OGH 9Nc8/12v

OGH9Nc8/12v29.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, Hon.-Prof. Dr. Kuras, Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. E***** M*****, 2. K***** M*****, beide vertreten durch Dr. Walter Müller, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Land Oberösterreich, vertreten durch Dr. Thomas Langer, Rechtsanwalt in Linz, 2. Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, über die Befangenheitsanzeige des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. ***** S*****, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. ***** S***** ist in der Rechtssache 1 Ob 4/12p befangen.

Text

Begründung

Die Klägerinnen machen Amtshaftungsansprüche ua gegen die Republik Österreich aus Unterlassungen des Bezirksgerichts Linz-Land als Pflegschaftsgericht geltend.

Der Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. ***** S***** gab als Vorsitzender des Amtshaftungssenats des Obersten Gerichtshofs bekannt, dass ihn mit dem Vater der Klägerinnen, dem leitenden Visitator des OLG-Sprengels Linz, seit Jahrzehnten ein kollegiales Verhältnis verbinde und es weiterhin zu Begegnungen mit ihm komme, weil ihm der OLG-Präsident ein Büro im Gebäude des OLG Linz zur Verfügung stelle. Es falle ihm daher schwer, die Rechtssache seiner Töchter, die anscheinend primär aufgrund des Verhaltens ihrer Mutter schwerste Schäden erlitten hätten, ganz unvoreingenommen zu beurteilen. Er habe aufgrund von Gesprächen mit dem früheren OLG-Präsidenten auch Informationen über die Verfahrensführung des Pflegschaftsgerichts erhalten. Der Umstand seines weiter aufrechten Naheverhältnisses zum OLG-Sprengel Linz könne aus Außensicht Zweifel an seiner Unbefangenheit begründen.

Rechtliche Beurteilung

Die Befangenheitsanzeige ist berechtigt.

Befangenheit liegt vor, wenn ein Richter an eine Rechtssache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt, somit eine Hemmung zu unparteiischer Entscheidung durch sachfremde psychologische Motive gegeben ist. Für das Vorliegen einer Befangenheit genügt grundsätzlich auch der Anschein einer Befangenheit, wenn konkrete Umstände dargetan werden, die geeignet erscheinen, aus der Sicht eines objektiven Beurteilers die volle Unbefangenheit des betreffenden Richters aus persönlichen Gründen in Zweifel zu ziehen (RIS-Justiz RS0096914; RS0096880). Es ist im Allgemeinen ein Befangenheitsgrund anzunehmen, wenn ein Richter selbst seine Befangenheit anzeigt (RIS-Justiz RS0046053), wobei unter Beachtung des Interesses am Ansehen der Justiz kein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen und grundsätzlich die Befangenheit zu bejahen ist (RIS-Justiz RS0045943). Denn es liefe dem Interesse der Parteien an einem objektiven Verfahren zuwider, wenn ihre Angelegenheit von einem Richter entschieden würde, der selbst Bedenken dagegen äußert, eine unvoreingenommene Entscheidung treffen zu können (4 Ob 186/11y).

Der Umstand, dass der Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. ***** S***** mit dem Vater der Klägerinnen seit Jahrzehnten kollegial verbunden ist und ihm nach wie vor begegnet, ist geeignet, aus externer Sicht Bedenken an seiner Unbefangenheit aufkommen zu lassen. Da er überdies selbst Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit hegt, ist seine Befangenheit im Sinne der Rechtsprechung zu bejahen.

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