsverfahren eine nicht titulierte gesetzliche Unterhaltsforderung von 650 EUR für den Zeitraum 1. 2. 2010 bis 3. 2. 2011 als Insolvenzforderung an; weiters eine vollstreckbare Forderung von 4.438,27 EUR an rückständigem gesetzlichem Unterhalt für den Zeitraum 15. 9. 2003 bis 3. 2. 2011.
In der Tagsatzung vom 19. 4. 2011 anerkannte der Vater des Minderjährigen die angemeldete Forderung von 650 EUR. Der entsprechende Auszug aus dem Anmeldungsverzeichnis wurde rechtskräftig und vollstreckbar.
Die Höhe der Gesamtforderungen betrug laut dem Protokoll über die Abstimmung über den Zahlungsplan 58.692,40 EUR (ON 216).
Nachdem dem Zahlungsplan die Bestätigung versagt worden war, wurde am 28. 6. 2011 das Abschöpfungsverfahren eingeleitet (ON 220, AS 325).
Mit Beschluss vom 21. 7. 2011 erhöhte das Erstgericht die monatlichen Unterhaltsvorschüsse gemäß § 19 Abs 2 UVG für die Zeit vom 1. 2. 2010 bis 28. 2. 2011 von 165 EUR auf monatlich 215 EUR mit der Begründung, dass der Vater seine Unterhaltspflicht in diesem Ausmaß anerkannt habe (ON 221).
In seinem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs brachte der Vater vor, infolge seines niedrigen Einkommens nicht in der Lage zu sein, den Erhöhungsbetrag zu leisten. Er „habe noch ein Abschöpfungsverfahren von 76 EUR monatlich“, sei aber bereit, für seinen Sohn 165 EUR an monatlichem Unterhalt zu bezahlen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge. Es bestätigte die Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse um monatlich 5 EUR auf monatlich 170 EUR im Zeitraum von 1. 2. 2010 bis 28. 2. 2011 und änderte den erstgerichtlichen Beschluss im Übrigen dahin ab, dass es den Antrag auf Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse in diesem Zeitraum um weitere 45 EUR monatlich abwies.
Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, dass das über den Erhöhungsantrag (ON 173) anhängige Unterhaltsverfahren ab Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens unterbrochen sei. Das rechtskräftig und vollstreckbar erklärte Anmeldungsverzeichnis stelle einen Exekutionstitel über einen Unterhaltserhöhungsbetrag von 50 EUR monatlich für den Zeitraum Februar 2010 bis inklusive Februar 2011 im Gesamtbetrag von 650 EUR dar. Über die weitere Berechtigung dieses Unterhaltsbetrags sei kein Beweisverfahren durchzuführen. Aufgrund der aktenmäßigen Ergebnisse des Schuldenregulierungsverfahrens - nämlich der Ablehnung des vorgelegten Zahlungsplans und Einleitung des Abschöpfungsverfahrens mit 28. 6. 2011 ‑ sei § 7 Abs 1 Z 1 UVG heranzuziehen. Nach diesem habe das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, wenn sich aus der Aktenlage Bedenken ergeben, dass die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht nicht (mehr) besteht, oder der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist. Wenngleich der Unterhaltsschuldner im Schuldenregulierungsverfahren die Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung in dem angeführten Zeitraum anerkannt habe, könne dies nicht dazu führen, dass dem unterhaltsberechtigten Kind im Rahmen des Unterhaltsvorschussverfahrens ein höherer Betrag an rückständigen Unterhaltsbeträgen zukomme, als ihm aufgrund des Abschöpfungsverfahrens zustünde. Ein Abschöpfungsverfahren sei grundsätzlich nach sieben Jahren dann zu beenden, wenn die Insolvenzgläubiger zumindest 10 % der Forderungen erhalten haben. Der die Unterhaltserhöhung umfassende Titel sei einer Erhöhung der anzupassenden Unterhaltsvorschüsse demnach nicht in vollem Ausmaß zu Grunde zu legen, sondern lediglich im Ausmaß von 10 % der im Anmeldungsverzeichnis anerkannten monatlichen Unterhaltserhöhungsbeträge für Februar 2010 bis (inklusive) Februar 2011. Eine darüber hinausgehende weitere Erhöhung sei nicht gerechtfertigt. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage der uneingeschränkten Anwendung des § 19 Abs 1 UVG (gemeint wohl: „§ 19 Abs 2 UVG“) im Falle eines im Schuldenregulierungsverfahren erfolgten Anerkenntnisses eines Unterhaltsrückstands im Zusammenhalt mit der Einleitung des Abschöpfungsverfahrens keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehe.
Gegen diese Entscheidung und zwar, soweit der erstgerichtliche Beschluss dahin abgeändert wurde, dass der Antrag auf Erhöhung der gewährten Unterhaltsvorschüsse um weitere 45 EUR monatlich abgewiesen wurde, richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien - Amt für Jugend und Familie, mit dem Antrag, die Rekursentscheidung im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern.
Der Vater beantragte in seiner Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen, in eventu beantragte er, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Der Revisionsrekurswerber macht geltend, bei der Unterhaltsvorschusserhöhung habe sich das Gericht grundsätzlich auf die Prüfung des Wirksamwerdens der Unterhaltserhöhung zu beschränken. Der einzige Grund, warum eine Anpassung der Unterhaltsvorschüsse an den erhöhten Unterhaltstitel zu unterbleiben habe, könnten Bedenken iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG sein. Diese müssten nach der Aktenlage mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegen. Dafür bestünden im vorliegenden Fall trotz Einleitung des Abschöpfungsverfahrens keine substantiellen Anhaltspunkte. Die Annahme des Rekursgerichts, das Kind würde im Abschöpfungsverfahren eine vorbestimmte Quote von nur 10 % erhalten, sei schon im Hinblick darauf verfehlt, dass die Quote beim Abschöpfungsverfahren regelmäßig erst mit dessen Beendigung feststehe und es ungewiss sei, ob sie 0 %, 100 % oder einen anderen Prozentsatz betrage. Zudem entstehe der Entschuldungstatbestand im Abschöpfungsverfahren erst durch die rechtskräftige Erteilung der Restschuldbefreiung, zu welcher es in der Regel erst nach siebenjähriger Verfahrensdauer komme. Die Restschuldbefreiung stehe somit erst am Ende des Entschuldungsprozesses, bis zu welchem Zeitpunkt es völlig ungewiss sei, ob sie überhaupt erreicht werde. In den vom Gesetz geregelten Fällen (§§ 210, 211 Abs 1 Z 1, 211 Abs 3, 213 IO) unterbleibe die Restschuldbefreiung gänzlich. Unterhaltsschulden könnten von der Restschuldbefreiung auch ausgenommen werden (§ 215 IO). Außerdem stehe es Unterhaltsgläubigern während des Insolvenzverfahrens frei, zur Hereinbringung der der Anmeldung unterliegenden insolvenzunterworfenen Unterhaltsrückstände, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufen seien, Exekution auf das nicht in die Insolvenzmasse fallende Vermögen zu führen. Auf diesem Wege könnten sie über die aliquote Befriedigung durch die jährlichen Ausschüttungen im Wege des Treuhänders hinaus (auch) 100%ige Befriedigung erhalten, indem sie auf die nicht in die Abschöpfungsmasse fallende Differenz zwischen den beiden Existenzminima greifen, die ausschließlich den Unterhaltsgläubigern als Haftungsfonds diene.
Der erkennende Senat hat erwogen:
1. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen zerfallen die gesetzlichen Unterhaltsforderungen in zwei Teile, und zwar in jene, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig werden (es handelt sich dabei um keine Insolvenzforderungen) und in jene, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits fällig sind (diese stellen Insolvenzforderungen dar ‑ RIS-Justiz RS0037149).
1.1. Zu Unterhaltsverfahren über nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig werdende Unterhaltsforderungen wurde ausgesprochen, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens allein nicht zu einer Verminderung der Unterhaltspflicht des Unterhaltsschuldners führt (verstärkter Senat 1 Ob 160/09z). Auch für den Bereich des Unterhaltsvorschussrechts rechtfertigt allein der Umstand, dass über das Vermögen des Unterhaltsschuldners ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden ist und dieses mit einem Abschöpfungsverfahren geendet hat, keine begründeten Bedenken iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG (10 Ob 3/10d zur Rechtslage vor dem FamRÄG 2009).
1.2. Die zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits fälligen Unterhaltsforderungen sind hingegen auf die Quote beschränkt; sie unterliegen einer möglichen Restschuldbefreiung (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht5 52).
1.3. Ausschließlich letztere ‑ zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits fällige ‑ Forderungen liegen dem im Revisionsrekursverfahren noch strittigen Erhöhungsbeschluss zu Grunde. Infolge Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 3. 2. 2011 sind nicht nur die Unterhaltserhöhungsbeträge für 1. 2. 2010 bis 31. 1. 2011, sondern ‑ wie sich aus § 1418 ABGB ergibt ‑ auch die für Februar 2011 geltend gemachten Unterhaltsansprüche zur Gänze dem Zeitraum vor Insolvenzeröffnung zuzurechnen und damit Insolvenzforderungen (RIS-Justiz RS0119129; Kodek, Privatkonkurs, Rz 224).
2. Gemäß § 1 Z 7 EO sind amtliche Eintragungen in das im Insolvenzverfahren angelegte Anmeldungsverzeichnis Exekutionstitel, soweit sie nach § 61 IO vollstreckbar sind. Der rechtskräftige und vollstreckbare Auszug aus dem Anmeldungsverzeichnis über das vom Vater abgegebene Anerkenntnis über 650 EUR stellt somit einen Exkutionstitel dar, auf den sich das Erstgericht bei der Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse stützte.
3.1. Wird der Unterhalt erhöht, sind auch die Unterhaltsvorschüsse zu erhöhen, um den Gleichlauf zwischen den Unterhaltsvorschüssen und dem Unterhaltstitel herzustellen (Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 19 UVG Rz 22). Diese Anpassung ist grundsätzlich von keinen weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. Daraus folgt aber nicht, dass die Vorschüsse unabhängig davon zu erhöhen wären, ob die Unterhaltspflicht noch besteht. Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG hat das Gericht die Vorschüsse vielmehr dann ganz oder teilweise zu versagen, soweit sich in den Fällen der §§ 3 und 4 Z 1 UVG aus der Aktenlage ergibt, dass die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht nicht (mehr) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist. Diese Bestimmung ist im Verfahren nach § 19 UVG entsprechend anzuwenden (RIS‑Justiz RS0117325; RS0105311 [T1]).
3.2. Zweck der Bestimmung des § 19 Abs 2 UVG ist, dass der aufgrund eines Exekutionstitels gewährte Vorschuss der jeweiligen materiellen gesetzlichen Unterhaltspflicht entsprechen soll. Der Staat soll vor der Gewährung zu hoher Unterhaltsvorschüsse geschützt werden, die offensichtlich nicht der gesetzlichen Unterhaltspflicht entsprechen, sei es, weil die Inanspruchnahme missbräuchlich wäre oder, weil sich die Verhältnisse seit der Titelschaffung wesentlich geändert haben. § 7 Abs 1 UVG ermöglicht es in diesen Fällen dem Gericht, die Vorschüsse in der der gesetzlichen Unterhaltspflicht entsprechenden Höhe zu bemessen (10 Ob 46/09a; 10 Ob 91/08t mwN).
3.3. Zur Auslegung des § 7 Abs 1 Z 1 UVG hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass die gänzliche oder teilweise Versagung (Herabsetzung oder Einstellung) der Vorschüsse an das Bestehen begründeter Bedenken gegen den aufrechten materiellen Bestand des zu bevorschussenden Unterhaltsanspruchs im titelmäßigen Ausmaß geknüpft ist. Bloß objektiv gerechtfertigte Zweifel reichen zur Versagung nicht hin; vielmehr müsste nach der Sachlage bei der Entscheidung über den Vorschussantrag mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ anzunehmen sein, dass die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht nicht (mehr) bestehe oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt sei (RIS-Justiz RS0076391). Eine Erhöhung hat demnach dann zu unterbleiben, wenn nach der Aktenlage starke Anhaltspunkte gegen den materiellen Bestand des zu bevorschussenden gesetzlichen Unterhaltsanspruchs im titelmäßigen Ausmaß bestehen (10 Ob 60/09k).
3.4. Maßgeblich dafür, ob Anhaltspunkte in der von § 7 Abs 1 Z 1 UVG geforderten Qualität vorliegen, sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Beschlussfassung (Neumayr aaO § 7 UVG Rz 36).
4. Im vorliegenden Fall ist demnach zu beurteilen, ob die vor Beschlussfassung erster Instanz erfolgte Einleitung des Abschöpfungsverfahrens einen Anhaltspunkt dafür abgibt, dass die vom Unterhaltsschuldner anerkannte Höhe seiner Unterhaltspflicht für den vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens liegenden Zeitraum von der materiellen Rechtslage abweicht.
4.1. Der Entscheidung 4 Ob 277/02t lag ein ‑ entgegen § 7 KO noch während des Konkursverfahrens gefasster ‑ Unterhaltserhöhungsbeschluss und ein rechtskräftig bestätigter Zahlungsplan zugrunde. Mit der Begründung, dass der Unterhaltspflichtige die rückständigen Unterhaltsforderungen nur bis zur festgesetzten Quote zu zahlen habe, wurden (entsprechend der Rechtslage vor dem FamRÄG 2009) „begründete Bedenken“ gegen das Bestehen des Exekutionstitels iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG angenommen. Die Unterhaltsvorschüsse für den strittigen (vor Konkurseröffnung liegenden) Zeitraum wurden deshalb nicht in vollem Ausmaß, sondern nur im Ausmaß der auf die Erhöhungsbeträge entfallenden Quote erhöht.
4.2. Im vorliegenden Fall vertrat das Rekursgericht die Ansicht, auch bei Einleitung des Abschöpfungsverfahrens komme eine Erhöhung in vollem Ausmaß nicht in Betracht und orientierte sich dabei an § 213 Abs 1 Z 2 IO. Nach dieser Regelung hat das Gericht das Abschöpfungsverfahren für beendet zu erklären, wenn die Laufzeit der Abtretungserklärung abgelaufen ist und die Insolvenzgläubiger während des Insolvenz- und Abschöpfungsverfahrens zumindest 10 % der Forderungen erhalten haben. Der Ansicht des Rekursgerichts, eine über 10 % hinausgehende Erhöhung sei nicht gerechtfertigt, setzt der Rechtsmittelwerber entgegen, zum Unterschied vom Zahlungsplan sei die Rechtslage beim Abschöpfungsverfahren entscheidend anders.
Dazu ist auszuführen:
5.1 Beim Zahlungsplan muss die festzusetzende Quote der Einkommenslage des Schuldners in den nächsten fünf Jahren entsprechen (Feuchtinger/Lesigang, Praxisleitfaden Insolvenzrecht3 145). Seine Rechtswirkungen treten mit Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses ein; bereits zu diesem Zeitpunkt wird der Schuldner mit Wirkung gegenüber allen Rückgriffsberechtigten von seiner Verbindlichkeit befreit, den über die Quote hinausgehenden Ausfall zu ersetzen (§ 156 Abs 1 IO, § 193 IO).
5.2. Demgegenüber besteht das Wesen des Abschöpfungsverfahrens darin, dass der Schuldner den pfändbaren Teil seiner Forderungen auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion für die Zeit von sieben Jahren ab Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem das Abschöpfungsverfahren eingeleitet wird, an den Treuhänder abtritt (§ 199 Abs 2 IO). Der Treuhänder ist nach § 203 Abs 3 IO zur Rechnungslegung verpflichtet, die jährlich, nach Ablauf der Abtretungserklärung und bei Beendigung der Tätigkeit des Treuhänders zu erfolgen hat. Er hat am Ende eines jeden Kalenderjahres nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Bestimmungen die aufgrund der Abtretung oder sonst vom Schuldner einem Dritten erlangten Beträge innerhalb von acht Wochen an die Gläubiger zu verteilen (§ 203 Abs 1 IO). Den Regelfall der Beendigung des Abschöpfungsverfahrens behandelt § 213 Abs 1 Z 2 IO. Demnach ist das Abschöpfungsverfahren für beendet zu erklären, wenn die Laufzeit der Abtretungserklärung abgelaufen ist und die Konkursgläubiger während des Konkurs- und Abschöpfungsverfahrens zumindest 10 % der Forderungen erhalten haben. In diesem Fall hat das Gericht gleichzeitig mit der Beendigung des Abschöpfungsverfahrens auszusprechen, dass der Schuldner von den im Verfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit ist. Ist es dem Schuldner nicht gelungen, während des Insolvenz‑Abschöpfungsverfahrens 10 % der Insolvenzforderungen abzutragen, ermöglicht § 213 Abs 2 KO die sofortige Erteilung der Restschuldbefreiung nach Billigkeit. Eine Einstellung des Abschöpfungsverfahrens (mit Restschuldbefreiung) kann aber auch schon dann erfolgen, wenn seit der Abtretungserklärung (nur) drei Jahre verstrichen sind und die Insolvenzgläubiger während des Insolvenz- und Abschöpfungsverfahrens zumindest 50 % der Forderungen erhalten haben (§ 213 Abs 1 Z 1 IO). Unterhaltsrückstände können unter bestimmten, hier nicht relevanten Voraussetzungen überhaupt von der Wirkung der Restschuldbefreiung ausgenommen sein (§ 215 IO; Kodek, aaO Rz 709).
6.1. Nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen ist demnach die Höhe der erreichbaren Quote, aber auch die Erteilung der Restschuldbefreiung sowie deren etwaiger Zeitpunkt grundsätzlich ungewiss bzw zweifelhaft. Wenngleich objektiv gerechtfertigte Zweifel daran, dass die im Titel festgesetzte Unterhaltspflicht zu hoch ist, für die Versagung der Unterhaltsvorschusserhöhung (noch) nicht hinreichen, ergeben sich im vorliegenden Fall aus der Aktenlage doch Anhaltspunkte für eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die titelmäßige Unterhaltspflicht über 215 EUR monatlich zu hoch ist (10 Ob 60/09k). Dass eine empfindliche Kürzung sehr wahrscheinlich ist, ist schon daraus ableitbar, dass der Unterhaltsschuldner laut seinem Rekursvorbringen zur Abdeckung der insgesamt mit 58.692,40 EUR angemeldeten Forderungen nur 76 EUR monatlich an den Treuhänder abführt. Schon diese geringe Höhe des monatlichen Abschöpfungsbetrags spricht dafür, dass ‑ entsprechend dem Regelfall des § 213 Abs 1 Z 2 IO ‑ keine höhere als eine 10%ige Quote erreicht werden wird (76 EUR mal 12 mal 7 = 6.384 EUR abzüglich der Vergütung, die der Treuhänder gemäß § 204 Abs 1 IO von den eingehenden Beträgen einbehalten kann).
6.2. Auch der Umstand, dass im Abschöpfungsverfahren der Anspruch bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung formell weiter aufrecht ist, steht Anhaltspunkten iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG nicht entgegen, weil nicht der Gesichtspunkt des formalen Aufrechtseins des Titels maßgeblich ist, sondern allein die hohe Wahrscheinlichkeit für dessen materielle Unrichtigkeit.
6.3. Letztlich rechtfertigt auch der Einwand, während des Abschöpfungsverfahrens stehe dem Minderjährigen für die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufenen Unterhaltsrückstände neben der aliquoten Befriedigung durch die jährliche Ausschüttung im Wege des Treuhänders eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit aus der ‑ nicht in die Abschöpfungsmasse fallenden ‑ Differenz zwischen den Existenzminima nach § 291a und § 291b EO Exekution offen, keine andere Beurteilung. Was den Unterhaltsrückstand (von insgesamt mehr als 5.000 EUR) betrifft, sind im vorliegenden Fall die Befriedigungsaussichten aus der Differenz der Existenzminima als ungünstig einzuschätzen, weil aus diesem Differenzbetrag vorrangig die laufenden Unterhaltsforderungen des Minderjährigen von 165 EUR monatlich zu befriedigen sein werden (§ 291b Abs 3 EO; siehe Neuhauser, Die Durchsetzung von Unterhaltsforderungen im Abschöpfungsverfahren, ÖA 2003, 56 [57]). Auch die Möglichkeit, auf die Differenz der Existenzminima zu greifen, gibt demnach keinen ausreichenden Grund dafür ab, die Höhe der vom Vater ‑ für die Vergangenheit ‑ anerkannten Unterhaltspflicht trotz nachträglicher Einleitung des Abschöpfungsverfahrens weiterhin für angemessen zu erachten.
Da es dem Minderjährigen nicht gelungen ist, stichhaltige Argumente gegen die Argumente des Rekursgerichts aufzuzeigen, bleibt der Revisionsrekurs erfolglos.
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