OGH 8ObA217/00w

OGH8ObA217/00w8.3.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter SR Dr. Raimund Kabelka und Wilhelm Hackl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. Renate G*****, vertreten durch Dr. Peter Kaltschmid, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hubert Tramposch, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ausstellung eines Dienstzeugnisses, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Juni 2000, GZ 15 Ra 62/00f-9, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. Mai 2000, GZ 42 Cga 228/99x-5, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.436,48 (darin S 406,08 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 1. 3. 1995 bis 7. 6. 1996 bei der beklagten Partei als Angestellte beschäftigt.

Mit Schreiben vom 9. 11. 1999 forderte der Klagsvertreter den vormaligen Rechtsvertreter der beklagten Partei auf, für die Klägerin ein den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Dienstzeugnis zu übermitteln, wobei als Beschäftigungszeitraum 1. 3. 1995 bis 7. 6. 1996 und als Beschäftigungsart "Angestellte" aufzuscheinen habe. Auf dieses Schreiben, in welchem ein Frist bis zum 15. 11. 1999 gesetzt war, reagierte die beklagte Partei vorerst nicht. Nach Klagseinbringung auf Aufstellung eines derartigen Dienstzeugnisses am 9. 12. 1999 trat Ruhen des Verfahrens ein, weil der Beklagtenvertreter die Ausstellung des gewünschten Dienstzeugnisses zugesagt hatte.

Mit Schreiben vom 7. 1. 2000 übermittelte der nunmehrige Beklagtenvertreter ein Dienstzeugnis an den Klagsvertreter, welches lautet wie folgt:

"Dienstzeugnis

Renate B***** war bei der Tiroler Gebietskrankenkasse als Angestellte vom 1. 3. 1995 bis 7. 6. 1996 gemeldet; und beschäftigt war.

Innsbruck, 29. Oktober 1999

Firmenstempel und Unterschrift der beklagten Partei."

Mit Schreiben vom 11. 1. 2000 machte der Klagevertreter den Beklagtenvertreter darauf aufmerksam, dass diese Textierung nicht den gesetzlichen Mindesterfordernissen entspreche, ein korrektes Dienstzeugnis hätte wie folgt zu lauten:

"Frau Mag. Renate G*****, geborene B*****, war in unserem Betrieb vom 1. 3. 1995 bis 7. 6. 1996 als Angestellte beschäftigt."

Zugleich sandte er das Original-Dienstzeugnis zurück.

Mit Schreiben vom 6. 4. 2000 wurde dem Klagsvertreter das vormalige Original-Dienstzeugnis wieder zugeschickt, wobei sich nun auf der gleichen Urkunde unterhalb des Firmenstempels der beklagten Partei folgender Passus befand:

"Dienstzeugnis

Mag. Renate G*****, geborene B*****, war vom 1. 3. 1995 bis 7. 6. 1996 als Angestellte beschäftigt.

Innsbruck, 4.4.2000

Firmenstempel und Unterschrift der beklagten Partei."

Der Klagsvertreter bemängelte auch dieses Dienstzeugnis und forderte mit Schreiben vom 10. 4. 2000 letztmalig die Erstellung eines ordnungsgemäßen Dienstzeugnisses unter Fristsetzung bis zum 12. 4. 2000. Die beklagte Partei reagierte nicht, sodass die Klägerin am 14. 4. 2000 einen Fortsetzungsantrag stellte.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass am 6. 4. 2000 ein den gesetzlichen Erfordernissen entsprechendes Dienstzeugnis übersandt worden sei und die Fortsetzung des Verfahrens schikanös sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Begründung statt, das ergänzte Dienstzeugnis vom 4. 4. 2000 erfülle die gesetzlichen Erfordernisse nicht, da dort nur dem alten Dienstzeugnis ein neuer Passus hinzugefügt worden sei und so für jeden neuen Dienstgeber ersichtlich sei, dass es offensichtlich Probleme im Verhältnis zwischen der Klägerin und der beklagten Partei gegeben habe, weil sonst nicht zwei Dienstzeugnisse auf einer Urkunde ausgestellt worden wären. Dadurch werde das Erlangen einer neuen Stelle für die Klägerin erschwert.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Es meinte, das Dienstzeugnis entspreche schon deshalb nicht den gesetzlichen Erfordernissen, weil nicht aufscheine, bei wem die Klägerin im genannten Zeitraum beschäftigt gewesen sei. Dies sei jedoch einer der Hauptpunkte eines Dienstzeugnisses; es könne von einem potenziellen neuen Dienstgeber wohl nicht verlangt werden, dass dieser versuche, aus anderen Teilen des Zeugnisses als dem Text herauszufinden, wo die Bewerberin beschäftigt gewesen sei. Da das Dienstzeugnis bereits in diesem Punkt nicht den gesetzlichen Erfordernissen entspreche, sei auf einen etwaigen Verstoß gegen das Erschwerungsverbot nicht näher einzugehen. Das Begehren der Klägerin verstoße auch nicht gegen das Schikaneverbot, weil es der beklagten Partei ein Leichtes gewesen wäre, dem Verlangen nach Ausstellen eines den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden Dienstzeugnisses nachzukommen und lediglich nochmals S 180 an Bundesstempelmarken angefallen wären.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Revision zuzulassen und die Entscheidung im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, einerseits weil die vom Berufungsgericht zur Klagsstattgebung herangezogene Begründung unhaltbar ist, andererseits deshalb, weil nahezu keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu nachteiligen Wirkungen eines Dienstzeugnisses vorhanden ist; sie ist aber nicht berechtigt.

Es ist der revisionswerbenden beklagten Partei zuzugestehen, dass sich aus dem ergänzten Dienstzeugnis vom 4. 4. 2000 im Zusammenhang mit dem Firmenstempel eindeutig ergibt, dass die Klägerin bei der beklagten Partei beschäftigt war; eine Klagsstattgebung aus diesem Grund wäre nicht berechtigt. Der Name des Arbeitgebers muss im eigentlichen Text des Dienstzeugnisses nicht nochmals aufscheinen, wenn das Dienstzeugnis entweder auf dem Briefkopf des Arbeitgebers geschrieben wurde oder wie hier mit einer deutlich lesbaren Firmenstampiglie versehen ist, weil dann kein Zweifel bestehen kann, dass der im Dienstzeugnis genannte Dienstnehmer in der dort genannten Zeit in der dort genannten Funktion bei dem aus dem Briefkopf oder der Stampiglie zu ersehenden Arbeitgeber beschäftigt war.

Die Klagsstattgebung ist jedoch aus dem vom Erstgericht herangezogenen Grund berechtigt; die äußere Gestaltung des Dienstzeugnisses - zwei Dienstzeugnisse auf einer Urkunde, das erste dazu sichtlich noch nachträglich ergänzt - ist objektiv geeignet, das Erlangen einer neuen Stelle, für die Klägerin zu erschweren, weil es auf Divergenzen zwischen der Klägerin und ihrem ehemaligen Dienstgeber schließen lässt.

Nach § 39 AngG bzw § 1163 ABGB besteht bei Beendigung des Dienstverhältnisses ein Anspruch des Dienstnehmers auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses, das Dauer und Art der Dienstleistung enthält; Eintragungen und Anmerkungen im Zeugnis, durch die dem Dienstnehmer die Erlangung einer neuen Stelle erschwert wird, sind unzulässig. Der Dienstgeber ist nur verpflichtet, ein einfaches Dienstzeugnis auszustellen; der Anspruch auf ein qualifiziertes Dienstzeugnis im Sinn des deutschen Rechts ist der österreichischen Rechtsordnung fremd (9 ObA 185/99t = DRdA 2000, 176). Grundsätzlich hat der Dienstgeber die konkret ausgeübte Tätigkeit des Dienstnehmers anzugeben. Der Dienstnehmer kann sich aber auch damit begnügen, dass sich die Umschreibung in einer vagen Berufsbezeichnung, wie "Angestellter" erschöpft. Genau ein solches Dienstzeugnis begehrt die Klägerin, sodass auf die damit zusammenhängende Problematik nicht eingegangen zu werden braucht (dazu Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht8 698 f; Eypeltauer, Rechtsprobleme des Arbeitszeugnisses, DRdA 1992, 19 [21]; Runggaldier/Eichinger, Arbeitszeugnis 85 ff). Die Hauptfunktion eines Dienstzeugnisses besteht in seiner Verwendung als Bewerbungsunterlage im vorvertraglichen Arbeitsverhältnis. Es dient dem Stellenbewerber als Nachweis über zurückliegende Arbeitsverhältnisse und dem präsumtiven Arbeitgeber als Informationsquelle über die Qualifikation des Bewerbers (9 ObA 205/98g = JBl 1999, 675). Deshalb hat es, wobei die Formulierung dem Dienstgeber vorbehalten ist, vollständig und objektiv richtig zu sein (9 ObA 185/99t = DRdA 2000, 176). Der Inhalt des Dienstzeugnisses muss wahr sein, sodass etwa ein Dienstnehmer eine Formulierung, dass das Dienstverhältnis durch Austritt beendet wurde, keinesfalls hinnehmen muss, wenn dies unrichtig ist (8 ObA 27, 28/93 = RdW 1993, 252), sodass der Oberste Gerichtshof in dem eben genannten Fall eine Auseinandersetzung mit dem Erschwernisverbot für nicht notwendig ansah.

Zum Erschwernisverbot gibt es nahezu keine oberstgerichtliche Rechtsprechung; die jüngste Entscheidung erging vor mehr als 35 Jahren (4 Ob 14/54 = Arb 5958), sodass eine nochmalige Befassung mit dieser Frage geboten erscheint.

In dieser Entscheidung führte der Oberste Gerichtshof aus, dass er die Ansicht des Berufungsgerichtes nicht teilen könne, dass ein Zeugnis über die Zeit, in der der Dienstnehmer keine Dienste leistete, nicht auszustellen sei. Wenn zum Beispiel ein Angestellter während einer zehnjährigen Dienstzeit durch fünf Krankheitsfälle vorübergehend an der Dienstleistung verhindert gewesen sei, so sei ihm nicht ein Zeugnis für sechs begrenzte Zeiträume auszustellen. Häufige und längere Krankheiten, die auf solche Weise im Zeugnis zum Ausdruck kämen, Zeiträume, in denen der Dienstgeber auf eine Dienstleistung verzichtet habe, kämen damit im Zeugnis wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck. Zeugnisse dieser Art seien geeignet, dem Dienstnehmer die Erlangung einer neuen Stelle zu erschweren.

Dieser Ansicht ist auch heute zu folgen. Das Dienstzeugnis darf auch nicht indirekt Angaben enthalten, die objektiv geeignet wären, dem Dienstnehmer die Erlangung einer neuen Dienststelle zu erschweren. Nicht gestattet sind, wie bereits erwähnt (4 Ob 14/54 = Arb 5958), Bemerkungen über Krankenstände oder die Bemerkung, dass das Dienstverhältnis wegen Kränklichkeit des Dienstnehmers aufgelöst wurde (OGH 20. 2. 1912, zitiert nach Schwarz/Löschnigg aaO 700), oder der Hinweis darauf, dass der Dienstnehmer seine gewerkschaftliche Zugehörigkeit und die daraus erflissenden Rechte und Pflichten äußerst ernst nimmt. Angaben über die Ursache der Lösung, über geringe Rentabilität der Arbeitsleistung, über die Tätigkeit als Betriebsrat sowie über die Mitgliedschaft zu einer Gewerkschaft sind gleichfalls zu unterlassen. Auch die Art der Lösung, insbesondere der Hinweis auf eine gerechtfertigte Entlassung hat zu unterbleiben (Schwarz/Löschnigg aaO 700; siehe auch die Beispiele bei Krejci in Rummel ABGB I3 Rz 10 zu § 1163 ABGB, und Eichinger, Anforderungen an dem Inhalt eines Dienstzeugnisses, RdW 1995, 347). In diesem Sinn wäre wohl auch die in der Entscheidung 9 ObA 27, 28/93 = RdW 1993, 252 offen gelassene Frage zu lösen gewesen; auch der vom Dienstgeber gegebene Hinweis auf den Austritt des Dienstnehmers ist objektiv geeignet, den Eindruck eines Zerwürfnisses mit dem Dienstgeber zu erwecken.

Gleiches gilt - wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat - auch im vorliegenden Fall. Aus diesem Dienstzeugnis ist nämlich für jeden neuen Dienstgeber im Zuge einer Bewerbung ersichtlich, dass es offensichtlich Probleme im Verhältnis zwischen der Klägerin und der beklagten Partei gab, weil sonst nicht zwei Dienstzeugnisse auf einer Urkunde ausgestellt worden wären. Dadurch wird aber das Erlangen einer neuen Stellung für die Klägerin erschwert. Die Ausführungen der beklagten Partei in ihrer Revision, diese Art des Dienstzeugnisses sei eher positiv zu werten und geeignet, die Erlangung einer neuen Stelle zu erleichtern, weil es den Eindruck erwecke, dass zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer ein konstruktives Arbeits- und Gesprächsklima geherrscht habe, da die missverständliche Textierung unbürokratisch und kostensparend abgeändert worden sei, kann nur als ungeeigneter Versuch, den Prozessverlust doch noch zu verhindern, gewertet werden. Bei gutem Einvernehmen ist vielmehr zu erwarten, dass der Dienstgeber im Falle einer missverständlichen Formulierung ein neues, "neutrales" Zeugnis ausstellt.

Die Klägerin hat daher Anspruch auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses mit dem von ihr gewünschten - nur die Berufsbezeichnung und die Dauer der Beschäftigung umfassenden - Text auf einer eigenen Urkunde.

Auch dadurch, dass das Dienstverhältnis der Klägerin lange Zeit zurückliegt und dieses Dienstzeugnis nicht unmittelbar für die Erlangung eines anschließenden Dienstverhältnisses gebraucht wird, ändert sich nichts. Die Verjährungsfrist beträgt 30 Jahre (Schwarz/Löschnigg aaO 699). Bei jeder neuen Bewerbung sind üblicherweise sämtliche vorhandenen Dienstzeugnisse vorzulegen. Die Klägerin hat deshalb Anspruch darauf, auch noch jetzt noch von der beklagten Partei ein ordnungsgemäßes Dienstzeugnis ausgestellt zu erhalten, um lückenlos ihre Beschäftigung dokumentieren zu können. Dies ist bislang nicht erfolgt. Schikane liegt daher nicht vor.

Vollständigkeitshalber ist auch noch festzuhalten, dass die Klägerin einen Anspruch auf Aufstellung eines Zeugnisses in natura hat, und das klagsstattgebende Urteil in einem solchen Fall ausnahmsweise nicht gemäß § 367 EO die Abgabe der Willenserklärung ersetzen kann, weil die Vorlage eines klagsstattgebenden Urteils erst Recht geeignet wäre, die Erlangung eines neuen Dienstposten zu erschweren: Die Vorlage eines Urteils lässt nur den Schluss zu, dass sich der Dienstgeber geweigert hat, ein solches Dienstzeugnis auszustellen; die - wenn auch gerechtfertigte - Verfolgung der Ansprüche mit Hilfe des Gerichtes könnte einen neuen Dienstgeber erst Recht abschrecken, die Klägerin zu beschäftigen. Kommt der ehemalige Dienstgeber trotz rechtskräftiger Verurteilung der Verpflichtung zur Ausstellung des Dienstzeugnisses in der ihm aufgetragenen Form nicht freiwillig nach, ist das Urteil gemäß § 354 EO zu vollstrecken (Martinek/Schwarz/Schwarz AngG7 736).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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