OGH 12Os180/11d

OGH12Os180/11d31.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Brandstetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Markus B***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 11. Oktober 2011, GZ 152 Hv 128/11z-91, sowie über dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung (wegen Strafe) und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Markus B***** der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (A./) und des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 erster Fall, 15 Abs 1 StGB (C./) sowie der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB (B./, D./), des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 erster Fall StGB (E./), der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (F./I./), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (F./II./), des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach (richtig:) § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 und Abs 5 SMG (G./I./) und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (G./II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** - soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Relevanz und zusammengefasst wiedergegeben -

A./ mit Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe anderen Bargeld und Wertgegenstände mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen und wegzunehmen versucht, und zwar

I./ am 29. April 2007 einer unbekannten Frau, indem er ihr mit einer Metallkette ins Gesicht schlug;

II./ am 29. April 2007 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit drei abgesondert verfolgten Personen zwei unbekannten Männern, indem sie diese mit einem Hammer oder Stock bedrohten;

III./ am 9. Jänner 2010 Gewahrsamsträgern von M***** einen Bildschirm, indem er Bader Mu***** mit einem Messer in der Hand Faustschläge versetzte, den Bildschirm letztendlich aber nicht mitnehmen konnte;

B./ zwischen Sommer und Herbst 2006 einer unbekannten Radfahrerin mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz 500 Euro und ein Mobiltelefon weggenommen;

Gegen die Schuldsprüche A./ und B./ richtet sich die - als Berufung wegen Nichtigkeit bezeichnete - Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die sich auf § 281 Abs 1 Z 1, 3 und 10 StPO stützt. Sie verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerdeführer rügt - unter Hinweis darauf, dass er zum Zeitpunkt der vom Schuldspruch B./ umfassten Tat das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte - die unterbliebene Anwendung der „§§ 5, 28 JGG“.

Als Besetzungsrüge (Z 1) verstanden, geht dieses Vorbringen ins Leere, weil das Urteil gemäß § 46a Abs 1 JGG iVm § 28 JGG von einem Jugendschöffengericht gefällt wurde.

War der Einwand als Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) gemeint, übersieht der Angeklagte, dass für den anzuwendenden Strafrahmen der von ihm als junger Erwachsener begangene bewaffnete Raubüberfall (A./III./) maßgebend war (§§ 36, 143 erster Strafsatz StGB). Damit blieb für eine Anwendung des § 5 Z 4 JGG kein Raum.

Die Behauptung einer Verletzung des § 252 Abs 1 StPO (§ 281 Abs 1 Z 3 StPO), weil „sich im Protokoll [weder] ein Vermerk über die Verlesung“ der Aussage des Zeugen Bader Mu***** „noch eine Begründung, warum diese verlesen werden durfte“ findet, übergeht das Protokoll der Hauptverhandlung am 9. September 2011, wonach - auch - die Aussage dieses Zeugen einverständlich verlesen worden ist (ON 82 S 13 f).

Die gesetzmäßige Ausführung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen methodengerechten Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810, RS0116565, RS0117247, RS0099724; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers entspricht diesen Anforderungen nicht, weil er mit dem Ziel einer Unterstellung der Tat (A./III./) unter §§ 127, 131 erster Fall StGB den Ablauf der Geschehnisse gegenüber den Konstatierungen des Erstgerichts (US 21) schlicht verändert.

Im Übrigen muss das Ergreifen einer Sache durch den Täter nicht zwangsläufig schon zum Gewahrsamsverlust des Inhabers führen, sodass - wie hier - ein Gegenstand, der vorerst im Machtbereich des Inhabers bleibt, durchaus Gegenstand eines durch nachfolgende Gewalt begangenen Raubes sein kann (RIS-Justiz RS0093767).

Schließlich übergeht der Nichtigkeitswerber mit der Behauptung, das Erstgericht habe es unterlassen, auf Grund seiner Verantwortung, „voll unter Drogen“ gestanden zu sein, zu überprüfen, ob „es sich nicht um die Begehung einer Straftat im Zustand der vollen Berauschung“ nach § 287 StGB handle, dass sich der Schöffensenat mit diesen Angaben ohnedies auseinandersetzte, ihnen aber im Hinblick auf die Aussagen der Zeugen Natascha V***** und Seljuk E*****, die das Verhalten des Angeklagten als zielgerichtet beschrieben, Glaubwürdigkeit abgesprochen hat (US 16).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - ebenso wie die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene Berufung wegen Schuld (§§ 280, 283 Abs 1 StPO) - bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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