OGH 9ObA135/11k

OGH9ObA135/11k29.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Dr. Peter Schnöller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Zentralbetriebsrat der ÖBB-Personenverkehr AG, 1220 Wien, Wagramer Straße 17-19, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei ÖBB-Personenverkehr AG, 1220 Wien, Wagramer Straße 17-19, vertreten durch Kunz, Schima, Wallentin, Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (50.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. August 2011, GZ 10 Ra 66/10i-48, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 30. November 2009, GZ 29 Cga 75/06w-44, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.998,54 EUR (darin 333,09 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Entlohnung der Arbeitnehmer der Beklagten richtet sich nach den Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen (AVB). § 24 AVB lautet:

„Der ÖBB-Angestellte erhält ein Monatsentgelt. Dieses besteht aus dem Gehalt und allfälligen Zulagen. …

Die Höhe des Gehalts richtet sich nach der Gehaltsgruppe und der Gehaltsstufe. Die Gehaltsgruppe ergibt sich aus der Verwendung. Die Zuordnung der einzelnen Verwendungen zu den Gehaltsgruppen bestimmt die Anlage 1.“

Anlage 1 enthält allgemeine „Verwendungsbezeichnungen“ der Arbeitnehmer. Der ON 469 ist die Verwendungsbezeichnung „Bahnhofsbediensteter 5“ mit der Gehaltsgruppe IVB zugeordnet, der ON 584 die Verwendungsbezeichnung „Bahnhofsbediensteter 4“ mit der Gehaltsgruppe VB. Die Bezeichnung der einzelnen Tätigkeiten werden nicht näher definiert. Ein Projekt der Beklagten, durch eine Funktionsbeschreibung der Verwendungen eine Normierung der Tätigkeiten zu erreichen („Tätigkeits-, Funktions- und Merkmalsanalyse“, TFMA), wurde eingestellt. Bis 2008 gab es keine bestimmten Anforderungsprofile, Stellenplatz- oder Tätigkeitsbeschreibungen. Der Begriff „CCC-Agent/Gruppenreservierer“ ist in Anlage 1 nicht enthalten.

Im Jahr 2001 errichtete die ÖBB als Rechtsvorgängerin der Beklagten an mehreren Standorten in Österreich Call-Center. Als Call-Center-Mitarbeiter wurden in erster Linie die Mitarbeiter der früheren Zugauskunftsstelle herangezogen, zum Teil auch Mitarbeiter aus anderen Bereichen, zB Lade- und Schaltermitarbeiter. Sämtliche Arbeitnehmer wurden zunächst mit ihrer bisherigen Gehaltsgruppe in das Call-Center übernommen. Seitens der Beklagten gab es aber ein commitment, die Mitarbeiter in die Gehaltsgruppen IV bis V einzustufen. In den ersten Jahren lag die Mindesteinstufung der CCC-Agenten idR bei Gehaltsgruppe IVB.

Im Weiteren wurde das Stellenplan- und Nachbesetzungssystem der ÖBB angewandt: Im Unternehmen der Beklagten besteht ein Stellenplan. Nach § 25 AVB ist mit jeder Planstelle eine bestimmte Verwendung verbunden. Als Kriterien für die Verwendung auf eine Planstelle gelten etwa die Schulbildung, Handwerk oder besondere Fertigkeiten und Kenntnisse. Der tatsächliche Wechsel im Stellenplan erfolgte häufig unabhängig von einem Verwendungswechsel innerhalb des Unternehmens. Ging etwa ein in Gruppe VB eingestufter Mitarbeiter in Pension, konnte ein niedriger eingestufter Mitarbeiter auf die frei gewordene Planstelle mit der Wertigkeit VB nachrücken. Aufgrund ihrer Vorverwendung höher eingestufte Mitarbeiter nahmen die höhere Gruppe in das Call-Center mit. Bestrebungen der Beklagten, höherwertige Planstellen bei Freiwerden abzuwerten, scheiterten an der fehlenden Zustimmung des Betriebsrats oder wurden von diesem von der Aufwertung anderer Planstellen oder anderen Zugeständnissen der Beklagten, etwa bezüglich Anwesenheitsreduzierung, abhängig gemacht.

Qualifikationsvoraussetzung für die Tätigkeit als CCC-Agent ist die Absolvierung der Prüfung PVO1 (Filialkassier-Reiseverkehr). Die CCC-Mitarbeiter nehmen überdies zweimal jährlich an Verkaufstrainings, zum Teil auch an weiteren Schulungen teil. Sie sind im Call-Center der Beklagten eingesetzt, bei dem Anrufe über die Telefonnummer 051717 im Wege eines Routingsystems entsprechend den Anlaufstellen (Ziffer 1 „Reisebuchung“; Ziffer 2 „Auskünfte im Fernreiseverkehr National und International“; Ziffer 3 „Busauskunft“; Ziffer 4 „Auskunft über Verbindungen innerhalb des Bundeslandes oder Verkehrsverbundes“; Ziffer 5 „Spezialauskunft“) an die einzelnen Standorte und Mitarbeiter weitergeleitet werden. Zu Buchungsagenten gelangt man an den Standorten Wien und Salzburg. Im Call-Center Wien sind neben 15 bis 20 buchenden Agenten auch 30 bis 40 nicht buchende Agenten im Einsatz. Im Auskunftsbereich gibt es auch die Gruppe der Mentoren, die nicht nur Auskünfte über den Regional- und Fernverkehr, sondern auch zum Verkehrsverbund geben. Daneben sind Coaches koordinierend und organisierend für die Auskunfts- und Buchungsaufgaben zuständig. Abgesehen von standortbedingten Besonderheiten (zB Autoreisezugbuchung nur über den Standort Salzburg) und den genannten Hierarchiefunktionen gibt es keine Unterschiede in der Tätigkeit des CCC-Agenten/Gruppenreservierers.

Durch das Bundesbahnstrukturgesetz 2003 wurde das Unternehmen der Beklagten sowohl gesellschafts- als auch betriebsverfassungsrechtlich umstruktuiert. Aufgrund der Umstrukturierung, wirtschaftlicher Verluste und des Drucks, Personalkosten einzusparen, nimmt die Beklagte seit 30. 4. 2004 keine Höherreihungen von Mitarbeitern mehr vor. Vielmehr wurden aufgrund eines allgemeinen Branchenvergleichs alle Planstellen im Stellenplan der Stufe IVB zugeordnet. Höher eingestufte Mitarbeiter erfuhren dadurch keine Herabstufung.

Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung arbeiteten 172 Arbeitnehmer in den Call-Centern, von denen 4 Mitarbeiter in die Gehaltsgruppe IIB, 2 in die Gehaltsgruppe IIIB, 37 in die Gehaltsgruppe IVB, 2 in die Gehaltsgruppe VA, 86 in die Gehaltsgruppe VB, 40 in die Gehaltsgruppe VIB und 1 Mitarbeiter in die Gehaltsgruppe VIIA eingestuft waren.

Der Kläger begehrte die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, die als „CCC-Agenten/Gruppenreservierer“ verwendeten ArbeitnehmerInnen, auf die die Allgemeinen Vertragsbedingungen der Österreichischen Bundesbahnen (AVB) zur Anwendung kommen und die in Gehaltsgruppen unter der Gehaltsgruppe VB (Grundeinstufung) eingestuft seien, in die Gehaltsgruppe VB, insbesondere die ON 584, einzureihen. Hilfsweise wird die Feststellung einer entsprechenden Einstufung der bei der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin vor dem 30. 4. 2004 als CCC-Agents/Gruppenreservierer verwendeten ArbeitnehmerInnen begehrt.

Dazu brachte er vor, bei der Beklagten seien 172 Arbeitnehmer beschäftigt, die als „CCC-Agenten/Gruppenreservierer“ bezeichnet würden und auch entsprechende Tätigkeiten verrichteten. Sämtliche dieser Mitarbeiter erfüllten idente Tätigkeiten, seien aber auf unterschiedlich bewerteten Planstellen eingereiht und würden ungleich entlohnt. Durch die Einreihung von rund 70 % der mit dieser Tätigkeit beschäftigten Personen zumindest in die Gehaltsgruppe VB habe die Beklagte eine Wertung über die vorzunehmende Einstufung dahin getroffen, dass die Regeleinstufung in die Gehaltsgruppe VB zu erfolgen habe. Die Beklagte sei davon ausgegangen, dass es sich bei der Tätigkeit des CCC-Agenten um eine hochwertige Tätigkeit handle, die jener der Personenkassierer gleichzuhalten sei. Bei diesen seien rund 73 % in Verwendungsgruppe VIB eingestuft, sodass die begehrte Mindesteinstufung jedenfalls zustehe. Die geringerwertige Entlohnung widerspreche dem Gleichbehandlungs- und Verwendungsprinzip. Für die Einstellung der Höherreihungen fehle eine sachliche Rechtfertigung, weil jene Mitarbeiter, für die die AVB gelten, eine Anwartschaft auf eine absehbare Einkommenssituation erworben hätten und jedenfalls eine weitere Höherreihung erwarten könnten. Die generelle Abwertung sämtlicher Positionen durch die Beklagte sei unzulässig. Die Beklagte habe vor dem Zeitpunkt des Stichtags eine auf Basis der Normierungsrichtlinie gestaltete verbindliche Einstufungsregel aufgestellt, die die Entlohnung der CCC-Agenten betreffe und als Betriebsübung zu werten sei, dies aufgrund des Umstands, dass zum Stichtag die Mehrheit der CCC-Agenten in die Verwendungsgruppe VB eingestuft gewesen sei. Das System der AVB stehe einer einseitigen Änderung entgegen.

Die Beklagte bestritt dies, beantragte Klagsabweisung und wandte im Wesentlichen ein, die CCC-Agenten seien individuell mit verschiedensten Tätigkeiten betraut, hätten unterschiedliche Ausbildungen, unterschiedliche Vorgeschichten und seien auch unterschiedlich lange bei der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin tätig. Die Einstufung erfolge primär entsprechend den individuell ausgeübten Tätigkeiten, bei denen zwischen Auskunfts-, Buchungs- und Beschwerdeagenten zu differenzieren sei. Die Tätigkeit von Buchungsagenten sei gegenüber jener der Auskunftsagenten höherwertig und erfordere eine Schulung hinsichtlich der Kassengebarung. Am Standort Wien würden vor allem Auskunftsagenten eingesetzt. Es gebe einen Supervisor sowie mehrere Coaches, die dem Agenten beratend zur Seite stünden und in Eskalationsfällen die Gespräche übernähmen, weshalb sie höher eingestuft seien. Darüber hinaus würden für die individuelle Einstufung formelle Qualifikationskriterien wie Ausbildung, Vorbildung und Unternehmenszugehörigkeit herangezogen, wie dies ähnlich auch die für Neuaufnahmen bei der Beklagten geltende Dienst- und Besoldungsordnung (DBO) vorsehe. Höhere Einstufungen würden sich auch dadurch ergeben, dass Mitarbeiter sie aus ihrer Vorverwendung mitbrächten und eine Rückstufung in eine niedrigere Gehaltsgruppe nur sehr eingeschränkt möglich sei. Die Anlage 1 der AVB benenne zwar insgesamt 18 Gehaltsgruppen, jedoch ließen die darin angeführten Funktionsbezeichnungen nur in wenigen Fällen auf eine konkrete Tätigkeit schließen. Die Unterschiede zwischen den Funktionsbezeichnungen würden sich in der Regel erst durch die betriebliche Praxis ergeben.

Auch seien Stichtagsregelungen zu berücksichtigen. Dass ab 30. 4. 2004 keine Höherreihungen mehr vorgenommen worden seien, sondern die Mitarbeiter fortan ausschließlich entsprechend ihrer tatsächlichen individuellen Verwendung und den übrigen Kriterien eingestuft würden, sei aufgrund der veränderten Unternehmensstruktur und im Zusammenhang mit dem DBO-System erfolgt, das nun eine niedrigere Grundeinstufung (Gehaltsgruppe IIIB) vorsehe.

In prozessualer Hinsicht sei die begehrte Feststellung mangels Bestimmtheit und Differenziertheit für ein Feststellungsbegehren gemäß § 54 Abs 1 ASGG unzulässig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Unter Wiedergabe der ihm vom Berufungsgericht überbundenen Rechtsansicht hielt es fest, dass mangels vor dem Verfahren gültiger Tätigkeitsbeschreibungen der „Bahnhofsbediensteten 4 und 5“ keine Gegenüberstellung möglich gewesen sei. Eine betriebliche Übung oder automatische Nachrückung in die begehrten Planstellen VB sei nicht feststellbar gewesen. Die Stichtagsregelung sei als Reaktion auf die Veränderung der Ertragslage der Beklagten sowie als Unternehmensphilosophie zu werten und begründe keine unzulässige zeitliche Differenzierung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Ein verbindliches Einstufungssystem oder eine Zusage der Beklagten, die CCC-Agenten nach VB einzustufen, sei den Feststellungen nicht zu entnehmen. In der Rechtsprechung sei seit der Entscheidung 8 ObA 110/01m klargestellt, dass sich der Entlohnungsanspruch des Dienstnehmers gemäß § 24 Abs 2 AVB nach der Gehaltsgruppe richte, die der tatsächlichen Verwendung des Dienstnehmers entspreche; der Dienstnehmer sei selbst dann seiner Verwendung gemäß einzureihen und zu entlohnen, wenn im Stellenplan kein (freier) Dienstposten dieser Art vorgesehen sei. Beim Anspruch auf eine verwendungsbezogene Entlohnung sei ausschließlich zu prüfen, ob der Dienstnehmer aufgrund einer bestimmten Verwendung nach der Gehaltsgruppenzuordnung (Anlage 1 zu den AVB) einen Anspruch auf eine Entlohnung nach einer höheren Gehaltsgruppe habe. Konkret zu prüfen sei daher die tatsächlich ausgeübte Verwendung im Vergleich mit einer konkreten Verwendungsbezeichnung der Gehaltsgruppenzuordnung und einer damit verbundenen höheren Gehaltsgruppe. Dieser Anspruch sei grundsätzlich unabhängig von der Entlohnung von Arbeitnehmern mit gleicher Verwendung. Mangels einer der Tätigkeit der CCC-Agenten entsprechenden Verwendungsbezeichnung in der Anlage 1 der AVB oder sonstiger Tätigkeitsmerkmale einer Verwendung in der Gehaltsgruppe VB könne der Anspruch aber nicht auf eine Einstufung nach der Gehaltsgruppenzuordnung („Verwendungsprinzip“) gestützt werden.

Zu einer betrieblichen Übung führte das Berufungsgericht aus, von einer von der Beklagten alleine aufgrund der Verwendung als CCC-Agent vorgenommenen höheren Einstufung - im Sinne eines wiederholten gleichförmigen Verhaltens des Arbeitgebers ohne Vorbehalt - könne trotz deren faktischer Umsetzung hinsichtlich der Mehrheit der CCC-Agenten nicht ausgegangen werden. Die Einstufung eines CCC-Agenten in die nächsthöhere Gehaltsgruppe jeweils erst nach Freiwerden einer entsprechenden Planstelle widerspreche gerade der Annahme, die Beklagte hätte ihren Willen, jeden neu eingesetzten CCC-Agenten alleine aufgrund seiner Verwendung entsprechend zu begünstigen, zum Ausdruck gebracht.

Die begehrte höhere Gehaltsgruppeneinstufung sei daher ausschließlich aufgrund des allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu prüfen. Bezüglich einer diesem widersprechenden unsachlichen Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer sei nicht auf das zahlenmäßige Verhältnis, sondern darauf abzustellen, ob der Differenzierung ein erkennbares generalisierbares Prinzip zu Grunde liege, von dem der Arbeitgeber im Einzelfall willkürlich oder ohne sachlichen Grund abgewichen sei und dem Einzelnen das vorenthalte, was er anderen zubillige. Von einem solchen generalisierbaren Prinzip sei bei dem beschriebenen System der „Nachbesetzung“ jedoch nicht auszugehen, weil zum einen die Einstufung in eine höherwertige Planstelle das Resultat von Verhandlungen zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat habe sein können, zum anderen der die Planstelle nachbesetzende Mitarbeiter nach der Wertigkeit der Planstelle und somit unabhängig von einer tatsächlichen Verwendung eingestuft worden sei. Die Stichtagsregelung könne im Sinne der Judikatur auch nicht als willkürlich bezeichnet werden.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Beurteilung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen für die Entlohnung von Dienstnehmern der Beklagten mit der gleichen Verwendung, insbesondere der Frage, welche Kriterien allgemein vorliegen müssten, um von der Annahme eines erkennbaren generalisierbaren Prinzips im Zusammenhang mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sprechen zu können, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

In seiner Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung kommt den verschiedenen Dienstvorschriften, wie etwa Dienstordnungen, Besoldungsordnungen oder Disziplinarordnungen der Charakter von Vertragsschablonen zu, die mit dem Abschluss der jeweiligen Einzeldienstverträge rechtlich wirksam werden und die Vertragspartner als lex contractus binden (RIS-Justiz RS0054759 ua). Diese Erwägungen treffen grundsätzlich auch auf die mit 1. 1. 1996 in Kraft getretenen AVB zu.

Nach § 24 Abs 2 AVB richtet sich die Höhe des Gehalts nach der Gehaltsgruppe und der Gehaltsstufe. Die Gehaltsgruppe ergibt sich aus der Verwendung. Die Zuordnung der einzelnen Verwendungen zu den Gehaltsgruppen bestimmt die Anlage 1 (Gehaltsgruppenzuordnung).

§ 25 Abs 1 AVB sieht einen Stellenplan vor; dieser ist das Verzeichnis der für den dauernden Personalbedarf des Unternehmens notwendigen Planstellen. Mit jeder Planstelle ist eine bestimmte Verwendung verbunden, die aus Anlage 1 ersichtlich ist.

Der Oberste Gerichtshof hat sich in den Entscheidungen 8 ObA 110/01m und 9 ObA 21/04k mit der Frage auseinandergesetzt, wie ÖBB-Bedienstete zu entlohnen sind, wenn sie nicht ihrer Planstelle entsprechend, sondern (dort:) höherwertig verwendet werden. Dazu wurde bereits zu 8 ObA 110/01m ausgeführt, dass der in § 25 AVB genannte Stellenplan lediglich eine budgetäre Vorausplanung des prognostizierten Personalbedarfs darstellt, wie sie auch bei jedem sonstigen privatrechtlichen Großunternehmen notwendigerweise erstellt wird. Er ist gegliedert nach den einzelnen Verwendungen und ihrer aus der Gehaltsgruppenzuordnung Anlage 1 bestimmten Wertigkeit, aus der sich wiederum das nach § 24 AVB zu beurteilende Entgelt ergibt. Ob der einzelne Bedienstete formell und seiner Tätigkeit entsprechend zutreffend in eine derartige Planstelle eingereiht wurde, ist für seinen Entlohnungsanspruch unerheblich. Der Bedienstete ist selbst dann seiner Verwendung gemäß einzureihen und zu entlohnen, wenn im Stellenplan kein (freier) Dienstposten dieser Art vorgesehen ist.

2. Die AVB gelten - mit hier nicht maßgeblichen Ausnahmen - für alle Dienstverhältnisse zu den Österreichischen Bundesbahnen (§ 1 Abs 1 AVB). § 24 Abs 2 AVB sieht einschränkungslos vor, dass sich die Gehaltsgruppe aus der Verwendung ergibt und die Zuordnung der einzelnen Verwendung zu einer Gehaltsgruppe von Anlage 1 bestimmt wird. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte für in Anlage 1 nicht eigens erwähnte Verwendungen andere Zuordnungskriterien vereinbart hätte. Dem Kläger kann daher zugestanden werden, dass die möglichen Verwendungen der ÖBB-Mitarbeiter mit der Gehaltsgruppenzuordnung der Anlage 1 umfassend und vollständig erfasst werden sollten.

3. Ihm gelingt es allerdings nicht, einen Sachverhalt darzulegen, der einen Anspruch der CCC-Agenten auf die begehrte Einstufung in die Gehaltsgruppe VB begründen könnte:

Der Versuch, in Auslegung der AVB (§ 914 ABGB) eine Zuordnung der CCC-Agenten zu einer in Anlage 1 erwähnten allgemeineren Verwendungsbezeichnung vorzunehmen, wofür sich am ehesten die Verwendung „Bahnhofsbediensteter“ anböte, scheitert daran, dass „Bahnhofsbedienstete“ in den Klassifizierungen 5 (ON 469) bis 1 (ON 767) mit zugeordneten Gehaltsgruppen von IVB bis VIIB vorkommen, diesen Klassifizierungen aber keine Wertigkeiten, keine bestimmten Tätigkeitsmerkmale und vor dem Jahr 2008 auch keine bestimmten Anforderungsprofile beigemessen wurden. Diese Verwendungsbezeichnungen bieten daher keine verlässliche Grundlage für die begehrte Gehaltsgruppenzuordnung.

Anhaltspunkte für eine entsprechende Wertigkeit können auch nicht durch einen Vergleich mit anderen Verwendungen und diesen zugeordneten Gehaltsgruppen der Anlage 1 gewonnen werden, weil sie auch bei sehr großzügiger Auslegung der einzelnen Verwendungsbezeichnungen keine Vergleichbarkeit mit CCC-Agenten erlauben und zum Teil ebenso Klassifizierungen unterliegen, die nicht durch Anforderungsprofile bestimmt sind (zB „Fahrdienstleiter 5 bis Fahrdienstleiter 1“).

4. Einem Heranziehen ähnlicher Tätigkeiten (zB Personenkassierer, Reisebüromitarbeiter) steht entgegen, dass - wie aus Parallelverfahren (8 ObA 77/11y; 9 ObA 122/11y) bekannt - auch bei diesen das von der Beklagten praktizierte Planstellenprinzip zur Anwendung gelangte.

5. Der Kläger beruft sich letztlich auch nur darauf, dass die Beklagte durch die Einstufung der Mehrheit der CCC-Agenten in die Gehaltsgruppe VB eben diese Wertigkeit der Tätigkeit zum Ausdruck gebracht hätte. Dem steht allerdings entgegen, dass eine Einstufung in diese Gehaltsgruppe oft nur als Ergebnis der Entwicklung eines Mitarbeiters angesehen wurde („Zielwertigkeit“), sofern er nicht bereits aus einer Vorverwendung einen Anspruch auf eine Entlohnung in dieser oder einer höheren Gehaltsgruppe „mitbrachte“. Zum Teil waren Planstellen mit der Wertigkeit VB auch punktuelles Ergebnis von im Zuge einer Nachbesetzung geführten Verhandlungen zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten. Auf die inhaltliche Richtigkeit der begehrten Einstufung in die Gehaltsgruppe VB lässt sich daraus nicht schließen.

6. Nichts anderes würde gelten, wenn man die Mehrheit der Einstufungen der betroffenen Mitarbeiter nicht nach dem festgestellten Istzustand als Ergebnis der Höherreihungen der CCC-Agenten, sondern nach deren meist niedrigerer Ersteinstufung beurteilen wollte, weil auch sie nur dem Planstellensystem folgte.

7. Diese Umstände stehen auch jeder Erwägung dahin entgegen, im Sinne einer ergänzenden Vertragsauslegung zur Frage, was in Kenntnis der Unzulänglichkeit des Planstellensystems vereinbart worden wäre, hypothetisch einen Willen der Beklagten zu einer Grundeinstufung in die Gehaltsgruppe VB anzunehmen oder - unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen, des von den Parteien verfolgten Zwecks sowie unter Heranziehung der Verkehrssitte - eine entsprechende Vertragsergänzung am Maßstab vernünftiger und redlicher Parteien vorzunehmen (s dazu nur Bollenberger in KBB3 § 914 Rz 8 f; vgl auch RIS-Justiz RS0113932).

8. Das Klagebegehren könnte demnach nur berechtigt sein, wenn die Beklagte durch ihre Entlohnungspraktik gegen das allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot verstoßen hat.

Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz ist der Arbeitgeber verpflichtet, einzelne Arbeitnehmer nicht willkürlich, also ohne sachliche Rechtfertigung, schlechter zu behandeln als die übrigen. Die neuere Rechtsprechung stellt dabei die Prüfung in den Vordergrund, ob der Behandlung bessergestellter Arbeitnehmer ein erkennbares generalisierendes Prinzip - bei dessen Bestimmung der Arbeitgeber grundsätzlich im gesetzlichen und kollektivvertraglichen Rahmen frei ist - zu Grunde liegt, von dem der Arbeitgeber im Einzelfall willkürlich oder ohne sachlichen Grund abgewichen ist und dem Einzelnen das vorenthält, was er anderen zubilligt (9 ObA 24/02y; 9 ObA 99/06h; 9 ObA 78/10a).

9. Im vorliegenden Fall könnte ein generalisierbares Prinzip der Beförderung von CCC-Agenten darin gesehen werden, dass Nachbesetzungen von der Beklagten stets nach Maßgabe der vorhandenen freien Planstellen und bestimmter individueller Qualifikationsmerkale der Bewerber vorgenommen wurden. Für den Kläger wäre damit aber nichts gewonnen, weil die Beklagte bei jeder Nachbesetzung auf diese Weise vorgegangen ist. Eine Diskriminierung der vom Klagebegehren betroffenen Minderheit ist somit nicht zu erkennen.

10. Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert den Arbeitgeber schließlich nicht daran, in zeitlicher Hinsicht zu differenzieren und Vergünstigungen den ab einem bestimmten Zeitpunkt in Betracht kommenden Arbeitnehmern nicht mehr zu gewähren (RIS-Justiz RS0060204). Bei dem maßgeblichen Zeitpunkt muss es sich keineswegs um einen solchen handeln, der vor der Einstellung der nicht mehr begünstigten Arbeitnehmer liegt beziehungsweise mit diesem Zeitpunkt zusammenfällt. Willkür im Sinne einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Unterscheidung ist dann zu verneinen, wenn sich die - im Zusammenhang mit einer zeitlichen Differenzierung grundsätzlich zulässige - Stichtagsregelung als Reaktion auf Veränderungen der Ertragslage, der Unternehmensstruktur oder auch der Unternehmensphilosophie darstellt (RIS-Justiz RS0060204 [T25; T26]).

11. Aus dieser Rechtsprechung haben die Vorinstanzen zutreffend abgeleitet, dass die Beklagte aufgrund der veränderten Unternehmensstruktur, des Ziels der Kosteneinsparung und dem Bestreben, eine allzu große Einkommensdifferenz zwischen den nach den AVB und den nach der DBO entlohnten CCC-Agenten zu vermeiden, mit Stichtag 30. 4. 2004 berechtigt war, die Höherreihungen einzustellen und neue CCC-Agenten nach den AVB in die Gehaltsgruppe IVB einzustufen. Eine willkürliche Vorgehensweise ist darin nicht zu sehen.

12. Der Kläger beruft sich schließlich darauf, dass bezüglich der Einstufung der CCC-Agenten in die Verwendungsgruppe VB eine betriebliche Übung bestehe.

Eine vom Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit seiner Arbeitnehmer begründete betriebliche Übung kann, soweit sie seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, durch die - gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB) - Zustimmung der Arbeitnehmer zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge werden (RIS-Justiz RS0014539 [T3]). Für das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs aufgrund einer Betriebsübung ist entscheidend, welchen Eindruck die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Überlegung vom schlüssigen Erklärungsverhalten des Arbeitgebers haben durften (RIS-Justiz RS0014489 [T2]).

13. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die höhere Einstufung erst nach Freiwerden einer Planstelle gerade der Annahme widerspricht, dass die Beklagte jeden neu eingesetzten CCC-Agenten alleine aufgrund seiner Verwendung entsprechend begünstigen wollte. Der Gestaltungswille des Dienstgebers konnte daher nicht dahin verstanden werden, dass eine Einstufung der CCC-Agenten in die Verwendungsgruppe VB unabhängig von einer frei werdenden Planstelle erfolgen sollte. Das Verhalten der Beklagten war aber auch nicht dahin zu verstehen, dass eine frei gewordene Planstelle der Gehaltsgruppe VB jedenfalls mit dieser Wertigkeit nachbesetzt werden sollte, weil die Wertigkeit von Planstellen zum Teil zur Verhandlungsmasse zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten gehörte.

14. Da es dem Kläger nach all dem nicht gelungen ist, einen Sachverhalt darzulegen, aus dem sich ein Rechtsanspruch der CCC-Agenten auf die Gehaltsgruppe VB ableiten ließe, ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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