OGH 9ObA70/11a

OGH9ObA70/11a29.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Dr. Peter Schnöller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C***** L*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler ua, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch die Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 11.893,01 EUR brutto sA, über die Revisionen der klagenden Partei (Revisionsinteresse 9.627,92 EUR) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse 1.768,35 EUR) und die Rekurse der klagenden Partei und der beklagten Partei (Rekursinteresse jeweils 496,74 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Februar 2011, GZ 6 Ra 4/10w-42, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 19. April 2010, GZ 35 Cga 39/09i-35, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Umfang der Klageabweisung (Spruchpunkt 2. des Ersturteils) aufgehoben. Die Arbeitsrechtssache wird in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Den Rekursen der klagenden Partei und der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt ein Pflegeheim mit 140 Betten, wobei der Betrieb seit 2006 in ein „normales“ Pflegeheim mit 65 Betten und ein Pflegeheim mit psychiatrischem Schwerpunkt mit 75 Betten getrennt ist. Die Beklagte bietet allen Bewohnern Pflege und Betreuung „rund um die Uhr“, zertifiziertes Wundmanagement, Langzeit- und Kurzeitaufenthalte und Hilfestellung in Sozialfragen an. Dazu kommen unter anderem verschiedene Beschäftigungs- und Therapieprogramme mit sozialpädagogischer Betreuung im Psychiatrie-Bereich. Die Beklagte beschäftigt 10 diplomierte Gesundheits- und Krankenschwestern und 25 Pflegehelferinnen. Dazu kommen noch Beschäftigte in der Therapie, in der Reinigung und in der Küche. Die Beklagte beschäftigt keine Ärzte. Die Bewohner haben das Recht der freien Arztwahl und werden durch ihre eigenen Ärzte betreut. Die Beklagte organisiert - neben ihren sonstigen Leistungen - den Besuch der Bewohner durch ihre Ärzte im Pflegeheim bzw die Begleitung der Bewohner zu ihren Ärzten. Mit einem Psychiater besteht ein Werkvertrag der Beklagten; dieser Arzt kommt üblicherweise an einem Nachmittag pro Woche in das Pflegeheim und steht jenen Bewohnern, die seiner Hilfe bedürfen, zur Verfügung. Weiters steht den Bewohnern an zwei Nachmittagen pro Woche und bei Bedarf ein klinischer Psychotherapeut zur Verfügung, der ebenfalls in einem Werkvertragsverhältnis zur Beklagten steht.

Die Klägerin ist seit 3. 4. 2006 bei der Beklagten als Pflegehelferin beschäftigt. Sie ist in beiden Bereichen des Pflegeheims tätig, in den letzten eineinhalb Jahren zu etwa 70 % ihrer Arbeitszeit im psychiatrischen Bereich. Besonders die Tätigkeit in diesem Bereich stellt besondere Anforderungen an das Pflegepersonal und ist generell mit ständig erschwerten Arbeitsbedingungen verbunden.

Die Beklagte ist seit Oktober 2005 Mitglied des Verbands der Privatkrankenanstalten Österreichs. Sie ist nicht Mitglied der Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS). Die Beklagte wendet auf das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin den Kollektivvertrag für Privatkrankenanstalten an. Die Klägerin wurde von der Beklagten nicht über den vom Bundeseinigungsamt zur Satzung erklärten BAGS-Kollektivvertrag informiert, insbesondere auch nicht über die Möglichkeit des Optierens in den Kollektivvertrag. Die Beklagte stellte der Klägerin keine im BAGS-KV vorgesehene schriftliche Information und Vergleichsberechnung über ihre fiktive Einstufung in den BAGS-KV zur Verfügung. Die Klägerin erfuhr erst aus den Medien im Jahr 2008 über die besseren Bedingungen des BAGS-KV. Mit Schreiben vom 24. 7. 2008 gab die Arbeiterkammer L***** gegenüber der Rechtsvertretung der Beklagten bekannt, die Klägerin zu vertreten. Sie forderte für die Klägerin und andere Arbeitnehmer der Beklagten unter gleichzeitiger Optierung in den BAGS-KV die Bezahlung der klagegegenständlichen Positionen aufgrund der Anwendbarkeit des BAGS-KV.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten nach mehrfacher Ausdehnung des Klagebegehrens zuletzt den Betrag von 11.893,01 EUR brutto sA. Sie wäre richtigerweise ab 1. 5. 2006 in den zur Satzung erklärten BAGS-KV einzustufen gewesen, in dessen fachlichen Geltungsbereich die Beklagte als Anbieter sozialer oder gesundheitlicher Dienste präventiver, betreuender oder rehabilitativer Art für Personen, die entsprechender Hilfe oder Betreuung bedürfen, falle. Die Anwendung des Kollektivvertrags für Privatkrankenanstalten sei verfehlt, weil die Beklagte keine Krankenanstalt betreibe. Bei ihr liege der Tätigkeitsschwerpunkt nicht in der ärztlichen Betreuung. Bei Anwendung des BAGS-KV hätte die Klägerin eine höhere Entlohnung bekommen. Für den Zeitraum 1. 5. 2006 bis 31. 10. 2009 ergebe sich zugunsten der Klägerin eine Abrechnungsdifferenz in der Höhe des Klagebetrags. Die Beklagte habe der Klägerin nicht die im BAGS-KV vorgesehene Vergleichsberechnung zur Verfügung gestellt. Der von der Beklagten erhobene Einwand des verspäteten Optierens und des Verfalls widerstreite daher dem Grundsatz von Treu und Glauben und sei rechtsmissbräuchlich. Im Übrigen werde die Klageforderung auch auf den Titel des Schadenersatzes gestützt, weil die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Legung einer Vergleichsberechnung nicht nachgekommen sei. Hätte die Beklagte die gebotene Vergleichsberechnung erstellt, hätte die Klägerin früher optiert und es wäre ihr kein Schaden entstanden.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren, beantragte dessen Abweisung und wendete ein, dass sie als ordentliches Mitglied des Verbands der Privatkrankenanstalten Österreichs zu Recht den Kollektivvertrag für Privatkrankenanstalten angewendet habe. Sie sei als Pflegeheim mit besonderen Pflegeleistungen und einem Tätigkeitsschwerpunkt in der ärztlichen Betreuung dem Verband der Privatkrankenanstalten Österreichs beigetreten. Der BAGS-KV sei vom Bundeseinigungsamt ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zur Satzung erklärt worden. Der Geltungsbereich sei zu unbestimmt, weshalb die Anfechtung der Satzungserklärung beim Verfassungsgerichtshof angeregt werde. Die Klägerin habe auch nicht rechtzeitig in den BAGS-KV optiert. Die Klageforderung sei überhöht. Der Klägerin stehe keine SEG-Pauschale zu, weil die von ihr geltend gemachten Erschwernisse zum typischen Berufsbild von Pflegehelferinnen gehörten. Die Klageforderung sei sowohl nach dem Kollektivvertrag für Privatkrankenanstalten als auch nach dem BAGS-KV verfallen. Die Beklagte habe die Pflicht zur Legung einer Vergleichsberechnung nach dem BAGS-KV nicht verletzt, weil sie diesem Kollektivvertrag nicht unterliege. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadenersatzanspruch werde bestritten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Zugrundelegung der vorstehend auszugsweise wiedergegebenen Feststellungen im Umfang von 2.265,09 EUR brutto sA statt (Punkt 1.), während es das Mehrbegehren der Klägerin von 9.627,92 EUR brutto sA abwies (Punkt 2.). In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, dass der Kollektivvertrag für Privatkrankenanstalten lediglich auf Einrichtungen Anwendung finde, in denen besondere Pflegeleistungen erbracht werden und der Tätigkeitsschwerpunkt in der ärztlichen Betreuung liege (9 ObA 114/06i). Letzteres sei bei der Beklagten nicht der Fall. Die Beklagte organisiere zwar je nach Bedarf die ärztliche Hilfe; ihr Schwerpunkt liege aber nicht in der ärztlichen Betreuung, sondern in der Pflege der Bewohner. Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei daher der gesatzte BAGS-KV anzuwenden. Für ein Verordnungsprüfungsverfahren bestehe kein Anlass. Der Entgeltteil des BAGS-KV komme nur bei Optierung durch den Arbeitnehmer zur Anwendung; ohne Optierung verbleibe der Arbeitnehmer in den bisherigen Entgeltbestimmungen. Im vorliegenden Fall sei die Optierung erst mit dem Schreiben der Rechtsvertretung der Klägerin vom 24. 7. 2008 erfolgt und daher erst ab dem nachfolgenden 1. 1. 2009 wirksam geworden. Die auf den BAGS-KV gestützten Klageansprüche für den davor liegenden Zeitraum vom 1. 5. 2006 bis 31. 12. 2008 seien daher nicht berechtigt. Im verbleibenden Zeitraum vom 1. 1. 2009 bis 31. 10. 2009 sei die Klägerin nach dem BAGS-KV in die Verwendungsgruppe 5, drittes Berufsjahr, einzustufen. Aufgrund der überwiegend erschwerten Arbeitsbedingungen gebühre der Klägerin für diesen Zeitraum die monatliche SEG-Pauschale.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klageabweisenden Teil des Ersturteils erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge, während es der gegen den klagestattgebenden Teil des Ersturteils erhobenen Berufung der Beklagten teilweise Folge gab. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil hinsichtlich des Zuspruchs von 496,74 EUR sA an die Klägerin auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Bezüglich des Zuspruchs von 1.768,35 EUR sA bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil als Teilurteil (mit der Maßgabe einer Korrektur im Zinsenpunkt). Das Berufungsgericht ließ sowohl die ordentliche Revision gegen den bestätigenden Teil der Entscheidung nach § 502 Abs 1 ZPO als auch den Rekurs gegen den aufhebenden Teil der Entscheidung nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zu. In rechtlicher Hinsicht ging das Berufungsgericht davon aus, dass dem Verband der Privatkrankenanstalten Österreichs für Alten- und Pflegeheime, deren Tätigkeitsschwerpunkt nicht in der ärztlichen Betreuung liege, keine Kollektivvertragsfähigkeit zukomme. Die Beklagte falle aufgrund der von ihr angebotenen Dienste in den Geltungsbereich des gesatzten BAGS-KV. Die Bedenken der Beklagten, dass die Satzungserklärungen gesetz- bzw verfassungswidrig seien, würden vom Berufungsgericht nicht geteilt. Entgegen der Auffassung der Beklagten werde die SEG-Zulage nicht nur dann gewährt, wenn Gefahren und Erschwernisse bestünden, die nicht dem jeweiligen Tätigkeitsbild entsprächen. Zutreffend beanstande die Beklagte jedoch, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der SEG-Pauschale noch nicht hinreichend geklärt seien. Es müsse insbesondere noch der Umfang der Erschwernisse und Gefahren im „normalen“ Pflegebereich geklärt werden, um die Gesamttätigkeit der Klägerin beurteilen zu können.

Die Klägerin habe erst mit dem Schreiben der Arbeiterkammer vom 24. 7. 2008 eine wirksame Optierungserklärung abgegeben. Eine Rückwirkung der Optierung sei im BAGS-KV nicht vorgesehen. Richtig sei, dass die Beklagte die Informationspflicht nach dem BAGS-KV verletzt habe. Diese Pflichtverletzung werde aber im BAGS-KV nicht weiter sanktioniert. Ein Schadenersatzanspruch käme zwar grundsätzlich in Betracht. Die Klägerin habe aber keine konkreten Behauptungen zum Verschulden der Beklagten und zum Schaden aufgestellt. Es sei auch nicht erkennbar, worin ein vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten der Beklagten liegen solle. Da vor der Optierung kein Anspruch der Klägerin auf Ausgleich von Entgeltdifferenzen bestehe, brauche auf den von der Beklagten eingewendeten Verfall nicht eingegangen werden.

Gegen den bestätigenden Teil der Berufungsentscheidung richten sich die Revisionen beider Parteien. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Revision, gestützt auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, gegen die Bestätigung der teilweisen Klageabweisung durch das Berufungsgericht und beantragt die Abänderung im Sinn der Klagestattgebung auch hinsichtlich des Betrags von 9.627,92 EUR sA; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens gegen die Bestätigung der teilweisen Klagestattgebung durch das Berufungsgericht und beantragt die Abänderung der Berufungsentscheidung im Sinn der Klageabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Gegen den aufhebenden Teil der Berufungsentscheidung richten sich die Rekurse der Klägerin und der Beklagten. Die Klägerin beantragt die Klagestattgebung auch im aufhebenden Teil; die Beklagte beantragt insoweit die Klageabweisung.

Die Klägerin bestreitet die Zulässigkeit der Revision der Beklagten, weil ohnehin schon eine einschlägige Rechtsprechung vorliege. Im Übrigen beantragt die Klägerin, den Rechtsmitteln der Beklagten nicht Folge zu geben. Die Beklagte beantragt in ihren Rechtsmittelbeantwortungen, den Rechtsmitteln der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen der Parteien sind gemäß § 502 Abs 1 ZPO, die Rekurse der Parteien sind gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zulässig. Nur die Revision der Klägerin ist im Sinn der hilfsweise begehrten Aufhebung berechtigt. Die Revision der Beklagten und die Rekurse beider Parteien sind hingegen nicht berechtigt. Der unrichtigen Benennung des Rekurses der Beklagten als „Revisionsrekurs“ kommt nach § 84 Abs 2 Satz 2 ZPO keine Bedeutung zu.

Zur Revision der Beklagten:

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision gegen den Zuspruch von 1.768,35 EUR brutto sA an die Klägerin für den Zeitraum 1. 1. 2009 bis 31. 10. 2009. Diesem Betrag liegt die Entgeltdifferenz zwischen der von der Beklagten vorgenommenen Entlohnung der Klägerin nach dem Kollektivvertrag für Privatkrankenanstalten und der von der Klägerin geforderten Entlohnung nach dem gesatzten BAGS-KV zugrunde. Hinsichtlich des Zuspruchs des weiteren Betrags von 496,74 EUR brutto sA für denselben Zeitraum hob das Berufungsgericht das Ersturteil auf und verwies die Arbeitsrechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Auf diese Teilforderung wird bei Behandlung der Rekurse der Parteien näher eingegangen.

Im Streit zwischen den Parteien, ob die Klägerin nach dem Kollektivvertrag für Privatkrankenanstalten oder nach dem gesatzten BAGS-KV zu entlohnen sei, pocht die Beklagte zum einen auf den Vorrang des Kollektivvertrags für Privatkrankenanstalten, zum anderen auf die Unzulässigkeit der Satzungserklärung bezüglich des BAGS-KV. Den Vorrang des Kollektivvertrags für Privatkrankenanstalten leitet die Beklagte daraus ab, dass ein Kollektivvertrag nach § 18 Abs 3 Z 4 ArbVG nur dann zur Satzung erklärt werden darf, wenn die von der Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse nicht schon durch einen Kollektivvertrag erfasst sind, und dass Kollektivverträge nach § 19 Abs 2 ArbVG für ihren Geltungsbereich eine bestehende Satzung außer Kraft setzen.

Die Kollektivvertragsangehörigkeit nach § 8 Z 1 ArbVG hinsichtlich des Kollektivvertrags für Privatkrankenanstalten vom 10. 1. 2006 leitet die Beklagte als Arbeitgeberin daraus ab, dass sie zur Zeit des Abschlusses dieses Kollektivvertrags (nach einer erst nach der bescheidmäßigen Zuerkennung der Kollektivvertragsfähigkeit erfolgten Statutenänderung) Mitglied des am Kollektivvertrag beteiligten Verbands der Privatkrankenanstalten Österreichs war. Letzteres ist nicht strittig. Es geht hier aber nicht nur um die Mitgliedschaft der Beklagten bei einem bestimmten Verband, sondern darum, ob dieser Verband für das Arbeitsverhältnis der Parteien kollektivvertragsfähig ist. Dies ist fraglich, denn der Kollektivvertrag für Privatkrankenanstalten Österreichs vom 10. 1. 2006 findet - wie der Oberste Gerichtshof in einem Verfahren des Österreichischen Gewerkschaftsbundes gegen den Verband der Privatkrankenanstalten Österreichs nach § 54 Abs 2 ASGG festgestellt hat - lediglich auf Arbeitnehmer Anwendung, die bei Mitgliedern des Verbands der Privatkrankenanstalten Österreichs beschäftigt sind, die Einrichtungen betreiben, in denen besondere Pflegeleistungen erbracht werden und bei denen der Tätigkeitsschwerpunkt der Leistungen in der ärztlichen Betreuung liegt (9 ObA 114/06i = DRdA 2008/45 [Weiss]; Runggaldier, Ist der Umfang der Kollektivvertragsfähigkeit statisch zu beurteilen?, RdW 2007/579, 541).

Richtig ist, dass sich die Bindungswirkung von Entscheidungen in Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG ausschließlich auf die Verfahrensparteien und ihre Rechtsnachfolger erstreckt, nicht aber auf das Rechtsverhältnis zwischen einem einzelnen Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer (Neumayr in ZellKomm² § 54 ASGG Rz 10 mwN ua). Überzeugende Gründe, die im vorliegenden Fall eine abweichende rechtliche Beurteilung der Kollektivvertragsfähigkeit gebieten, zeigt die Beklagte allerdings nicht auf. Bei Pflegeheimen steht die ärztliche Versorgung nicht im Vordergrund (VfSlg 13.237; Grabenwarter/Krauskopf in Resch/Wallner, Handbuch Medizinrecht Rz 26 ua). Dass die Beklagte besondere Pflegeleistungen erbringt, wird nicht bezweifelt. Die Beklagte bietet als Pflegeheim ihren Bewohnern Pflege und Betreuung „rund um die Uhr“. Dass der Tätigkeitsschwerpunkt der Leistungen in der ärztlichen Betreuung liegt, ist jedoch bei der Beklagten nicht der Fall. Sie beschäftigt keine Ärzte, räumt aber den Bewohnern die Möglichkeit ein, im Pflegeheim von ihren eigenen Hausärzten betreut zu werden. Bei Bedarf sorgt die Beklagte für die Begleitung ihrer Bewohner zu externen Arztbesuchen und vermittelt den Kontakt mit einem Psychiater im Pflegeheim. Nach den Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Beklagten um eine Krankenanstalt handelt (vgl zum Krankenanstalten-Begriff § 1 KAKuG). Was die Beklagte damit meint, dass „in Wahrheit“ kein Unterschied zur ärztlichen Betreuung von Patienten in Sanatorien bestehe, ist nicht verständlich, weil Sanatorien - neben ihrer besonderen Ausstattung zur Befriedigung höherer Ansprüche hinsichtlich Verpflegung und Unterbringung - als Krankenanstalten (§ 2 Abs 1 Z 4 KAKuG) zur Feststellung und Überwachung des Gesundheitszustands durch Untersuchung, zur Vornahme operativer Eingriffe etc bestimmt sind (§ 1 Abs 1 KAKuG). Dass es der Beklagten „unrealistisch“ erscheint, dass die ärztliche Betreuung ausschließlich von Ärzten erfolge, ändert an der vorstehenden Beurteilung nichts. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Kollektivvertrag für Privatkrankenanstalten nicht auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten Anwendung findet, ist nicht zu beanstanden.

Vor dem Hintergrund der Funktionsfähigkeit der kollektiven Rechtsgestaltung liegt bei Satzungen iSd § 18 ArbVG ein Widerspruch zur verfassungsrechtlich geschützten Koalitionsfreiheit weder im konkreten Fall (vgl 9 ObA 114/06i ua), noch im Allgemeinen vor (vgl VfSlg 13880 = ZAS 1995/15 [Tomandl] ua). Dass „Surrogate zum Kollektivvertrag“ einem kraft Mitgliedschaft anzuwendenden Kollektivvertrag nachgehen, wurde entgegen der Annahme der Beklagten vom Berufungsgericht nicht übersehen. In Bezug auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gibt es keinen „vorrangigen Kollektivvertrag“, der auf dieses Arbeitsverhältnis anzuwenden wäre. Schon gar nicht handelt es sich beim Kollektivvertrag für Privatkrankenanstalten um einen solchen. Aus den Überlegungen der Beklagten zur Zusammensetzung des Bundeseinigungsamts vermag der Senat keine Unvereinbarkeit mit der Koalitionsfreiheit abzuleiten. Dass die Mitglieder des Bundeseinigungsamts über Vorschlag der Interessenvertretungen bestellt werden, verstößt gegen keine Verfassungsbestimmung (VfSlg 13.880 ua). Die Auffassung der Beklagten, durch das Bundeseinigungsamt entscheiden „Mitglieder einer Nichtkoalition … über die Koalitionsfreiheit echter Koalitionen“ und „damit über die eigene Konkurrenz“, missversteht die gesetzlichen Aufgaben dieser Verwaltungsbehörde (siehe Näheres zum Bundeseinigungsamt bei Ritzberger-Moser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 141 Rz 1 ff).

Mit den Überlegungen der Beklagten, dass es nicht auf die rechtmäßige, sondern auf die „faktische Mitgliedschaft“ ankomme, ist für ihren Prozessstandpunkt, doch noch zu einer „vorrangigen“ Anwendung des Kollektivvertrags für Privatkrankenanstalten zu kommen, nichts zu gewinnen. Die Anwendung dieses Kollektivvertrags scheitert nicht an der Rechtmäßigkeit der (nach einer Änderung der Statuten begründeten) Mitgliedschaft der Beklagten beim Verband der Privatkrankenanstalten Österreichs, sondern an der fehlenden Kollektivvertragsfähigkeit in Bezug auf das Arbeitsverhältnis der Parteien.

Dies leitet über zum BAGS-Kollektivvertrag (BAGS-KV), der am 17. 12. 2003 nach mehrjährigen Verhandlungen zwischen der Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS) einerseits und der Gewerkschaft der Privatangestellten, der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst und der Gewerkschaft Handel, Transport und Verkehr andererseits, abgeschlossen wurde und am 1. 7. 2004 in Kraft trat (vgl Löschnigg, Der BAGS-Kollektivvertrag, ASoK 2004, 221 ua). Es handelt sich dabei um den größten Kollektivvertrag für den privaten Sozialbereich. Für fast 40.000 Beschäftigte dieses Sektors wurde erstmals ein Kollektivvertrag in Österreich wirksam (siehe dazu das Vorwort von Weidenholzer/Katzian/Gruber/Bödenauer in Löschnigg/Resch, BAGS-KV, 1. Auflage 2006, 7 f).

Dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mangels Mitgliedschaft der Beklagten bei der Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits- und Sozialberufe (BAGS) nicht unmittelbar dem BAGS-KV unterliegt, ist unstrittig. Soweit die Beklagte erstmals die Nichtigkeit des BAGS-KV behauptet, weil dem Österreichischen Gewerkschaftsbund die Kollektivvertragsfähigkeit für Fachgewerkschaften zuerkannt worden sei, die heute nicht mehr existieren, handelt es sich um eine unbeachtliche Neuerung (siehe im Übrigen die Übersicht über die zuerkannten Kollektivvertragsfähigkeiten freiwilliger Berufsvereinigungen und Vereine bei Ritzberger-Moser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 158 Rz 3). Fraglich ist - insoweit gab es schon einen entsprechenden Prozessstandpunkt der Beklagten in erster Instanz -, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien dem gesatzten BAGS-KV unterliegt. Dabei ist vorweg nicht weiter strittig, dass der BAGS-KV vom 17. 12. 2003, Stand 1. 1. 2006, mit Verordnung des Bundeseinigungsamts beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit vom 24. 4. 2006, Zl 84/BEA/2006-11, zur Satzung erklärt wurde. Der Geltungsbereich dieser Satzung wurde in Art I der Satzungserklärung wie folgt geregelt:

Fachlicher Geltungsbereich:

für Anbieter sozialer oder gesundheitlicher Dienste präventiver, betreuender oder rehabilitativer Art für Personen, die entsprechender Hilfe oder Betreuung bedürfen, mit folgenden Ausnahmen:

- öffentlich-rechtliche Einrichtungen,

- Heilbade-, Kur- und Krankenanstalten,

- Rettungs- und Sanitätsdienste,

- Privatkindergärten, -kinderkrippen und -horte (Privatkindertagesheime),

- selbst organisierte bzw elternverwaltete Kindergruppen,

- Einrichtungen der Kinderbetreuung durch Tagesmütter(väter).

Räumlicher Geltungsbereich:

für die Republik Österreich, ausgenommen das Bundesland Vorarlberg.

Persönlicher Geltungsbereich:

Alle Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber im fachlichen Geltungsbereich sowie die von diesen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern im räumlichen Geltungsbereich beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Lehrlinge, sofern ihre Arbeitsverhältnisse nicht durch einen gültigen Kollektivvertrag (ausgenommen Kollektivverträge gemäß § 18 Abs 4 ArbVG) erfasst sind.

Ausgenommen sind die in § 2 des unter Art II angeführten Kollektivvertrags als vom Geltungsbereich des Kollektivvertrags ausgenommen bezeichneten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Ausgenommen sind weiters Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemäß § 36 Abs 2 Z 1 oder 3 Arbeitsverfassungsgesetz, soweit sich die Satzungserklärung auf die §§ 4 bis 12, 14, 15 und 19 des unter Art II angeführten Kollektivvertrags bezieht.

In Art II der Satzungserklärung wurde der BAGS-KV vom 17. 12. 2003, Stand 1. 1. 2006, als Inhalt der Satzung festgelegt. Einige Bestimmungen des BAGS-KV wurden allerdings ausgenommen:

- § 2

- § 30a

Löhne und Gehälter, denen die Mindestlohntarife für Soziale Dienste, M 5/2005/XXII/96/3, bzw für Heimhelfer/innen und Altenbetreuer/innen, M 6/2005/XXII/96/4 zugrunde liegen, dürfen aus Anlass des Inkrafttretens der Satzung nicht abgesenkt werden.

...

- § 41 Z 1 letzter Absatz;

- in § 41 Z 2/B dritter Absatz die Sätze: 'Die Wirksamkeit der Optierung tritt mit 1. 1. 2005 in Kraft. In Betrieben, die nach dem 1. 7. 2004 der BAGS beitreten und somit diesem Kollektivvertrag unterliegen, hat jede Arbeitnehmerin das Recht der Optierung innerhalb von 6 Monaten nach Wirksamkeit des Kollektivvertrags für diesen Betrieb.'

- § 42.

Soweit in § 41 Z 2/B auf das Inkrafttreten des Kollektivvertrags Bezug genommen wird, tritt an Stelle dieses Datums das des Inkrafttretens der Satzung (Art III). Für Arbeitsverhältnisse, für die diese Satzung erst nach dem 1. Mai 2006 wirksam wird, gilt eine Optierungsfrist von 6 Monaten ab dem Wirksamwerden der Satzung.

In Art III der Satzungserklärung wurde der Wirksamkeitsbeginn der Satzung mit 1. 5. 2006 festgesetzt. Die Geltungsdauer der Satzung richtet sich nach der Geltungsdauer des gesatzten Kollektivvertrags. Unter einem wurde eine zuvor erfolgte Satzungserklärung des Bundeseinigungsamts vom 19. 12. 2005, Zl 84/BEA/2005-50, deren Wirksamkeitsbeginn ebenfalls für den 1. 5. 2006 festgelegt worden war, wieder aufgehoben.

Die Satzungserklärung vom 24. 4. 2006 war ein wesentlicher Schritt, um die Arbeitsbedingungen in den „sozialen Unternehmen“ einheitlich zu gestalten. Mit Wirksamkeit vom 1. 5. 2006 gilt der BAGS-KV für „Anbieter sozialer oder gesundheitlicher Dienste präventiver, betreuender oder rehabilitativer Art für Personen, die entsprechender Hilfe oder Betreuung bedürfen“. Mit der Satzung des BAGS-KV wurden nun ca 70.000 Beschäftigte erfasst (vgl Weidenholzer/Katzian/Gruber/Bödenauer in Löschnigg/Resch, BAGS-KV, 1. Auflage 2006, 7 f).

In der Folge kam es bezüglich weiterer Fassungen des BAGS-KV zu weiteren Satzungserklärungen durch das Bundeseinigungsamt, und zwar

- am 26. 1. 2007, Zl 84/BEA/2007-3, Wirksamkeitsbeginn 1. 1. 2007, bezüglich des BAGS-KV vom 12. 12. 2006, Stand 1. 1. 2007,

- am 30. 1. 2008, Zl 84/BEA/2008-7, Wirksamkeitsbeginn 1. 1. 2008, bezüglich des BAGS-KV vom 5. 12. 2007, Stand 1. 1. 2008,

- am 27. 1. 2009, Zl BEA-7/1/2009, Wirksamkeitsbeginn 1. 1. 2009, bezüglich des BAGS-KV vom 2. 12. 2008, Stand 1. 1. 2009,

- am 12. 3. 2010, BGBl II 2010/87, Wirksamkeitsbeginn 1. 1. 2007, bezüglich des BAGS-KV vom 22. 10. 2010, Stand 1. 2. 2010,

- am 4. 3. 2011, BGBl II 2011/83, Wirksamkeitsbeginn 1. 2. 2011, bezüglich des BAGS-KV vom 13. 1. 2011, Stand 1. 2. 2011.

Die Beklagte ist Betreiberin eines Pflegeheims in der Steiermark. Nach dem Inhalt der von ihr angebotenen Leistungen (Pflege und Betreuung „rund um die Uhr“; zertifiziertes Wundmanagement; Langzeit- und Kurzeitaufenthalte; Hilfestellung in Sozialfragen; Beschäftigungs- und Therapieprogramme etc) unterliegt sie als Anbieterin sozialer oder gesundheitlicher Dienste präventiver, betreuender oder rehabilitativer Art für Personen, die entsprechender Hilfe oder Betreuung bedürfen, dem fachlichen Geltungsbereich der Satzungserklärung vom 24. 4. 2006 und der nachfolgenden Satzungserklärungen. Eine Ausnahme vom fachlichen Geltungsbereich (zB öffentlich-rechtliche Einrichtung etc) liegt im Fall der Beklagten nicht vor. Das Vorliegen des räumlichen Geltungsbereichs (Republik Österreich, ausgenommen Vorarlberg) ist nicht strittig. Die Beklagte ist Arbeitgeberin im fachlichen Geltungsbereich. Die Klägerin ist eine von der Beklagten beschäftigte Arbeitnehmerin im räumlichen Geltungsbereich. Am Vorliegen des persönlichen Geltungsbereichs ist daher ebenfalls nicht zu zweifeln.

Die Beklagte räumt in der Revision ein, dass der Wortlaut „soziale oder gesundheitliche Dienste“ die Auslegung zulasse, dass auch private Pflegeheime mit Gewinnerzielungsabsicht von der Satzung erfasst werden sollen, verweist aber darauf, dass ursprünglich nahezu ausschließlich Non-Profit-Organisationen Mitglied der BAGS gewesen seien. Wenn sie weiter meint, es hätte daher eines ausdrücklichen Hinweises bedurft, damit neben Non-Profit-Unternehmungen auch Profit-Unternehmungen von der Satzung erfasst werden, dann irrt sie. Der Geltungsbereich der BAGS-Satzung differenziert nicht zwischen Profit- oder Non-Profit-Unternehmungen. Dass Arbeitgeber mit Gewinnerzielungsabsicht von der BAGS-Mitgliedschaft aufgeschlossen gewesen seien, behauptet auch die Beklagte nicht (siehe die BAGS-Mitgliederliste zum 1. 1. 2011 bei Löschnigg/Resch, BAGS-KV 20116 § 2 Erl 5, die eine beträchtliche Zahl von Profit-Unternehmungen umfasst).

Die vorstehende Überlegung der Beklagten bildet auch keinen stichhaltigen Einwand gegen die Gesetzmäßigkeit der Satzungserklärung. Richtig ist, dass die Satzungserklärung nach § 18 Abs 3 Z 3 ArbVG auch davon abhängt, dass die von der Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse im Verhältnis zu jenen, die dem Kollektivvertrag unterliegen, „im Wesentlichen gleichartig“ sind. Dabei geht es vor allem um die inhaltliche Gestaltung der Arbeitsverhältnisse, insbesondere die Art der gegenseitig zu erbringenden Leistungen. Bei Ausweitung auf verwandte Branchen können auch die typischen Arbeitsbedingungen eine Rolle spielen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betriebe und ihre Größe könnte eventuell dann von Bedeutung sein, wenn sich diese Aspekte auf die Arbeitsweise (zB Maschineneinsatz) auswirken (vgl Reissner in ZellKomm² § 18 ArbVG Rz 14 ua). Übertriebene Anforderungen an die Gleichartigkeit sind aber nicht zu stellen; sie muss nach § 18 Abs 3 Z 3 ArbVG „im Wesentlichen“ bestehen. Von der Beklagten erwähnte, nicht näher spezifizierte „steuer- und subventionsrechtliche Vorteile“ können in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden. Ob die Pflegeleistungen von einem Profit- oder Non-Profit-Pflegeheim angeboten werden, spielt hier keine Rolle. Dieser Aspekt weckt keine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Satzungserklärung in Bezug auf die Gleichartigkeit der Arbeitsverhältnisse (vgl VfSlg 13.880 ua).

Auch der Einwand der Beklagten, der Anwendungsbereich der Satzung sei „viel zu unbestimmt“, überzeugt nicht. Unzweifelhaft ist der Geltungsbereich der Satzung des BAGS-KV. Dies entspricht dem Ziel der Satzungserklärung, die Arbeitsbedingungen in den „sozialen Unternehmen“ einheitlich zu gestalten (vgl Weidenholzer/Katzian/Gruber/Bödenauer in Löschnigg/Resch, BAGS-KV, 1. Auflage 2006, 8). Die Anforderungen an die Bestimmtheit dürfen nicht überspannt werden. Der Anwendungsbereich ist bestimmt genug, dass auch die Beklagte einräumen muss, dass dessen Wortlaut die Auslegung zulässt, dass auch private Pflegeheime mit Gewinnerzielungsabsicht von der Satzung erfasst werden sollen.

Richtig weist die Beklagte schließlich darauf hin, dass ein Kollektivvertrag nach § 18 Abs 3 Z 2 ArbVG nur dann zur Satzung erklärt werden darf, wenn er „überwiegende Bedeutung“ erlangt hat. Dieses Kriterium stellt darauf ab, dass die vom Kollektivvertrag erfassten Arbeitsverhältnisse gegenüber den vorerst noch nicht erfassten Arbeitsverhältnissen in der Mehrzahl sind (vgl Reissner in ZellKomm² § 18 ArbVG Rz 13 ua). Dies war hier der Fall. Das Berufungsgericht wies darauf hin, dass vom BAGS-KV ca 40.000 Arbeitnehmer erfasst wurden und von der Satzung ca weitere 30.000 Arbeitnehmer, insgesamt also rund 70.000 Arbeitnehmer erfasst wurden. Dazu meint die Beklagte, dass diese Zahlen erst aus dem Jahr 2010 stammen. Zwischenzeitlich seien viele Arbeitgeber der BAGS beigetreten, um den BAGS-KV mitgestalten zu können. Letzteres mag durchaus stimmen, unterstreicht aber nur die Bedeutung des BAGS-KV für „soziale Unternehmen“. Im Übrigen irrt die Beklagte, denn das vorgenannte Zahlenmaterial stammt nicht erst aus dem Jahr 2010, sondern war schon zur Zeit der Satzungserklärung aktuell (vgl Weidenholzer/Katzian/Gruber/Bödenauer in Löschnigg/Resch, BAGS-KV, 1. Auflage 2006, 7 f).

Was sich für die Beklagte aus dem Umstand ergeben soll, dass in der Steiermark die Kollektivvertragsverhandlungen mit einem anderen Verband gescheitert seien, ist nicht verständlich. Aus hypothetischen Überlegungen, wovon das Bundeseinigungsamt bezüglich dieses Verbands ausgegangen sein könnte, ist für den Standpunkt der Beklagten nichts zu gewinnen. Zusammenfassend wecken die Überlegungen der Beklagten keine Bedenken gegen die gegenständlichen Satzungserklärungen. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, beim Verfassungsgerichtshof die von der Beklagten angeregte Verordnungsprüfung zu beantragen.

Soweit die Beklagte in ihrer Revision auch Ausführungen zur SEG-Zulage bzw SEG-Pauschale erstattet und die Aufhebung durch das Berufungsgericht wegen Entscheidungsreife der Sache rügt, sind diese Ausführungen dem gegen die Teilaufhebung erhobenen Rekurs der Beklagten zuzuordnen und dort zu behandeln. Ein „Mangel des Berufungsverfahrens“ liegt in diesem Zusammenhang nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Zur Revision der Klägerin:

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Revision gegen die Bestätigung der teilweisen Klageabweisung durch das Berufungsgericht hinsichtlich des Betrags von 9.627,92 EUR sA. Es handelt sich dabei um die Differenzansprüche der Klägerin nach dem gesatzten BAGS-KV für den vor dem Wirksamwerden der Optierung ab 1. 1. 2009 liegenden Zeitraum vom 1. 5. 2006 bis 31. 12. 2008. Die Klägerin will zum einen bereits früher, als von den Vorinstanzen angenommen, optiert haben, bzw von einer Rückwirkung der Optierung ausgehen; zum anderen macht sie die Beklagte für die späte Optierung verantwortlich und stützt ihre vor der Optierung liegenden Ansprüche auf den Titel des Schadenersatzes.

Die rechtliche Grundlage des bereits wiederholt erwähnten Optierens findet sich in § 41 des BAGS-KV, der verschiedene Übergangsbestimmungen enthält. Hier interessieren nur die in § 41 Z 2 enthaltenen Übergangsbestimmungen bezüglich des Entgelts, und davon wiederum nur jene, die sich in Z 2/B auf „bestehende Arbeitsverhältnisse“ beziehen. Darunter versteht der BAGS-KV vom 17. 12. 2003, Stand 1. 1. 2006, in der Fassung der Satzungserklärung vom 24. 4. 2006 jene Arbeitsverhältnisse, die vor dem Wirksamkeitsbeginn der Satzung zum 1. 5. 2006 begründet wurden. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde bereits am 3. 4. 2006 begründet; es ist somit ein „bestehendes Arbeitsverhältnis“ iSd § 41 Z 2/B BAGS-KV.

§ 41 Z 2/B BAGS-KV lautet in der durch die Satzungserklärung modifizierten Form wie folgt:

Für Arbeitnehmerinnen, deren Arbeitsverhältnis vor dem In-Kraft-Treten der Satzung begründet wurde, gilt dieser Kollektivvertrag mit Ausnahme der Bestimmungen des

§ 8 Abs 3 lit d, e: Vergütung der Nachtarbeitsbereitschaft,

§ 9 Abs 1 und 2: Nachtarbeits-Zuschlag/Pauschale,

§ 10 Abs 6 und 7: Überstundenzuschläge/Mehrarbeitsvergütung,

§ 13 Abs 1: Rufbereitschaft,

§ 26: Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration,

§ 28: Verwendungsgruppen,

§ 29: Gehaltstabelle,

§ 30: allgemeine Entgeltregelungen,

§ 31: Zulagen und Zuschläge und

§ 32: Anrechnung von Vordienstzeiten für Gehalt

Jede Arbeitnehmerin hat einmalig, einseitig das Recht, sich innerhalb von sechs Monaten nach In-Kraft-Treten der Satzung zu entscheiden, ob sie auch in die oben angeführten Bestimmungen dieses KV optiert oder in ihren bisherigen Entgeltbestimmungen verbleibt. Gibt die Arbeitnehmerin keine Optierungserklärung ab, so verbleibt sie in ihren bisherigen Entgeltbestimmungen.

Danach ist ein Wechsel in die Entgeltbestimmungen des KV nur im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber möglich.

Mit der Optierung treten alle bisherigen vertraglichen Vereinbarungen über Entgelte, Zulagen, Zuschläge und Aufwandsentschädigungen außer Kraft, sofern sie nicht in einer echten Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs 1 ArbVG geregelt sind.

Bisherige Zusatzurlaubsregelungen bleiben erhalten und gelten als Vorgriff auf die Urlaubsregelungen nach den Bestimmungen des § 16 dieses KV.

Dies bedeutet, dass der nach diesem KV geregelte erhöhte Urlaubsanspruch um 2 Werktage nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit, um 4 Werktage nach 15-jähriger Betriebszugehörigkeit bzw um 6 Werktage nach 20-jähriger Betriebszugehörigkeit auf diesen Zusatzurlaub angerechnet wird. Nicht anzurechnen sind Urlaubsregelungen nach dem NSCHG oder analogen Regelungen im stationären Bereich. Auf den gesetzlich vorgesehenen Anspruch auf 36 Werktage nach 25 Dienstjahren erfolgt hinsichtlich der bisherigen Zusatzurlaubsregelungen keine Anrechnung mehr.

Nach In-Kraft-Treten der Satzung sind günstigere Vereinbarungen weiterhin abschließbar.

Als Grundlage für die Optierungsentscheidung sind alle Arbeitnehmerinnen fiktiv in die Verwendungsgruppen und Gehaltsstufen nach den Bestimmungen dieses KV einzustufen; unabhängig von der bestehenden Ist-Entlohnung.

Zum Vergleich der bestehenden Ist-Entgelte mit den in diesem KV festgelegten Entgelten werden eine Ist-Vergleichssumme und eine KV-Vergleichssumme gebildet. In diese Vergleichssummen sind all jene betrieblichen, regelmäßigen Entgeltbestandteile einzurechnen, die für Zeiten der Normalarbeitszeit gewährt werden.

Ausgenommen davon sind Sonn-, Feiertags- und Nachtdienstzulagen.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, der Arbeitnehmerin binnen vier Monaten nach In-Kraft-Treten der Satzung über die fiktive Einstufung, über die Ist-Vergleichssumme und KV-Vergleichssumme eine schriftliche Information auszuhändigen.

Verbleib in den bisherigen Entgeltbestimmungen:

Bei Arbeitnehmerinnen, die sich dafür entscheiden, in ihren bisherigen Entgeltbedingungen zu verbleiben, erfolgt die jährliche Gehaltsanpassung dieser Entgeltbedingungen entsprechend der vereinbarten Ist-Lohn-/Gehaltserhöhung.

Der zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Satzung bezahlte Ist-Lohn/-gehalt (das sind all jene betrieblichen, regelmäßigen Entgeltbestandteile, die für Zeiten der Normalarbeitszeit gewährt werden) gilt als Mindestlohn.

Übertritt in den entgeltlichen Teil dieses KV:

Für Arbeitnehmerinnen, die sich für den Übertritt entscheiden, gelten folgende Bestimmungen:

Liegt die Ist-Vergleichssumme über der KV-Vergleichssumme, erfolgt die jährliche Gehaltsanpassung entsprechend der vereinbarten Ist-Lohn-/Gehaltserhöhung.

Liegt die Ist-Vergleichssumme unter der KV-Vergleichssumme, so ist der so ermittelte Differenzbetrag als Abzugsbetrag vom jeweiligen KV-Gehalt innerhalb von 10 Jahren (bis zum Jahresende 2014) abzubauen. Für Kindergartenhelferinnen ist die Differenz innerhalb von 15 Jahren (bis zum Jahresende 2019) abzubauen. Dies hat jährlich in gleich hohen monatlichen Beträgen zu erfolgen. Monatliche Differenzbeträge bis zu einer Höhe von € 5,- sind im ersten Jahr anzugleichen.

Ab der Satzungserklärung vom 26. 1. 2007, wirksam ab 1. 1. 2007, umfasst der gesatzte BAGS-KV auch noch die Bestimmung des § 41A („Zusätzliche Optierung“), die wie folgt lautet:

Die Arbeitnehmerinnen haben bis zum Jahr 2014 jährlich die Möglichkeit bis 30. September, einseitig mittels Antrag an den Arbeitgeber in die Entgeltbestimmungen des Kollektivvertrages zu optieren, wobei die Wirksamkeit dieser Optierung mit 1. Jänner des Folgejahres beginnt.

Liegt die Ist-Vergleichssumme unter der KV-Vergleichssumme, so ist der so ermittelte Differenzbetrag als Abzugsbetrag vom jeweiligen KV-Gehalt bis zum Jahresende 2014 abzubauen. Für Kindergartenhelferinnen ist die Differenz bis zum Jahresende 2019 abzubauen. Der Differenzbetrag reduziert sich jährlich in gleichen Schritten und wird monatlich abgezogen. Wobei monatliche Differenzbeträge bis zu einer Höhe von € 5,00 im ersten Jahr anzugleichen sind.

Mit der Optierung treten alle bisherigen vertraglichen Vereinbarungen über Entgelte, Zulagen, Zuschläge und Aufwandsentschädigungen außer Kraft, sofern sie nicht in einer echten Betriebsvereinbarung gemäß § 97 Abs 1 ArbVG geregelt sind.

Die Vorinstanzen gingen in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass die Klägerin erst mit dem Schreiben der Arbeiterkammer vom 24. 7. 2008 optiert hat. Dies entspricht den getroffenen Tatsachenfeststellungen. Aus einem früheren Schreiben der Arbeiterkammer ist für die Klägerin in Bezug auf eine frühere Optierung nichts zu gewinnen, weil die Arbeiterkammer darin noch nicht im Namen der Klägerin auftrat. Nach § 41 Z 2/B des gesatzten BAGS-KV hat jede Arbeitnehmerin einmalig und einseitig das Recht, sich innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten der Satzung zu entscheiden, ob sie in die Entgeltbestimmungen des BAGS-KV optiert oder in ihren bisherigen Entgeltbestimmungen verbleibt. Gibt die Arbeitnehmerin keine Optierungserklärung ab, so verbleibt sie in ihren bisherigen Entgeltbestimmungen (vgl Löschnigg/Resch, BAGS-KV 20116 § 41 Erl 20 ua). In Anbetracht dieser eindeutigen Regelung bleibt für eine unmittelbare Anwendung der Entgeltbestimmungen des gesatzten BAGS-KV ohne Optierung kein Raum. Der gesatzte BAGS-KV ermöglicht für den vorliegenden Fall auch keine Rückwirkung der Optierungserklärung (vgl zB auch 9 ObA 153/09d zur mangelnden Rückwirkung der Vordienstzeitenanrechnung im BAGS-KV). Aus Überlegungen zu einer „Eventual-Optierungserklärung“ ist hier nichts zu gewinnen; eine derartige Erklärung ist nicht erfolgt.

Das Problem, dass eine Arbeitnehmerin die Optierung binnen sechs Monaten ab Wirksamwerden der Satzung versäumt, fängt § 41A des gesatzten BAGS-KV auf, der eine „zusätzliche Optierung“ ermöglicht (vgl Löschnigg/Resch, BAGS-KV 20116 § 41A Erl 1 ua). Danach haben Arbeitnehmerinnen bis zum Jahr 2014 jährlich die Möglichkeit, bis 30. September einseitig mittels Antrags an den Arbeitgeber in die Entgeltbestimmungen des Kollektivvertrags zu optieren, wobei die Wirksamkeit dieser Optierung mit 1. Jänner des Folgejahres beginnt. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme der Vorinstanzen, dass die Klägerin aufgrund ihrer Optierungserklärung vom 24. 7. 2008 jedenfalls ab 1. 1. 2009 den Entgeltbestimmungen des gesatzten BAGS-KV unterliegt, nicht zu beanstanden.

Bezüglich des davor liegenden Zeitraums vom 1. 5. 2006 bis 31. 12. 2008 stützte sich die Klägerin in erster Instanz auch auf den Titel des Schadersatzes. Eine Grundlage für eine entsprechende Haftung der Beklagten erblickt die Klägerin in der in den Übergangsbestimmungen des § 41 des gesatzten BAGS-KV enthaltenen besonderen Informationspflicht des Arbeitgebers. Diese verpflichtet ihn, dem Arbeitnehmer binnen vier Monaten nach Inkrafttreten der Satzung über die fiktive Einstufung, über die Ist-Vergleichssumme und die KV-Vergleichssumme eine schriftliche Information auszuhändigen. Diese „Vergleichsberechnung“ dient gemäß § 41 des gesatzten BAGS-KV ausdrücklich als „Grundlage für die Optierungsentscheidung“ des Arbeitnehmers.

Das Berufungsgericht ging nun zutreffend davon aus, dass die Beklagte die vorstehende Informationspflicht verletzt hat, weil sie der Klägerin nie eine Vergleichsberechnung aushändigte, somit keine Grundlage für die Optierungsentscheidung zur Verfügung gestellt hat. Richtig ist, dass der gesatzte BAGS-KV keine besondere Sanktion für den Fall der Verletzung der Informationspflicht enthält; er bringt allerdings auch nicht zum Ausdruck, dass die Pflicht vom Arbeitgeber folgenlos verletzt werden kann (vgl Löschnigg/Resch, BAGS-KV 20116 § 41 Erl 26, die dem Arbeitnehmer eine Klage auf Abgabe der Information einräumen wollen). Es stellt sich daher die Frage, ob die Beklagte nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Erwägungen für die Pflichtverletzung haftbar gemacht werden kann. Mit der Klage auf Abgabe der Information ist einem Arbeitnehmer, sobald er (wenn auch spät) optiert hat, nicht mehr besonders gedient. Die Haftung des Arbeitgebers könnte schon ganz allgemein darauf gestützt werden, dass ihn gegenüber seinem Arbeitnehmer eine besondere Fürsorgepflicht trifft, die sich auch auf die vermögensrechtlichen Interessen des Arbeitnehmers erstreckt (9 ObA 118/03y; RIS-Justiz RS0021267 ua). Dass es bei der (zeitgerechten) Optierung des Arbeitnehmers in die Entgeltbestimmungen des gesatzten BAGS-KV um vermögensrechtliche Interessen geht, steht außer Zweifel. Konkretisiert wird die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im vorliegenden Fall durch Normierung einer besonderen Informationspflicht im gesatzten BAGS-KV.

Zutreffend ging daher das Berufungsgericht von der grundsätzlichen Möglichkeit der Schadenersatzpflicht der Beklagten aus, meinte aber, dass das Vorbringen der Klägerin zum Schaden und zum Verschulden nicht ausreichend gewesen sei. Dem hält die Klägerin entgegen, dass sie in erster Instanz vorgebracht habe, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Legung einer Vergleichsberechnung nicht nachgekommen sei. Hätte die Beklagte die gebotene Vergleichsberechnung erstellt, dann hätte die Klägerin früher optiert und es wäre ihr kein Schaden entstanden. Dieses Vorbringen lässt keinen Zweifel offen, dass und wofür die Klägerin die Beklagte verantwortlich machen will. Auch die Beklagte hat dieses Vorbringen verstanden und das Bestehen des von der Klägerin behaupteten Schadenersatzanspruchs bestritten. Nach dem Vorbringen der Klägerin ist davon auszugehen, dass sie den erlittenen Schaden mit jenen Entgeltdifferenzen gleichsetzt, die sie zufolge später Optierung versäumte. Allfällige noch verbleibende Unklarheiten bei den Vorinstanzen sind durch Erörterung des Klagevorbringens zu bereinigen. Bezüglich des Verschuldens unterliegen Berufungsgericht und Beklagte einem Irrtum. Es trifft nicht die geschädigte Arbeitnehmerin die Pflicht, das Verschulden der Arbeitgeberin an der Informationspflichtverletzung zu behaupten und zu beweisen. Es ist vielmehr nach § 1298 ABGB Sache der Schädigerin, ihr mangelndes Verschulden an der Verletzung der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht darzutun (vgl 9 ObA 118/03y ua). Der geschädigten Klägerin bleibt es natürlich unbenommen, ihrerseits weitere konkrete Umstände vorzubringen, die für ein Verschulden der Beklagten sprechen. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren in erster Linie mit der Beklagten zu erörtern haben, aufgrund welcher Informationen und Gegebenheiten sie bis zur Optierungserklärung der Klägerin vom 24. 7. 2008 über welchen Wissensstand bezüglich der Maßgeblichkeit der BAGS-Satzungserklärung verfügte. Erörterungsbedürftig erscheint in diesem Zusammenhang auch der Beitritt der Beklagten zum Verband der Privatkrankenanstalten, der laut Klägerin „im Vorfeld der Bestrebungen, den BAGS-KV zur Satzung zu erklären“, erfolgt sein soll. Was sie damit allenfalls andeuten wollte, blieb mangels Erörterung im Dunkeln. Es gibt dazu auch keine Feststellungen. Nachdem die Beklagte seit Oktober 2005 Mitglied des Verbands der Privatkrankenanstalten Österreichs war, wird mit ihr auch zu erörtern sein, warum sie die Klägerin nicht einmal nach dem Feststellungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs vom 9. 5. 2007 gemäß § 41 des gesatzten BAGS-KV durch Aushändigung einer Vergleichsberechnung informierte. Es gab auch schon vor der Optierung der Klägerin vom 24. 7. 2008 eine Kontaktaufnahme der Arbeiterkammer mit der Beklagten, bei der es um die gegenständliche Thematik ging. Vorbeugende Überlegungen der Beklagten zum Verfall von Entgeltansprüchen gemäß § 40 des gesatzten BAGS-KV werden in Bezug auf allfällige Schadenersatzansprüche für die Zeit vor der Optierung keine Rolle spielen.

Zu den Rekursen der Parteien:

Das Berufungsgericht bestätigte den Zuspruch der Entgeltdifferenz in der Höhe von 1.768,35 EUR sA für den Zeitraum vom 1. 1. 2009 bis 31. 10. 2009, hob jedoch das Ersturteil hinsichtlich des Mehrbetrags von 496,74 EUR sA auf, weil die Feststellungen des Erstgerichts nicht ausreichen würden, um den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auf eine SEG-Pauschale beurteilen zu können. Gegen diese teilweise Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht richten sich die Rekurse beider Parteien.

Arbeitnehmern, die unter erschwerten Bedingungen arbeiten, gebührt nach § 31 des gesatzten BAGS-KV eine Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulage (SEG-Zulage), wobei in Betriebsvereinbarungen die erschwerten Arbeitsbedingungen im Sinne der Bestimmungen des EStG zu bestimmen sind. In Betrieben ohne Betriebsrat ist eine entsprechende Vereinbarung mit der jeweils zuständigen Gewerkschaft abzuschließen. Die Zulage wird als Zuschlag je Arbeitsstunde mit erschwerten Bedingungen gewährt, dessen Höhe davon abhängt, ob der Arbeitnehmer den Verwendungsgruppen 1-3 oder 4-9 angehört. Im Fall regelmäßiger erschwerter Arbeitsbedingungen kann unter Berücksichtigung der angeführten Stundensätze eine Pauschale vereinbart werden. Im Fall überwiegend erschwerter Arbeitsbedingungen gebührt eine monatliche SEG-Pauschale, deren Höhe davon abhängt, ob der Arbeitnehmer den Verwendungsgruppen 1-3 oder 4-9 angehört. Überwiegend erschwerte Arbeitsbedingungen liegen dann vor, wenn mehr als 80 % der Arbeitszeit unter diesen Bedingungen gearbeitet wird.

Im vorliegenden Fall herrscht Streit darüber, ob die Klägerin, die nach dem gesatzten BAGS-KV in die Verwendungsgruppe 5 fällt, mehr als 80 % der Arbeitszeit unter erschwerten Bedingungen arbeitete. Dies ist Voraussetzung für die von der Klägerin begehrte SEG-Pauschale. Die Beklagte meint, dass erschwerte Bedingungen, die mit dem Berufsbild verbunden sind, bei der Beurteilung der Berechtigung der SEG-Zulage nicht zu berücksichtigen seien. Sie begründet dies damit, dass die erschwerten Bedingungen bereits bei der Einstufung in die Verwendungsgruppe mitberücksichtigt werden.

Ob dies bei anderen Kollektivverträgen der Fall ist, muss hier nicht geprüft werden. Auf die Einstufung von Pflegehelferinnen nach dem gesatzten BAGS-KV trifft dies jedenfalls nicht zu. Diese fallen gemäß § 28 des gesatzten BAGS-KV - zusammen mit Leitstellendisponentinnen, Notfallssanitäterinnen, Heilmasseurinnen, Büropersonal für selbstständige EDV-mäßige Erstellung von Texten, Tabellen, Layout, Kontierungskräften, Rezeptionistinnen, Sekretärinnen, Köchinnen, Lern- und Freizeitbetreuerinnen, Behindertenfachkräften in Ausbildung, Hausbetreuerinnen mit facheinschlägigem Abschluss aber nicht überwiegender Tätigkeit - in die Verwendungsgruppe 5. Eine besondere Differenzierung nach erschwerten Bedingungen ist bei der Einstufung nicht ersichtlich. Von einem Ausschluss der Berücksichtigung erschwerter Bedingungen, die mit dem Berufsbild der Pflegehelferin verbunden sind, ist nicht auszugehen.

Die Auffassung der Parteien, dass der Sachverhalt hinreichend geklärt sei, um die begehrte SEG-Pauschale zusprechen oder abweisen zu können, trifft nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu. Die von der Klägerin begehrte SEG-Pauschale hängt davon ab, dass die Klägerin mehr als 80 % der Arbeitszeit unter erschwerten Arbeitsbedingungen gearbeitet hat. Wenn das Berufungsgericht der Ansicht ist, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, dann kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (RIS-Justiz RS0042179 ua).

Zusammenfassend ist nur die Revision der Klägerin berechtigt. Die übrigen Rechtsmittel der Parteien sind unbegründet. Es bleibt daher bei der Teilbestätigung des Klagebegehrens und der Teilaufhebung und Zurückverweisung durch das Berufungsgericht, zu der noch die Aufhebung und Zurückverweisung hinsichtlich des von beiden Vorinstanzen abgewiesenen Begehrens von 9.627,92 EUR sA dazu tritt.

Die Kostenvorbehalte beruhen auf § 52 ZPO.

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