OGH 9ObA127/11h

OGH9ObA127/11h25.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Krüger und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. J***** P*****, vertreten durch Mag. Caterina Ortner, Rechtsanwältin in Linz, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Slana, Dr. Thomas Loidl, Rechtsanwälte in Linz, wegen Ausstellung eines Dienstzeugnisses (Streitwert: 733 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. August 2011, GZ 11 Ra 68/11s‑19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. März 2011, GZ 9 Cga 176/10t‑8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts insgesamt wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 436,27 EUR (darin 72,71 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 299,57 EUR (darin 49,93 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1. 7. 2004 bis 31. 7. 2005 bei der V***** GmbH (nunmehr nach Änderung des Firmenwortlauts: die Beklagte) als Arbeitnehmer beschäftigt. In einem gerichtlichen Vergleich vom 26. 9. 2005 vereinbarten die Streitteile die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses rückwirkend mit 31. 7. 2005, sowie weitere, im konkreten Zusammenhang nicht wesentliche Verpflichtungen der Beklagten gegenüber dem Kläger. Nach Rechtswirksamkeit des gerichtlichen Vergleichs übermittelte die Beklagte dem Kläger im Oktober 2005 ein Dienstzeugnis welches von diesem unbeanstandet übernommen wurde. Erstmals im Jahr 2010 machte der Kläger gegenüber der Beklagten außergerichtlich geltend, dass dieses Zeugnis nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprochen habe. Die Beklagte stellte ihm auf sein Verlangen drei weitere Dienstzeugnisse, datiert mit August 2010, September 2010 und 17. 10. 2010 aus.

Der Kläger begehrt die Ausstellung des Dienstzeugnisses vom 17. 10. 2010, allerdings mit dem Ausstellungsdatum 31. 7. 2005, dem Datum der einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Er brachte dazu vor, dass er durch das spätere Datum des zuletzt ausgestellten Dienstzeugnisses benachteiligt sei, weil aufgrund des zeitlichen Abstands zwischen dem Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Ausstellung des Dienstzeugnisses potentielle neue Arbeitgeber mit der Beklagten Rücksprache halten würden, wodurch seine berufliche Laufbahn beeinträchtigt werde.

Die Beklagte wandte dagegen ein, dass das von ihr im Oktober 2005 ausgestellte Dienstzeugnis inhaltlich und zeitlich den Anforderungen des § 39 AngG entsprochen habe, sodass schon daher der geltend gemachte Anspruch untergegangen sei. Die vom Kläger geforderte Rückdatierung entbehre jeder Rechtsgrundlage, sie würde im Übrigen zur Erstellung einer Lugurkunde iSd § 293 StGB führen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte sei im Oktober 2005 ihrer Verpflichtung zur Ausstellung eines ordnungsgemäßen Dienstzeugnisses nachgekommen. Eine verspätete Ausstellung liege nicht vor. Alleiniger Grund für die Neuausstellung von Dienstzeugnissen sei ein Entgegenkommen der Beklagten gewesen, wobei der Kläger jahrelang zugewartet habe, ehe er sein Anliegen an die Beklagte herangetragen habe. Ein Anspruch auf Rückdatierung des zuletzt ausgestellten Dienstzeugnisses bestehe daher nicht.

Das Berufungsgericht änderte über Berufung des Klägers dieses Urteil im klagestattgebenden Sinn ab. Die Frage, ob ein Dienstzeugnis gesetzeskonform iSd § 39 AngG ausgestellt worden sei, sei eine Rechtsfrage, die sich aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht beantworten lasse. Dies sei jedoch im konkreten Fall nicht erheblich, weil das Erschwernisverbot vom Arbeitgeber verlange, dass er in das Dienstzeugnis keinerlei Angaben aufnehme, die geeignet seien, dem Arbeitnehmer die Erlangung einer neuen Arbeitsstelle zu erschweren. Dies betreffe auch die äußere Gestaltung des Dienstzeugnisses. Auch die Beurteilung der Frage, welches Datum ein Dienstzeugnis aufzuweisen habe, habe sich an diesen Grundsätzen zu orientieren. Nach herrschender deutscher Rechtsprechung zur vergleichbaren Bestimmung des § 630 BGB (§ 109d dGewO) habe der Arbeitnehmer zwar keinen Anspruch auf Ausstellung eines Zeugnisses mit einem bestimmten Datum oder auf Rückdatierung eines Dienstzeugnisses auf das tatsächliche Ende des Dienstverhältnisses. Im Fall der Änderung oder Berichtigung eines bereits ausgestellten Dienstzeugnisses vertrete die deutsche Rechtsprechung jedoch die Ansicht, dass das berichtigte Dienstzeugnis das Datum des ursprünglich und erstmals erteilten Dienstzeugnisses tragen müsse. So werde vermieden, dass Dritte von der Auseinandersetzung über das Zeugnis erfahren und für den Arbeitnehmer nachteilige Schlüsse ziehen. Der Eindruck, das Zeugnis sei erst nach einer Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber ausgestellt worden, entwerte das Zeugnis und sei geeignet, Misstrauen gegen seinen Inhalt zu erwecken. Die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall führe zum Ergebnis, dass die Beklagte, die dem Kläger über sein ‑ sei es nun gerechtfertigtes oder ungerechtfertigtes ‑ Ersuchen ein berichtigtes Dienstzeugnis ausgestellt habe, auch verpflichtet sei, dieses auf das ursprüngliche Ausstellungsdatum rückzudatieren. Da mit der Rückdatierung des Dienstzeugnisses auch keine Urkunde mit einem unwahren Inhalt hergestellt werde, sondern lediglich eine bereits erstellte Urkunde wahrheitsgemäß berichtigt oder geändert werde, liege auch keine drohende Strafbarkeit iSd § 293 StGB vor.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig, weil zur hier zu beurteilenden Rechtsfrage österreichische Rechtsprechung fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Der Inhalt des vom Kläger begehrten Dienstzeugnisses ist im Verfahren nicht strittig. Gegenstand des Rechtsstreits ist ausschließlich das Ausstellungsdatum des Dienstzeugnisses. Zutreffend ist, dass dazu bisher Rechtsprechung fehlt.

2. Der Arbeitgeber ist gemäß § 39 Abs 1 AngG verpflichtet, bei Beendigung des Dienstverhältnisses dem Angestellten auf Verlangen ein schriftliches Zeugnis über die Dauer und die Art der Dienstleistung auszustellen. Eintragungen und Anmerkungen im Zeugnis, durch die dem Angestellten die Erlangung einer neuen Stelle erschwert wird, sind unzulässig. Das Erschwernisverbot gilt auch für Fragen der formalen Ausfertigung des Dienstzeugnisses (vgl 8 ObA 217/00w = SZ 74/42; Reissner in ZellKomm § 39 AngG Rz 24).

3. Über die äußere Form des Arbeitszeugnisses bestimmt § 39 AngG lediglich, dass dieses schriftlich auszustellen ist (Reissner aaO § 39 AngG Rz 22). Schon aufgrund des urkundlichen Charakters des Zeugnisses (als Privaturkunde iSd § 294 ZPO) gehört zum allgemeinen Zeugnisinhalt auch die Angabe des Ausstellungsdatums und des Ausstellungsorts (Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis 84). Eine gesetzliche Regelung, wonach das Zeugnis ein bestimmtes Datum ‑ etwa den Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ‑ zu tragen hätte, besteht nicht. Aus § 39 AngG ergibt sich, dass ein Dienstzeugnis nur über Verlangen des Arbeitnehmers auszustellen ist. Mangels Vorliegens einer Sonderregelung ist der Arbeitnehmer gemäß § 1478 ABGB durch 30 Jahre hindurch berechtigt, die Ausstellung des Dienstzeugnisses nachzufordern (8 ObA 217/00w), sodass das Ende des Arbeitsverhältnisses und der Tag der Ausstellung eines Dienstzeugnisses auch nach der Intention des Gesetzgebers durchaus weit auseinanderfallen können.

4. Entsprechend dem allgemeinen Grundsatz der Zeugniswahrheit ist stets das Datum des tatsächlichen Ausstellungstags im Zeugnis anzuführen. Grundsätzlich sind Vor‑ und Rückdatierungen demnach unzulässig (Runggaldier/Eichinger aaO 84; ebenso zum deutschen Recht Wank in Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht I3 § 105 Rz 13; Müller‑Glöge in Erfurter Komm zum Arbeitsrecht11 § 109 GewO Rz 12 jeweils mwH).

5. Auch das deutsche Bundesarbeitsgericht (BAG) führt in seiner Entscheidung vom 9. 9. 1992, 5 AZR 509/91 ausdrücklich aus, dass es im redlichen Geschäftsverkehr üblich ist, schriftliche Erklärungen unter dem richtigen Datum auszustellen, also dem Datum, an dem sie abgegeben werden. Eine Ausnahme sah es nur für den von ihm in dieser Entscheidung zu beurteilenden Sonderfall vor, in dem ein bereits erteiltes Zeugnis vom Arbeitgeber inhaltlich geändert oder nachträglich berichtigt wird. In einem solchen Fall sei das berichtigte Zeugnis auf das ursprüngliche Ausstellungsdatum rückzudatieren, wenn die verspätete Ausstellung nicht vom Arbeitnehmer zu vertreten ist (kritisch van Venrooy, AP Nr 19 zu § 630 BGB; unter Berufung auf diese Entscheidung führen dies für das österreichische Recht auch Cerwinka/Knell/Schranz, Dienstzeugnisse2, 13 aus). In dem vom BAG entschiedenen Sachverhalt endete der Arbeitsrechtsstreit zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags allerdings mit einem gerichtlichen Vergleich, in dem ‑ anders als im nunmehr zu entscheidenden Sachverhalt ‑ ausdrücklich vereinbart wurde, dass sich die beklagte Arbeitgeberin verpflichtet, das der Klägerin bereits einmal ausgestellte Dienstzeugnis, dessen Ausstellungsdatum im Vergleich ausdrücklich genannt wurde, zu diesem Datum abzuändern.

6. Die Beklagte hat demgegenüber unstrittig zu keinem Zeitpunkt vor dem Oktober 2005 ein Dienstzeugnis ausgestellt. Der das arbeitsgerichtliche Verfahren beendende Vergleich vom 26. 9. 2005, in dem die Streitteile die einvernehmliche Lösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. 7. 2005 vereinbarten, enthielt keine Vereinbarung über die Ausstellung eines (mit einem bestimmten Ausstellungsdatum versehenen) Dienstzeugnisses. Für das Begehren des Klägers auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses mit dem Ausstellungsdatum 31. 7. 2005 fehlt es daher selbst dann an einer Rechtsgrundlage, wenn man die in der zitierten Entscheidung des BAG aufgestellten Grundsätze anwenden wollte. Daran ändert auch nichts, dass das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob das erstmals mit „Oktober 2005“ datierte Dienstzeugnis ordnungsgemäß war oder nicht. Denn selbst wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, braucht es im konkreten Fall keine Auseinandersetzung mit der Frage, ob allenfalls eine Berichtigung des Ausstellungsdatums des Dienstzeugnisses auf „Oktober 2005“ möglich wäre, weil der Kläger kein dahin gehendes Klagebegehren erhoben hat.

7. Ausgehend davon erweist sich jedoch das Klagebegehren als nicht berechtigt. Einer näheren Auseinandersetzung mit der Möglichkeit der Strafbarkeit des Arbeitgebers gemäß § 293 StGB bedarf es daher hier nicht. Der Revision ist Folge zu geben und das klageabweisende Urteil des Erstgerichts wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die in der Revision geltend gemachte Pauschalgebühr war gemäß TP 3 Anm 5 GGG nicht zuzuerkennen.

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