OGH 7Ob220/11w

OGH7Ob220/11w21.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Vanis Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei K***** KG, *****, vertreten durch Mag. A. Konstantino Huber, Rechtsanwalt in Wien, wegen 364.241 EUR (sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 24. August 2011, GZ 4 R 161/10v-23, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

B e g r ü n d u n g :

Rechtliche Beurteilung

Während der Schluss von bestimmten Tatsachen auf die Parteienabsicht eine (grundsätzlich irrevisible) tatsächliche Feststellung darstellt und die Feststellung des gemeinsamen Parteiwillens auch dann nicht revisibel ist, wenn sie unter anderem (neben anderen Beweismitteln) aus dem Inhalt von Urkunden abgeleitet wird (RIS-Justiz RS0017828; Klauser/Kodek, ZPO16 § 498 ZPO E 96 mwN), ist (reine) Urkundenauslegung grundsätzlich rechtliche Beurteilung (Klauser/Kodek aaO E 95 mwN). Unter der Voraussetzung, dass zur Frage des Parteiwillens bei Abschluss einer Vereinbarung keine Aussagen vorliegen, betrifft die Urkundenauslegung also die rechtliche Beurteilung (8 Ob 40/03w, RIS-Justiz RS0017911 [T7]). Da sich die Ansicht des Berufungsgerichts, die Parteien hätten gewollt, dass der klagenden Partei der Kaufpreis ohne Abzüge zukommen solle, allein auf die Auslegung von Urkunden gründet, liegt der gerügte Verfahrensmangel, nämlich dass das Berufungsgericht von den Feststellungen des Erstgerichts ohne Beweisergänzung abgewichen sei, nicht vor.

Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nach ständiger Rechtsprechung nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936; RS0042776; RS0044298). Dies trifft im vorliegenden Fall aufgrund folgender Erwägungen nicht zu:

Verkauft wurde ein Werksgelände. Es stand von vornherein fest, dass der Verkaufsgegenstand Grundstücke samt darauf befindlichen Gebäuden und Fahrnissen umfasste. Die handelnden Personen, insbesondere die Anwälte, mussten wissen, dass die Fahrnisse steuertechnisch anders zu behandeln sein werden, als die Grundstücke samt Gebäuden. Auch den Organen der Parteien musste als Unternehmern klar sein, dass für die Grundstücke Grunderwerbssteuer und eine Eintragungsgebühr und für die Fahrnisse Umsatzsteuer zu bezahlen sein werde. Nun wurde die Kaufpreisbildung zunächst so vorgenommen, dass der Preis allein aus der Grundstücksgröße (27,50 EUR/m2) abgeleitet wurde. Dazu wurde vereinbart, dass die Beklagte als Käuferin alle Kosten im Zusammenhang mit der Errichtung und Verbücherung des Vertrags sowie die durch den Vertrag ausgelösten Gebühren und Verkehrssteuern zu tragen habe. Die Grunderwerbssteuer von 3,5 % und die zu erwartende Eintragungsgebühr von 1 % des Kaufpreises wurden im endgültigen Kaufvertrag auch ausdrücklich ausgewiesen. Unter diesen Umständen ist die Annahme, die Parteien hätten beabsichtigt, dass der Klägerin als Verkäuferin der reine Kaufpreis verbleiben solle, naheliegend und kann die Ansicht der zweiten Instanz daher nicht als unvertretbar angesehen werden.

Da zum hilfsweise erstatteten Vorbringen eines Scheingeschäfts keine Feststellungen getroffen wurden und insbesondere kein Ergebnis der Selbstanzeige der Klägerin festgestellt wurde, ohne dass dies gerügt worden wäre (die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die Fahrnisse mindestens den angegebenen Preis von etwa 1,8 Mio EUR wert waren), hat das Berufungsgericht sich mit dieser Problematik nicht weiter beschäftigt. Die Revisionswerberin zeigt auf, dass bei Richtigkeit dieses von den Vorinstanzen nicht weiter geprüften Vorbringens die Steuerverpflichtung aus dem Verkauf der Fahrnisse wesentlich geringer und daher das Klagebegehren einzuschränken gewesen wäre. Daraus ließe sich jedoch entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nur dann eine Unschlüssigkeit des Klagebegehrens ableiten, wenn der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt im Sinn des ergänzenden Vorbringens der Klägerin abgeändert worden wäre. Eine solche Abänderung wurde von den Parteien aber weder in zweiter noch in dritter Instanz angestrebt.

Insgesamt wird von der Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt.

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