OGH 1Ob57/11f

OGH1Ob57/11f31.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Hannelore R*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayrhofer, Rechtsanwalt in Mauthausen, gegen den Antragsgegner Rudolf R*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Mag. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Aufteilung gemäß §§ 81 ff EheG, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 9. Juni 2010, GZ 23 R 188/10k-19, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Neulengbach vom 1. April 2010, GZ 1 C 23/09h-13, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Beschluss - soweit er nicht bereits in Rechtskraft erwachsen ist - in der Hauptsache wiederhergestellt wird.

Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner 9.342,08 EUR (darin 1.476,89 EUR USt und 480,75 EUR Barauslagen) an anteiligen Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Vorauszuschicken ist, dass sich der Revisionsrekurs ausschließlich mit vier Einzelpositionen des ehelichen Vermögens befasst, sodass sich die folgenden Ausführungen auf diese beschränken können.

Die Antragstellerin begehrte eine Ausgleichszahlung von mehr als 68.000 EUR, wobei sie auch jene Einnahmen berücksichtigte, die der Antragsgegner nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft aus einer im gleichteiligen Miteigentum der Ehegatten befindlichen - später verkauften - Liegenschaft in Deutschland bezogen hat. Die Vorinstanzen stellten dazu fest, dass der Antragsgegner insoweit Mieteinnahmen von 5.600 EUR und Förderungszahlungen von 4.090 EUR erhalten hat.

Erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG beantragte der Antragsgegner seinerseits eine Ausgleichszahlung (von 4.000 EUR), bestritt das Begehren der Antragstellerin und brachte in diesem Zusammenhang vor, es sei auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin über die von ihr angegebenen Gegenstände hinaus aus dem ehelichen Vermögen einen PKW (im Wert von 10.395 EUR) und ein Kontoguthaben bei einer Sparkasse in Höhe von 4.300 EUR behalten habe. Dies ist auf Tatsachenebene nicht strittig.

Das Erstgericht erkannte den Antragsgegner schuldig, der Antragstellerin eine Ausgleichszahlung von 11.021,69 EUR sA zu leisten und wies das Mehrbegehren von weiteren 57.192,32 EUR sA ab. Die der Antragstellerin in Form des PKW und des Kontoguthabens zugekommenen Bestandteile des ehelichen Vermögens seien bei der Bemessung der Ausgleichszahlung zu berücksichtigen. Dass der Antragsgegner erst nach Ablauf der Frist des § 95 EheG auf diese Vermögenswerte hingewiesen habe, stehe einer Berücksichtigung nicht entgegen, weil es insoweit lediglich um die Bemessung der Ausgleichszahlung und nicht etwa um die Zuweisung der betreffenden Vermögensgegenstände gehe. Die vom Antragsgegner nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft bezogenen Zahlungen für die gemeinschaftliche Liegenschaft seien als Erträgnisse ebenfalls zu berücksichtigen. Sie unterlägen der Aufteilung, weil sie „ohne übermäßige Anstrengung“ bloß eines Ehegatten angefallen seien.

Das Rekursgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es die Ausgleichszahlung mit 18.369,18 EUR festsetzte. Die Auffassung, wonach sowohl die Mieteinnahmen als auch die Förderungszahlungen für die gemeinsame Liegenschaft Erträgnisse seien, die dem Antragsgegner ohne übermäßige Anstrengung zugeflossen seien, werde geteilt, sodass diese bei der Aufteilung zutreffend berücksichtigt worden seien. Nicht zu berücksichtigen seien hingegen das Kontoguthaben von 4.300 EUR und der PKW im Wert von 10.395 EUR. Auch wenn der Oberste Gerichtshof ausgesprochen habe, dass grundsätzlich das gesamte der Aufteilung unterliegende Vermögen zu erfassen sei und alle im konkreten Fall für die Billigkeitserwägung bestimmenden Umstände zu erheben und zu berücksichtigen seien, werde der Gegenstand des Aufteilungsverfahrens durch den Antrag der vormaligen Ehegatten bindend begrenzt. Vermögenswerte, deren Aufteilung nicht binnen Jahresfrist beantragt wird, hätten daher unberücksichtigt zu bleiben. Der Antrag des Antragsgegners, mit dem er die Aufteilung der genannten Vermögensgegenstände begehrt habe, sei damit zu spät erfolgt. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil das Rekursgericht von der Entscheidung zu 1 Ob 158/08d abgehe, darin jedoch ein gewisser Widerspruch zum Zweck des § 95 EheG erblickt werde, wonach nämlich diese Frist vom Gesetzgeber mit Rücksicht auf das Interesse an der ehesten Klärung der Vermögensverhältnisse der vormaligen Ehegatten festgesetzt worden sei und auch eine zeitliche Beschränkung der Geltendmachung von Ansprüchen bei Schwierigkeiten vermieden werden solle.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Antragsgegners ist zulässig und teilweise berechtigt.

Keine Berechtigung kommt ihm allerdings insoweit zu, als der Revisionsrekurswerber die Auffassung vertritt, die von ihm nach Auflösung der ehelichen Gemeinschaft bezogenen Erträgnisse aus der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Liegenschaft stünden ihm allein zu und fielen nicht in die Aufteilungsmasse. Für die Bemessung einer Ausgleichszahlung sind in der Regel die Wertverhältnisse im Zeitpunkt der Aufteilung maßgebend (vgl RIS-Justiz RS0057818; 7 Ob 662/82 = SZ 55/192 ua). Ebenso wie Wertsteigerungen zwischen dem Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft und der Aufteilungsentscheidung nicht unberücksichtigt bleiben dürfen und beiden vormaligen Ehegatten gleichermaßen zugute kommen, sofern sie ohne weiteres Zutun eines der Streitteile - etwa durch bloße Steigerungen der Grundstückspreise - eingetreten sind (SZ 55/192; 4 Ob 1618/94 ua), muss dies gleichermaßen für solche Erträgnisse gelten, die ohne nennenswerte Mühe aus der gemeinschaftlichen Sache von einem Ehegatten bezogen werden. Dagegen führt der Revisionsrekurswerber auch keine schlagkräftigen Argumente ins Treffen. Er führt insbesondere selbst aus, dass (nur) jenes Vermögen einer nachehelichen Aufteilung unterliegt, das während aufrechter Ehe geschaffen wurde. Dazu gehören nun aber auch die Früchte (Erträgnisse) einer während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft erworbenen Liegenschaft. Die Auffassung des Revisionswerbers würde dazu führen, dass es vom Zufall abhinge, ob derartige „Einkünfte“ dem einen oder dem anderen Ehegatten verblieben, je nachdem auf wessen Bankkonto sie überwiesen wurden. Warum ein derartiges Ergebnis dem Billigkeitsgrundsatz des Aufteilungsrechts entsprechen sollte, vermag der Antragsgegner nicht zu erklären.

Mit Recht wendet er sich hingegen gegen die Auffassung des Rekursgerichts, bestimmte im Vermögen der Antragstellerin verbliebene Vermögenswerte hätten bei der Bemessung der ihr gebührenden Ausgleichszahlung deshalb außer Betracht zu bleiben, weil diese erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 95 EheG erstmals - vom Antragsgegner - ins Verfahren eingebracht wurden. Wie der erkennende Senat bereits wiederholt ausgesprochen hat (1 Ob 158/08d; jüngst 1 Ob 26/11x) steht der Ablauf der genannten Frist einer Aufteilungsentscheidung nur insoweit entgegen, als es um die Zuweisung von Vermögensgegenständen geht, die nicht innerhalb der Jahresfrist zum Gegenstand eines darauf abzielenden Antrags gemacht wurden. Soweit es lediglich um die Ausgleichszahlung geht, ist es hingegen nicht zu rechtfertigen, einem Ehegatten bestimmte, an sich der Aufteilung unterliegende Gegenstände aus dem Ehevermögen zu belassen und ihn gleichzeitig bei der Bemessung der ihm zustehenden Ausgleichszahlung so zu behandeln, als hätten diese Vermögenswerte nicht existiert. Vielmehr ist grundsätzlich das gesamte nach den §§ 81 f EheG der Aufteilung unterliegende Vermögen zu erfassen und es sind alle im konkreten Fall für die Billigkeitserwägungen bestimmenden Umstände zu erheben und zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0008525). Der Einwand, der Antragstellerin stehe nur eine geringere als die begehrte Ausgleichszahlung zu, weil sie bereits bestimmte Wertgegenstände des ehelichen Vermögens (endgültig) erhalten hat, ist dem Antragsgegner daher auch nach Ablauf der Jahresfrist nicht abgeschnitten.

Damit ist der Beschluss des Erstgerichts, der der dargelegten Rechtsprechung des nunmehrigen Fachsenats für Aufteilungsverfahren Rechnung trägt, in der Hauptsache wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG. Wie sich aus den Erwägungen der Vorinstanzen ergibt, wird die Frage der praktischen Anwendung dieser Norm bei bloß teilweisem Obsiegen in der Judikatur der Gerichte zweiter Instanz unterschiedlich gehandhabt (s dazu nur Obermaier, Kostenhandbuch2 Rz 723 ff; Fucik, ÖJZ 2007, 669 [672]). Eine Judikaturlinie schließt sich dabei der in der Lehre überwiegend vertretenen Auffassung an, die dahin zusammenzufassen ist, dass bei einem bloßen Teilerfolg der überwiegend obsiegende Anspruch auf Ersatz jener Kosten habe, die bei Geltendmachung des Zugesprochenen entstanden wären (so etwa Fucik/Kloiber, AußStrG § 78 Rz 15 ff; Klicka in Rechberger, AußStrG § 78 Rz 4; Feil, AußStrG § 78 Rz 6). Der gegenteilige Ansatz besteht im Wesentlichen darin, die für das streitige Verfahren in der Rechtsprechung zu § 43 Abs 1 ZPO entwickelte sogenannte Quotenkompensation auch für die Kostenentscheidung im Außerstreitverfahren bei beiderseitigem Teilerfolg heranzuziehen. Den dafür insbesondere von Obermaier (aaO Rz 725 ff) ausgeführten Argumenten schließt sich der erkennende Senat - jedenfalls für Fälle wie den vorliegenden (dazu Obermaier aaO Rz 775) - an.

Nach § 78 Abs 2 Satz 1 AußStrG sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten einer - also jeder! - Partei zu ersetzen, soweit sie mit ihrer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gegenüber anderen Parteien, die entgegengesetzte Interessen verfolgt haben, Erfolg hatte. Davon ist nach Satz 2 aus Billigkeitserwägungen nur unter bestimmten Umständen abzuweichen, nicht aber bei einem durchschnittlichen bzw regulären Verfahrensverlauf. Auch wenn § 78 Abs 2 Satz 1 AußStrG - anders als § 43 Abs 1 ZPO - weder von einer verhältnismäßigen Kostenteilung spricht noch ausdrücklich die Möglichkeit einer Kostenaufhebung anspricht, ist doch nicht zu erkennen, warum die Kostenentscheidung in außerstreitigen Verfahren, in denen Parteien, die entgegengesetzte Interessen verfolgen, aufeinander treffen, nach wesentlich anderen Grundsätzen erfolgen sollte als im Zivilprozess, für den die Rechtsprechung sich stets bemüht hat, die vagen gesetzlichen Vorgaben zu konkretisieren, um sowohl zu inhaltlich ausgewogenen als auch praktikablen Lösungen zu gelangen. Zu betonen ist auch, dass § 78 Abs 2 AußStrG nur für die sogenannten „streitigen Außerstreitverfahren“ gilt, in denen einander Parteien mit entgegengesetzten Interessen gegenüberstehen. Berücksichtigt man weiter, dass erst durch die konkrete Entscheidung des Gesetzgebers vorgegeben wird, ob eine bestimmte Materie im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu behandeln ist, so spricht auch dies keineswegs für eine grundsätzliche Differenzierung in der Frage des Kostenersatzes. Mit der Neuregelung des Kostenersatzrechts im Außerstreitverfahren durch § 78 AußStrG hat der Gesetzgeber vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass auch in den streitähnlichen Außerstreitverfahren ein Kostenersatz stattfinden soll, der demjenigen des Zivilprozesses weitgehend entspricht.

Aber auch der Wortlaut des § 78 Abs 2 Satz 1 AußStrG ergibt - entgegen den abweichenden Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung - keine ausreichende Basis für eine Kostenentscheidung „auf Basis des Ersiegten“, die im eigentlichen Zivilprozess zu einem der Ausnahmefälle des § 43 Abs 2 ZPO judiziert wird (vgl dazu nur Fucik in Rechberger 3 § 43 Rz 13 f). Wenn angeordnet wird, dass die (zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen) Kosten einer Partei zu ersetzen sind, soweit sie gegenüber der anderen Partei Erfolg hatte, wird einerseits auf die der jeweiligen Partei tatsächlich erwachsenen Verfahrenskosten abgestellt, die regelmäßig auf Basis der tatsächlichen Bemessungsgrundlage (Streitwert) zu berechnen sind; andererseits soll sich der Kostenersatzanspruch nach den Erfolgsverhältnissen richten, sodass also jede Partei entsprechend ihrer Obsiegensquote („soweit“) Anspruch auf Kostenersatz hat (idS auch LGZ Wien EFSlg 122.201). Bei wörtlicher Auslegung der untersuchten Vorschrift käme man also in erster Linie zu einer Berechnung wechselseitiger Kostenansprüche unter Berücksichtigung der der einzelnen Partei tatsächlich erwachsenen Verfahrenskosten, die entsprechend ihrer Erfolgsquote zu ersetzen wären. Eine solche Lösung ergäbe sich im Übrigen durchaus auch für den (wechselseitigen) Kostenersatz nach § 43 Abs 1 ZPO (vgl dazu nur M. Bydlinski, Kostenersatz im Zivilprozess 209 ff), wobei in der Kostenentscheidung nur mehr die Differenz der ermittelten Kostenersatzansprüche der Parteien zur Zahlung aufzuerlegen wäre. Die überwiegende Rechtsprechung lehnt eine solche Kostenkompensation gegenüber der Quotenkompensation (vgl dazu nur Obermaier aaO Rz 725 aE) aber vor allem aus Vereinfachungsgründen ab; für Kosten, die typischerweise nur eine Partei aufgewendet hat, sieht § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO - auch für den überwiegend Unterlegenen - Kostenersatz im Ausmaß seiner Obsiegensquote (ohne Abzug der Obsiegensquote des Gegners) vor. Dass diese Grundsätze auch für die nach § 78 AußStrG zu fällende Kostenentscheidung in einem Aufteilungsverfahren gelten sollen, insbesondere wenn es ausschließlich um die Frage der Höhe einer Ausgleichszahlung geht, hat der erkennende Senat bereits in seiner Vorjudikatur (1 Ob 36/09i) angenommen, auch wenn dies bisher nicht eingehend begründet wurde.

Die Anwendung der „Quotenkompensation“ bedeutet für den vorliegenden Fall Folgendes:

Angesichts der im Verfahren erster Instanz gestellten Anträge auf Ausgleichszahlungen von 68.240,01 EUR bzw 4.000 EUR obsiegte die Antragstellerin mit rund 15 %, der Antragsgegner mit rund 85 %, sodass der Antragsgegner Anspruch auf Ersatz von 70 % seiner im erstinstanzlichen Verfahren angefallenen Kosten hat, die Antragstellerin von 15 % der von ihr entrichteten Pauschalgebühr. Mit ihren Rekursen blieben beide Parteien letztlich erfolglos, was die jeweilige Pflicht zum Ersatz der Kosten der Rekursbeantwortung begründet. Im Revisionsrekursverfahren, in dem der Antragsgegner eine Herabsetzung der vom Rekursgericht mit 18.369,80 EUR festgesetzten Ausgleichszahlung auf einen Betrag von 6.176,79 EUR anstrebte, obsiegte er mit rund 60 %, die Revisionsrekursgegnerin mit rund 40 %, sodass ihm der Ersatz von 60 % der Pauschalgebühr nach TP 12a GGG und von 20 % der Schriftsatzkosten gebührt; für den Verbesserungsschriftsatz steht kein Kostenersatz zu. Die Saldierung der so berechneten Ersatzansprüche ergibt zugunsten des Antragsgegners den aus dem Spruch ersichtlichen Betrag. Die gesonderte Urkundenvorlage ON 7 war nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.

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