OGH 8Ob40/11g

OGH8Ob40/11g28.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. C***** M***** und 2. E***** M*****, beide vertreten durch Dr. Robert Galler, Dr. Rudolf Höpflinger, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei F***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Thomas Lederer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 5.114,92 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 12. Jänner 2011, GZ 53 R 310/10k-15, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 22. Juni 2010, GZ 32 C 1513/09m-11, über Berufung der klagenden Parteien bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 492,57 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 82,10 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger, die bereits zuvor in einer Geschäftsverbindung zur Beklagten gestanden waren, unterfertigten nach einer (weiteren) Beratung durch die Geschäftsführerin der Beklagten am 14. 12. 2004 einen Versicherungsmaklervertrag mit der Beklagten und einen Kaufantrag, mit welchem sie die P***** GmbH beauftragten, für sie US-Risikopolizzen (Secondhand-Lebensversicherungspolizzen) um einen bestimmten Kaufpreis zu beschaffen. Beim Ausfüllen des Kaufantrags wurde den Klägern von der Geschäftsführerin erklärt, dass sie bei Einsatz eines Betrags von 5.000 USD nach rund 60 Monaten eine Auszahlungssumme von 6.750 USD erhalten würden; dies wurde im Kaufantrag schriftlich festgehalten. Die Auszahlung sollte durch die amerikanische Versicherungsgesellschaft bzw einen Rückversicherer erfolgen. In weiterer Folge erhielten die Kläger ein Schreiben der U***** S***** I***** Inc. (kurz: USI) mit Sitz in Kanada vom 7. 4. 2005, welchem ein „Certificate of Assignment and Statement of Irrevocability“ angeschlossen war. Darin wurde von USI zugesichert, dass die Kläger am 17. 4. 2009 für ihr eingesetztes Kapital von 5.000 USD einen Betrag von 6.750 USD ausbezahlt bekommen, falls eine Auszahlung - wegen des Ablebens der versicherten Person - nicht ohnedies schon früher fällig werde.

Im Jahr 2008 geriet USI in eine schwere Liquiditätskrise, nachdem der Rückversicherer, der die fällig gewordenen Auszahlungen an die Käufer der Secondhand-Lebensversicherungspolizzen vornehmen sollte, zahlungsunfähig geworden war. Über Antrag der Versicherungsgesellschaft wurde im Dezember 2008 vom Obersten Gerichtshof von Ontario (Kanada) ein Verfahren gemäß dem Gesetz über Gläubigervergleiche mit Kapitalgesellschaften eingeleitet und die E***** Inc. mit der Überwachung des Vermögens und der Geschäfte der USI beauftragt. Das deklarierte Ziel dieses Verfahrens ist die Fortführung der Geschäfte von USI und nach Möglichkeit die Auszahlung der veranlagten Gelder an die betroffenen Anleger. Die Versicherungsprämien werden derzeit von USI weiter bezahlt. Dem von USI vorgelegten Kompromiss- und Vergleichsplan haben auch die Kläger zugestimmt. Es kann derzeit nicht festgestellt werden, ob, wann und in welcher Höhe es zu einer Auszahlung an die Kläger kommen wird.

Die Kläger begehren die Zahlung von 5.114,92 EUR sA. Die Beklagte habe ihnen zugesichert, dass die Fälligkeit einer bestimmten Polizze am 17. 4. 2009 eintrete und an diesem Tag der erste Betrag in Höhe von 6.750 USD (dies entspreche dem nunmehr geltend gemachten Betrag) fix ausgezahlt werde. Die Beklagte habe diese Zahlung somit zu einem fixen Tag zugesichert, sodass sie aus dem Vermittlungsvertrag für die nicht erfolgte Zahlung hafte. Im Laufe des Verfahrens stützten die Kläger ihr Begehren überdies auf den Titel des Schadenersatzes wegen Fehlberatung. Die Kläger hätten kein hohes Risiko eingehen wollen, die Beklagte habe ihnen versichert, dass die Anlage nicht risikoreich sei.

Die Beklagte wandte dagegen ein, dass sie ordnungsgemäß beraten und auch auf das Risiko einer Insolvenz des Garantiegebers hingewiesen habe. Sie selbst habe niemals die Bezahlung eines bestimmten Betrags am 17. 4. 2009 zugesichert; diese Zusicherung sei vielmehr Teil der Vereinbarung der Kläger mit USI gewesen. Im Übrigen verfolge das in Kanada geführte Insolvenzverfahren das Ziel der Fortführung der Geschäfte von USI. Die Kläger hätten dem Kompromiss- und Vergleichsplan zugestimmt und würden aller Voraussicht nach bis zu 110 % der von ihnen investierten Beträge innerhalb des im Vergleichsplan festgeschriebenen Zeitraums erhalten; den Klägern sei daher kein Schaden entstanden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe niemals eine direkte Zahlung an die Kläger zugesichert, sodass die Kläger keinen unmittelbaren Anspruch auf Zahlung des Klagsbetrags aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Beratervertrag geltend machen könnten. Auch aus dem Titel des Schadenersatzes könnten die Kläger den von ihnen geltend gemachten Betrag nicht verlangen. Im Fall der Bejahung eines Beratungsfehlers sei der Anleger so zu stellen, wie er stünde, wenn man sich das schädigende Verhalten wegdenke. Hätten sich die Kläger bei umfassender Beratung dennoch zum Erwerb der Polizzen entschlossen, hätten sie den zugesicherten Betrag zum Stichtag ebenfalls nicht erhalten. Hätten sie sich gegen den Ankauf der Polizzen entschieden, hätten sie von vornherein nie einen Anspruch auf Auszahlung des eingeklagten Betrags erworben. Vorbringen oder Beweisergebnisse, wie sich die Kläger entschieden hätten und/oder ob sie allenfalls eine andere Veranlagungsform für ihr Kapital gewählt hätten, existieren nicht. Da im übrigen USI die Prämien weiter zahle und die Kläger weiterhin im Besitz der von ihnen erworbenen Versicherungspolizzen seien, stehe noch gar nicht fest, ob bzw in welcher Höhe ihnen überhaupt ein Schaden entstehen werde. Ein Vorbringen dazu, dass die Kläger den garantierten Auszahlungsbetrag zum Stichtag weiter veranlagen hätten wollen und können, sodass infolge der Nichtauszahlung bereits ein konkret bezifferbarer Schaden entstanden sei, sei von den Klägern nicht erstattet worden. Ein geschädigter Anleger könne nach der Rechtsprechung ein Leistungsbegehren erst nach Verkauf der Wertpapiere stellen, weil sich erst dann der rechnerische Schaden beziffern ließe. Vor dem Verkauf sei der Geschädigte - so er nicht versuche, Naturalrestitution zu erlangen - auf einen Feststellungsanspruch verwiesen. Das auf Leistung gerichtete Klagebegehren sei daher mangels Vorliegens eines konkret bezifferbaren Schadens zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung abzuweisen. Daher bedürfe es auch keiner näheren Prüfung, ob der Beklagten eine rechtswidrige und schuldhafte Verletzung ihrer Beraterpflichten vorzuwerfen sei.

Das Berufungsgericht gab der von den Klägern gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es vertrat ebenfalls die Rechtsauffassung, dass den Klägern aus dem Vermittlungsvertrag mit der Beklagten kein unmittelbarer Anspruch auf Zahlung des von ihnen begehrten Betrags zustehe. Auch aus dem Titel des Schadenersatzes könnten die Kläger nicht das Erfüllungsinteresse begehren. Nach ständiger Rechtsprechung sei der Geschädigte vielmehr so zu stellen, wie er stünde, wenn der Anlageberater pflichtgemäß gehandelt, ihn also richtig aufgeklärt hätte. Es gebühre demnach nur der Vertrauensschaden, sodass die Kläger nur verlangen könnten, so gestellt zu werden, als hätten sie die Versicherungspolizzen nicht erworben. Daraus folge aber nur ein Anspruch auf Naturalrestitution, in dessen Rahmen dem Anleger - Zug um Zug gegen Übertragung der erworbenen Papiere - die Rückerstattung des zum Erwerb der Papiere gezahlten Kaufpreises zustehe. Ein solches Begehren sei von den Klägern aber nicht gestellt worden.

Im vorliegenden Fall hätten die Kläger Versicherungspolizzen erworben und sei ihnen für das eingesetzte Kapital am 17. 4. 2009 die Auszahlung eines bestimmten Betrags zugesichert worden. Infolge des über das Vermögen der Versicherungsgesellschaft eingeleiteten Insolvenzverfahrens sei ein Kompromiss- und Vergleichsplan vorgelegt worden, dem die Kläger zugestimmt hätten. Es könne derzeit daher nicht festgestellt werden, ob, wann und in welcher Höhe es zu einer Auszahlung an die Kläger kommen werde. Damit lasse sich aber zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz der rechnerische Schaden der Kläger nicht endgültig beziffern. Vielmehr sei dieser abhängig von der tatsächlichen Auszahlungssumme durch die USI. Die Kläger hätten auch nach Erörterung durch das Erstgericht in keiner Weise vorgebracht, in welchem Ausmaß ihnen durch die verspätete Auszahlung des Betrages bereits ein Schaden entstanden sei bzw welche andere Veranlagungsform sie gewählt hätten, wenn sie über das eingetretene Risiko informiert worden wären, und welcher Schaden ihnen hierdurch entstanden sei. Eine verspätete Auszahlung könne aber nur in jenem Umfang zu einer Haftung der Beklagten führen, in dem den Klägern ein Schaden entstanden ist. Da der Anspruch der Kläger gegenüber der Versicherungsgesellschaft ungeachtet des datierten Fälligkeitszeitpunktes aufrecht sei, gehe somit das auf Leistung gerichtete Begehren ins Leere, wenngleich das Kursschwankungsrisiko betreffend den garantierten Auszahlungsbetrag aufgrund eines fixen Fälligkeitszeitpunkts die Schadensberechnung nicht beeinflusse.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zu einer vergleichbaren Fallkonstellation fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Beklagten beantwortete Revision der Kläger.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die Kläger aus dem Vermittlungsvertrag mit der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung des von USI zugesicherten Betrages haben, wird in der Revision nicht mehr bekämpft. Nach wie vor stehen die Kläger aber auf dem Standpunkt, dass ihnen dieser Betrag aus dem Titel des Schadenersatzes zustehe. Es entspricht aber völlig gesicherter Rechtsprechung, dass der Anlageberater im Falle der Verletzung seiner Beratungs- und Aufklärungspflichten nicht für das positive Vertragsinteresse haftet. Vielmehr hat - wie die Vorinstanzen richtig ausgeführt haben - der Berater, der seine Beratungspflichten verletzt hat, den geschädigten Anleger so zu stellen, wie dieser stünde, wäre er richtig beraten worden (RIS-Justiz RS0108267). Das Begehren der Kläger auf Zahlung der von ihnen aus dem vermittelten Geschäft erwarteten Rendite wurde daher von den Vorinstanzen schon deshalb völlig zutreffend und im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung abgewiesen.

Erstmals in der Revision machen die Kläger (wenn auch nur ansatzweise) geltend, dass ihnen aber - da sie bei ordnungsgemäßer Beratung die Papiere nicht gekauft hätten - jedenfalls der Ersatz des von ihnen aufgewendeten Kaufpreises zustehe. Auch insoweit kommt aber ein Zuspruch aus folgenden Überlegungen nicht in Betracht:

Der Oberste Gerichtshof hat sich mit dem hier zu beurteilenden Finanzprodukt bereits in seiner Entscheidung 1 Ob 115/11k auseinandergesetzt. Er hat dabei auf die Rechtsprechung verwiesen, wonach über das mit jedem Rechtsgeschäft verbundene Risiko der Insolvenz des Vertragspartners nicht aufzuklären ist; ebenso hat er einen Verstoß des dort beklagten Versicherungsmaklers gegen § 28 Z 2 MaklerG verneint, weil (wie hier) gar nicht behauptet wurde, dass im Zeitpunkt des Erwerbs der Secondhand-Polizze durch die Kläger bereits Informationen zugänglich waren, wonach die USI oder der Rückversicherer von Insolvenz bedroht gewesen seien. Diesen Überlegungen ist beizupflichten. Behauptungen über konkrete andere Risken der vorliegenden Anlage, über die die Beklagte nicht aufgeklärt habe, wurden aber von den Klägern, die zum erst nachträglich geltend gemachten Rechtsgrund des Schadenersatzes nur wenig Vorbringen erstattet haben, trotz des dazu erstatteten Gegenvorbringens der Beklagten nicht vorgebracht.

Damit ist aber eine rechtfertigende Grundlage für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch nicht hervorgekommen. Schon deshalb ist die Entscheidung der Vorinstanzen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Auf den Umstand, dass noch gar nicht feststellbar ist, welche Beträge zu welchen Zeitpunkten die Kläger aus dem von ihnen unterschriebenen Vergleichsplan erhalten werden (siehe auch dazu 1 Ob 115/11k), braucht daher ebenso wenig eingegangen zu werden, wie auf die vom Berufungsgericht zur Begründung der Zulässigkeit der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Formulierung des Klagebegehrens bzw der Art der Geltendmachung des Ersatzes (Naturalrestitution).

Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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