OGH 1Ob32/12f

OGH1Ob32/12f23.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin S***** R*****, vertreten durch Mag. Doris Perl und Dr. Gerald Perl, Rechtsanwälte in Gänserndorf, gegen den Antragsgegner S***** S*****, vertreten durch Dr. Agnes Maria Kienast, Rechtsanwältin in Korneuburg, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 1. Dezember 2011, GZ 20 R 108/11i‑50, mit dem der „Zwischenbeschluss“ des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 27. Juni 2011, GZ 3 FAM 64/10x‑38, teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die eheliche Lebensgemeinschaft der Parteien ist seit 24. 3. 2010 aufgehoben. Ihre Ehe wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 9. 6. 2010 geschieden, das infolge Rechtsmittelverzichts der Parteien am selben Tag in (formelle) Rechtskraft erwuchs.

Die Antragstellerin begehrte mit ihrem innerhalb der Jahresfrist des § 95 EheG gestellten Aufteilungsantrag vom Antragsgegner unter anderem die Zahlung von zuletzt 239.995 EUR sA als auszugleichendem Fehlbetrag. Der Antragsgegner habe im Zeitraum vom 24. 3. 2008 bis 31. 3. 2010 durch laufende Abhebungen vom gemeinsamen Konto und durch Ausgaben mit der VISA‑Kreditkarte um diesen Gesamtbetrag mehr ausgegeben als sie. Er habe damit mutwillig das der gemeinsamen Lebensführung dienende Vermögen für seine eigenen Zwecke verwendet. Der Wert dieses fehlenden Vermögens sei gemäß § 91 Abs 1 EheG in die Aufteilung einzubeziehen.

In der Folge beantragte die Antragstellerin am 16. 6. 2011 eine weitere Zahlung von 52.500 EUR vom Antragsgegner als Ausgleich von Benachteiligungen im Sinn des § 91 EheG. Der Antragsgegner habe diesen Betrag ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung durch Behebungen vom gemeinsamen Privatkonto in drei Teilbeträgen (am 25. 2. 2010 7.500 EUR, am 5. 3. 2010 25.000 EUR und am 29. 12. 2010 20.000 EUR) entnommen und als Darlehen an die Firma „S***** GmbH“ (an welcher der Antragsgegner nach seinem Vorbringen beteiligt sei) überwiesen. Dieser Gesamtbetrag sei dem gemeinsamen Vermögen und der gemeinsamen Lebensführung entzogen worden.

Das Erstgericht stellte rechtskräftig fest, dass der von der Antragstellerin mit am 16. 6. 2011 eingelangten Antrag geltend gemachte Anspruch auf Ausgleich einer Benachteiligung gemäß § 91 EheG betreffend eine behauptete Verringerung der ehelichen Ersparnisse um 20.000 EUR durch Überweisung durch den Antragsgegner an die Firma „S*****“ am 29. 12. 2010 „nicht verfristet und somit weiter Teil des Aufteilungsverfahrens“ sei. Hingegen wies es den weiteren Antrag (der Antragstellerin), „Gleiches für Überweisungen vom 25. Feber 2010 und 5. März 2010 auszusprechen“, ab; diese Ansprüche wies es „als erloschen“ ab. Rechtlich führte das Erstgericht zur im Revisionsrekursverfahren allein strittigen Frage der Einbeziehung der behaupteten Überweisungen an die Firma „S*****“ am 25. 2. 2010 über 7.500 EUR und am 5. 3. 2010 über 25.000 EUR in das Aufteilungsverfahren aus, dass diese Ansprüche (gemäß § 95 EheG) seit 9. 6. 2011 erloschen seien.

Das Rekursgericht gab dem von der Antragstellerin gegen den abweisenden Teil des erstinstanzlichen Beschlusses erhobenen Rekurs Folge, hob ihn in diesem Umfang auf und trug dem Erstgericht hinsichtlich dieses Aufteilungsbegehrens die Fortsetzung und neuerliche Entscheidung in der Sache auf. Rechtlich führte es dazu aus, dass die Antragstellerin bereits innerhalb der Frist des § 95 EheG einen Ausgleich von Benachteiligungen im Sinn des § 91 EheG begehrt habe. Sie habe im Aufteilungsantrag einseitige Ausgaben des Antragsgegners im Zeitraum 24. 3. 2008 bis 31. 3. 2010 zum Gegenstand der Aufteilung gemacht und dabei einzelne Behebungen des Antragsgegners vom Konto bzw Zahlungen über das VISA‑Konto angeführt und letztlich einen Gesamtbetrag genannt. Damit habe sie die gesamten, ihr damals noch nicht bekannten Abhebungen des Antragsgegners zum Gegenstand des Ausgleichsanspruchs nach § 91 EheG gemacht. Dieser Antrag umfasse sämtliche derartige einseitige Ausgaben des Antragsgegners für diesen Zeitraum. Das von der Antragstellerin mit am 16. 6. 2011 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz erstattete Vorbringen über einseitige Überweisungen des Antragsgegners am 25. 2. 2010 und 5. 3. 2010 stelle lediglich eine weitere Präzisierung dar, weshalb eine Verfristung nach § 95 EheG nicht vorliege.

Das Rekursgericht erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil der Frage, „ob bei einer zeitlichen Abgrenzung einer behaupteten Vermögensminderung im Sinn des § 91 EheG unter Anführung von Zeitpunkten der Geldbehebung eine, weitere Einbeziehung von Geldbehebungsterminen ausschließende quantitative Bestimmung des Aufteilungsumfangs“ vorliege, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Antragstellerin beantwortete Revisionsrekurs des Antragsgegners ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

Das Rekursgericht ist zutreffend der jüngeren höchstgerichtlichen Judikatur zur Berücksichtigung von ehelichen Vermögenswerten, deren Existenz erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG behauptet wurde, gefolgt. Wie der erkennende Senat bereits wiederholt ausgesprochen hat (1 Ob 158/08d = iFamZ 2009/84 [zust Deixler‑Hübner]; jüngst 1 Ob 26/11x = iFamZ 2011/123 [Deixler‑Hübner]; 1 Ob 57/11f = NZ 2011/120 [zust Hoyer]), steht der Ablauf der genannten Frist einer Aufteilungsentscheidung nur insoweit entgegen, als es um die Zuweisung von Vermögensgegenständen geht, die nicht innerhalb der Jahresfrist zum Gegenstand eines darauf abzielenden Antrags gemacht wurden. Soweit es lediglich um die Ausgleichszahlung geht, ist es hingegen nicht zu rechtfertigen, einem Ehegatten bestimmte, an sich der Aufteilung unterliegende Gegenstände aus dem Ehevermögen zu belassen und ihn gleichzeitig bei der Bemessung der ihm zustehenden Ausgleichszahlung so zu behandeln, als hätten diese Vermögenswerte nicht existiert. Vielmehr ist grundsätzlich das gesamte nach den §§ 81 f EheG der Aufteilung unterliegende Vermögen zu erfassen und es sind alle im konkreten Fall für die Billigkeitserwägungen bestimmenden Umstände zu erheben und zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0008525). Auch noch nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG kann eine Ausgleichszahlung begehrt oder ein entsprechender Antrag ausgedehnt werden. Beim Anspruch auf eine Ausgleichszahlung handelt es sich nämlich um keinen der Aufteilung unterliegenden Vermögensgegenstand, sondern vielmehr um ein Instrument, mit dem bei der realen Zuteilung (oder Belastung) des vorhandenen Vermögens verbleibende Unbilligkeiten ausgeglichen werden sollen (1 Ob 158/08d; 1 Ob 26/11x).

Das über das ursprünglich bezifferte Zahlungsbegehren hinausgehende Begehren der Antragstellerin auf eine weitere Ausgleichszahlung gemäß § 94 EheG, das mit behaupteten eigenmächtigen Behebungen des Antragsgegners vom gemeinsamen Privatkonto am 25. 2. 2010 sowie am 5. 3. 2010 und der ohne ihr Wissen und ohne ihre Zustimmung erfolgten Darlehensgewährung an die Firma „S***** GmbH“ begründet wird, ist daher nicht (materiell) erloschen. Da ‑ wie dargelegt ‑ die Jahresfrist des § 95 EheG nicht für das Begehren auf Ausgleichszahlung gilt, ist es unerheblich, dass die Antragstellerin im Aufteilungsantrag auszugleichende Fehlbeträge im Sinn des § 91 Abs 1 EheG begehrte und die strittigen Darlehen an die GmbH unter den Tatbestand des § 91 Abs 2 EheG fallen könnten.

Da der Antragsgegner somit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt, ist sein Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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