OGH 5Ob235/11m

OGH5Ob235/11m20.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek, sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers R***** B*****, vertreten durch Dr. Romana Aron, Mieterinteressensgemeinschaft, 1100 Wien, Antonsplatz 22, gegen den Antragsgegner P***** B*****, vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 und Z 12a MRG iVm §§ 16, 25 MRG, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. August 2011, GZ 40 R 315/11m-42, mit dem infolge Rekurses des Antragsgegners der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 8. April 2011, GZ 5 Msch 20/09a-37, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Rekursgericht hob mit seiner Entscheidung den erstinstanzlichen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Gleichzeitig erklärte es den Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung für zulässig, weil durch höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht geklärt sei, ob bei Anwendung des RückzahlungsbegünstigungsG 1971 (RBG 1971; BGBl 1971/336) für den Begriff „Entscheidung über das Fondsansuchen vor dem 1. 9. 1952“ der Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids über die Zusicherung des Darlehens oder aber der Bescheid über die endgültige Festsetzung des Darlehens maßgeblich sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts liegen die Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG nicht vor:

1. Unter dem Revisionsrekursgrund der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens macht der Rechtsmittelwerber geltend, das Rekursgericht habe sich mit seiner Mängel- bzw Beweisrüge zur Negativfeststellung des Erstgerichts, wonach nicht feststehe, dass in der fraglichen Wohnung vor dem 1. 10. 1993 standardanhebende Maßnahmen durchgeführt worden seien, nicht ausreichend auseinandergesetzt und damit letztlich eine Überraschungsentscheidung bewirkt.

Dieser Vorwurf ist unzutreffend. Tatsächlich hat sich das Rekursgericht mit sämtlichen Rechtsmittelausführungen des Antragsgegners, so auch der Mängelrüge, ausführlich und substanziell (S 3 - 9 des zweitinstanzlichen Beschlusses) auseinandergesetzt und ist gerade auf jene Fragen eingegangen, die im Revisionsrekurs neuerlich ausgeführt werden. Es reicht daher aus, darauf zu verweisen, dass eine in zweiter Instanz verneinte Mängelrüge nicht mehr an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann (RIS-Justiz RS0050037, RS0030748), woran auch der Umstand nichts zu ändern vermag, dass die (neuerliche) Mängelrüge als Rüge der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens bezeichnet wird.

2. Im gegenständlichen Fall ist übergangs-rechtlich (Wohnhauswiederaufbaugesetznovelle 1952 BGBl 1952/106 Art II.18) relevant, ob „über das Ansuchen um Fondshilfe ... noch vor dem 1. September 1952 entschieden wurde“.

Das Rekursgericht erachtete in rechtlicher Hinsicht, dass dafür der Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids über die Zusicherung des Darlehens, nicht aber der Bescheid über die endgültige Festsetzung des Darlehens maßgeblich sei.

Zu dieser vom Rekursgericht als Begründung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels gegen seine Entscheidung als erheblich angesehenen Rechtsfrage führt der Revisionsrekurswerber nur aus, dass der Endbescheid schon deshalb maßgeblich sei, weil es sich bei einem Darlehen um einen Realkontrakt handle. Dieser komme erst durch die Zahlung der Darlehensvaluta zustande, eine solche sei erst auf Grundlage des Endbescheids erfolgt.

Mit diesen Ausführungen macht der Antragsgegner aber schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage geltend, weil seine Rechtsansicht dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelung widerspricht, die nicht auf die „darlehensrelevante Rechtsnatur“ abstellt, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen, mit dem der Bewerber im Übrigen bereits einen Anspruch erwarb (§ 19 Abs 1 Wohnhaus-WiederaufbauG BGBl 1948/130). Schon nach dem Wortlaut der Regelung ist eindeutig, dass es auf den Zeitpunkt der Zuzählung der Fondsmittel nicht ankommt (so auch 5 Ob 244/11k in einem denselben Antragsgegner betreffenden Parallelverfahren).

Nach den maßgeblichen Feststellungen wurde mit dem Bescheid vom 9. 7. 1951 für die Wiederherstellung des Hauses *****, gemäß § 15 Abs 2 des Wohnhaus-Wiederaufbaugesetzes (BGBl 1948/130) idF Wohnhaus-Wiederaufbaunovelle 1950, BGBl 1951/26, ein Darlehen von 1.352.500 ATS „zugesichert“. Es trifft also nicht zu, wie im Revisionsrekurs ausgeführt, dass mit diesem Bescheid nur eine „Inaussichtstellung“ erfolgt wäre.

Sonstige Argumente zu der vom Rekursgericht als erheblich erachteten Rechtsfrage werden im Revisionsrekurs nicht vorgetragen.

3. Das Erstgericht hat festgestellt, dass die fragliche Wohnung durch bauliche Zusammenlegung ehemals getrennter Wohnungen entstanden ist. Die Behauptung des Antragsgegners, es sei zur Neuschaffung von Mietgegenständen gekommen, weil „bisherige Wohnungen aufgelassen worden seien“, stellt sich als eine unzulässige Bekämpfung der Beweis- und Tatfrage dar (Fucik in Kloiber, AußStrG § 66 Rz 4 mwN).

4. Die vom Revisionsrekurswerber zur Frage eines „Anerkenntnisses“, gemeint: Verzicht auf die Geltendmachung teilweiser Unwirksamkeit der Hauptmietzinsvereinbarung, getätigten Ausführungen erfordern keine grundsätzlichen Erwägungen. Die Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen ist einzelfallbezogen und begründet daher hier wie in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RIS-Justiz RS0081754; RS0014157). Dem ist nur noch hinzuzufügen, dass es bei Beurteilung der Frage, ob auf ein Recht stillschweigend verzichtet wurde, generell besondere Vorsicht geboten ist (RIS-Justiz RS0014420). In Anbetracht dieses Grundsatzes erweist sich die Beurteilung der Vorinstanzen, dass einer Vereinbarung über die Verlängerung eines bestehenden Mietverhältnisses ohne Hinzutreten sonstiger Umstände kein Verzicht auf die Geltendmachung der Unwirksamkeit der seinerzeitigen Hauptmietzinsvereinbarung abzuleiten ist, als unbedenklich. Die im Revisionsrekurs zur Begründung des gegenteiligen Standpunkts herangezogenen Argumente zeigen hingegen auf, dass sich ein Mieter im Verlängerungszeitpunkt in derselben Drucksituation wie bei Vertragsabschluss befindet, welchem Umstand durch § 16 Abs 8 MRG (Verlängerung der Anfechtungsfrist) vom Gesetz Rechnung getragen wird.

5. Stellt der Vermieter dem Hauptmieter eines Mietgegenstands Einrichtungsgegenstände bei, so darf hiefür gemäß § 25 MRG nur ein angemessenes Entgelt gesondert vereinbart werden (5 Ob 129/09w wobl 2010/13 = MietSlg 61.341).

Dem Argument des Revisionsrekurswerbers, das MRG gelte grundsätzlich nur für die Miete von Wohn- oder Geschäftsflächen, nicht aber für Möbelmiete, steht schon der Wortlaut des § 1 MRG, wonach „dieses Bundesgesetz“ und daher auch dessen § 25 MRG für die Miete von Wohnungen, Geschäftsräumen etc gilt, entgegen. Dass das verfahrensgegenständliche Objekt zufolge § 1 Abs 2 MRG vom Anwendungsbereich des Gesetzes überhaupt ausgenommen wäre oder § 25 MRG infolge der Regelung über Teilausnahmen (§ 1 Abs 4 MRG) nicht zur Anwendung käme, wurde nicht behauptet. Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG stellt sich auch hiezu schon in Anbetracht der klaren Rechtslage nicht.

6. Die Beurteilung des zeitlichen Umfangs des Schlichtungsstellenantrags erweist sich als typische Einzelfallbeurteilung des Parteivorbringens, der keine erhebliche Bedeutung zukommt (5 Ob 139/11v; 5 Ob 108/11k; 5 Ob 256/98b; 5 Ob 244/11k im bereits zitierten Parallelverfahren). Eine als mit dem Wortlaut des Sachantrags und/oder des Vorbringens des Antragstellers unvereinbare oder gegen die Denkgesetze verstoßende und deshalb als unvertretbar aufzugreifende Fehlbeurteilung (RIS-Justiz RS0042828 [T11]) liegt nicht vor.

Der Antragsgegner macht daher insgesamt in seinem Rechtsmittel keine Rechtsfrage von der in § 62 Abs 1 AußStrG beschriebenen Qualität geltend. Sein Revisionsrekurs ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Der Antragsteller hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen.

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