OGH 5Ob223/11x

OGH5Ob223/11x17.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin Gemeinde F*****, vertreten durch Mag. Michaela Künzel‑Painsipp und Mag. Kurt Painsipp, öffentliche Notare in Feldbach, wegen Verbücherung nach den §§ 15 ff LiegTeilG ob der EZ 238 und weiterer Liegenschaften je GB *****, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 6. September 2011, GZ 4 R 125/11y‑6, mit dem infolge Rekurses der Antragstellerin der Beschluss des Bezirksgerichts Feldbach vom 31. März 2011, TZ 2033, 2034/2011, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Vermessungsamt F***** brachte beim Erstgericht am 28. 3. 2011 einlangend eine als „Grundbuchssache Anmeldungsbogen“ bezeichnete Eingabe ein, in welcher die Gemeinde F***** als Antragstellerin bezeichnet und die „Beurkundung des Antrages gem. §§ 15 und 16 LiegTeilG durch: Vermessungsamt F*****“ ausgewiesen ist. Die Eingabe enthält sodann den „Antrag auf Verbücherung gemäß §§ 15 ff LiegTeilG, GZ A 1215/2011“ (= Geschäftszahl des Vermessungsamts) betreffend KG F*****“ und anschließend folgende Ausführungen:

„Gemäß § 16 LiegTeilG wird nach Maßgabe der tatsächlichen Verhältnisse bestätigt, dass es sich um eine Weganlage handelt. Es wird weiters bestätigt, dass die Gemeinde die lastenfreie Abschreibung sämtlicher Trennstücke beantragt hat. Die Anlage 'M*****weg' ist in der Natur fertig gestellt. Beantragt wird die lastenfreie Abschreibung nach § 15ff LiegTeilG gem. beiliegendem V 408 (Seiten 1 bis 3), beinhaltend sowohl die betroffenen EZ als auch Namen und Adressen jener Personen, die ‑ ebenso wie die Buchberechtigten lt. C-Blatt der jeweiligen EZ ‑ von der Erledigung zu verständigen sind. Der Beschluss über die Ab- und Zuschreibung ergeht auf Grund dieser Beurkundung und des dem Anmeldungsbogen zugrunde liegenden Planes.“

Als ‑ der Eingabe auch tatsächlich angeschlossene ‑ Beilagen werden schließlich der Bescheid (§ 39 VermG) des Vermessungsamts vom 28. 12. 2010, GZ P 470/2010, und der Plan des Dipl.-Ing. Meinrad B***** vom 30. 11. 2010, GZ 7008/10, genannt. Der zuletzt angesprochene Plan ist ein Kataster-Natur-Lageplan samt Koordinatenverzeichnis, dem die aus 4 Seiten bestehende „V 408 Gegenüberstellung“ angeschlossen ist, aus welcher die von den Veränderungen betroffenen Liegenschaften (EZZ, Liegenschaftseigentümer) sowie „Gst.Nr.“ samt Abfall und Zuwachs ausgewiesen sind.

Das Erstgericht wies den „Antrag“ ab. Die Neufassung des § 16 LiegTeilG sehe vor, dass die Vermessungsbehörde im Anmeldungsbogen nicht nur das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen nach § 15 LiegTeilG beurkunde, sondern ‑ nach dem Vorbild des § 13 LiegTeilG ‑ auch den Antrag auf bücherliche Durchführung. Die GB-Nov 2008 (BGBl I 2008/100) habe also festgelegt, dass das Grundbuchgericht aufgrund eines Antrags tätig werde, was in verschiedenen Bestimmungen zum Ausdruck komme (vgl §§ 16, 19 Abs 1 und 2, 20 Abs 2, 32 LiegTeilG). Demnach müssten die vom Vermessungsamt dem Gericht vorgelegten Unterlagen ‑ insbesondere das Begehren ‑ in strukturierterer Form als bisher übermittelt werden. Hier liege jedoch kein Antrag iSd § 85 Abs 1 und 2 GBG vor, weshalb dieser abzuweisen gewesen sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Der Gesetzgeber der GB‑Nov 2008 sei davon ausgegangen, dass die Vermessungsbehörde im Anmeldungsbogen nicht nur das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen nach § 15 LiegTeilG, sondern auch den Antrag auf bücherliche Durchführung bestätige. Der Gesetzgeber sei überdies davon ausgegangen, dass der Inhalt des zu erlassenden Beschlusses durch den von der Vermessungsbehörde formgerecht beurkundeten Antrag bereits vorgegeben sei. Wenn dann das Erstgericht auf den Mindestinhalt von Grundbuchgesuchen abstelle, wie er sich aus den §§ 84 f GBG ergebe, insbesondere auf die genaue Angabe, was im Grundbuch einzutragen sei, dann sei dies nicht zu beanstanden. Die gemäß §§ 84 f GBG erforderlichen Daten würden sich ‑ entgegen der Meinung der Antragstellerin ‑ nicht aus dem Anmeldungsbogen ergeben. Der Verweis auf die als Beilage angeschlossene Vermessungsurkunde sei nicht ausreichend. Es genüge auch sonst im Grundbuchverfahren nicht, wenn die erforderlichen Daten nur der zugrundeliegenden Urkunde entnommen werden könnten oder wenn im Antrag bloß auf diese Urkunde verwiesen werde. Nach § 84 GBG seien auch jene Personen anzuführen, die von der Erledigung zu verständigen seien, wozu auch auf § 74 GBG hingewiesen werden könne. Der Rekurs müsse daher erfolglos bleiben.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof ‑ soweit feststellbar ‑ noch nicht mit jenen Inhaltserfordernissen befasst gewesen sei, welche an einen Antrag auf Verbücherung eines Anmeldungsbogens nach den §§ 15 ff LiegTeilG idF GB‑Nov 2008 zu stellen seien.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss „zur Gänze aufzuheben“ (gemeint wohl: im Sinn der Antragsstattgebung abzuändern). Die Antragstellerin vertritt ‑ zusammengefasst ‑ die Rechtsansicht, dass die Gegenüberstellung (listenartige Darstellung der Veränderungen [Abfall und Zuwachs] bei den betroffenen Liegenschaften samt Angabe der EZZ und der Liegenschaftseigentümer) eine „übersichtliche, perfekt strukturierte und das Begehren eindeutig wiedergebende Form“ aufweise. Ein fertig ausformulierter Beschlussentwurf sei dagegen nicht zwingend erforderlich. Auch die Unterlassung der Anführung der zu verständigenden Personen dürfe nicht zur Antragsabweisung führen. Nach § 18 LiegTeilG genüge der Verweis auf die dem Gesuch beigelegten Urkunden.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1. Mit der Grundbuchs-Novelle 2008 (GB‑Nov 2008, BGBl I 2008/100) hat der Gesetzgeber das Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG (Sonderbestimmungen für die Verbücherung von Straßen-, Weg-, Eisenbahn- und Wasserbauanlagen) in weiten Teilen verfahrensrechtlich neu geregelt. Die maßgeblichen Bestimmungen idF GB-Nov 2008 sind hier bereits anzuwenden (§ 39 Abs 2 und 5 LiegTeilG idF Art III Z 14 BGBl I 2008/100) und lauten (soweit hier maßgeblich) wie folgt:

Nach § 16 LiegTeilG kann die Vermessungsbehörde den Antrag auf lastenfreie Ab- und Zuschreibung der in § 15 LiegTeilG angeführten Grundstücke beurkunden. Überdies hat die Vermessungsbehörde in der Beurkundung nach Maßgabe der tatsächlichen Verhältnisse zu bestätigen, dass eine der in § 15 LiegTeilG angeführten Anlagen errichtet bzw aufgelassen wurde. Gemäß § 18 LiegTeilG ergeht der Beschluss über die die Ab- und Zuschreibung aufgrund dieser Beurkundung und des dem Anmeldungsbogen zugrundeliegenden Planes.

1.2. In den ErläutRV (542 BlgNR 23. GP 13 f) heißt es dazu:

„Die Verbücherung hat nach der geltenden Rechtslage auf Grund des Anmeldungsbogens des Vermessungsamtes von Amts wegen zu geschehen (§ 18 Abs. 1). Die Neufassung des § 16 sieht vor, dass die Vermessungsbehörde im Anmeldungsbogen nicht nur das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen nach § 15 beurkundet, sondern ‑ nach dem Vorbild des § 13 ‑ auch den Antrag auf bücherliche Durchführung. In aller Regel wird daher in Zukunft der zukünftige Eigentümer der Anlage oder ‑ bei aufgelassenen Anlagen ‑ der bisherige Eigentümer als Antragsteller auftreten.

Diese Änderung sollte zu einer beträchtlichen Beschleunigung der Erledigung von Anmeldungsbögen nach den §§ 15 ff. führen, da das Grundbuchsgericht nicht mehr selbst erarbeiten muss, durch welche Grundbuchseintragungen die 'durch die Anlage verursachten, aus dem Anmeldungsbogen und seinen Beilagen ersichtlichen Änderungen' (so § 18 Abs. 1 in der geltenden Fassung) umgesetzt werden. Vielmehr ist der Inhalt des zu erlassenden Beschlusses durch den von der Vermessungsbehörde formgerecht beurkundeten Antrag bereits vorgegeben. Diese Beschleunigung ist auch notwendig, da der Anmeldungsbogen nach der Neuregelung zum Grundbuchsstück im Sinn des § 448 Geo. wird; er ist daher in das Tagebuch einzutragen und entsprechend rasch zu erledigen.“

2. Rassi (Die Grundbuchsnovelle 2008: Ein Überblick, NZ 2008/61, 225 [234]) führt im gegebenen Zusammenhang aus, dass „das Grundbuchsgericht aufgrund eines Antrags tätig wird, was in verschiedenen Bestimmungen zum Ausdruck kommt (vgl §§ 16, 19 Abs 1 und 2, § 20 Abs 2 und § 32 LiegTeilG nF)“ und dass „die dem Gericht vom Vermessungsamt übermittelten Unterlagen ‑ insb das Begehren ‑ in strukturierterer Form als bisher zu übermitteln sein (werden), weil sich die Verbücherung an dem 'Antrag' zu orientieren hat und nicht daran, bloß die 'aus dem Anmeldungsbogen und seinen Beilagen ersichtlichen Änderungen durchzuführen' (§ 18 Abs 1 LiegTeilG aF)“. Kuster (ÖRPfl 2009/H 2, 27) vertritt die Ansicht, dass § 16 LiegTeilG nF von „Grundbuchsanträgen“ spreche, wodurch „die Vermessungsämter österreichweit gesetzlich verpflichtet (sind), den Gerichten fertige 'Grundbuchsgesuche' zu übermitteln, die sämtliche Erfordernisse eines Antrages erfüllen“.

3. Die mit der GB-Nov 2008 vorgenommenen Änderungen der §§ 15 ff LiegTeilG weisen, wie Rassi in der zuvor wiedergegebenen Beurteilung richtig erkennt, eindeutig die Vorstellung des Gesetzgebers dahin aus, dass die Gerichte in diesem Verfahren aufgrund eines Antrags tätig werden. Dieses Antragserfordernis lässt sich insbesondere aus den §§ 16, 19 Abs 1 und 2, 20 Abs 2 und 32 LiegTeilG ableiten und folgt überdies aus den (oben zu 1.2.) wiedergegebenen ErläutRV.

4. Die inhaltlichen Erfordernisse eines Grundbuchgesuchs ‑ ein Antrag im Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG ist nunmehr ein Grundbuchstück iSd § 448 Geo. ‑ ergeben sich insbesondere aus den §§ 84 f GBG. Dabei ist nach § 85 Abs 2 GBG im Begehren genau anzugeben, was im Grundbuch eingetragen werden soll. Als Grundsatz gilt, dass ein Antrag jegliche Verwechslung des Eintragungsobjekts und eine Fehlinterpretation des Begehrens ausschließen und dem allgemeinen Interesse an der Beibehaltung standardisierter Regeln über Form, Aufbau und Inhalt des grundbücherlichen Informationssystems jedenfalls so weit Rechnung tragen muss, dass dem Grundbuchgericht ohne besonderen Aufwand eine Beschlussfassung iSd § 98 GBG möglich ist (RIS-Justiz RS0061025). Insoweit ist der in § 98 GBG angeführte wesentliche Inhalt eines Grundbuchbeschlusses auch für die Frage des Inhalts des Grundbuchgesuchs maßgebend (RIS-Justiz RS0061013 [T1]). Überdies ist im gegebenen Zusammenhang auch der durch die Umgestaltung des Verfahrens nach den §§ 15 ff LiegTeilG manifeste Wille des Gesetzgebers beachtlich, wonach sich das Grundbuchgericht die Grundbucheintragungen, die durch die Anlage verursacht und aus dem Anmeldungsbogen samt Beilagen ersichtlich sind, nicht mehr selbst erarbeiten müssen soll, sondern diese bereits durch den von der Vermessungsbehörde beurkundeten Antrag vorgegeben sein sollen.

5. Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin ihr Begehren nur dahin bezeichnet, dass sie die lastenfreie Abschreibung nach §§ 15 ff LiegTeilG gemäß der dem Anmeldungsbogen angeschlossenen Gegenüberstellung beantragte. Ein solches Begehren reicht für einen Antrag nach den §§ 15 ff LiegTeilG nF nicht aus. Abgesehen davon, dass die Antragstellerin ausdrücklich nur die Abschreibung, aber keine Zuschreibung beantragt hat, erschöpft sich ihr Begehren inhaltlich auf den Wunsch nach amtswegiger Durchführung des Anmeldungsbogens, wie dies der Rechtslage vor der GB‑Nov 2008 entsprach. Genau dies soll aber mit der Neuregelung der §§ 15 ff LiegTeilG überwunden werden und ein Antrag in diesem Verfahren praktisch einem Grundbuchgesuch entsprechen. Wollte man einen schlichten Antrag auf Verbücherung des Anmeldungsbogens nach neuer Rechtslage genügen lassen, würde dies evident der Intention des Gesetzgebers widersprechen, wonach sich das Grundbuchgericht die Grundbucheintragungen nicht mehr selbst erarbeiten müssen soll. Für einen Antrag im Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG idF GB-Nov 2008 ist daher zu fordern, dass der Antragsteller die aufgrund der Anlage vorzunehmenden Grundbucheintragungen selbst verbal beschreibt und nicht bloß auf den Anmeldungsbogen verweist. Aus § 18 LiegTeilG, wonach der Beschluss über die die Ab- und Zuschreibung aufgrund der Beurkundung durch das Vermessungsamt und des dem Anmeldungsbogen zugrundeliegenden Plans ergeht, ist ‑ entgegen der Ansicht der Antragstellerin ‑ nichts Gegenteiliges abzuleiten, weil dort (nur) die materiellen Entscheidungsgrundlagen, aber nicht die inhaltlichen Antragserfordernisse bezeichnet werden.

6. Zusammengefasst ergibt sich somit Folgendes:

6.1. In einem Verfahren nach den §§ 15 ff LiegTeilG idF GB-Nov 2008 hat das Grundbuchgericht aufgrund eines Antrags zu entscheiden. Dieser Antrag ist so zu formulieren, dass das Grundbuchgericht die durch die Anlage verursachten Grundbucheintragungen nicht amtswegig selbst erarbeiten muss. Dazu hat der Antragsteller die vorzunehmenden Grundbucheintragungen verbal zu beschreiben; der bloße Verweis auf die im Anmeldungsbogen enthaltene Gegenüberstellung der Flächenveränderungen reicht hiefür nicht aus.

6.2. Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, dass der vorliegende Antrag den beschriebenen Voraussetzungen nicht entspricht; der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben. Auf die Frage der Zulässigkeit einer Antragsverbesserung war nicht einzugehen, weil die Antragstellerin einen daraus gegebenenfalls ableitbaren Verfahrensmangel nie geltend gemacht und auch eine Verbesserung nicht vorgenommen hat.

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